Dirk Niebel – der schlechteste Bundesminister aller Zeiten?

Guidos Schoßhund wird losgelassen

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Dirk Niebel hatte als neuer Chef des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) einen unglaublichen Fehlstart hingelegt. Westerwelles marktradikaler Schoßhund, der immer dann von der Leine gelassen wurde, wenn Guidos Tonfall noch zu wenig schrill, noch zu nüchtern und noch zu sachlich erschien, und sich dann als überaus aggressiv und beißwütig entpuppte,  übernahm damit ausgerechnet das Ministerium, für dessen Abschaffung er sich zuvor energisch eingesetzt hatte. Von der fachlichen Kompetenz gab es wohl selten einen Minister, der unqualifizierter war – und sicher keinen, dem sein Ressort so wenig am Herzen lag. Er selbst gab auch zu, “Neuling zu sein” auf diesem Gebiet. So kann man es natürlich auch ausdrücken.

Die ersten Schritte: Hilfsorganisationen drohen, von Spenden abraten, Aufgaben umdefinieren

Und dann ging es los. In den ersten Monaten seiner Amtsführung hat er wohl mehr in einem Ministerium kaputt gemacht als irgend jemand anderes zu vor. Er machte sich mit diversen Drohungen gegen Hilfsorganisationen nahezu alle entwicklungspolitischen Akteure zum Feind – so wollte er etwa Hilfsorganisationenin Afghanistan keine finanziellen Mittel mehr zukommen lassen, wenn sie nicht mit dem Militär kooperieren. Er trat strikt gegen eine Finanzmarktsteuer ein – deren Einnahmen den Entwicklungsländern zu Gute kommen würden. Erst im Januar besuchte Niebel zum ersten mal Afrika – und brachte außer ein paar Fotos, auf denen er mit seiner Militärmütze und der vollverspiegelten Sonnenbrille keine allzu guten Assoziationen hervorbrachte, nicht viel zu Stande. Nach dem Erdbeben in Haiti riet er davon ab, zu spenden.

Er führt in vielem die neoliberale Politik der Washington Consensus-Ära fort, die wegen ihrer verheerenden Auswirkungen selbst bei Weltbank und IWF inzwischen größtenteil in Verruf geraten sind. Und dann polterte er, sein Ministerium sei “kein Weltsozialamt” – er versteht seine Aufgabe in allererster Linie in der Förderung der deutschen Wirtschaft. Neben der Rüstungsindustrie kommt dabei auch etwa die Pharmaindustrie gut weg.

Weniger Entwicklungshilfe: Versprochen, gehalten!

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14 Millionen Euro aus dem Entwicklungsetat stellte er für den Ankauf deutscher Impfdosen zur Bekämpfung der Schweinegrippe in Afrika zur Verfügung – als ob es keine dringenderen Probleme oder eine sinnvollere Verwendung für das Geld gegeben hätte, wendeten etwa Brot für die Welt und die Diakonie Katastrophenhilfe ein.

Niebel hatte im Bundestagswahlkampf eine Senkung der Entwicklungshilfe gefordert – und es nun wahrgemacht. Als eines der wenigen Industrieländer löst Deutschland seine finanziellen Zusagen an die Entwicklungsländer nicht ein, beklagt die OECD. Statt 0,51 % stellt es nur 0,4 % seines BIP zur Verfügung. Damit wird man kaum die Zusagen zu den UN-Milleniumszielen einhalten können.

Niebels Ministerium: Parteiloyalität kommt vor Kompetenz

Zudem hat Niebel in seinem Ministerium einen bisher beispiellosen personellen Kahlschlag vollzogen. Fast alle leitenden Posten des Ministeriums wurden mit durchweg unerfahrenen FDP-Parteikadern, vornehmlich Lokal- und Landespolitikern (fachlich oft im Bereich Mittelstandsförderung) besetzt. Die Fachkompetenz fast aller tendiert gegen den Nullpunkt – wie bei ihrem Chef. Vor den Mitarbeitern sagte Niebel offen: “Loyalität kommt vor Fachlichkeit”. Selbst der Personalrat des Ministeriums beklagt jetzt, dass mit nunmehr zehn externen Besetzungen in kurzer Zeit die Grenze erreicht sei, und, ganz diplomatisch ausgedrückt, die institutionellen Kenntnisse und fachlichen Erfahrungen der Mitarbeiter nicht ungenutzt bleiben dürften. Von strategischen Beratungen werden die Fachleute ausgeschlossen, das Besprochene bleibt innerhalb eines Klüngels enger Vertrauter. Und selbst den wissenschaftlichen Beirat des Ministeriums hat Niebel stillgelegt und will ihn auflösen.

Hauptmann Niebels Nebenverteidigungsministerium

Niebel ersetzt durchweg kompentente Mitarbeiter durch ihm treu ergebene, aber weder entwicklungspolitische Erfahrungen noch Kenntnisse aufweisende Freunde aus der Partei – und “Kameraden” aus dem Militär. Denn nun will Niebel einen alten Bundeswehrkumpel, nämlich den Oberst, der ihm die Deinstschlaufen anlegte, als er zum Hauptmannd der Reserve befördert wurde, zum Abteilungsleiter machen – das Haus brauche mehr Militärkompetenz. Die Militarisierung der Entwicklungspolitik soll jetzt auch personell vollzogen werden. Beide Staatssekretäre und bald sämtliche Abteilungsleiter sind nun ehemalige Parteifunktionäre und Niebelvertraute – nur einer fehlte noch, und das ist eben dieser Posten (Abteilung 03). Doch es kommt noch mehr hinzu: dieser Oberst, Friedel H. Eggelmeyer, war Kommandeur eines Panzerbataillons, das Wehrmachtssymbole als Verbandsabzeichen verwendet. Die “braune Palme” sei “dem Wappen des Panzerregiments 5 des Deutschen Afrika-Korps entlehnt” und solle die Nähe zum Afrika-Corps der Wehrmacht symbolisieren, gibt der “Freundeskreises Panzerbataillon 33” offen zu. Dieser wurde 1989 von Eggelmeyer zusammen mit ehemaligen Wehrmachtssoldaten gegründet. Und ausgerechnet dieser Oberst soll zukünftig auch noch für die Gebiete Afrika und Naher Osten zuständig sein – ein deutlicheres Zeichen wäre wohl kaum denkbar gewesen.

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Das BMZ als FDP-Geschäftsstelle

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Die Ereignisse der letzten Tage lösen auf allen Seiten der Politik deutliche Kritik aus. Claudia Roth (Die Grünen) warnt davor, das BMZ zu einer “FDP-Geschäftsstelle” und einem “Auffangbecken für alte FDP-Freunde und Bundeswehr-Kameraden”  zu machen, es dürfe keine Klientel-Bedienungsanstalt für den ehemaligen FDP-Generalsekretär werden. Heike Hänsel (Die Linke) bezeichnet Niebel als “Rambo der Entwicklungszusammenarbeit”.
“Bei der FDP werden jetzt viele so lange befördert, bis sie die höchste Stufe ihrer Inkompetenz erreicht haben”, beklagt Sascha Raabe (SPD) die Schaffung von Versorgungsposten. Und selbst CDU und CSU mahnen, man dürfe nicht alle Experten durch persönlich Vertraute ersetzen.

Entwicklungspolitik als Niebelsache

Es ist besonders traurig, dass gerade eine Institution, die ja den Allerbedürftigsten auf der Welt helfen soll, von einem verkommenen Haufen von eitlen Berufskarrieristen, die auch nicht den geringsten Hauch von ethischen Überzeugungen bestitzen, für ihre Vetternwirtschaft missbraucht wird. Niebel ist jede Entwicklungshilfe egal, das hat er immer klar gesagt. Er ist der personifizierte Stinkefinger, der sich den Entwicklungsländern entgegen reckt. Und nachdem er es nicht geschafft hat, dass Entwicklungsministerium und möglichst auch die Entwicklungshilfe komplett abzuschaffen, nutzt er es jetzt, um ein bisschen den deutschen Mittelstand, die deutsche (Rüstungs-) Industrie und die Bundeswehr zu fördern – und als Versorgungspostenlieferant für unqualifizierte FDP-Karrierekader. Versorgungskumpanei und Seilschaften statt Entwicklungspolitik und Hilfe für die Ärmsen der Welt. Er hat es geschafft, jegliche Expertise und Unabhängigkeit aus den oberen Ebenen seines Ministeriums zu beseitigen. So kann man unbehelligt von störendem Fachwissen den neu gewählten Aufgaben nachgehen. Die meisten Wähler stört es ja nicht weiter. Und wenn weltweit Not und Hilfsbedürftigkeit wachsen, ist das für ein Entwicklungsministerium unter FDP-Führung auch nebensächlich, wenn man gerade einen guten Deal für die Privatwitschaft abgeschlossen hat – denn wozu ist man sonst da? So sieht Entwicklungspolitik aus, wenn sie zur Niebelsache geworden ist. Dirk Niebel ist wohl der unfähigste Minister in der Gechichte der Bundesrepublik. Und vielleicht ist er auch der gewissenloseste.

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Bildquellen:

(1) Claus-Joachim Dickow / CC-BY-SA 3.0

(2) Claus-Joachim Dickow / CC-BY-SA 3.0

(3) http://www.flickr.com/photos/dunechaser/ / CC BY-NC-SA 2.0

(4) http://www.flickr.com/photos/11742539@N03/ / CC BY-SA 2.0

(5) Wikipedia (User:Qualle) / CC-BY-SA 3.0 Unported

Dieser Artikel ist auch erschienen beim binsenbrenner.de und beim Oeffinger Freidenker.

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