“Ich tue hier nur meinen Job!” oder ” Ich tu hier nur meinen verdammten Job!” Nein, diese Sätze, die immer dann benutzt werden, um eine moralische Verantwortung zu leugnen, um eigene Schuld zu bestreiten, um sich selbst zu einem Werkzeug zu diskreditieren, um Zweckrationalität heilig zu sprechen, nein, diese Sätze bewirken bei mir das Gegenteil von dem, was sie bewirken sollen. Sie sind keine Legitimation unmoralischen Handelns – sie sind der Ausdruck, wie weit sich ein unmoralisches System durchgesetzt hat bis zum Selbstbetrug des Einzelnen.
“Ich tue nur meinen Job!” Gerade in Ländern, in denen es zwar nicht angenehm, aber eben auch nicht gerade tödlich ist, einen bestimmten Job nicht zu tun, ist dieser Satz eben nicht immer eine Rechtfertigung für jegliche Taten, die “man eben tun muss”. Besonders absurd natürlich, wenn dieser Satz von denen gesprochen wird, die aufgrund ihrer Qualifikation einen beliebigen anderen Job bekommen könnten. Von skrupellosen Managern, gnadenlosen Offizieren, gewissenlosen Lobbyisten. “Ich hab ja auch meine Hypotheken abzuzahlen!” “Ich bin dafür ja nicht verantwortlich!” Keiner wäre danach verantwortlich. Und alle waren Widerstandskämpfer.
“Ich tue nur meinen Job!” Vom alten “Ich erfülle hier nur meine Pflicht” abgelöst durch die amerikanische “Leitkultur”. Die blinde Autoritätshörigkeit und ein diffuses Gefühl der Pflichterfüllung des deutschen, speziell des preußischen Beamtentums, die an sich schon Instrumente der Unterdrückung und Freiheitsberaubung waren, wurden abgelöst durch eine von aller Verantwortung gelöste neue Moral – die des bloßen Geldverdienens. Das Geldverdienen legitimiert alles. Ethische Werte und Überzeugungen zählen nichts. Der Zwang dazu setzt sich bis ins Innerste des Menschen durch. Die heutige Unterdrückung ist keine äußere, sie ist eine psychologische. Alles, was einer kalten, auf die Vermehrung des persönlichen Reichtums fixierten Zweckrationalität im Wege steht, soll ausgeräumt, alles sensible, alles mitmenschliche und solidarische, alles Schwache soll ausgemerzt werden. Die narzisstische Persönlichkeit ist gefangen zwischen grenzenloser Selbstüberschätzung und der Erfahrung von tatsächlicher relativer Ohnmacht. Dies führt zum Willen zur Verschmelzung mit dem herrschenden System.
“Es ist sein Beruf” Irgendwie kann man daraus noch das Wort “Berufung” ablesen. Eine Aufgabe, mit der man sich identifiziert, die einen Zweck erfüllt, einen Sinn hat und stiftet. Der fortgeschrittene Kapitalismus kennt diese Art von Erfüllung oder wirklicher Selbstverwirklichung durch einen bestimmten Beruf nicht. Selbstverwirklichung soll nur in einem gefüllten Bankkonto bestehen, alles andere steht dem Fortschritt im Wege.
“Es ist sein Job” ist das sprachliche Äquivalent zu einem amoralischen, einzig auf Verwertung ausgelegtem ökonomischen und gesellschaftlichen System. In diesem muss man flexibel sein, alle, wirklich alle Aufgaben auszuführen, die einem befohlen werden, was nicht nur eine qualifikatorische, sondern bei vielen Aufgaben auch eine moralische Flexibilität verlangt. Wo wäre diese Gesellschaft, wenn sich kein Pressesprecher mehr für Monsanto, kein Lobbyist für die Rüstungsindustrie, kein Mediziner, der sich von der Tabaklobby kaufen ließe, kein Politiker, der den Dienst am Volk dem Dienst an seiner Karriere opfert, finden ließe?
Genug Geld rechtfertigt alle Tätigkeiten. Hauptsache, man wird bezahlt. Hauptsache, man “tut seinen verdammten Job”. Wo käme die Gesellschaft hin, wenn nicht jeder seinen Job täte? Wenn er seine Arbeitsweise oder die Aufgabenstellung hinterfragen würde? Wenn er gar eine moralische Rechtfertigung seines Tuns verlangen würde?
Das System ist mächtig, doch seine Macht beruht auch auf dem Einzelnen, der diese hinnimmt, sich dieser unterwirft. Gibt es wirklich kein richtiges Leben im falschen?
Nun, mein Guter – auch Du und ich versuchen doch nur, “unseren Job zu tun” 😉 Andere verstehen halt unter ihrem Job was anderes als wir und es liegt imo an uns, ihnen durch unseren Job zu verdeutlichen, wie schief sie da oft liegen.
LG
Frank
Ja, aber ich denke, wir sehen das als eine wirkliche Aufgabe, einen “Beruf” – auch wenn man dafür nicht bezahlt wird 😉
Und das Problem ist doch, dass viele einen Job annehmen nicht wegen einer Aufgabe, die sie in dessen Erfüllung sehen, sondern nur wegen der Entlohnung, unabhängig, wie scheußlich dieser Job auch sein mag.
Manchmal muss man da auch bei Einzelnen den Finger in die Wunde legen.
Das alles gilt natürlich nur bei gegebenen Alternativen (wobei ich bei den gewählten Besipielen zu achten versucht habe).
Ja, den sprachlichen Untersched zwischen Beruf und Job habe ich auch schon mal irgendwo verhackelt, es ist genau so, wie Du es sagst.
@ Frank, das ist aber was anderes, ob Du etwas machst, weil Du es willst oder für nötig hältst, oder weil man es Dir anschafft, und das meint Markus doch.
Egal – wer hat schon die Möglichkeit, zu machen, was er am besten kann, will und was ihm sinnvoll erscheint? Sollte so sein, isses aber nicht. Weiter dran arbeiten.
Volle Zustimmung: wer “nur seine Pflicht tut”, benimmt sich nicht, wie es eines Menschen würdig ist. So jemand sollte durch einen Roboter ersetzt werden, der tut den Job nämlich billiger und besser.
Benehme ich mich wie ein Mensch, nicht wie eine Maschine, mutiere ich noch lange nicht zum Querulanten. Der Einsatz von Verstand, Abwägen von Positionen, etc. hat sich langfristig bewährt. Wichtig ist, dass ich am Ende hinter dem stehe, was ich tue.
Kann ich nicht dahinter stehen, darf ich es nicht tun. Danach zu handeln ist mitunter stressig, hat sich aber bewährt.
Leute die nur ihren Job machen, die vorher nichts merken und sich hinterher nicht erinnern können, gibts schon zu viele.
Wenn mir (mal wieder) irgend jemand diese “alles entschuldigende” Lebenslüge entgegen bringt (meist ja schon aus abgetöteter Empathie), dann frische ich die Unterhaltung durch eine verbale Provokation auf. Um meinem Gegenüber, wie einem kleinen Welpen durch “Schnautze in die Schei… stippen” auf seine Probleme hinzuweisen, ergänze ich die Phrase: Ich mach hier nur meinen Job… mit den Worten: …sagte der Kapo und schloß den Duschraum ab! Auf solche Sprüche kann man Imperien errichten!
Die daraus ergebenen Unterhaltungen, sind sehr aufschlußreich und wecken hoffentlich einige der “Schläfer” aus ihrem Selbstbetrug auf.
Ebenso interessant ist auch der Ausspruch: Ich kann ja nichts machen; ich bin ja hier nur das kleinste Rädchen. Denen rate ich dann immer, irgend ein Uhrwerk zu nehmen. Das kleinste Rädchen zu entfernen, um dann zu schauen, ob die gesamte Mechanik (überhaupt noch) fehlerfrei funktioniert.
Und alle “Berufs-Optimisten” sollten sich den Ausspruch: “Man MUSS doch positiv denken” einmal auf der Zunge zergehen lassen. Aber so etwas haben wir hier noch nie gemacht…
Man MUSS jeden Tag gegen diese Alltagslügen vorgehen. Darin sehe ich meinen Job.
Da wäre mir jetzt glatt ein “Beam me up @Scotty” rausgerutscht 😉
Will meinen, – dem kann ich nur aus vollem Herzen zustimmen. Zumindest ist es eine gesunde Möglichkeit, für ein richtiges Leben im Falschen.
Leider beherrsche ich die Technologie des Beamens noch nicht. Wär wohl für sehr viele “System-Fanatiker” auch nicht wünschenswert, scharenweise ins All gebeamt zu werden 😉
Wenn man in unserer Zeit die Probleme anspricht, weil man ja das Interesse hat Sie zu lösen und die Situation zu verbessern, dann trifft man zu Hauf auf Zwangshafte “Krampf-Optimisten”, die eben diese angesprochenen Phrasen mit aller Gewalt in die Welt setzen. Bitte eben nicht denen auf den Leim gehen und genau unterscheiden zwischen wirklichem und gutem Optimismus und dieser “Mutation der Sicht der Dinge”. Wenn die Gesamtlage besch… ist, dann verkehrt sich Optimismus in Selbstverarsc…!
Und wenn man mit offenen Herzen durch die Welt geht, fallen einem diese Phrasen, um von der eigenen Schuld abzulenken eben überall (und nicht nur bei einem selbst) auf. Leider sind wir dazu erzogen worden, immer einen Verantwortlichen “da oben” zu suchen. Ob nun gesellschaftlich, wirtschaftlich, politisch oder religiös. Auch wenn es weh tut: Wir (alle) sind das System! Aber deswegen könnten wir es auch so leicht ändern. Und wer will das schon? 😉
Der Unterschied zwischen (der heutigen verzerrten Einteilung in) Optimisten und Pessimisten besteht nur in der Größe derer Scheuklappen. Wer ein Problem nicht sieht oder sehen will, wird niemals in der Lage sein dieses Problem wirklich zu lösen. Sollte eigentlich jedem bewußt sein. Deshalb kann ich dem Thema dieses Blogs nur zustimmen: …Open your Eyes…