Wir kaufen uns eine Bundesregierung

Bananenrepublik Schland? (1)

Mehrere Ereignisse der letzten Wochen haben verdeutlicht, dass es der Bundesregierung nicht darum geht, ein bestimmtes politisches Programm umzusetzen – auch kein konservatives oder liberales (etwa die Durchsetzung freier Märkte), sondern nur um die Bedienung der Klientelinteressen bestimmter Gruppen. Das sind freilich nicht nur die Hotelbesitzer. Und freilich ist es zu kurz gedacht, zu vermuten, mit einem entsprechenden Betrag könne jeder die Regierung kaufen.

Die Gruppierungen und Organisationen, für die CDU, CSU und FDP Politik machen, sind vielmehr solche, mit denen diese Parteien über  viele verschiedene Konstellationen verbunden sind – seien es etwa Parteispenden oder andere finanzielle Verflechtungen, personelle Überschneidungen oder  auch (dies aber seltenerr) inhaltlich deckungsgleiche Ziele. Quasi natürlicherweise sind und waren dies immer die Großindustrie, die Finanzwirtschaft sowie die Selbstständigen der Oberschicht (Ärzte, Apotheker, Anwälte). Ob es sich im Einzelfall dann um Korruption oder Vorgänge, die man in Deutschland im offiziellen Sprachgebrauch nicht als Korruption bezeichnet, aber jeder weiß, das sie es sind, um Erpressung, um einen freiwilligen Kotau der Politiker vor den wahren Machthabern oder eine der vielen möglichen Mischformen handelt, ist oft schwer nachzuvollziehen, im Endeffekt aber von eher geringer Bedeutung. Um transparente und um demokratische Vorgänge handelt es sich aber nicht.

In den letzten Wochen kamen vor allem die Energiekonzerne und die Atomwirtschaft, Lobbygruppen Gesundheitssektor, v.a. von Pharmafirmen,  und schwächer die Luftfahrtunternehmen und die Banken in den Focus des öffentlichen Interesses und einer kritischen Betrachtung, auch in den eher regierungsfreundlichen Medien. Besonders die Dreistigkeit und Unverhohlenheit der Klientelpolitik unter der jetzigen Regierung ist dabei eine eher neue Entwicklung. Man macht sich nicht einmal mehr die Mühe, den Anschein zu erwecken, im öffentlichen Interesse oder für den Klimaschutz oder die Gesundheit oder gar für das Gemeinwohl zu handeln.

Der beschlossene Atom- bzw. Energiekompromiss ist nicht nur aufgrund des Weiterlaufens der Atomkraftwerke, sondern auch wegen der geringeren Förderung der regenerativen Energie ein Witz. Bei den Verhandlungen waren die großen Energiekonzerne und Atomkraftwerksbetreiber beteiligt, der Mittelstand, Firmen der alternativen Energiewirtschaft oder Umweltgruppen blieben vor der Tür – ja nicht einmal das Umweltministerium war zugegen. Die Rede von der Brückentechnologie kann unschwer als Alibi enttarnt werden, günstigere Preise für Verbraucher sind schlicht eine glatte Lüge: Den Atomkonzernen werden Gewinne in zweistelliger Milliardenhöhe zugeschanzt, die Energiepreise werden aufgrund des gleichbleibenden Preisfindungsmechanismus aber nicht sinken. Endgültig verraten hat man sich aber mit damit, dass man die Öffentlichkeit täuschte und die Konzerne in Wahrheit nur ein Viertel statt die Hälfte der gigantischen Gewinne an den Staat abführen müssen. und mit dem unsäglichen Geheim-Privat-Vertrag. Dass nicht die Konzerne, sondern der Staat für die Sicherheitsverbesserungen zahlen wird, und dies auch noch auf weitere Kosten der Förderung von alternativen Energien, die Atomsteuer bis 2016 begrenzt ist, die Konzerne bei einem früheren Ausstieg von den Abgaben befreit werden und noch weitere Aspekte der Vereinbarung sind allesamt Ausdruck, dass die Regierung hier ausschließlich im Interesse der Atomwirtschaft handelte.

Es ist bekannt, dass die Gesundheitspolitik das Feld ist, auf dem Lobbyisten aus unterschiedlichen Richtungen den meisten Einfluss auf die offiziellen Volksvertreter haben. Auch Philip Rösler konnte sich nicht gegen Vertreter von Pharmakonzernen, Krankenversicherungen usw. durchsetzen – und offenbar will er es gar nicht. Er arbeitet aktiv daran, die gesetzliche Krankenversicherung so unattraktiv wie möglich zu machen, etwa indem nur noch private Versicherungen Wahltarife anbieten dürfen sollen. Teile der Koalitionsvereinbarung wurden fast wörtlich von der Pharmaindustrie übernommen; und jetzt hat sie ihr Gesetz durchgesetzt, dass bei der Einführung von neuen Medikamenten nicht nur nach medizinischen, sondern auch nach politschen und ökonomischen Kriterien entschieden wird.

Würde einmal, rein theoretisch, ein Unions- oder FDP-Politiker für die Interessen der Kranken und gegen die der Pharmakonzerne eintreten, könnte er sich sicher sein, dass er mit fadenscheinigen Begründungen aus seinem Amt entfernt wird. Nicht nur etwa bei den Vorgängen rund um Sawicki fühlt man sich schon beinahe an einen autoritären Staat erinnert, der mit einer Heuchelei, bei der jeder weiß, dass es sich um eine Lüge handelt, erzählt hat, dass der Oppositionspolitiker ja tragischerweise  Selbstmord bagangen, einen Unfall gehabt oder selber in eine Kugel gerannt sei.

War das Sparpaket der Bundesregierung schon ursprünglich eine fast ausschließliche Belastung der Armen und Ärmsten, sind inzwischen auch fast alle Alibi-Belastungen der Privatwirtschaft verschwunden. Wenn bei Schwarz-Gelb mal eine so sinnvolle Maßnahme vorgesehen ist, wie, den Luftverkehr nicht mehr durch die Ausnahme von der Ökosteuer künstlich zu subventionieren, kann man sich ganz sicher sein, dass daraus nichts wird. Auch eine EU-weite stärkere Bankenregulierung wird es aller Wahrscheinlichkeit nach nicht geben. Natürlich, die Bundesregierung hatte angekündigt, auf europäischer Ebene entschieden dafür eintreten zu wollen, nachdem man Krokodilstränen geweint hatte, diese nicht international durchgesetzt haben zu können. Auch in der EU hatte man sich natürlich gaaanz entschieden dafür eingesetzt. Natürlich! Auch noch in vielen anderen Politikfeldern arbeitet Schwarz-Gelb für die Interessen mächtiger privater Interessen, anstatt ihre Aufgaben zu erfüllen. Dirk Niebel etwa benutzt das Entwicklungsministerium in erster Linie für die Erweiterung der Geschäftsfelder deutscher Großkonzerne statt für die Bekämpfung von Hunger udn Armut.

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Man kann sich sicher sein: Unter einer schwarz-gelben Regierung wird niemals – niemals! – gegen die Interessen der Energiewirtschaft, der Pharmakonzerne, der Banken oder anderer mächtiger Konzerne, wie etwa der Rüstungsindustrie, gehandelt werden. Niemals. Die Strukturen und Verbindungen sind viel zu verfestigt. Wenn einmal ein Nachwuchspolitiker auf die Idee kommen sollte, für die Interessen der Bevölkerungsmehrheit handeln zu wollen, wird er damit unweigerlich scheitern müssen. Er wird  es daraufhin aber nicht auf anderen Wegen versuchen, er wird auch nicht resignieren. Auch Philip Rösler hatte angekündigt, zurückzutreten, falls er seine Vorstellungen bei der Kopfpauschale nicht durchsetzen könnte. Nein, er wird sich anpassen, wird das erreichte, auch wenn es nicht seinen Positionen entspricht, als großen Kompromiss feiern – und wird weitermachen. Möglicherweise dann aber im Interesse der anderen Seite – derer, die die wirkliche Macht haben. Unser politisches System fördert  eben „Flexibilität“ bei politischen Positionen.

Links zum Thema:

Lobbyisten an der Macht (Frankfurter Rundschau)

Atombeschluss – im Kern fragwürdig? (Tagesschau.de)

Bilder:

(1) Quelle Banane: Wikimedia (User: Darkone) / http://creativecommons.org/licenses/by-sa/2.5/deed.en

(2) Flickr (x0801) / http://creativecommons.org/licenses/by-nc-sa/2.0/deed.de

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8 thoughts on “Wir kaufen uns eine Bundesregierung

  1. Pingback: martinhaase
  2. Pingback: Aleks A.
  3. Traurig, aber wahr.
    Dirk Niebel etwa benutzt das Entwicklungsministerium in erster Linie für die Erweiterung der Geschäftsfelder deutscher Großkonzerne statt für die Bekämpfung von Hunger und Armut.
    Dass steht für mich stellvertretend für die Normalität im marktwirtschaftlichen Denken dahinter. Die merkwürdige Konditionierung auf den Glauben, dass durch marktwirtschaftliche Interessen alle anderen Probleme gelöst werden. Unter dieser Prämisse war es dann über Jahrzehnte möglich, dass das Netz der Elitären sich im Eigeninteresse bilden konnte, und beim Stammtisch üblicherweise mit dem Satz beantwortet wird; “Das ist heute nun mal so”. Fatal.

  4. Stimmt leider und eigentlich war es schon immer so, zumindest ist das der Eindruck, den man gewinnt, wenn man sich Geschichte der Reichen und Mächtigen in diesem Land genauer anschaut. Sie hatten und haben zu allen Zeiten die besseren Kontakte zu den Leuten, die für die Regeln zuständig waren. Viele der aktuellen Milliardäre und derzeitigen Konzerne verdanken ihren Erfolg nicht zuletzt den “Investitionen in Menschen mit Zukunft und Einfluss”. Vielleicht fällt es im Moment nur stärker auf, weil im Gegensatz zu den vergangenen Jahrzehnten, heute auch das letzte bisschen Anstand abhanden gekommen ist und man sich schon gar keine Mühe mehr gibt, die Plutokratie nach Demokratie aussehen zu lassen.
    @antiferengi
    Der Markt löst alle Probleme und Fragen der Sozialpolitik erledigt sich durch den “trickle down” Effekt von selbst. Alles was wir tun müssen ist, optimale Bedingungen für die Rendite zu schaffen. Wir haben es hier mit religösen Fanatikern zu tun, den kein Preis für ihren Glauben zu hoch ist. Ein Ende, so fürchte ich, wird es nur noch aus technischen Gründen geben, nämlich dann, wenn die Kollateralschäden von den “Nützlingen” auch mit exorbitanter Verschuldung nicht mehr zu stemmen sind.

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