Die Ärzte: Deine Schuld
Die Philosophie der Stoa und insbesondere die Senecas behandelt in erster Linie das Gebiet der Philosophie, dass für mich das entscheidende, da für das wahre Leben relevanteste, der Philosophie ist: die Ethik.
Statt sich in metaphysischen Spekulationen (die, wie ich für mich denke, nur Spekulationen bleiben können: der Mensch kann mit seinem Verstand nur die durch diesen erfassten Gebiete erkennen, darüber möglicherweise Hinausgehendes entzieht sich unserer Erfahrung und kann daher nie gewusst werden) oder den theoretischen Formalia der Logik zu ergehen, will sie konkrete, und, was das Entscheidende ist, praktisch anzuwendende Empfehlungen und Hilfestellungen für ein ruhiges, nicht von Affekten heimgesuchtes, glückliches Leben geben.
Zwei Aspekte der Philosophie der Stoa erscheinen für mich besonders herausstellenswert:
Einerseits das Ideal der Seelenruhe, der inneren Unerschütterlichkeit gegenüber äußeren Schicksalsschlägen (auf deren Eintreten oder Nichteintreten wir keinen Einfluss haben).
Und andererseits das eines moralisch geprägten Verhaltens gegenüber den Mitmenschen, in deren Mittelpunkt Werte wie Solidarität für die Gemeinschaft und Nächstenliebe stehen (kein Wunder, dass die frühen Christen viele Gemeinsamkeiten mit der Stoa fanden – die in ihnen jedoch eher eine Bedrohung sah – und sogar einen Briefwechsel zwischen Paulus und Seneca fälschten).
Seneca versucht für eine Vielzahl von Problemen Lösungsansätze auf der Grundlage der stoischen Philosophie zu geben, die auch heute noch als nützlich betrachtet werden können. Auch wenn die Vorschläge Senecas zugegebenermaßen häufig sehr streng und in dieser Form kaum in der Realität umsetzbar sind – sie stellen Idealbilder und Idealvorstellungen dar, denen man sich annähern kann. Die Themen, die Seneca anspricht, sind meist für fast alle Menschen zutreffende Probleme, denen sich jeder (einmal) zu stellen hat. Es sollen ein paar Beispiel der philosophischen Ideen Senecas folgen, wie er sie in den Briefen an Lucilius schildert.
In seinem 66. Brief legt Seneca die fundamentalen Pfeiler der stoischen Ethik dar. Er betont zunächst die Unabhängigkeit des Geistes, der Seele, von Äußerlichkeiten (z.B. vom Körper). Tugend definiert er als Seelenverfassung, die nach Erkenntnis der Wahrheit strebt, die weiß, wie man sich verhalten soll, die frei ist von Affekten und Leidenschaften und die sich nicht vom Schicksal, vom unbeeinflussbaren Zufall, erschüttern lässt.
Er betont weiterhin sehr stark, dass die Tugend etwas in ihrem Wesen absolutes, vollkommenes, immer gleiches und unveränderliches sei, die in den konkreten Situationen nur verschiedene Gestalten annehmen kann. Für die Tugend einzig entscheidend ist die rechte Vernunft, Tugend ist die praktische Umsetzung der Vernunft. (Diese sieht Seneca als etwas göttliches im Menschen an, so wie alles Gute voller Vernunft und göttlichen Ursprungs sei.) Deshalb gäbe es auch keinen Unterschied zwischen den Gütern. Für diese zähle nur die Tugend allein, keine Äußerlichkeiten, auch nicht Freude oder Schmerz, sie seien einander in ihrer allein auf die Tugend bezogenen Wertigkeit gleich.
Das sittlich Gute muss der Mensch durch freien Entschluss tun. Da das Gute gemäß der Vernunft ist und die Vernunft der Natur folgt, ist das höchste Gut des Menschen, sich dem Willen der Natur anzupassen. Er muss erkennen, dass das ihm durch Zufall zuteil gewordene eben dadurch, dass es zufällig ist, haltlos, hinfällig, vergänglich ist und einzig die Tugend als das sittliche, vernunftgemäße Verhalten entscheidend ist.
Gerade die Forderung nach ethischem, moralischem Handeln in unserer von Egoismus und Egozentrik, vom Bestreben nach eigener materieller Bereicherung und von Entsolidarisierung geprägten Zeit erscheint mir heute von entscheidender Wichtigkeit. Die stoische Lehre der Seelenruhe, der Gelassenheit gegenüber äußerlichen Zufälligkeiten, dem Freimachen von extremen Leidenschaften und Affekten, der Konzentration auf die Tugend und eine (sittlich) gute Lebensführung erscheint mir sehr beachtenswert.
Im 17. Brief betont Seneca, dass nicht der Erwerb von Reichtum das Wichtigste für die Lebensführung des Weisen ist, sondern das Streben nach Veredelung seiner Seele, die dem Menschen viel mehr gebe als materieller Besitz, nämlich ewige Freiheit und Furchtlosigkeit. Im Gemüt des Menschen läge die Ursache für entweder seine Ruhe oder seine Leiden.
Da man zur Befriedigung der lebensnotwendigen Bedürfnisse nicht viele Mittel brauche, solle sich der vernünftige Reiche dies zum Vorbild nehmen und genügsam leben. Auch in Armut und Not könne man sich der Philosophie widmen und am Streben nach Weisheit und sittlicher Vervollkommnung teilhaben, so Seneca. Die Menschen müssen ihre Konzentration abwenden vom Begehren und Streben nach Besitz, von einer nur auf Äußerlichkeiten beruhenden Glücksschimäre und erkennen, dass das Entscheidende im Menschen in seiner Seele liegt und dass ein sittlich gutes Leben nicht durch Egoismus, sondern durch Solidarität, durch die Liebe zum Mitmenschen, durch gerechtes Handeln gekennzeichnet ist.
Seneca stellt im 44. Brief an Lucilius die Zugänglichkeit und Möglichkeit der Ausübung der Philosophie für alle Menschen, unabhängig von ihrer Herkunft, ihren Vorfahren, ihrem Beruf, ihrer sozialen Situation usw. dar. Niemand werde dadurch an der Beschäftigung mit Philosophie und an einer edlen Gesinnung gehindert. Er drückt es prägnant aus, indem er schreibt „Was die Philosophie anlangt, so weist sie niemanden zurück und bevorzugt niemanden: sie leuchtet allen.“ Er sieht keinen Unterschied zwischen Menschen „adliger“ und „nichtadliger“ Herkunft, sondern sagt, dass der Geist den Adel gibt.
Diese Betrachtung einer grundlegenden Gleichheit aller Menschen, der Unabhängigkeit ihrer Herkunft für ihr Leben und ihre Tugend war gerade für die Zeit Senecas sehr ungewöhnlich und sehr fortschrittlich.
Im 16. Brief sagt Seneca zunächst, dass das Streben nach dem Erwerb von Weisheit der entscheidende Punkt sei, ob jemand in seinem Verständnis glücklich oder auch nur erträglich leben könne. Er sagt, dass das Wesen der Philosophie nicht im Wort, sondern in der Handlung liegt. Sie helfe dem Menschen außerdem, das Schicksal zu tragen. Am Ende sagt er, dass die natürlichen Bedürfnisse begrenzt seien und die unbegrenzten dem Wahn entstammten und man naturgemäß leben solle.
Man erkennt ein Verständnis von Philosophie als einerseits Hilfestellung zum „Über dem Schicksal stehen“, zur Seelenruhe, und andererseits auch von ganz konkreten praktischen Hilfen für die Lebensführung, für das Verhalten den Mitmenschen, der Gesellschaft gegenüber.
(1) Lin Kristensen / http://creativecommons.org/licenses/by/2.0/deed.de
(2) Wikipedia (User: Calidius) / http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/deed.de
(3) Wikipedia / Public Domain
(4) Wikipedia / Public Domain
(5) Marty / http://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/3.0/
(6) Matthijs Koster / http://creativecommons.org/licenses/by/2.0/deed.de
You’re not your job. You’re not how much money you have in the bank. You’re not the car you drive. You’re not the contents of your wallet. You’re not your fucking khakis. You’re the all-singing, all-dancing crap of the world.
Tyler Durden – Fight Club
Mit TV-Duellen von Politikern vor Wahlen ist es ja immer so eine Sache. Themen werden vereinfacht, wichtige Aspekte weggelassen, was von den Aussagen hinterher übrig bleibt, ist gelinde gesagt zweifelhaft usw. Alles berechtigt. Trotzdem habe ich mir mal den “TVdreikampf” zwischen Westerwelle (FDP), Künast (Grüne) und Gysi (Linke) am Donnerstag mal angeschaut, die Sendung, mit der die in den Bundestag gewählten Oppositionsparteien (oder “die Kleinen”) quasi für das Duell der zwei “Großen” entschädigt werden sollen (worüber es auch während der Sendung bei den dreien merkbaren Unmut gab – Westerwelle hat schon Recht: “Zur Demokratie gehört auch die Opposition”). Themen waren Afghanistan, Opel, Arbeitsplätze, Steuern und die Sozialversicherungen (Rente und Gesundheit).
Auch wenn ich die Positionen von Westerwelle nicht teile, muss man doch zugestehen, dass er diese recht gut vertreten hat. Er gab sich dabei sogar, durchaus überraschend, relativ gemäßigt. Zumindest gemäßigter als Illner. Aber der Reihe nach.
Spätestens als es um die Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik ging, ab Minute 36 der Sendung, stichelte Frau Illner immer wieder in einer bei sich neutral gebenden Journalisten so kaum gesehen arrogant-herablassenden Weise dazwischen, sei es auch nur mit kurzen abfälligen Bemerkungen. Derart abfällig, dass es wirklich eine Farce wäre, hier von Ausgewogenheit, Neutralität oder auch nur Fairness seitens der Moderation zu sprechen.
Ein Zuschauer, der wirkte wie ein beliebiger JU-Vorsitzender, stellte Gregor Gysi die obligatorische Frage nach der Finanzierbarkeit der Pläne der Linken. Er zitierte dabei auch die Zahl von 300 Milliarden Euro (laut der Rheinischen Post, nach dem Zuschauer aber laut der Linken), die die Pläne der Linken angeblich kosten würden. Nun haben die NachDenkseiten ausgeführt, dass diese Zahl nicht stimmt und viel zu hoch gegriffen ist. Und Gysi führte aus, dass die Zahlen nicht stimmen (und laut Schätzungen von Ökonomen die Pläne sogar kostendeckend wären). Spätestens da zeigte sich, dass Die Linke eben nicht wie jede andere Partei behandelt wird und schon gar nicht versucht wird, sie fair zu behandeln. Frau Illner konnte sich scheinbar nicht zurückhalten, über poliische Aussagen Gysis tatsächlich zu lachen, nahm ich sichtbar nicht ernst und führte ihre Kaskade höhnisch-sarkastischer Bemerkungen und Frotzeleien (“Sie machen heute nur tolle Bemerkungen!”) immer wieder, wenn Gysi sprach, fort. Und Gysi, der ja im TV durchaus fast immer recht locker wirkt, war sichtbar irritiert.
Als der Zuschauer darauf kam, was die Linke tue, um die “Leistungsträger” zu entlasten (übersetzt: Senkung der Steuern für Spitzenverdiener, weitere Nichtbesteuerung von Vermögen), machte Gysi darauf aufmerksam, dass auch Arbeitnehmer Leistungsträger für die Gesellschaft sind. Künast griff dass ein wenig später auf und sagte, dass auch jeder Facharbeiter oder jede Altenpflegerinnen “Leistungsträger” sei. Illner warf dort ein abfälliges “Die empfindet sich als…” ein. Woraufhin Westerwelle einspringen musste (!) und Künast unterstützte.
In der Vergangenheit moderierte Illner Veranstaltungen der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM). Die INSM ist eine von Arbeitgeber- und Wirtschaftsverbänden gegründete und finanzierte Lobbyorganisation, die für den Abbau des Sozialstaates, Privatisierungen von öffentlichen Betrieben und Sozialsystemen, Senkung der Unternehmenssteuern oder die Einführung von Studiengebühren eintritt. Nach Ansicht des Politikwissenschaftlers Claus Leggewie will die INSM weniger soziale Marktwirtschaft, sondern viel mehr kapitalistische freie Marktwirtschaft. Für sie arbeiten solche Sympathieträger wie Arnulf Baring, Oswald Metzger, Martin Kannegiesser oder Bernd Raffelhüschen.
Die INSM unterhält “Medienpartnerschaften” zu der Financial Times Deutschland, der Wirtschaftswoche, der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung, dem Focus, dem Handelsblatt und der Fuldaer Zeitung. Dabei kann das Verhältnis der INSM zu den Medien durchaus kritisch betrachtet werden. Die Kritiker erheben den Vorwurf, dass die Grenzen zwischen Journalismus und PR dabei zusehends verschwimmen. Die INSM habe es geschafft, einen “neoliberalen Mainstram in den Medien durchzusetzen”, so der Medienwissenschaftler Siegrfried Weischenberg. Eine Studie der Universität Münster kommt zu dem Ergebnis, dass die Medienberichterstattung weitgehend die INSM-Perspektive übernehme und nicht deutlich mache, dass diese strategisch Arbeitgeberinteressen vertritt. Auch die “Botschafter” der INSM sind bekannt dafür, diese Rolle nicht unbedingt transparent zu machen. Doch die INSM greift noch zu ganz anderen Mitteln. 2002 hatte sie per Schleichwerbung in der ARD-Serie Marienhof von ihr geschriebene Szenen und Dialoge platziert, die ihre neoliberale Ansichten verbreiten sollten. Auch direkter Druck auf Medien und Verunglimpfung von Journalisten, die andere Positionen vertreten werden ihr vorgeworfen.
Auch für die CDU-nahe Konrad-Adenauer-Stiftung sprach sie, oder moderierte für den Vatikan (dort mit Sympathisanten von Opus Dei) sowie u. a. für McKinsey, wie CARTA recherchiert hat. Die Höhe der Honorare blieb dabei immer unklar.
Schon in der Sendung “Illner Intensiv” bediente man alte Kommunististen-Klischees und übte sich in Suggestivfragen oder warf ihr mal wieder Demokratiefeindlichkeit vor. In der Folge von Lafontaines Kritik an einer hohen Medienkonzentration war in der Presse sogar von Verschwörungstheorien die Rede.
Man muss es so festhalten: Illner gehört zu der Reihe von Journalisten, die dazu beigetragen haben und daran mitarbeiten, dass der Neoliberalismus und die Interessen der Arbeitgeberlobby die Mainstream-Medien dominieren, dass der Sozialabbau als alternativlos dargestellt wird und Gegner dessen (etwa als “Populisten”) diskreditiert werden. Deshalb ist es kein Wunder, dass Illners Sendungen als einen Teil der Medienkampagnen gegen die politisch linke Richtung ansehen werden. Wie Kampagnenjournalismus funktioniert, kann man in ihren Sendungen auch so sehen. Illner muss Gysi nicht auslachen, damit dies klar wird.
Bill Mahers Religulous – Auszüge vom Beginn und Ende des Films:
Bill Maher (ab Minute 1:13):
The irony of religion is that because of its power to divert man to destructive forces, the world could actually come to an end.
The plain fact is, religion must die for mankind to live. The hour is getting very late to be able to indulge in having key decisions made by religious people, by irrationalists, by those who would steer the ship of state not by a compass but by the equivalent of reading the entrails of a chicken. George Bush prayed a lot about Iraq, but he didn’t learn a lot about it.
Faith means making a virtue out of not thinking, it’s nothing to brag about and those who preach faith and enable and elevate it are intellectual slave holders, keeping mankind in a bondage to fantasy and nonsense that has spawned and justified so much lunacy and destruction. Religion is dangerous because it allows human beings who don’t have all the answers to think that they do. Most people would think it’s wonderful when someone says “I’m willing Lord, I’ll do what ever you want me to do”. Except that since there are no gods actually talking to us, that void is filled in by people, with their own corruptions and limitations and agendas.
And anyone who tells you they know, they just know what happens when you die, I promise you, you don’t. How could I be so sure? Because I don’t know, and you do not possess mental powers that I do not.
The only appropriate attitude for man to have about the big questions is not the arrogant certitude that is the hallmark of religion, but doubt. Doubt is humble and that’s what man needs to be, considering that human history is just a litany of getting shit dead wrong.
This is why rational people, anti-religionists, must end their timidity and come out of the closet and assert themselves. And those who consider themselves only moderately religious, they need to look in the mirror and realise that the solace and comfort that religion brings you actually comes at a terrible price.
If you belong to a political party or a social club that was tied to as much bigotry, misogyny, homophobia, violence and sheer ignorance as religion is, you’d resign in protest. To do otherwise is to be an enabler, a mafia wife, with the true devils of extremism that draw their legitimacy from the billions of their fellow travellers.
If the world does come to an end here or wherever, or if a glimpse into the future decimated by the effects of religion inspired nuclear terrorism, lets remember what the real problem was, that we learned how to precipitate mass death before we got past the neurological disorder of wishing for it.
That’s it, grow uo, or die!
Ok, ein Ausschnitt aus V for Vendetta noch, dann reicht’s aber 🙂
Diesmal was Lustiges:
Tim Pritlove spricht im Chaosradio Express 135 “Mut zur Freiheit – Ein Versuch den Zusammenhang von Angst, Freiheit, Gesellschaft und Solidarität zu verorten” mit Juli Zeh und Ilija Trojanow, den Autoren des Buches “Angriff auf die Freiheit: Sicherheitswahn, Überwachungsstaat und der Abbau bürgerlicher Recht”:
http://chaosradio.ccc.de/cre135.html (Hier gibt es auch sehr viele weiterführende Informationen)
http://chaosradio.ccc.de/archive/chaosradio_express_135.mp3
Es geht dabei u. a.um verzerrte Wahrnehmung von Bedrohungen; irrationale Ängste der Bevölkerung und wie diese Ängste ausgenutzt werden für den Aufbau einer umfassenden staatlichen Überwachung und Bevormundung, um Großbritannien, wo schon Bagatelldelikte und Ordnungswidrigkeiten mit Anti-Terror-Gesetzen bekämpft werden, um die Gefahr von Massengeiselnahmen in Deutschland und um Schüler, die mit 16 Jahren, statt Partys zu feiern, sich unentwegt Gedanken um berufliche Zukunft, um zukünftige Karrie und ums Geldverdienen machen.
Im Blog vom Chaosradio kann man die Sendung kommentieren.
Auszüge aus dem Buch kann man auf Zeitonline unter “Staatliche Überwachung: Sicherheit total” und bei Spon unter “Bürgerrechte: Denn sie wissen nicht, was sie tun” lesen (dort gibt es auch ein Interview mit Juli Zeh). Diese sind auf jeden Fall schon einmal sehr gut, sehr einleuchtend und teilweise, wenn man sich die schon existierenden Ausmaße der staatlichen Überwachung klar macht, erschreckend aufklärend geschrieben. Sie bleiben bei Fakten und schaffen es dennoch, sich sehr zugespitzt auszudrücken.
Ein paar nette Ausschnitte aus dem Buch über Angst, Sicherheit und Freiheit:
(…) Bedrohung ist subjektiv und damit relativ. Sie bestimmt sich nicht im Verhältnis zu einem irgendwie messbaren Gefahrenpotenzial, sondern anhand der Risiken, die jeder von uns wahrnimmt. In einer zunehmend sicheren Welt richtet sich die Angst auf immer kleinere oder unwahrscheinlichere Szenarien. Während etwa die Kriminalität in Deutschland im Bereich schwerer Delikte wie Mord, Totschlag und Vergewaltigung seit Jahren sinkt, sind die Menschen notorisch vom Gegenteil überzeugt. Ähnlich empfand es Donald Rumsfeld, der ehemalige Verteidigungsminister der USA: »Wir sind heute sicherer vor der Bedrohung durch einen großen Atomkrieg (…) und dennoch verwundbarer durch Kofferbomben.«
Großer Atomkrieg versus Kofferbombe: Durch diese Aussage wird klar, dass Sicherheit nichts mit der Größe realer Gefahren zu tun hat. Sicherheit ist keine Tatsache, sondern ein Gefühl. Wer in den letzten Jahren die massenmedialen Hysterien um BSE, Vogelgrippe und natürlich immer wieder Terrorismus mitverfolgt hat, wird nicht auf den Gedanken kommen, dass man die Welt heute als sicherer empfindet als vor hundert Jahren. Dabei standen den Menschen damals zwei Weltkriege bevor, von der Spanischen Grippe, die 25 Millionen Menschen dahinraffte, ganz zu schweigen. Wenn die Politik also behauptet, »Sicherheit« für die Bürger gewährleisten zu wollen, nährt sie einen gefährlichen Irrglauben. Wann wären Sie denn sicher? Wenn es keine Terroristen mehr gäbe? Oder keine Krankheiten? Wenn Sie das Haus nicht verließen? Wenn Sie monatlich 3000 Euro Staatsrente erhielten? Wenn kein Freund Sie verriete, kein Geliebter Sie verletzte? Oder wenn der Tod endlich abgeschafft würde? (…)
Wie hoch liegt seit dem 11. September die Wahrscheinlichkeit, dass Sie Opfer eines Terroranschlags werden? 0,01 Prozent? Weniger? Mehr? Selbst wenn wir davon ausgingen, die »Kofferbomber von Köln« hätten Erfolg gehabt, bedroht Sie das mit einem Risiko von eins zu vier Millionen. Rund siebenmal wahrscheinlicher ist es, als Kind zu ertrinken. Natürlich kommt trotzdem niemand auf die Idee, Schwimmbäder oder Badeteiche zu verbieten. Aber 76 Prozent der Deutschen geben an, dass sie Angst haben, Opfer eines terroristischen Anschlags zu werden. (…)
Oder auch über das Verständnis der Politiker von Technik:
Angela Merkel: “Wir werden nicht zulassen, dass technisch manches möglich ist, aber der Staat es nicht nutzt.”
Angela Merkel: “Eigentlich läuft alles ganz prima, aber trotzdem brauchen wir mehr Überwachung.”
Wolfgang Bosbach: “”Online-Durchsuchung, das geht nicht mit Messer und Gabel und auch nicht mit dem Fernglas. Dafür brauchen wir den Einsatz modernster IT-Technik, und da kann eine Mail dafür ein Beispiel sein.”
Und weil’s grade passt, noch zwei Ausschnitte aus V for Vendetta
http://www.youtube.com/watch?v=chqi8m4CEEY
Die Springerpresse hat sich mal wieder selbst übertroffen: Der Artikel “Der BILD.de-Vergleich: Wie viel Obama steckt in Guttenberg?” übertrifft in seiner derart unreflektierten Lobhudelei sogar die übliche Unions-Hofberichterstattung des Blattes und selbst den „Der coole Baron“-Aufmacher des sterns (siehe zu diesem auch den Kommentar von Stefan Niggemeier). Ich persönlich meine ja auch, dass Guttenberg wohl eher zu den ehrlicheren Politikern (auf der Seite der Union) gehört. Aber dieser Artikel hat wirklich das Potential, der peinlichste des Jahres zu werden (via Jörg Tauss)!
Allein die Vergleiche, die da zwischen Obama und Herrn zu Guttenberg aufgestellt werden, sind so schlecht und so unpassend, das ma da kaum drauf kommen würde:
Beide haben einen außergewöhnlichen Namen.
Den hat der CDU-Bundestagsabgeordenete Cajus Julius Caesar auch, aber über den lese ich nie so etwas.
Guttenberg hat einmal Märchen für eine Schulklasse vorgelesen
Echt? Wahnsinn! Das kann nur unser Adel!!1!
Und der persönliche Hintergrund der beiden Politiker könnte ja wohl kaum noch unterschiedlicher sein.
Dem Fass den Boden schlägt dann aber das Folgende aus:
Obamas und Guttenbergs Laufbahnen sind beeindruckend. Beide sind Selfmade-Männer, haben sich hart hochgearbeitet.
Obama hat sich als Sozialarbeiter hochgearbeitet, und Guttenberg als – Baron??!!? Als Sprössling einer millionenschweren Adelsfamilie?? Ist das wirklich ernst gemeint??
Danach arbeitete Guttenberg in mehreren Unternehmen in herausgehobenen Positionen.
Dazu kann ich nur den Panorama-Beitrag „Baron Karl Theodor zu Guttenberg – Was versteht der neue Minister von Wirtschaft?“ empfehlen, der über seine tatsächlichen Erfahrungen in der Wirtschaft aufklärt.
Und schließlich der Vergleich der Sternzeichen!! Unglaublich. Na, wenigstens ist das Element von beiden das Feuer… Also doch noch ne Gemeinsamkeit.
Das Foto ist eine Bearbeitung von http://commons.wikimedia.org/wiki/File:Guttenberg-800.jpg (Urheber dessen: Bundestagsbüro Karl-Theodor Freiherr von und zu Guttenberg MdB, Lizenz: http://creativecommons.org/licenses/by/2.0/de/deed.en)
Nachdem ich bei der Bestechung zur Vorabveröffentlichung ein paar neuer Chaosradio Express-Podcasts von Tim Pritlove mitgemacht habe, habe ich mir überlegt, dass ich bei den ganzen Podcasts die ich abonniert habe eigentlich noch ein paar empfehlen könnte, die ich für besonders hörens-/sehenswert halte. Dies soll nur eine kleine Auswahl sein:
Magazin zu Computer, Internet, Technologie, es gibt die ganze Sendung als Video-Podcast. Dabei immer sehr lustig ist die Rubrik Sixtus vs. Lobo.
Diese Call-in-Shoe/ Anrufersendung/ Talk-Telefon (wie auch immer) zu verschiedenen Themen läuft jeden Abend von 22 bis 0 Uhr auf Fritz. Sehr hörenswert sind dabei v.a. die Sendungen montags mit Holger Klein. Jeden letzten Mittwoch im Monat gibt’s da das Chaosradio (mit netzpolitischen Themen) vom Chaos Computer Club.
Hier gibt es kurze Berichte zur Bildungs- und Hochschulpolitik, zu verschiedenen Aspekten des Studiums sowie zur Forschung und zu Studiengängen (dabei zum Glück meist nicht mit dem Impetus, den der Titel vermuten lässt).
Der Podcast betrachtet immer ein tagesaktuelles politisches Themen, oft aus der internationalen Politik, zu dem man hier meistens sehr gut informiert wird. Ein Beitrag dauert jeweils 18 Minuten.
Podcast zu Bildung, Kultur und Medien. Manchmal gibt es auch Online-Themen. Ca. 10 Minuten lang ist ein Podcast.
Die einzige deutsche Satiresendung. Jeweils einen Beitrag der aktuellen Sendung gibt es als Video-Podcast.
Fokus Afrika (Deutsche Welle) und Fokus Amerika (Deutsche Welle)
Bei diesen beiden Podcasts werden immer sehr interessante Begebenheiten und Hintergründe (meist zu aktuellen, politischen Themen) in dem jeweiligen Gebiet in etwa 15-minütigen Beiträgen betrachtet. Man lernt viel über die Probleme einzelner Länder, über deren Vergangenheit und Kultur.
V.a. aktuelles zum Arbeitsmarkt zur Arbeitsmarktpolitik in Deutschland wird in diesem Podcast berichtet, die Dauer beträgt ca. 24 Minuten.
Etwa 52 Minuten lang werden sehr verschiedene Themenbereiche (etwa aus der Politik, den Naturwissenschaften oder der Geschichte) betrachtet. Besonders beachtenswert ist, dass diese dabei in vielen Facetten und von vielen Seiten dargestellt werden und, man also wirklich umfassend informiert wird.
hr 2 Wissenswert & IQ – Wissenschaft und Forschung (Bayern 2) & radioWissen (Bayern 2) & SWR2 Wissen
Bei diesen Podcasts werden Themen aus allen möglichen Bereichen vorgestellt, (auch aus solchen, mit denen man sich sonst vielleicht nicht einfach so beschäftigt hätte). Fast alle wissenschaftlichen Disziplinen kommen vor, sei es etwa Geschichte, Archäologie, Biologie, Physik, Astronomie, Geografie, Literatur, Sprachwissenschaft, Politik, Ökonomie, Psychologie, Philosophie, Mathematik oder Musik. Und immer wieder lernet man die interesanntesten Dinge, die man sonst nie erfahren hätte. Allgemeinbildung in der bestdargestellten Form. Die Beiträg dauern zwischen 15 und 25 Minuten.
Alle möglichen Fragen die man sich schon immer mal gestellt hat – z.B. “Kann man essen, bis man platzt?” oder “Ist zu langes schlafen gesund” – sie wurden recherchiert und in 2 Minuten werden sie hier beantwortet.
Die schon erwähnten Tim Pritlove und Holger Klein reden hier ca. 2 Stunden lang über all das, was ihnen gerade einfällt, sie sprechen über Themen aus dem Netz, diskutieren über Politik, erzählen Anekdoten, reißen Witze oder machen einfach mal Quatsch. Die nächsten Podcasts gibt’s leider erst wieder im September.
Politik direkt: Das Politikmagazin (Deutsche Welle)
Ca. 5-minütige Beiträge über aktuelle und geschichtliche politische Vorgänge gibt es in diesem Podcast. Sehr vielseitig, gute historische Hintergünde.
Samstags 18-20 Uhr läuft auf Fritz diese Sendung über aktuelle Themen aus dem Internet, politische und nicht-politische, v.a. auch über Blogs und Podcasts. Die Musik, die hier gespielt wird, steht auch meist unter einer Creative Commons (CC)-Lizenz.
Wirtschaft: Was Wirtschaft bewegt! (Deutsche Welle)
Hier werden nationale und internationale Themen zu Wirtschaft und Wirtschaftspolitik behandelt, manchmal gibt es Sendungen zur Entwicklungspolitik und es gibt auch öfter Beiträge zu Wirtschaft und Umwelt, zum Klimaschutz oder zur Energiepolitik. 15 Minuten.
Und schließlich – gibt es zwar leider nicht als Podcast, daher live hören – stelle ich hier noch meine Lieblingssendung im Radio vor: die You FM Nightline
Call-in-Sendung, montags bis donnerstags 23 – 1 Uhr auf You FM. Montags mit Olli Schulz, dienstags bis donnerstags mit Holger Klein. Dabei werden dienstags Black Stories (Rätsel) gelöst, mittwochs können sich die Anrufer Themen aussuchen, über die sie sprechen wollen (und von denen dabei oft abgeschweift wird) und donnerstags gibt es ein bestimmtes (oft politisches) Thema.
Der Artikel “freiheit@unendlich.welt” im ehemaligen Nachrichtenmagazin offenbart mal wieder irrationale Ängste des konservativen Spießbürgers und des schon sprichwörtlichen Internetausdruckers vor der Freiheit des Internets.
Schon das Titelbild ist eigentlich aussagekräftig genug. Nackte Menschen überall – überall! – und überall Gewalt, Schusswaffen, Kettensägen und Baseballschläger, Sprengungen, Explosionen, eine nackte Frau reitet auf einer Atombombe, Voyeure und Exhibitionisten, Piraten und Maskierte. Alles sehr wirr, alles sehr verängstigend, alles sehr böse.
Und auch auf den ersten Seiten des Artikels hagelt es nur so Vorurteile und Klischees, etwa:
“Längst ist das Internet ein Paralleluniversum. Die Refugien der Diebe, Rufmörder, Kinderschänder entziehen sich weitgehend der Kontrolle des Rechtstaats.”
“Während an der Oberfläche des digitalen Reichs tausend bunte Blumen blühen, Shopping, Chat, Schöngeistiges, wuchert im Wurzelwerk darunter ein Pilzgeflecht aus Intrigen, Täuschung und Terror.”
(Hm, da hat das mit der Übertreibung der Alliterationen noch nicht ganz geklappt, nächstes mal bitte besser, liebe Sprachvirtuosen!)
“Soziale und moralische Verwahrlosung erstickt in weiten Teilen der neuen Galaxie den Freiheitsgeist der Gründergeneration. Mehr als vor einem “Großen Bruder” muss der unschuldige Bürger sich fürchten vor dem Herr der kleinen Brüder, vor der Gemeinheit und Missgunst im Netz. Viele Einträge in den rund 200000 aktiven deutschen Blogs enthalten Pöbeleien, Vulgäres, das die Bürger im Land der Dichter und Denker sich nicht einmal unter vier Augen sagen würden.”
“Das Netz macht, was es will, und das ist kein Ausdruck von Freiheit, sondern von Gefahr”
Zwar wird der Beitrag später differenzierter, es wird auch Kritik an Vorratsdatenspeicherung oder an Zensursula geschildert und man lässt beide Seiten zu Wort kommen. Auch werden die positiven und die demokratisierenden Eigenschaften des Netzes dargelegt. Insgesamt ist der von fünf Autoren geschriebene Artikel aber überaus wirr, alle möglichen unterschiedlichen Themen werden angeschnitten, vieles wird über einen Haufen geworfen, wenig wirklich erläutert und erklärt. Der einzige rote Faden in dem Artikel scheint die Verwendung des Wortes “Cyberspace” in jedem zweiten Absatz zu sein.
Dass man auch aber auch kompetent über netzpolitische Themen berichten kann, zeigt Spon z.B. auf Parteien wetteifern mit Internetschelte. Sehr schön ist auch der Artikel ZEHN THESEN ZUM WEB – Warum die Dummheit des Internets ein Segen ist. Die 10 Thesen lauten dort:
Das Internet ist dumm – und das ist gut so
Die Internetnutzer sind selbst schuld an dem, was das Netz gefährlich macht
Wer über die Gefahren des Netzes lamentiert, meint in Wahrheit meist schlechte Manieren
Wir sollten aufhören, den Exhibitionismus anzuprangern, solange wir den Menschen schamlos und ohne jede Hemmung durchs Wohnzimmerfenster starren
Wir brauchen eine neue Definition von Öffentlichkeit
Jugendschutz ist wichtig, aber nicht wichtiger als alles Andere
Die Staaten dieser Welt werden sich nicht darüber einigen, wie das Netz sein sollte
Es ist dennoch möglich, einen internationalen Minimalkonsens darüber herzustellen, welche Verbrechen geahndet werden sollten
Kulturpessimismus kann Wandel weder aufhalten noch in sinnvoller Weise formen
Die Vorteile eines freien Internets überwiegen seine Nachteile
Wieso also dieser reißerische Titel in der Printausgabe, dieser unsägliche Beginn des Artikels (wobei die angeführten Klischees auch später nicht entkräftet oder widerlegt werden, wo dies nötig gewesen wäre, sondern eher ergänzt um Kritik an der staatlicher Überwachung und Zensur und um die Verdienste eines freien Netzes)? Damit der nicht “netzaffine” Leser, der den Titel sieht und vielleicht nur die ersten Seiten liest, bestätigt wird in seiner Meinung über das böse Internet, dass dringend reguliert werden muss? Der auch weiß, wem er dafür seine Stimme geben sollte? Als Wahlwerbung für das bürgerliche Lager? Diese Erklärung erscheint mir zumindest die schlüssigste.
NACHTRAG: Stefan Niggemeier kommentiert in seinem Blog den Artikel und dabei v.a. das Verhältnis (digitales) Internet/ (analoge) Welt.