Die Innenminister der Länder wollen das Strafmaß für Angriffe auf Polizisten von zwei auf drei Jahre erhöhen. Einige Unions-Innenminister wollen diese Regelung zudem für andere staatliche Berufe wie Feuerwehrleute, Rettungskräfte oder Gerichtsvollzieher eingeführt sehen. Justizministerin Leutheusser-Schnarrenberger dagegen warnt, es dürfe “kein Zweiklassenstrafrecht geben, das die Unversehrtheit von Polizisten höher bewertet als die von Bauarbeitern oder Bankangestellten”.
Natürlich hat sie damit Recht. Gleiche Strafe für gleiche Rechtsverletzung ist einer der Grundpfeiler eines Rechtsstaates. Es darf nicht davon abhängen, an wem man eine Tat begeht, wie diese bestraft wird. Anderes würde einen Rückschritt von Jahrhunderten bedeuten. Sicher sind Polizisten größeren Gefahren ausgesetzt, aber ist das der Maßstab? Würde das nicht im Umkehrschluss bedeuten, dass man nicht so hart bestraft wird, wenn man jemanden angreift, der in seinem Beruf nicht so oft mit Gewalt konfrontiert ist? Nein, das kann wohl kaum gewollt sein. Und wie würden dann Feuerwehrleute oder Sanitäter da rein passen? Und die Ausweitung auf “staaliche Berufe”? Sind denn alle Rettungskräfte staatlich? Was ist mit anderen staatlichen Berufen als den genannten? Und wo liegt die Begündung für solch eine Richtschnur? Oder soll es danach gehen, wie der gesellschaftliche Nutzen der Tätigkeit einzuordnen ist? Dann würden also Angriffe auf Putzfrauen oder Müllmänner sehr viel drastischer bestraft werden müssen als solche auf Steuerberater oder Banker. Aber es wäre ganz sicher, dass das mit unserer gesetzgebenden Kaste nicht zu machen wäre, und es würde dem von Politik, Wirtschaft und Medien verbreiteten Märchen “Wer viel verdient, ist Leistungsträger” (und meist impliziert: besser) zuwiderlaufen. Nein, all dies taugt als objektiver und rationaler Rechtsmaßstab übehaupt nichts. Wenn nicht gleiches Recht für alle gilt, ist der Willkür Tür und Tor geöffnet.
Und Leutheusser-Schnarrenberger übersieht außerdem, wo die wahre Spaltung unseres Justizsystems liegt. Wie kommt es, dass man für Körperverletzung an Polizisten zwei Jahre ins Gefängnis kommen kann, für das Demolieren eines Polizeiautos aber für fünf? Warum werden bei uns Eigentumsdelikte schwerer bestraft als solche an Personen? Wie kommt es, dass man bei mehrfachem Einbruch oder schwerem Diebstahl oft härter bestraft wird als bei schwerer Körperverletzung? Liegt das etwa daran, dass unser Recht darauf ausgelegt ist, vor allem Eigentum zu schützen, und nicht Menschen? Und warum können sich immer wieder Manager, die Betrug, Veruntreuung oder ähnliches in Millionenhöhe begangen haben, mit einer für ihre Verhältnisse kleinen Geldsumme und einer Bewährungsstrafe herauskaufen? Warum sind solche “deals” möglich? Haben wir etwa bereits jetzt eine Klassenjustiz?
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