Krieg gegen die Armen

Bei wikileaks gibt es eine Studie des EU Institute for Security Studies: What ambitions for Europeans defence in 2020? Darin wird ein internationaler, auch militärisch geführter Klassenkampf des reichen Nordens gegen die Menschen des armen Südens gefordert:

Um einen Zusammenbruch des globalen Wirtschaftssystems (“global systemic collapse”) zu vermeiden, fordert das Institut, gegen die “untere Milliarde” der Menschheit (“bottom billion”) das “gesamte Spektrum hoch intensiver Kampfmaßnahmen” (“full spectrum of high intensity combat”) in Anschlag zu bringen. (Siehe: Zusammenfassung der Studie bei http://www.german-foreign-policy.com/de/fulltext/57603)

Die Studie fordert, die Stabilisierung der globalen Klassengesellschaft. Heute gäbe es auf der Welt eine “hierarchische Klassengesellschaft”. In dieser stünden sich eine metropolitane “Elite” aus transnationalen Konzernen, OECD-Ländern und Schwellenländern wie China, Indien und Brasilien einerseits und 80 % der Weltbevölkerung – darunter die unteren Milliarde armer Menschen, die durch die “Verweigerung” einer “Zusammenarbeit” mit den metropolitanen Ökonomien einen “Kollaps des globalen Wirtschaftssystems” auslösen könnten – andererseits gegenüber.

Die Kampfmaßnahmen gegen die Armen sollen laut den Empfehlungen in der Abwehr von Flüchtlingen, um “den reichen Teil der Welt vor den Spannungen und Problemen der Armen schützen”, und auch z.B. in der Niederschlagung von Aufständen in Entwicklungsländern und der Überwachung der Weltmeere bestehen. Dies solle mittels einer massiven Aufrüstung und Förderung der Überwachungstechnologie der EU-Länder erreicht werden. Außerdem sollten die reichen Länder die  natürliche Ressourcen (z.B. tropische Regenwälder oder Fischgründe) im armen Süden militärisch gegen “unerwünschten Zugriff” absichern. Die Kampfeinsätze zur Durchsetzung europäischer Verwertungsinteressen sollten auch ohne oder gegen NATO und die USA von der EU durchgesetzt werden, so die Forderung des Instituts (vgl.:  http://www.german-foreign-policy.com/de/fulltext/57602).

Das “EU Institute for Security Studies” ist ein sicherheits- und verteidigungspolitischer Think Tank, das dem EU-Ministerrat untersteht (und von ihm gegründet wurde). Er berät Institutionen der EU.

Dieser Bericht offenbart in einer Offenheit, die ich so bisher kaum irgendwo gesehen habe, ein Interesse an der Aufrechterhaltung globaler Ungleichheitsstrukturen und die Bereitschaft, diese auch mit Gewalt durchzusetzen – Gewalt gegen die Verlierer der internationalen Klassengesellschaft, Gewalt gegen die Bedrohung der Privilegien, die auf Ausbeutung beruhen. Und die gewaltsame Ausweitung dieser Ausbeutung auf natürliche Ressourcen des Südens. Und sie zeigt, was wir zu erwarten haben, wenn die Neokonservativen sich noch mehr durchsetzen.

Das ist mal nicht die Zuckerguss-Wahlkampf-Political-Correctness-Version dessen, wie die alte Weltordnung der Ausbeutung der Vielen durch die Wenigen in Europa (und den USA natürlich) erhalten werden soll, sondern wie sie das wirklich meinen. (Kommentar von Fefe)

Share

Warum die Globalisierung auch Chancen für die Entwicklungsländer bietet

Globalisierung heute: mehr Reichtum ungleicher verteilt

Im Zuge der Globalisierung wächst der weltweit produzierte und zu verteilende Reichtum, doch der relative Abstand zwischen Armen und Reichen nimmt immer mehr zu. Wir haben heute eine reichere Welt mit größerer Einkommensungleichheit zwischen den Nationen. Die materiellen Lebenschancen der großen Mehrzahl der Menschen hängen von ihrer nationalen Zugehörigkeit, dem geographischen Ort und den dort herrschenden Bedingungen ab, auch in der Zeit der Globalisierung, in der nationale und regionale Grenzen vermeintlich überall verschwinden. Die Komponente der Welteinkommensungleichheit zwischen den Staaten ist um das Zwei- bis Dreifache größer als die Komponente innerhalb eines Staates.

800px-Earthlights_dmsp

Die Industrieländer: Freihandel nur, wenn er uns nützt!

Die Prediger des Freihandels aus den Industrieländern versperren sich gegen eben diesen Freihandel in den Gebieten, in denen sie selbst nicht wettbewerbsfähig sind, in denen sie Verluste zu Gunsten der Entwicklungsländer akzeptieren müssten, z.B. im Agrar- und Textilsektor. Der Protektionismus hält dort, teilweise nur in anderen Formen, auch seit der Gründung der WTO, immer noch an und verwährt manchen Entwicklungsländern die einzigen Chancen in der globalisierten Weltwirtschaft. Sie können ihre Potentiale im Rohstoffbereich nicht ausnutzen, da in den Industrieländer hohe Subventionen und Importbeschränkungen die Preise verzerren und die komparativen Kostenvorteile zerstören.

Die Entwicklungsländer: weiterhin schlechte Aussichten

Die Entwicklungsländer haben699-1 im Durchschnitt von Globalisierung bislang kaum profitiert. In der Weltwirtschaft stellen sie noch immer die Peripherie dar. Ihr Anteil an den weltweiten Güterexporten pendelt seit rund 30 Jahren um rund 30%. Kaum von der Globalisierung profitieren konnten Staaten, die sich der weltwirtschaftlichen Integration verschlossen haben oder von ihr abgehalten wurden, v.a. Länder in Afrika und Südasien. Afrikas Anteil am Welthandel sank gar in den letzten 25 Jahren von 5 auf unter 1 Prozent. Die Globalisierung hat den Menschen dort bisher kaum genützt, einige Facetten wirken sich sogar nachteilig aus.

Um die Armut dauerhaft und auf breiter Basis überwinden zu können, braucht z.B. Afrika  hohe BIP-Wachstumsraten. Allein um das heutige Armutsniveau halten zu können, wäre ein Wirtschaftswachstum von 4 – 5% pro Jahr und eine Reduzierung der Einkommensungleichheiten konstant über einen Zeitraum von 50 Jahren notwendig, nach allen Prognosen der Weltbank aber sind Wachstumsraten von mehr als 3% kaum zu erwarten und in den letzten 50 jahren stieg das BIP Sub-Sahara-Afrikas aber um gerade 2% pro Jahr durchschnittlich.

Chancen der Globalisierung: Integration in die Weltwirtschaft

Doch die Gloablisierung bietet auch Chancen, bei Integration in den Weltmarkt die eines Wirtschaftswachstums und insgesamt gesehen die einer effektiven Nutzung der weltweiten Ressourcen.

Eine599px-The_Earth_seen_from_Apollo_17 Abkopplung vom Weltmarkt erscheint als Strategie auch für Entwicklungsländer nicht Erfolg versprechend. Das zunehmende Zusammenwachsen der Weltwirtschaft lässt Strategien hin zur Weltmarktöffnung und der Beteiligung an interdependenten Wertschöpfungsketten notwendig erscheinen, Strategien der Importsubstitution versprechen zunehmend weniger Erfolg.

Dies bestätigen auch wissenschaftliche Untersuchungen. Empirisch gesehen haben nur Länder, die sich in den Weltmarkt integrieren, die Chance auf Wirtschaftswachstum (wobei Wirtschaftswachstum um jeden Preis und um seiner selbst Willen natürlich kein Ziel sein darf). Laut Simulationsberechnungen von Oxfam würden etwa in Afrika bei einer Steigerung seines Anteil am Weltexport um ein Prozent mit dem daraus entstehenden Einkommenszuwachs 128 Millionen Menschen aus der Armut befreit werden können, ein mehr Finanzmitteln in Höhe von 70 Milliarden Dollar entstehen. Dies wäre etwa das Fünffache dessen, was es durch Entwicklungshilfe und Schuldenerlass erhält. Eine Ausnutzung der in komparativen Vorteilen angelegten Exportpotentiale kann eine aufholende Entwicklung fördern. Notwendig erscheint manchen aber neben einer Exportorientierung für manche Länder eine nur selektive Öffnung auf der Importseite (dabei wird in der Wissenschaft auf das Erfolgsmodell der südostasiatischen „Tigerstaaten“ verwiesen).

Jedoch sind Annahmen, dass Wirtschaftswachstum und Armutsreduktion zwangsweise korrelierten, zu kurz gegriffen. Benötigt werden innerhalb der Länder Verbesserungen in Bereichen wie Infrastruktur, Bildung, Verwaltung und rechtsstaatlichen Institutionen („Good Governance“).

Eine andere Welt ist möglich

Doch diese Erkenntnis reicht nicht, denn „ganz gleich, wie offenkundig der irrationale Charakter des Ganzen sich manifestieren kann und mit ihm die Notwendigkeit der Veränderung – die Einsicht in die Notwendigkeit hat niemals genügt, die möglichen Alternativen zu ergreifen“ (Herbert Marcuse: Der eindimensionale Mensch).

Die Globalisierunganderewelt ist kein unveränderbares Naturgesetz, sie ist von Menschen historisch gestaltet und beeinflusst worden und sie ist immer noch gestalt- und veränderbar. Die Globalisierung kann als Prozess kaum aufgehalten werde, aber es liegt an uns, sie so gut wie möglich auf das Ziel zu gestalten, dass ein menschenwürdiges Leben für alle Menschen auf der Welt realisiert werden kann, und eines, in dem wir unsere natürlichen Lebensgrundlagen nicht zerstören. Eine andere Welt ist möglich.

Globalisierung heute: mehr Reichtum ungleicher verteilt

Im Zuge der Globalisierung wächst der weltweit produzierte und zu verteilende Reichtum, doch der relative Abstand zwischen Armen und Reichen nimmt immer mehr zu. Wir haben heute eine reichere Welt mit größerer Einkommensungleichheit zwischen den Nationen. Die materiellen Lebenschance der großen Mehrzahl der Menschen hängen von ihrer nationalen Zugehörigkeit, dem geographischen Ort und den dort herrschenden Bedingungen ab, auch in der Zeit der Globalisierung, in der nationale und regionale Grenzen vermeintlich überall verschwinden. Die Komponente der Welteinkommensungleichheit zwischen den Staaten ist um das Zwei- bis Dreifache größer als die Komponente innerhalb eines Staates.

Die Industrieländer: Freihandel nur, wenn er uns nützt!

Die Prediger des Freihandels aus den Industrieländern versperren sich gegen eben diesen Freihandel in den Gebieten, in denen sie selbst nicht wettbewerbsfähig sind, in denen sie Verluste zu Gunsten der Entwicklungsländer akzeptieren müssten, z.B. im Agrar- und Textilsektor. Der Protektionismus hält dort, teilweise nur in anderen Formen, auch seit der Gründung der WTO, immer noch an und verwährt manchen Entwicklungsländern die einzigen Chancen in der globalisierten Weltwirtschaft. Sie können ihre Potentiale im Rohstoffbereich nicht ausnutzen, da in den Industrieländer hohe Subventionen und Importbeschränkungen die Preise verzerren und die komparativen Kostenvorteile zerstören.

Die Entwicklungsländer: weiterhin schlechte Aussichten

Die Entwicklungsländer haben im Durchschnitt von Globalisierung bislang kaum profitiert, ihr Anteil an den weltweiten Güterexporten pendelt seit rund 30 Jahren um rund 30%; kaum von der Globalisierung profitieren konnten Staaten, die sich der weltwirtschaftlichen Integration verschlossen, v.a. Länder in Afrika und Südasien. Die Globalisierung hat den Menschen dort bisher kaum genützt, einige Facetten wirken sich sogar nachteilig aus.

Um die Armut dauerhaft und auf breiter Basis überwinden zu können, braucht z.B. Afrika hohe BIP-Wachstumsraten. Allein um das heutige Armutsniveau halten zu können, wäre ein Wirtschaftswachstum von 4 – 5% pro Jahr und eine Reduzierung der Einkommensungleichheiten konstant über einen Zeitraum von 50 Jahren notwendig, nach allen Prognosen der Weltbank aber sind Wachstumsraten von mehr als 3% kaum zu erwarten und in den letzten 50 jahren stieg das BIP Sub-Sahara-Afrikas aber um gerade 2% pro Jahr durchschnittlich.

Chancen der Globalisierung: Integration in die Weltwirtschaft

Doch die Gloablisierungbietet auch Chancen, bei Integration in den Weltmarkt die eines Wirtschaftswachstums und insgesamt gesehen die einer effektiven Nutzung der weltweiten Ressourcen.

Eine Abkopplung vom Weltmarkt erscheint als Strategie auch für Entwicklungsländer nicht Erfolg versprechend. Das zunehmende Zusammenwachsen der Weltwirtschaft lässt Strategien hin zur Weltmarktöffnung und der Beteiligung an interdependenten Wertschöpfungsketten notwendig erscheinen, Strategien der Importsubstitution versprechen zunehmend weniger Erfolg. Dies bestätigen auch wissenschaftliche Untersuchungen. Empirisch gesehen haben nur Länder, die sich in den Weltmarkt integrieren, die Chance auf Wirtschaftswachstum, durch welches sich auch andere soziale Missstände lindern lassen (wobei Wirtschaftswachstum um jeden Preis natürlich kein Ziel sein darf).

Laut Simulationsberechnungen von Oxfam würden etwa in Afrika bei einer Steigerung seines Anteil am Weltexport um ein Prozent mit dem daraus entstehenden Einkommenszuwachs 128 Millionen Menschen aus der Armut befreit werden können, ein mehr Finanzmitteln in Höhe von 70 Milliarden Dollar entstehen. Dies wäre etwa das Fünffache dessen, was es durch Entwicklungshilfe und Schuldenerlass erhält. Eine Ausnutzung der in komparativen Vorteilen angelegten Exportpotentiale kann eine aufholende Entwicklung fördern. Notwendig erscheint manchen aber neben einer Exportorientierung für manche Länder eine nur selektive Öffnung auf der Importseite (dabei wird in der Wissenschaft auf das Erfolgsmodell der südostasiatischen „Tigerstaaten“ verwiesen).

Jedoch sind Annahmen, dass Wirtschaftswachstum und Armutsreduktion zwangsweise korrelierten, zu kurz gegriffen. Benötigt werden innerhalb der Länder Verbesserungen in Bereichen wie Infrastruktur, Bildung, Verwaltung und rechtsstaatlichen Institutionen („good governance“).

Eine andere Welt ist möglich

Doch diese Erkenntnis reicht nicht, denn „ganz gleich, wie offenkundig der irrationale Charakter des Ganzen sich manifestieren kann und mit ihm die Notwendigkeit der Veränderung – die Einsicht in die Notwendigkeit hat niemals genügt, die möglichen Alternativen zu ergreifen“ (Herbert Marcuse: Der eindimensionale Mensch).

Die Globalisierung ist kein unveränderbares Naturgesetz, sie ist von Menschen historisch gestaltet und beeinflusst worden und sie ist immer noch gestalt- und veränderbar. Die Globalisierung kann als Prozess kaum aufgehalten werde, aber es liegt an uns, sie so gut wie möglich auf das Ziel zu gestalten, dass ein menschenwürdiges Leben für alle Menschen auf der Welt realisiert werden kann, und eines, in dem wir unsere natürlichen Lebensgrundlagen nicht zerstören. Eine andere Welt ist möglich.

Share

Europäische Lehren für den deutschen Arbeitsmarkt: Flexibilität und Sicherheit sind vereinbar

Das Thema Kündigungsschutz steht seit einigen Jahren hoch in der Debatte um die richtige Arbeitsmarktpolitik. Laut einer Arbeitgeberbefragung der Europäischen Kommission seien in Deutschland der häufigste Grund für Nichtneueinstellungen prozeduale Vorschriften bei der Entlassung. Diese und ähnliche Fakten haben die Debatte um die Reform des Arbeitsrechtes zusätzlich angefacht, bei der der Kündigungsschutz nicht selten im Mittelpunkt steht. Kritiker werfen ihm vor, dass er, entgegen seinem Ziel, Arbeitsplätze zu schützen, insgesamt mehr Arbeitsplätze vernichte.

Bei den Vertretern der neoliberalen Ökonomie ist er gern der Prügelknabe für alle Defizite des deutschen Arbeitsmarktes. Dabei erscheint gerade die in Deutschland verfolgte neoliberale Politik, die statt auf Förderungsmaßnahmen einseitig auf den Abbau sozialer Leistungen und erhöhten Druck gesetzt hat, deutlich weniger erfolgversprechend, als eine Strategie, die Flexibilität des Arbeitsmarktes und eine hohe soziale Sicherheit sowie eine aktive Arbeitsmarktpolitik miteinander kombiniert.

 

Der Kündigungsschutz: Ausgleich zwischen Abeitnehmer- und Arbeitgeberinteressen

 

Den Kündigungsschutz kann man verstehen als die Menge der rechtlichen Vorschriften, die die Entlassung von Arbeitnehmern regeln. Dies ist möglich durch die Arbeitsgesetzgebung und/ oder durch individuelle oder kollektive Vereinbarungen. Bestandteile des Kündigungsschutzes können etwa Abfindungszahlungen, Abgaben auf Entlassungen, Kündigungsfristen, die Notwendigkeit der Zustimmung zu einer Entlassung durch staatliche Stellen oder eine Pflicht zu vorherigen Verhandlungen mit den Gewerkschaften sein.

Es erscheint, da Beziehungen von Arbeitgebern und Arbeitnehmern asymmetrischer Natur zuungunsten der Arbeitnehmer sind, notwendig, die Risiken weg von den Arbeitnehmerm zu verlagern. Kündigungsschutzregelungen sollen einen Ausgleich zwischen dem Bedürfnis der Firmen, sich sich verändernden Marktbedingungen anzupassen, und dem Interesse der Arbeitnehmer nach Sicherheit ihres Arbeitsplatzes darstellen. Der Kündigungsschutz fungiert in der Theorie wie in der Praxis v.a. als Schutz der Arbeitnehmer vor willkürlichen Entlassungen seitens der Arbeitgeber.

 

Kernpunkte des Kündigungsschutz in Deutschland und in Europa

 

In Deutschland ist der bestimmende Faktor des Arbeitsrechts die arbeitsgerichtliche Praxis der Auslegung des Kündigungsschutzgesetzes, die teilweise schon eine Art Selbstständigkeit erreicht hat. Hier spielen v.a. die Abfindungen die entscheidende Rolle. Dies hat zu einer starken Ausweitungen von vor der Kündigung geregelten Abfindungsvereinbarungen zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern geführt. Bei befristeter Beschäftigung ist, v.a. seit 2004, ein Trend zu einer starken Flexibilisierung erkennbar.

Im europäischen Vergleich kann man folgende Gruppen zur Typisierung der Staaten hinsichtlich ihrer arbeitsmarkt- und sozialpolitischen Regulierung unterscheiden:

  1. liberale, angelsächsische Länder zeichnen sich durch eine hohe Lohnspreizung, das Prinzip des workfare state, wenig soziale Sicherheit mit strenger Bedürftigkeitsprüfung bei Sozialleistungen, die sehr niedrig ausfallen, und die staatlichen Förderungen privater Versicherungen aus. Sie haben einen niedrigen Kündigungsschutz, es gelten keine Beschränkungen für Leiharbeit und diese macht einen hohen Anteil der Beschäftigten aus.
  2. Kontinentaleuropa: geprägt durch ein (konservatives) Bismarcksches Sozialversicherungsmodell, eine relativ hohe soziale Absicherung mit relativ hohen Arbeitslosengeldzahlungen und Renten. Bei ihnen kann man oft einen hohen Kündigungsschutz feststellen. All diese Punkte haben in Deutschland in den letzten Jahren freilich deutlich abgenommen.
  3. In Südeuropa gibt es meist nur eine rudimentäre soziale Sicherung. Die Arbeitsmarktpolitik konzentrierte sich stark auf Frühverrentungen. Quasi als Ersatz für die niedrige Sozialfürsorge wurden starke Arbeitnehmerschutzrechte etabliert. Außerdem herrscht ein hohe Arbeitsmarktsegmentation.
  4. Skandinavien/ Sozialdemokratisches Modell: Hier herrscht ein sehr hohes Maß an sozialer Sicherheit mit universalistischen Versicherungen (nach dem Beveridge-Modell) und hohen Sozialleistungen. Es gibt eine starke aktive Arbeitsmarktpolitik und einen hohen Anteil an staatlicher Beschäftigung. Es herrscht geringe Lohnspreizung. Der Arbeitsmarkt ist flexibel. Beim Kündigungsschutz jedoch ist das Bild nicht eindeutig. So haben Schweden und Norwegen einen hohen, Dänemark andererseits hat einen geringen Kündigungsschutz.
  5. Das dänische Modell und teilweise das niederländische (schwächer das schwedische) werden aufgrund ihrer Verbindung von Sicherheit (hohe Sozialleistungen bei Arbeitslosigkeit) und Flexibilität (hohe Arbeitsmarktdynamik) auch dem Flexicuritiy- Modell zugeordnet. Auch die Europäische Kommission tritt für eine Anwendung von Konzepten der Flexicurity ein.

 

Obwohl es in allen Ländern der OECD Kündigungsschutzregelungen gibt, unterscheiden diese sich, v.a. im Hinblick auf die Vorgaben zu befristeter Beschäftigung (bei dieser lassen sich in den letzten 20 Jahren Annäherungstendenzen nach unten hin feststellen).

 

Wirkungen des Kündigungsschutzes

Ein höherer Kündigungsschutz führt empirisch gesehen zu einer längeren Arbeitsdauer und sichert somit die bestehenden Arbeitsverhältnisse. Er kann jedoch auch zu einer steigenden Dauer der Arbeitslosigkeit und damit zu einem steigenden Anteil von Langzeitarbeitslosen beitragen. In Ländern mit niedrigem Kündigungsschutz gibt es in erster Linie Kurzzeitarbeitslosigkeit. Die Arbeitsmarktdynamik wird durch einen hohen Kündigungsschutz geschwächt und die Zugänge zur sowie die Abgänge aus der Arbeitslosigkeit gesenkt, die Beschäftigungsschwelle steigt. Ein hoher Kündigungsschutz (für reguläre Beschäftigung) kann in einer Segmentierung des Arbeitsmarktes und zur Verbreiterung prekärer Beschäftigungsformen zu Lasten schwacher Gruppen resultieren. Er begünstigt die insiders und schadet den outsiders des Arbeitsmarktes.

Es ist aber zu betonen, dass der Effekt des Kündigungsschutzes auf die Arbeitslosigkeit insgesamt nicht eindeutig festzustellen ist (der Effekt ist allenfalls schwach). Auch in der Theorie ist dieser umstritten.

 

Lehren aus anderen Ländern: Flexibilität UND Sicherheit sind möglich

 

Eine Reform des Kündigungsschutzes erscheint als ein notwendiger Schritt, er ist aber nicht als der alleinig ausreichende. Denn insgesamt spricht wenig dafür, dass mit einer weiteren Lockerung des Kündigungsschutzes in Deutschland unmittelbar ein Abbau der Arbeitslosigkeit einhergeht. Denn außerdem sind dazu v.a. aktive Beschäftigungspolitiken und eine effektive Aktivierungspolitik sowie eine bessere berufliche Weiterbildung notwendig. Diese Politiken können dabei auch als Ergänzung zur Sicherung der Arbeitnehmer gegen Arbeitsmarktrisiken gesehen werden. Auch der empirische Vergleich macht deutlich, dass niedrige Arbeitslosigkeit v.a. bei Ländern mit größeren Ausgaben für aktive Arbeitsmarktpolitiken und mit weniger Rigidität bei der Arbeitsmarktregulierung vorhanden ist.

Die Balance zwischen den verschiedenen politischen Alternativen zur Regulierung des Arbeitsmarktes, die Elemente wie die Höhe des Kündigungsschutzes, die Höhe des Arbeitslosengeldes und die Art der Arbeitsmarktpolitiken beinhaltet, hängt eng mit den vorhandenen Institutionen, der Geschichte und der politischer Kultur der jeweiligen Länder zusammen. Reformen müssen diese immer berücksichtigen, wenn sie nicht auf den Widerstand der Bevölkerung stoßen und politisch erfolgreich sein wollen.

Neoliberale Reformen in der Richtung der angelsächsischen Staaten erscheinen wenig erfolgversprechend. Soziale Gerechtigkeit und gesellschaftliche Fairness dürfen nicht unberücksichtigt bleiben. Und diese sind auch nicht, wie es uns die durch die Talkshows tingelden sich einen wissenschaftlichen Anstrich verpassenden Mietmäuler der Wirtschaftslobby verkaufen wollen, unvereinbar mit wirtschaftlicher Dynamik und Flexibilität.

Das Flexicurity-Modell mit seinen bemerkenswerten beschäftigungspolitischen Erfolgen etwa hat gezeigt, dass auch bei einem niedrigen Kündigungsschutz und einer hohen Arbeitsmarktdynamik eine hohe soziale Sicherheit der Arbeitnehmer gewährleistet sein kann. Sowohl eine hohe Beschäftigungsicherheit mit einer sehr niedrigen Arbeitslosenzahl und einer nur kurzen Dauer der Arbeitslosigkeit, als auch mit hohen Lohnersatzleistungen bei Arbeitslosigkeit. Außerdem gibt es eine aktive Arbeitsmarktpolitik zur schnellen Wiedereingliederung von Arbeitslosen und äußerst umfangreiche Praktiken der Witerbildung, Qualifizierung und des lebenslangen Lernens zu übernehmen. Will man sich diesem Modell annähern, und vieles spricht dafür, sollte man dies nicht nur im Bereich der Flexibilität tun. Eine Einbeziehung der Dimension der sozialen Sicherheit , die zweifelsohne hohe staatliche (in Skandinavien Steuer-) Mittel erfordern würde, wäre in Deutschland zwar nicht ohne Widerstände durchzusetzen, würde aber wohl auch zu einer Abmilderung der sozialen Spaltung und einer stärkeren Solidarität in der Gesellschaft beitragen.

Share

Die Entwicklungspolitik der Parteien – Ignoranz bei der CDU, Desinteresse bei der FDP

Die Studie Sie haben die Wahl! Entwicklungspolitische Positionen der Parteien zur Bundestagswahl 2oo9 von VENRO und Deine Stimme gegen Armut untersucht die entwicklungspoltischen Positionen von CDU/CSU, SPD, Grüne, FDP und Die Linke.

In relativ vielen Punkte stimmen die Parteien dabei sogar überein. Angesichts sehr vieler sinnvoller Konzepte und Ideen scheint es sinnvoll, sich ein paar problematische oder sogar schädliche anzusehen:

Die CDU lehnt die Agrarsubventionen der Industrieländer für ihre Landwirtschaft nicht ab und betont sogar, dass sie „verstärkt Exportmärkte für die deutsche Land- und Ernährungswirtschaft erschließen und die Exportoffensive fortsetzen“ will.

Jährlich geben die Industrieländer  für Importzölle und Exportsubventionen auf Agrar- und Textilprodukte mit 350 Milliarden Dollar das Siebenfache ihrer Entwicklungshilfe aus. Durch Exportsubventionen werden die hohen Preise auf oder unter das Weltmarktpreisniveau gesenkt, sogar bis um mehr als ein Drittel unter den Produktionskosten. Die  Zollschranken der Industrieländer  für Exporte aus Entwicklungsländern sind 4 mal höher als für Exporte aus anderen Industrieländern. Der Protektionismus der Industrieländer kostet die Entwicklungsländer nach IWF- und Weltbankschätzungen mit 100 Milliarden Euro doppelt so viel, wie sie an Entwicklungshilfe von ihnen erhalten.

Die CDU setzt sich ebenfalls für weiterhin strenge Patentregelung ein.

Die Entwicklungshilfe will die CDU an Good Governance-Kriterien und die Einhaltung der Menschenrechte knüpfen. Dies erscheint v.a. im Bereich der Budgethilfe sinnvoll, aber: CDU und FDP sind eher gegen die Budgethilfe.

CDU und SPD wollen eine starke Rolle der G-8 bei der Steuerung der Globalisierung behalten.

Die Zusage, 0,7 Prozent des BNE für Entwicklungszusammenarbeit bereitzustellen, findet sich überall, bei CDU, FDP und Linke fehlt jedoch das (bereits zugesagte) Zieljahr 2015. Besonders bei der FDP wird mit der Aussage, die „Wirksamkeit der Entwicklungszusammenarbeit stärker in den Mittelpunkt stellen zu wollen als die Höhe der Gelder“ deutlich, dass eine Erhöhung der Entwicklungshilfe wohl nicht zu erwarten wäre.

Die FDP lehnt innovative Finanzierungsinstrumente für Entwicklungshilfe ab, die CDU äußert sich dazu nicht.

Die Erlöse aus dem Emissionshandel will die FDP nicht in den Klimaschutz und die Entwicklungszusammenarbeit investieren, sondern mit ihnen die Senkung der Stromsteuer finanzieren.

Außerdem ist die FDP als einzige Partei für die Abschaffung des Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung.

Die Linke will regionale Märkte in Entwicklungsländer stärken. Für einige Länder kann dies der richtige Weg sein. Empirische Untersuchungen zeigen jedoch, dass offene und weltmarktorientierte Entwicklungsländer höhere Wachstumsraten des Pro-Kopf-Einkommens haben als geschlossene.

Vergleicht man die Positionen der Parteien zu denen, die seitens der Wissenschaft und seitens der Zivilgesellschaft, wie etwa durch Nichtregierungsorganisiationen wie VENRO zum Ausdruck gebracht werden, so ergibt sich, dass die CDU aus entwicklungspolitischer Sicht nicht wählbar ist. Gerade die Existenz hoher Agrarsubventionen des Nordens ist zweifelsohne ein gravierende Entwicklungshemmnis für den Süden, und nur die CDU besteht aus Klientelinteressen darauf.

Die FDP unterstreicht dadurch, dass sie das BMZ abschaffen und nicht mehr Gelder bereitstellen will, dass die Entwicklungspolitik keine ihrer Prioritäten darstellt, auch sie erscheint hinsichtlich ihrer entwicklungspolitischen Vorstellungen kaum wählbar.

Share

Entwicklungspolitik bei der Bundestagswahl

Welche Forderungen kann man aus entwicklungspolitischer Sicht an die zur Bundestagswahl antretenden Parteien stellen? Und wie sehen die Positionen der Parteien zur Entwicklungspolitick aus?

Der Verband Entwicklungspolitik deutscher Nichtregierungsorganisationen (VENRO) hat 10 Forderungen zur Bundestagswahl gestellt. Der Kampf gegen Hunger und Armut, für demokratische Teilhabe, soziale Gerechtigkeit und den Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen gehöre  ganz oben auf die politische Agenda einer auf eine demokratische, soziale und ökologische Gestaltung der Globalisierung ausgerichteten Politik, so VENRO. Die Forderungen (die auch näher spezifiziert und konkretisiert werden) sind:

  1. Die Folgen der Finanz- und Wirtschaftskrise für die Armen mindern
  2. Die Millenniumsentwicklungsziele voranbringen
  3. Versprechen halten – Mehr und bessere Entwicklungszusammenarbeit
  4. Hunger bekämpfen – Welternährung sichern
  5. Klimawandel stoppen
  6. Gerechtigkeit im Welthandel
  7. Gesundheit und Bildung für alle
  8. Frieden und Sicherheit schaffen, Krisenprävention ausbauen, die Unabhängigkeit der humanitären Hilfe sichern
  9. Rolle der Frauen stärken und Geschlechtergerechtigkeit schaffen
  10. Solidarität und Kompetenzen im Umgang mit der Globalisierung stärken

In der Studie Sie haben die Wahl! Entwicklungspolitische Positionen der Parteien zur Bundestagswahl 2oo9 von VENRO und der Aktion ” Deine Stimme gegen Armut” wird untersucht, welchen Stellenwert und welche Rolle die Parteien der Entwicklungspolitik geben. Schwerpunkte der Untersuchung sind: Ziele der Entwicklungspolitik, mehr und bessere Entwicklungszusammenarbeit, globale Wirtschafts- und Finanzkrise, gerechter Welthandel und der Klimawandel. Betrachtet werden CDU/CSU, SPD, Grüne, FDP und Die Linke.

Die dafür analyierten Wahlprogramme der Parteien zur Entwicklungspolitik und die Antworten der Parteien auf einen Fragenkatalog finden sich auf dieser Seite, und dort gibt es auch Vorschläge, was man zur Bundestaggswahl gegen Armut tun kann, sowie verschiedene Materialien und Links zum Thema.

Bei Deine Stimme gegen Armut gibt es ebenfalls einen Entwicklungspolitischen Wahlhelfer, ähnlich dem bekannten Wahlomaten, bei dem man Aussagen zur Entwicklungspolitik zustimmen, ablehnen oder auch überspringen kann. Die Antworten werden mit den Programmen der Parteien verglichen und die Übereinstimmung festgestellt. Jedoch werden dort nur 10 Fragen gestellt, und es kann auch gefragt werden, ob diese die wichtigsten Punkte abdecken. Eine Kritik zu dem Wahlhelfer gibt es auch im Blog der Rheinzeitung.

Share

Religulous

Bill Mahers Religulous – Auszüge vom Beginn und Ende des Films:

http://video.google.de/videoplay?docid=419378659422792803&ei=jOWMSuixG6Ki2AKR_-mcCg&q=religulous+ending

Bill Maher (ab Minute 1:13):

The irony of religion is that because of its power to divert man to destructive forces, the world could actually come to an end.

The plain fact is, religion must die for mankind to live. The hour is getting very late to be able to indulge in having key decisions made by religious people, by irrationalists, by those who would steer the ship of state not by a compass but by the equivalent of reading the entrails of a chicken. George Bush prayed a lot about Iraq, but he didn’t learn a lot about it.

Faith means making a virtue out of not thinking, it’s nothing to brag about and those who preach faith and enable and elevate it are intellectual slave holders, keeping mankind in a bondage to fantasy and nonsense that has spawned and justified so much lunacy and destruction. Religion is dangerous because it allows human beings who don’t have all the answers to think that they do. Most people would think it’s wonderful when someone says “I’m willing Lord, I’ll do what ever you want me to do”. Except that since there are no gods actually talking to us, that void is filled in by people, with their own corruptions and limitations and agendas.

And anyone who tells you they know, they just know what happens when you die, I promise you, you don’t. How could I be so sure? Because I don’t know, and you do not possess mental powers that I do not.

The only appropriate attitude for man to have about the big questions is not the arrogant certitude that is the hallmark of religion, but doubt. Doubt is humble and that’s what man needs to be, considering that human history is just a litany of getting shit dead wrong.

This is why rational people, anti-religionists, must end their timidity and come out of the closet and assert themselves. And those who consider themselves only moderately religious, they need to look in the mirror and realise that the solace and comfort that religion brings you actually comes at a terrible price.

If you belong to a political party or a social club that was tied to as much bigotry, misogyny, homophobia, violence and sheer ignorance as religion is, you’d resign in protest. To do otherwise is to be an enabler, a mafia wife, with the true devils of extremism that draw their legitimacy from the billions of their fellow travellers.

If the world does come to an end here or wherever, or if a glimpse into the future decimated by the effects of religion inspired nuclear terrorism, lets remember what the real problem was, that we learned how to precipitate mass death before we got past the neurological disorder of wishing for it.

That’s it, grow uo, or die!

Share

Arbeit in Deutschland: immer prekärer, immer schlechter bezahlt

Deutsche Unternehmen nutzten Leiharbeit nicht mehr zum kurzfristigen Ausgleich personeller Engpässe, sondern als Instrument einer kurzfristigen Absicherung der Kapitalrendite oder der Profitabilität.

Mehr prekäre Beschäftigungsformen

Laut einer Studie des Statistischen Bundesamtes hat die Zahl der atypisch Beschäftigten (Teilzeitarbeit, Leiharbeit, befristet und geringfügig Beschäftigte) in Deutschland von 5,3 auf 7,7 Millionen zugenommen, die (unbefristeten Vollzeit-) Normalarbeitsverhältnisse gingen von 23,7 auf 22,9 Millionen zurück. Der Verdienst in den atpischen Beschäftigungsformen liegt bei 2/3 des Verdienstes eines Normalbeschäftigten, und fast die Hälfte von ihnen fielen unter die Niedriglohngrenze. Die Ergebnisse gibt es bei http://www.tagesschau.de/wirtschaft/studiejobqualitaet100.html.

Leiharbeit: unsicher und schlecht bezahlt

Die Studie der Hans Böckler-Stiftung Zeitarbeit in europäischen Ländern – Lehren für Deutschland? stellt schlechtere Arbeitsbedingungen für Deutsche Arbeitnehmer als in den anderen europäischen Staaten fest. V.a gibt es hier gravierende Lohnunterschiede zu den regulär Beschäftigten. In keinem der anderen Länder sind die Lohnunterschiede so stark ausgeprägt wie in Deutschland. Jeder achte ist auf staatliche Lohnzschüsse angewiesen und Leiharbeiter haben ein überdurchschnittlich hohes Armutsrisiko. Mehr als die Hälfte sind außerdem kürzer als 3 Monate angestellt. Eine kurze Zusammenfassung auf http://www.tagesschau.de/wirtschaft/leiharbeiter102.html.

In Deutschland gibt es nicht etwa wie in Frankreich bei der Leiharbeit eine Art Ausgleich: höhere Bezahlung gegen unsichereres Beschäftigungsverhältnis  oder allgemein wie in Dänemark großzügige Arbeitslosenunterstützung (hohe Sicherheit) gegen geringen Kündigungsschutz (hohe Flexibilität). Bei uns lautet der “Deal”: niedrigere Löhne bei nicht vorhandener Beschäftigungssicherheit.

Andere Untersuchungen zur Leiharbeit

Nur 21% der Zeitarbeitnehmer werden in reguläre Beschäftigung übernommen (12-15% direkt im Entleihbetrieb). 26% bleiben in der Zeitarbeit, 34% werden arbeitslos, 19% werden Nichterwerbspersonen (IAB-Betriebspanel). Fast 80% aller Zeitarbeitnehmer sind in diese prekäre Beschäftigungsform von vorher regulärer Beschäftigung oder nur kurzer Arbeitslosigkeit gewechselt.

Der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, dem außer Peter Bofinger nur Anhänger der neoklassischen Ökonomie angehören, stellt in seinem Jahresgutachten 2008/ 2009 fest, dass in Deutschland “vormals arbeitslose Leiharbeitnehmer zwar eine höhere Wahrscheinlichkeit haben, binnen vier Jahren wieder bei einem Verleihunternehmen zu arbeiten, sich aber nicht von Arbeitslosen in der Wahrscheinlichkeit unterscheiden, einer regulären Beschäftigung nachzugehen oder wieder arbeitslos zu sein”.

Zeitarbeitnehmern werden (je nach Beruf) nur 49 bis 73% des Lohns der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten in dem selben Beruf bezahlt (Sozio-oekonomisches Panel 2006).

NACHTRAG: Die Folgen prekärer Beschäftigung

In der Süddeutschen Zeitung gibt es unter Leiharbeit – ”Das System powert die Leute systematisch aus” ein Interview mit dem Arbeitssoziologen Klaus Dörre zu einer Studie der IG Metall.  Deutsche Unternehmen nutzten Leiharbeit nicht mehr zum kurzfristigen Ausgleich personeller Engpässe, sondern, so ndern als Instrument einer kurzfristigen Absicherung der Kapitalrendite oder der Profitabilität. Bei Lowestfrequency gibt es eine Zusammenfassung sowie ein paar Anmerkungen.

Share

Die Entwicklungspolitik der Spitzenkandidaten (außer Merkel)

Die Spitzenkandidaten570px-Africa_satellite_plane Steinmeier, Trittin, Gysi und Westerwelle haben sich, im Gegensatz zu Angela Merkel, die Zeit genommen, 12 Fragen der Entwicklungshilfeorganisation One zu Afrika zu beantworten. In vielen Punkten gibt es Gemeinsamkeiten, doch auch ein paar Unterschiede. Ich möchte hier zwei Punkte aufzeigen, zu denen, hier examplarisch an den Parteien, verschiedene Konzepte bestehen. Erstens: soll Entwicklungspolitik (in erster Linie) eigenstaatlichen Interessen dienen? Und zweitens: wie soll man mit verbrecherischen Regimen umgehen?

[Im Blog von One werden die Fragebögen erst nach und nach veröffentlicht, weshalb ich mich hier erstmal v.a. auf den Artikel in der Süddeutschen Zeitung und die dort veröffentlichten Fragen und Antworten stütze.]

Egoismus versus Altruismus

Dass Guido Westerwelle hervorhebt, dass Entwicklungszusammenarbeit auch dem Eigennutz dient

Das falscheste Vorurteil über Entwicklungszusammenarbeit ist, …

Guido Westerwelle (FDP): “… dass wir keinerlei eigenes Interesse an der Hilfe hätten. Mehr Wohlstand und mehr Stabilität bei unseren Nachbarn nutzt auch uns.”

gehört wohl zur Ideologie. Warum etwas tun, wenn es einem nicht selbst nutzt? Wenn jeder egoistische handelt, geht es wie von Zauberhand (oder zumindest durch die unsichtbare des Marktes) allen am besten. Kennt man ja alles. Immerhin sind die Liberalen nicht dafür, die Entwicklungshilfe komplett abzuschaffen. Muss man ja heute schon froh sein.

Gregor Gysi greift dieses Thema auch auf, jedoch von der anderen Seite,

Gregor Gysi (Linke): “… dass sie völlig selbstlos und ohne Eigeninteresse der Geberländer geleistet wird. Es stehen meistens die Interessen der reichen Industriestaaten im Vordergrund, wenn es um die konkrete Gestaltung der Zusammenarbeit geht. Ein Vielfaches dessen, was als Hilfe von Nord nach Süd fließt, kommt zurück: über Zinstilgungen, Kapitalflucht, ungerechte Handelsbeziehungen, die den Süden strukturell benachteiligen. Seit Jahrhunderten wird Umverteilung zugunsten des Nordens organisiert. Daran ist viel Entwicklung im Süden gescheitert.”

Sicher zieht Deutschland auch einen Nutzen aus seiner Entwicklungspolitik. Es ist aber auch richtig, einen Egoismus anzuprangern, der  in der Weltwirtschaft eben dazu führt, dass der Reichtum vom Süden zum Norden hin fließt, dass Ausbeutung weltweit fortgesetzt wird.

Wie behandelt man Schurken?

Anderseits kann ein Punkt der Liberalen, nämlich gute Regierungsführung und die Einhaltung der Menschenrechte –  “Good Governance”-Kriterien – bei der Vergabe von Entwicklungshilfe stärker in den Vordergrund zu stellen, in vielen Fällen sinnvoll sein.

Good Governance ist „The manner in which power is exercised in the Management of country’s economic and social resources for development” (Weltbank). Good Governance, eine gute Regierungsführung, stellt eine Form der Herrschaft da, die den Kriterien Partizipation der Bevölkerung bei der Auswahl der Regierenden, Rechtsbindung der Politik sowie Schutz der Menschenrechte entspricht. Sie steht für eine effiziente Staatsführung, die in verantwortlicher Weise der Sorgfaltspflicht von Regierungen und Behörden bei ihren Tätigkeiten sowie beim Umgang mit ihnen anvertrauten wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Ressourcen nachkommt. Maßstäbe zur Ausübung von Good Governance sind z.B. die Steigerung der Kapazität und Effizienz im Management des öffentlichen Sektors, Verantwortlichkeit der Regierung, Rechtssicherheit oder Transparenz im öffentlichen Sektor. Eine wichtige Rolle spielt der Aufbau und die Teilhabe einer funktionierenden Zivilgesellschaft.

Robert Mugabe (http://en.wikipedia.org/wiki/File:Mugabecloseup2008.jpg)
Simbabwes Machthaber Robert Mugabe (Author: Tech. Sgt. Jeremy Lock, (USAF), public domain, http://en.wikipedia.org/wiki/File:Mugabecloseup2008.jpg) "Let me be a Hitler ten-fold"

Den krassesten Gegenpunkt dazu stellt etwa die wirtschaftliche Zusammenarbeit Chinas mit Staaten in Afrika dar, die mit Hinweis auf die Nichteinmischung in die inneren Angelegenheiten anderer Staaten (womit ja immer auch Kritik an den Menschenrechtsverletzungen in China gekontert wird) und völlig ohne jegliche moralische Skrupel z.B. Waffen an den Sudan oder Simbabwe liefern, die sicherlich zu den furchtbarsten und menschenverachtendsten Regimen der Welt gehören.

Ein Problem aber ist, dass in der von den neoliberalen Ideen des Washington Konsensus beherrschten Vergangenheit von Weltbank und IWF an die Entwicklungsländer für den Erhalt finanzieller Hilfen Bedingungen gestellt wurden, die jedoch fast ausschließlich wirtschaftliche Liberalisierungsmaßnahmen, Privatisierung von Staatsbetrieben und den massiven Abbau von Sozialleistungen (die v.a. die ärmsten Bevölkerungsschichten betrafen) beinhalteten. Diese erzeugten oft gerade neue große Armut. Ziel war die Schaffung eines attraktiven Investitionsklimas für auslädische Investoren, nicht die Bekämpfung von Hunger, keine sozialen, Gesundheits- oder Umweltstandards (diese mussten meist als Investitionshindernisse sogar noch weiter gesenkt werden). Das Good Governance-Konzept wurde vor 20 Jahren entwickelt (Post Washington Consensus/ Stiglitz), erhielt aber erst in den letzten Jahren mehr Einfluss, gegen den Widerstand der neoliberalen Kräfte. Man kann sich wohl, ohne der FDP Böses zu wollen, vorstellen, dass auch sie wirtschaftliche “Anpassungsmaßnahmen” (wieder) stärker zur Bedingung für die Vergaben von Entwicklungshilfe machen will.

2000px-African_continent-de.svgTeilweise problematisch erscheint aber auch der Standpunkt der Linken. Selbstverwaltung der Gelder durch die empfangenden Staaten, bei denen das Geberland keine “Vorschriften” für deren Verwendung macht, “ownership”, ist sicher bei den meisten Staaten ein Konzept, das man anwenden sollte. In manchen Fällen kann dies aber eben unterdrückende Regierungen oder korrupte Eliten weiter unterstützen, die Finanzmittel kommen nicht der Bevölkerung zu Gute.

Demokratie und Menschenrechte sollten bei der Entwicklungszusammenarbeit gefördert werden – wenn auch nicht mittels paternalistischer Bevormundung. Eine Miteinbeziehung von gesellschaftlichen Gruppen, wie sie Steinmeier anspricht, erscheint hier durchaus sinnvoll. Den in Armut lebenden Menschen helfen, Zivilgesellschaft und demokratische Kräfte eines Landes zu stärken ohne die Unterdrücker und Ausbeuter ungewollt zu fördern – hier liegt eine Schwierigkeit in der Entwicklungspolitik, zu deren Lösung es immer noch guter Konzepte bedarf.

Share

Die Legende der Nichtbezahlbarkeit staatlicher Beschäfigungspolitik

Thomas Strobl führt im Blog Chaos as usual unter „4 Millionen neue Arbeitsplätze? – Mit links!“ aus, wie man Steinmeiers Plan zur Schaffung von 4 Millionen neuen Arbeitsplätzen ökonomisch bewerten kann. Er nimmt dabei auch das Standardargument der neoliberalen Ökonomie von der Nichtbezahlbarkeit, das auch immer wieder von den Mainstream-Medien aufgegriffen wird, auseinander.

„Wenn der Staat also nun so verfährt und auf diesem Wege 4 Millionen Jobs schafft, in welcher konkreten Form auch immer, was kostet das dann? Simple Antwort: nicht mehr als das Produktivitätsdifferenzial zwischen einer dergestalt politisch-motivierten und einer ausschließlich marktwirtschaftlich Bewirtschaftung durch Private. In konkreten Zahlen? Keine Ahnung. Aber selbst wenn man diesen 4 Millionen Jobs überhaupt keine ökonomische Sinnhaftigkeit zugesteht, sie also in einem „worst-case”-Szenario voll als „Kosten” verbucht (was ökonomisch total unsinnig ist, aber nur mal zur Veranschaulichung), dann beliefen sie sich maximal auf die Differenz zwischen den an diese 4 Millionen Damen und Herren bezahlten Nettolöhnen und den alternativen Hartz-IV-Sätzen. Nehmen wir diese Differenz mal über den Daumen gepeilt mit 500 Euro pro Nase und Monat an, dann kämen wir auf Gesamtkosten des Vorhabens von 24 Milliarden Euro im Jahr. Ist das Shocking? Ich bitte Euch, Leute: 24 Milliarden sind in diesen Zeiten besseres Kleingeld, nicht mehr als 1 läppisches Prozent des BIP – selbst in Rezessionszeiten. Und dafür bekäme man annähernd Vollbeschäftigung!

Zudem würden diese 24 Milliarden in Wahrheit eben nicht als „Kosten” anfallen, sondern zum weitaus überwiegenden Teil auch als Einkommen (…) Denn eines wird wohl keiner bestreiten: auf dieser Ebene der Einkommenspyramide wandert jeder zusätzliche Euro schnurstracks in den Konsum. Und daher beglücken die Mittel für diese 4 Millionen Arbeitsplätze mitnichten nur deren Besitzer, sondern die deutsche Volkswirtschaft als Ganzes. Die simple Wahrheit lautet daher: Wer der deutschen Binnenkonjunktur auf die Sprünge helfen will, wird um Maßnahmen, wie Steinmeier sie auf der Liste hat, gar nicht herumkommen – in welchem ideologischen Lager er sein Zelt auch aufgeschlagen haben mag.“

Er kommt jedoch auch zu dem Schluss, das, egal wie sinnvoll diese Planungen sein mögen, sie ohne eine Kooperation der SPD mit der Linken kaum in die Tat umgesetzt würden.

Aktive staatliche Beschäftigungspolitik ist also möglich, sie ist sinnvoll, und sie ist durchaus auch bezahlbar.

Share