Noch ne neue Partei?

Der Artikel “Hessische SPD-Rebellen – Neue Partei nach der Bundestagswahl?” berichtet, dass die vier hessischen SPD-Abgeordneten, die Andrea Ypsilanti nicht mit den Stimmen der Linken zur Ministerpräsidentin wählen wollten, Jürgen Walter, Carmen Everts, Silke Tesch und Dagmar Metzger sowie der ehemalige Wirtschaftsminister  und jetzt u.a. für die Energiewirtschaft und Leiharbeitsfirmen (deren Liberalisierung er umgesetzt hatte) tätige Wolfgang Clement nach der Bundestagswahl eine eigene Partei gründen wollen, die sich als “sozialliberal” bezeichnen wolle.

UPDATE: Wolfgang Clement will sich derzeit nicht an einer Parteineugründung beteiligen. Fest im Boot wären vorerst wohl nur Walter und Everts.

UPDATE: In der Springer-Presse dementiert Walter, eine neue Partei gründen zu wollen. Everts will sich nicht äußern.

Ne neue Partei? Nur zu!! Ich gabe sowieso nie verstanden, was die je in der SPD gewollt haben. Findet ruhig mal enttäuschte SPD-Wähler, die enttäuscht sind, weil ihnen die SPD nicht wirtschaftsliberal genug ist!

Carmen Everts habe ich ja mal “live” zusammen mit ihrem Doktorvater bei einem Vortrag an unserer Uni (veranstaltet vom “Bernhard-Vogel-Kreis”)  erlebt. Die beiden wollten dem Publikum weißmachen, dass Die Linke eine antidemokratische Partei ist, die nichts vom Grundgesetz hält und am liebsten die DDR wieder aufbauen wollte (mindestens!). Dies konnte man zwar (natürlich) nicht durch etwa das Parteiprogramm oder Aussagen von deren Politikern belegen. Die These wurde dann (erst auf Nachfragen aus dem Publikum) eher durch schlechte Verhaltensweisen der hessischen Linken-Parlamentarier oder dem allgemeinen Verhältnis zum derzeitigen Parlamentarismus versucht zu untermauern. Klappte nur nicht ganz.

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Die Internetversteher von CDU und FDP

Der Artikel “Online-Wahlkampf: Die Parteien werfen ihre Netze aus” auf FAZ.net zeugt zwar nicht von wirklich großer Sachkenntnis (und egal was man z.B. von der Piratenpartei hält, in so einem Artikel sollte diese wohl – allein aus journalistischem Interesse – wenigstens mal erwähnt werden).

Interessant fand ich dann aber doch folgende Anekdoten zum Online-Wahlkampf von CDU und FDP (muhaha, die  scheinen das Internet verstanden zu haben!):

Die Mitglieder des „teAM Deutschland” der CDU können im Wahlkampf Punkte sammeln. Daraus berechnet sich ein “Aktionsindex”, und die “Fleißigsten” dürfen dann zum Wahlabend nach Berlin. So gibt es für einen in einer Zeitung veröffentlichten Leserbrief 200 Pukte, und für einen (!) Tweet (Twitter-Beitrag, FAZ) 50 Punkte. 4 mal einen höchtsens 140-Zeichen-Beitrag zu schreiben zeigt also soviel “Fleiß” wie einen Leserbrief zu verfassen, der ja (in den meisten Zeitungen :P) meistens dann doch schon ein wenig fundiert sein sollte, um veröffentlicht zu werden.  Wenn ich da bei denen mitmachen würde, würde ich ja ständig nur “#CDU+”-Beiträge twittern, bis es weh tut. Allein um zu so nem exklusiven Wahlabend zu kommen (Reise wird doch aber bezahlt, oder?).

Und laut Ronald Pofalla will sich die CDU auch eher auf die im Netz aktiven älteren Wähler konzentrieren. Schuster, bleib bei deinen Leisten, oder wie hieß das?

Die CSU hat übrigens als einzige keine offene Untestützerplattform. “CSUnity” ist nur für Parteimitglieder …

Die Unterstützer der FDP Schuhe_18_Prozent_fcmwährenddessen können in der „mit mach arena“ Punkte sammeln, um sie später im „my FDP Shop“ einzulösen.

Was soll es denn da geben?? Wahlkampf-Kulis und -Feuerzeuge? FDP-Poloshirts mit hochgestellten Hemdkragen?  Projekt 18-Schuhe? “Ich bremse auch für Hartz IVler”-Autoaufkleber?

Die wirtschaftsliberalen Parteien müssen also ihre Leistungsideologie und ihren Materialismus nun auch für die eigenen Leute im Wahlkampf einsetzen, damit diese sie unterstützen, oder wie? Wie war das noch mit ehrenamtlichem Engagement zum Wohle der Allgemeinheit? Naja gut,  stimmt, wir reden von Union und FDP.

Bildquelle:

Wikipedia (User: Frank C. Müller) / http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/deed.de

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Die Kampagne der Medien gegen SPD-Linke und Die Linke. Teil 2

Peter Frey hat offenbar Gefallen am Linken-Bashing gefunden. Nach dem Sommerinterview mit Oskar Lafontaine (1) entdeckt Berlin Direkt (natürlich ausgerechnet bei der Linken) auf einmal seine investigative Seite. (Grundsätzlich ist es ja zu begrüßen, dass man anfängt, endlich einmal die Aussagen von Politikern etwas genauer unter die Lupe nehmen.) Auf http://berlindirekt.zdf.de/ZDFde/inhalt/23/0,1872,7605655,00.html möchte er mittels gründlicher Recherche „die Behauptungen des Oskar Lafontaine“ überprüfen.

Offensichtlich soll hier beim Publikum der Eindruck erweckt werden, diese Linken hielten es nicht so genau mit der Wahrheit. Dass tatsächlich dann aber statt falscher Behauptungen eher schlecht formulierte oder nicht ganz differenzierte Aussagen Lafontaines folgen, spricht zwar nicht unbedingt für Lafontaine, aber auf nicht für Frey.

Er habe “25 Jahre Verantwortung getragen, also nie hingeschmissen – viel länger als jeder andere aktive Politiker” erwidert Lafontaine auf die während des Sommerinterviews mehrmals wiederholte Frage nach dem „Hinschmeißen“ 1999.

Dies sei in der Tat lange. Aber andere Politiker hätten ebenfalls eine lange oder sogar noch längere Tätigkeiten vorzuweisen, meint Frey, muss dann aber zugeben: „Auch wenn sie nicht auf “25 Jahre im Amt” zurückblicken können…“. Ja gut, könnte man sich da denken, vielleicht etwas unglücklich formuliert von Lafontaine, aber irgendwie hat er dann ja wohl doch Recht. Auf diesen möglichen Einwand muss man dann natürlich reagieren, wenn schon nicht sachlich, dann wenigstens so:

… haben sie dem Druck bundespolitischer Funktionen Stand gehalten, auch den Streit mit der eigenen Partei ertragen. Keiner hat so überstürzt seine Funktion verlassen wie Lafontaine im März 1999 – ohne den Schreibtisch aufzuräumen, drei Tage nicht erreichbar, um sich dann von der Dachterrasse aus zu erklären.“

Man kann richtig erkennen, wie genüsslich diese Zeilen geschrieben worden sind. Klasse, dass „Hinschmeißen“-Argument wirkt auch nach 10 Jahren noch!

Nächster Punkt: Lafontaine spricht von einer “hohen Zustimmung” für seine Person an der Saar. Doch die Umfragen könnte man auch anders interpretieren. Na so was!

Kommen wir einmal kurz zu einem wirklichen politischen Thema abseits der Person Lafontaine: die Renten. Dass sich nicht nur Die Linke, sondern durch die Rentengarantie inzwischen auch die Große Koalition gegen Rentenkürzungen ausspricht, ist richtig. Leider auch, dass dies große Probleme mit sich bringen kann. Aber dass die Maßnahme aus den selben Beweggründen getroffen wurde, wie die Linke sie vertritt, darf ja nebenbei bezweifelt werden. Man kann wohl eher wahltaktische Manöver vermuten.

Zurück zur Person Lafontaine (wir wollen ja nicht zu viel über die politischen Vorstellungen schreiben, am Ende kommen die noch sympathisch rüber):

Auf die Frage, ob er Frank-Walter Steinmeier das Kanzleramt zutraue, antwortete Lafontaine, er sei mit ihm “gut zurecht gekommen, als er Chef des Kanzleramts war”. Eine für Lafontaines Verhältnisse fast schmeichelnde Aussage, aber nicht korrekt. Steinmeier wurde nämlich, als Nachfolger von Bodo Hombach, erst am 7. Juli 1999 Chef des Kanzleramts. Da war Lafontaine schon fast vier Monate aus dem Finanzministerium ausgeschieden.“

Alles richtig. Aber ist das denn ein zwingender Widerspruch? Wieso kann Lafontaine nicht auch mit Steinmeier „gut zurecht gekommen sein“, als Steinmeier Chef des Kanzleramtes war und Lafontaine nicht mehr Finanzminister? Nett auch noch die kleine Stichelei „ Eine für Lafontaines Verhältnisse fast schmeichelnde Aussage“. Auch wenn sie nichts zu Sache tut.

Schließlich zum Thema „Mindestlohn“. Lafontaine weist darauf hin, dass in Luxemburg der Facharbeiter-Mindestlohn fast 12 Euro betrage. Frey fügt nun seinerseits hinzu „Der Mindestlohn für qualifizierte (Fach-) Arbeiter liegt tatsächlich bei 11,67 Euro. Unqualifizierte Arbeitnehmer können aber nur mit 9,72 Euro rechnen.“ Ok, aber Lafonaine sagt ja schließlich „Facharbeiter“. Weiterhin erwähne Lafontaine nicht die Unterschiede zwischen Deutschland und Luxemburg (Fläche, BIP/ Kopf, Arbeitslosigkeit, regionale Differenzierung). Luxemburg ist in der Tat ein schlechtes Beispiel. Allerdings hätte Lafontaine auch Staaten erwähnen können, die man besser mit Deutschland vergleichen kann: Frankreich oder Großbritannien oder 18 weitere EU-Länder. Alle mit einem gesetzlichen Mindestlohn.

Die Welt ist oft differenzierter als Lafontaine behauptet.“

Sicher ist die Welt komplizierter, als das in einem 15-minütigen Fernseh-Interview im Wahlkampf dargestellt werden kann. Aber auch komplizierter als das ZDF sie darstellt.

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Über die Kampagne der Medien gegen SPD-Linke und Die Linke. …

… gibt es einen schönen aktuellen Kommentar bei den NachDenkSeiten.

(Anlass ist das Sommerinterview des zdf mit Oskar Lafontaine. Ich find den Lafontaine persönlich ja auch nicht sympathisch, und die Art, wie er aufgetreten ist, auch nicht toll. Aber dass er, wie der Moderator “behandelt wird wie alle anderen Parteivorsitzenden” ist ein Witz. Und die Ankündigung des Interviews auf der zdf-Seite ist in der Tat keine neutrale Ankündigung, sondern  ganz klare Propaganda).

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Internetzensur – Machtpolitik geht über Bürgerrechte

Das Gesetz zu den Web-Sperren hat nun also den Bundesrat passiert (vgl. z.B. http://www.heise.de/newsticker/Gesetz-zu-Web-Sperren-passiert-den-Bundesrat–/meldung/141849: betroffene Anbieter werden über die Sperrung ihrer Seiten nur “in der Regel” informiert, die Sperrliste wird nur vierteljährig und nur in Stichproben überprüft,  IP-Adressen dürfen von den Zugangsanbietern aufgezeichnet und in Verdachtsfällen an die Polizei weitergegeben werden.)

Die “Debatte” dauerte 3,5 Minuten (siehe: http://blog.fefe.de/?ts=b4a7d165, http://netzpolitik.org/2009/gesetz-zu-web-sperren-passiert-den-bundesrat). 3,5 Minuten für ein Gesetz, dass nicht wirksam die Kinderpornographie bekämpft, dass aber den Aufbau einer Zensurinfrastruktur ermöglicht. Eine Ausbreitung der Sperren wird schon diskuttiert, etwa auf “Killerspiele” (vgl.) oder Hasspropaganda (vgl.). Doch alle Kritik und alle Befürchtungen wurden überhört. Die Experten wurden ignoriert. Der Vermittlungsausschuss wurde nicht angerufen.

Die deutsche Politik, insbesondere die deutschen Parteien, stellen sich damit ein Armutszeugnis aus: Symbolpolitik geht über wirksame Maßnahmen und machtpolitische Interessen gehen einmal mehr über politische Überzeugungen (wenn diese überhaupt vorhanden sind).

Die FDP verteidigt Bürgerrechte nur so lange, wie ihr dies politisches Kapital bringt. Wenn es jedoch um handfeste Koalitionsinteressen mit CDU und CSU geht, vergisst sie diese ganz schnell (vgl. auch etwa die aktuellen Planungen zu ausgedehnten Eingriffsrechten der Polizei in Hessen).

Die Grünen scheinen die Wichtigkeit der Frage noch nicht erkannt zu haben, siehe auch die vielen Enthaltungen im Bundestag. Die Zensurgegner in der SPD sitzen nicht an den einflussreichen Stellen; dort sitzen die Politiker, die sich aus Angst vor der Springer-Presse von der politischen Vernunft verabschiedet haben.

Das Gesetz zu den Web-Sperren zeigt eine Schwäche des deutschen Parteiensystems – dass dieses Opportunismus und Machtpolitik belohnt,  zu “unflexible” Überzeugungen aber bestraft.

Bleibt nur noch die (sehr geringe) Hoffnung auf Horst Köhler, der seine Unterschrift unter das Gesetz verweigern könnte, und auf das Bundesverfassungsgericht. Erste juristische Untersuchungen erheben schon schwere Bedenken. Dabei gibt es etwa Zweifel an der Gesetzgebungskompetenz des Bundes, der Geeignetkeit der Sperrtechniken allgemein, der Transparenz des Sperrverfahrens oder der Verwendung der Daten. Zudem befürchtet man  eine “kaum mehr kontrollierbaren Einschränkung des Internetverkehrs” durch eine Ausweitung der gesperrten Inhalte (vgl.: http://www.heise.de/newsticker/Juristen-melden-schwere-Bedenken-gegen-Web-Sperren-an–/meldung/141875).

zensursula-klein

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