Peter Frey hat offenbar Gefallen am Linken-Bashing gefunden. Nach dem Sommerinterview mit Oskar Lafontaine (1) entdeckt Berlin Direkt (natürlich ausgerechnet bei der Linken) auf einmal seine investigative Seite. (Grundsätzlich ist es ja zu begrüßen, dass man anfängt, endlich einmal die Aussagen von Politikern etwas genauer unter die Lupe nehmen.) Auf http://berlindirekt.zdf.de/ZDFde/inhalt/23/0,1872,7605655,00.html möchte er mittels gründlicher Recherche „die Behauptungen des Oskar Lafontaine“ überprüfen.
Offensichtlich soll hier beim Publikum der Eindruck erweckt werden, diese Linken hielten es nicht so genau mit der Wahrheit. Dass tatsächlich dann aber statt falscher Behauptungen eher schlecht formulierte oder nicht ganz differenzierte Aussagen Lafontaines folgen, spricht zwar nicht unbedingt für Lafontaine, aber auf nicht für Frey.
Er habe “25 Jahre Verantwortung getragen, also nie hingeschmissen – viel länger als jeder andere aktive Politiker” erwidert Lafontaine auf die während des Sommerinterviews mehrmals wiederholte Frage nach dem „Hinschmeißen“ 1999.
Dies sei in der Tat lange. Aber andere Politiker hätten ebenfalls eine lange oder sogar noch längere Tätigkeiten vorzuweisen, meint Frey, muss dann aber zugeben: „Auch wenn sie nicht auf “25 Jahre im Amt” zurückblicken können…“. Ja gut, könnte man sich da denken, vielleicht etwas unglücklich formuliert von Lafontaine, aber irgendwie hat er dann ja wohl doch Recht. Auf diesen möglichen Einwand muss man dann natürlich reagieren, wenn schon nicht sachlich, dann wenigstens so:
„… haben sie dem Druck bundespolitischer Funktionen Stand gehalten, auch den Streit mit der eigenen Partei ertragen. Keiner hat so überstürzt seine Funktion verlassen wie Lafontaine im März 1999 – ohne den Schreibtisch aufzuräumen, drei Tage nicht erreichbar, um sich dann von der Dachterrasse aus zu erklären.“
Man kann richtig erkennen, wie genüsslich diese Zeilen geschrieben worden sind. Klasse, dass „Hinschmeißen“-Argument wirkt auch nach 10 Jahren noch!
Nächster Punkt: Lafontaine spricht von einer “hohen Zustimmung” für seine Person an der Saar. Doch die Umfragen könnte man auch anders interpretieren. Na so was!
Kommen wir einmal kurz zu einem wirklichen politischen Thema abseits der Person Lafontaine: die Renten. Dass sich nicht nur Die Linke, sondern durch die Rentengarantie inzwischen auch die Große Koalition gegen Rentenkürzungen ausspricht, ist richtig. Leider auch, dass dies große Probleme mit sich bringen kann. Aber dass die Maßnahme aus den selben Beweggründen getroffen wurde, wie die Linke sie vertritt, darf ja nebenbei bezweifelt werden. Man kann wohl eher wahltaktische Manöver vermuten.
Zurück zur Person Lafontaine (wir wollen ja nicht zu viel über die politischen Vorstellungen schreiben, am Ende kommen die noch sympathisch rüber):
„Auf die Frage, ob er Frank-Walter Steinmeier das Kanzleramt zutraue, antwortete Lafontaine, er sei mit ihm “gut zurecht gekommen, als er Chef des Kanzleramts war”. Eine für Lafontaines Verhältnisse fast schmeichelnde Aussage, aber nicht korrekt. Steinmeier wurde nämlich, als Nachfolger von Bodo Hombach, erst am 7. Juli 1999 Chef des Kanzleramts. Da war Lafontaine schon fast vier Monate aus dem Finanzministerium ausgeschieden.“
Alles richtig. Aber ist das denn ein zwingender Widerspruch? Wieso kann Lafontaine nicht auch mit Steinmeier „gut zurecht gekommen sein“, als Steinmeier Chef des Kanzleramtes war und Lafontaine nicht mehr Finanzminister? Nett auch noch die kleine Stichelei „ Eine für Lafontaines Verhältnisse fast schmeichelnde Aussage“. Auch wenn sie nichts zu Sache tut.
Schließlich zum Thema „Mindestlohn“. Lafontaine weist darauf hin, dass in Luxemburg der Facharbeiter-Mindestlohn fast 12 Euro betrage. Frey fügt nun seinerseits hinzu „Der Mindestlohn für qualifizierte (Fach-) Arbeiter liegt tatsächlich bei 11,67 Euro. Unqualifizierte Arbeitnehmer können aber nur mit 9,72 Euro rechnen.“ Ok, aber Lafonaine sagt ja schließlich „Facharbeiter“. Weiterhin erwähne Lafontaine nicht die Unterschiede zwischen Deutschland und Luxemburg (Fläche, BIP/ Kopf, Arbeitslosigkeit, regionale Differenzierung). Luxemburg ist in der Tat ein schlechtes Beispiel. Allerdings hätte Lafontaine auch Staaten erwähnen können, die man besser mit Deutschland vergleichen kann: Frankreich oder Großbritannien oder 18 weitere EU-Länder. Alle mit einem gesetzlichen Mindestlohn.
„Die Welt ist oft differenzierter als Lafontaine behauptet.“
Sicher ist die Welt komplizierter, als das in einem 15-minütigen Fernseh-Interview im Wahlkampf dargestellt werden kann. Aber auch komplizierter als das ZDF sie darstellt.