Gestern abend also haben SPD und Grüne, bereits nach den ersten Sondierungsgesprächen, den Entschluss gefasst, keine Koalition mit der Linken zu bilden. Hier sind aber zunächst einmal die Beobachtungen der vorausgegangenen Medien-Kampagne gegen Rot-Rot-Grün von dieser Woche bis zu den Sondierungsgesprächen:
Tag 8 (Montag, 17. Mai):
Machtpoker nach der Wahl: Wo die rot-grün-roten Untiefen in NRW lauern (Welt.de)
Zunächst wieder Punkte wie “vom Verfassungsschutz als bedenklich eingestufte” Organisationen und DDR-Äußerungen. Dann:
Wie unberechenbar die Partei bleibt, demonstriert der schriftliche Aufruf eines „parteinahen Bildungsvereins“, der auf der Homepage der NRW-Linken zu lesen ist und den auch der Linken-Landtagsabgeordnete Michael Aggelidis unterzeichnet hat. Darin werden hohe Hürden für eine Regierungsbeteiligung aufgestellt: „Aber schon die Zustimmung zu einem sozialdemokratischen Haushalt, der weiteren Sozialabbau bedeutet und die Privatisierungen der letzten Jahre nicht zurück nimmt – oder gar ein Tolerierungsvertrag oder eine direkte Einbindung in eine solche Regierung – würde jede emanzipatorische Rolle der Linken unweigerlich zerstören“, heißt es in dem Aufruf. Die Unterzeichner fordern stattdessen eine Regierung, „die Ernst macht mit der Umverteilung von oben nach unten, die die Interessen der Menschen über diejenigen des Privateigentums an den großen Produktionsmitteln und an den Banken stellt, und die einen Prozess einleitet hin zu einer Gesellschaft, die nicht mehr vom Profit, sondern von den Bedürfnissen und der ökologischen Verantwortlichkeit geleitet wird“.
So etwas ist harter Stoff für das geplante Sondierungsgespräch.
→ So sollen also extrem hohe Hürden aussegen? Kein Sozialabbau, keine Umverteilung nach oben, Interessen der Gesellschaft statt des Kapitals beachten? Zudem: es handelt sich ja nur um einen Aufruf eines parteinahen Vereins, und nicht um die Position bei den Sondierungsgesprächen, wo die Hürden der Linken deutlich niedriger liegen und auch eindeutiger sind (s.u.).
Tag 9 (Dienstag, 18. Mai):
NRW: Linke zum Gesinnungstest (Focus.de)
Zwei Tage vor den Sondierungen zwischen SPD, Grünen und Linken werden die Zweifel an einer erfolgreichen Zusammenarbeit lauter. Vor allem die Motive der Linken werden in Zweifel gezogen.
→ Dumm nur, dass in dem Artikel kein einziges Wort (!) zu den zweifelhaften Motiven der Linken fällt, stattdessen die Positionen von Edgar Moron (das Original-Interview mit Moron übriges bei Spon: NRW-Koalitionspoker: Kraft-Vorgänger warnt SPD vor Linksbündnis), der schon in der Vergangenheit durch dezidierte Angriffe auf die Partei Die Linke auffiel:
Darin sind auch Spinner, Sektierer und Leute, die in irgendwelchen politischen Kleinstgruppen waren. Darin sind Querulanten, Leute, die in unseren Parteien nicht haben Fuß fassen können, weil sie ein gewisses querulatorisches Potenzial haben.
Sie alle sind darin. Es ist im Augenblick ein Chaosverein.
Außerdem in der Presse:
Nordrhein-Westfalen: Sondieren für den Nachruhm (FAZ.net)
Die Linke versucht schon mal handzahm daher zu kommen.
→ Suggeriert: sie kommt nur so daher, in Wiklichkeit ist sie ganz gefährlich – und beißt vielleicht sogar!
Kein Wort will der Landesvorsitzende darüber verlieren, dass die Linkspartei noch vor kurzem wild entschlossen war, es sich in der Opposition gemütlich zu machen, um vor allem auf Kosten der SPD weiter zu wachsen und im Zweifelsfall immer Recht zu behalten.
→ Nein, unglaublich, eine Partei, die wachsen will! Und vielleicht auch noch Wählerstimmen gewinnen? Wo kämen wir da nur hin??? Was ist nur aus unserer Demokratie geworden? Und dann will sie auch noch Recht behalten und nicht im Unrecht sein?! Was erlauben die sich?!
Dann kommen noch Begriffe wie “Sektierertruppe”. Aber v.a. immer manipulative Formulierungen: die Linke sagt nicht, sie “behauptet”, sie ist nicht, sie “präsentiert sich”. Alle unehrlich, verlogen, falsch!
Hinzu kommt, dass die Linkspartei ihre zentralen, je nach politischer Opportunität auslegbaren Maximalforderungen als unverhandelbar ansieht. Immer wieder betonen sowohl Zimmermann als auch Frau Schwabedissen, der Sozial- und Stellenabbau müsse beendet werden. Freilich gibt es in Nordrhein-Westfalen ganz unabhängig von der aktuellen Finanzkrise nur dann eine Chance, die katastrophale Haushaltslage in den Griff zu bekommen, wenn der Staat massiv spart.
→ Inwieweit die Forderungen kein Sozial- und kein Stellenabbau beliebig auslegbar sein sollen, wird nicht ersichtlich. Eigentlich sind das doch relativ klare und leicht überprüfbare Kriterien. Und freilich gibt es natürlich auch noch, auch wenn das die FAZ bestreitet, 1. die Möglichkeit, wonanders als (wie immer) beim Sozialsystem zu sparen, oder 2. die Einnahmen des Staates zu erhöhen. Es sind politische Entschiedungen, und bei diesen gibt es immer Alternativen.
Dann kommt in dem Artikel wieder der unvollständig zitierte Aufruf mit dem “legitimen Versuch”, die Ablehnung der generellen Bezeichnung der DDR als “Unrechtsstaat”, die Rote Hilfe und der PKK-Nahesteh-Verdacht.
Tag 10 (Mittwoch, 19. Mai):
Nach der NRW-Wahl: Krafts Lehren aus Ypsilantis Scheitern (Zeit Online)
Auch in NRW scheiterte der Ampel-Versuch letztlich. Kraft mag weniger schnippisch formuliert haben als Ypsilanti. Allerdings: Ein faires, Gesicht wahrendes Angebot unterbreitete auch sie der FDP nicht.
→ Bitte? Was für ein Angebot denn überhaupt? Die FDP hat ja noch nicht einmal mit der SPD gesprochen? Und würde denn die SPD ihr Gesicht wahren, wenn sie sich von der FDP erpressen ließe, mit wem sie sprechen dürfe, nur um die Gunst der Verhandlungen mit ihr zu erlangen?
Denn da sind eben auch noch die Linken, diese Chaos-Brüder und “Extremisten”, wie man sie schon in Hessen nannte.
→ Wohlgemerkt: Chaosbrüder steht nicht in Anführungszeichen.
Tatsächlich aber hätte die Linke wohl nichts gegen eine Eingewöhnungsphase in der Opposition, wo sie erfahrungsgemäß besser wachsen kann denn als kompromissbereite Regierungspartei.
→ Die Zeit weiß wohl mal wieder besser, was die Linke will, als die Linke selbst. Zumindest, was sie wollen sollte, wenn es nach der Zeit ginge.
Eine weitere Beobachtung der Kommentare der letzten Tage: Nachdem es zuerst in den meisten Medien hieß, vielleicht könnte gar die SPD die Ministerpräsidentin stellen oder man sich auf eine Ablösung einigen (2 Jahe jeweils), hieß es dann zunächst, es komme nur eine Koalition mit der CDU in Frage. Jetzt wird agumentiert, oder vielmehr gefordert, dass diese dann auch Rüttgers führen müsse.
Tag 11 (Donnerstag, 20. Mai):
SPD-Koalitionspoker: In NRW entscheidet sich Gabriels Zukunft (Spon)
Doch hinter der Skepsis Gabriels dürfte noch ein anderes Kalkül stecken: das der Glaubwürdigkeit. Noch immer leidet die SPD unter dem Hessen-Debakel Andrea Ypsilantis. Ihr Wortbruch besorgte der SPD den Ruf, der Macht im Zweifel nicht widerstehen zu können. Manche im Willy-Brandt-Haus fürchten, dass sich dieser Ruf verstärken könnte, sollten Hannelore Kraft und die NRW-SPD tatsächlich ein Linksbündnis wagen. Ließen die Düsseldorfer Genossen aber die Option liegen, obwohl sie rechnerisch möglich ist, entstünde neue Glaubwürdigkeit, so das Kalkül. Und die Früchte könnte man 2013 ernten.
→ Diese Interpretation ist wohl möglich. Möglich ist aber auch, dass die SPD Glaubwürdigkeit einbüßt, wenn sie die Chance, eine grundsätzlich andere Politik zu gestalten, wobei es inhaltlich auch nach eigenen Aussagen kaum Probleme geben dürfte, aufgibt, um wieder zum Juniorpartner der CDU zu werden.
NACHTRAG:
„Nicht regierungsfähig“: Was die NRW-Linken so gefährlich macht (Handelsblatt.com)
Zu deutlich wenden sich die SED-Nachfolger gegen Grundprinzipien der Verfassung. Handelsblatt Online zeigt was der Verfassungsschutz anprangert. (…)
Nicht nur wegen ihrer Ablehnung des Verfassungsschutzes wird die Linkspartei von diesem beobachtet.
→ Ob man die Ironie dieser Aussage nicht selbst bemerkt? Dann kommen Vorwürfe, die natürlich nie belegt werden: ein angeblich fehlendes Bekenntnis zur parlamentarischen Demokratie, die kühne These, dass ein sozialistisches Wirtschaftssystem nicht ohne Missachtung von Grundprinzipien der freiheitlichen demokratischen Grundordnung vorstellbar sei und die absurde Agitation, dass das sozialistische Menschenbild nicht mit der Idee des selbstbestimmten Inidividuums vereinbar sei. Das klingt eher wie eine anti-sozialistische Programmschrift aus dem 19. Jahrhundert oder Parolen aus dem FDP-Programm. Anstatt wissenschaftlich vozugehen, haut man hier die wirklich billigsten Vorurteile raus, wo jeder, quch jeder nicht links orientierte Politikwissenschaftler oder Philosoph nur in ungläubiges Staunen, wenn nicht in schallendes Geläüchter ausbrechen müsste.
Dann kommen wieder übliche Vorwürfe: die Distanz zu als linksextremistisch und gewaltbereit eingeschätzten Gruppen fehle (dabei genannt: Kommunistische Plattform und Marxistisches Forum), das Verhältnis zu DDR und SED (weil man nicht das Wort “Unrechtsstaat” benutzt), dann, das die PDS SED-Vermögen besitze, und schließlich die nicht verfassungsfeindliche Forderung nach Verstaatlichungen, die den Verfassungsschutz aufhorchen ließe.
Zur voherigen Woche:
Kampagne gegen Rot-Rot-Grün in NRW, Tag 1
Kampagne gegen Rot-Rot-Grün in NRW, Tag 2
Kampagne gegen Rot-Rot-Grün in NRW, Tag 3-7