Die rechtskonservative “Tea-Party”-Bewegung will die USA vor dem Sozialismus retten, notfalls mit Gewalt. Sarah Palin heizt die Stimmung mit an. “Zieht Euch nicht zurück! Ladet nach!”, rief sie einer versammelten Party-Meute zu, nachdem Obama endlich eine menschenwürdige Gesundheitsversorgung in den USA eingeführt hatte. Zudem kommt es in den USA immer mehr zu einer gefährlichen Vermischung von rechtsextremen Verschwörungstheoretikern und militanten Randgruppen mit dem republikanischen Mainstream. Man weiß dabei nie, wer gefährlich werden kann und den extremen Drohungen der Rechten vielleicht irgendwann entsprechende menschenverachtende Gewalttaten folgen lässt.
Am 15. Jahrestag des Oklahoma-Attentats, bei dem 168 Menschen durch einen Bombenanschlag einer rechtsextremen Miliz getötet worden waren, maschierten bei Washington schwer bewaffnete Männer auf. Ex-Präsident Bill Clintion warnte nach einer “überhitzten Rhetorik” mancher Wortführer der Tea-Party-Bewegung, dass sie damit Leute zu Taten anstiften könnten, “die sie sonst niemals begehen würden“. Auch die Mörder von Oklahoma City hätten sich von einer militanten Anti-Regierungs-Rhetorik anstecken lassen, und dies könne auch heute durch die Tea-Party-Bewegung wieder geschehen. Die Zahl von militanten und bewaffneten rechten, teilweise rassistischen, und christlichen Gruppen, ist im letzten Jahr in der Tat sprunghaft gestiegen. Besonderen Aufschwung haben dabei die Patriot-Gruppen, zu denen auch der Drahtzieher der Oklahoma-Anschläge gehörte.
Die politische Rechte in den USA hat sich seit dem Wahlsieg Obamas noch mehr radikalisiert. Neben den Gruppen außerhalb der Parlamente wird auch die Republikanische Partei durch diese Bewegung weiter nach rechts gedrängt. Nicht eine Abkehr von der wenig ruhmhaften Bush-Ära, nein, eine Verteidigung von Krieg und Folter und eine vollständige Ablehnung sinnvoller sozial- und wirtschaftspolitischer Maßnahmen der Regierung kennzeichnen die Positionen der amerikanischen Rechten. Wenn man überhaupt von Positionen sprechen kann angesichts einer offensichtlich großen Verwirrtheit:
24 Prozent der Anhänger der Republikaner sagen, US-Präsident Obama könne der Antichrist sein, 22 Prozent meinen, er stehe auf der Seite der Terroristen, für 76 Prozent ist er Sozialist, für 57 Prozent Muslim, 51 Prozent meinen, er wolle die Souveränität der USA opfern und die Macht an eine Weltregierung geben. Zudem glauben die Republikaner mehrheitlich, er habe gegen die Verfassung verstoßen und wolle den Amerikanern ihre geliebten Waffen nehmen. 45 Prozent sagen, er sei nicht in den USA geboren und sei daher nicht rechtmäßig Präsident, für 42 Prozent ist er ein Rassist, 40 glauben, er mache, was die Wall Street ihm sagt, und 38 Prozent sagen, er mache viele Dinge, die auch Hitler gemacht hat. (Telepolis)
Einen Eindruck von dem oft von unbändigem Hasst und einer, man muss es so sagen, fast unfassbaren Dummheit geprägten Atmosphäre in diesem Lager kann man sich auch bei der Wochenzeitung machen, die ein paar Tea-Party-Aktivisten begleitet hat:
Sie jubeln, wenn der reaktionäre Radiotalkmaster von einer apokalyptischen Katastrophe spricht und dabei US-Präsident Barack Obamas Gesundheitsreform meint. Sie jubeln, wenn er von der «bewussten Zerstörung» der USA – des «schönsten und wichtigsten Landes der Erde» – durch «üble Hippies» und deren Abrüstungsverträge spricht. Sie sind begeistert, wenn er das Ende des «Marxismus, Leninismus und Stalinismus light» fordert. Ihre Schilder schimpfen auf Liberale, Friedensdemonstrantinnen, Faulenzer und Sozialisten, die ihrer Meinung nach zu Unrecht in Washington an der Macht sind und ihre Steuergelder ergaunern. (…)
Die traurige Ironie ist: Gerade sie, die Arbeiter in den befleckten Hosen, die Rentnerinnen in ihren billigen Regenjacken und die kleinen Angestellten, die zwei zusätzliche Jobs und tiefe Ringe unter den Augen haben, verloren unter dem konservativen letzten US-Präsidenten George Bush jegliche Chance, an der Gesellschaft teilzuhaben. Doch ihre Wut darüber bekommt nun die neue US-Regierung zu spüren. Der Protest ist ein Ventil ihrer Angst: Sie brüllen den vorsichtig fragenden Reporter nieder, keifen drohend auf die Frage, was denn schlimm an einer rudimentären Gesundheitsversorgung sei. Der Staat ist in ihren Augen zum Tyrannen geworden, gegen den sie Verfassung und Fahne in den Himmel strecken. (…)
Die Tea-Party-Bewegung, das wird hier hoch über den weiten Feldern Wisconsins klar, ist der fleischgewordene Unmut, den allerlei konservative Organisationen für sich zu nutzen wissen. Ihr kommt die Aufgabe zu, den bitterbösen Kampagnen von Fox News gegen Staat, Steuern und den Präsidenten Street Credibility zu verleihen – Glaubwürdigkeit auf der Strasse. Dazu gehören die bigotten Behauptungen der DemonstrantInnen, Obama tue nicht viel anderes, als das, «was Hitler in Deutschland gemacht hat», oder die Ankündigung, mit dem Blut des liberalen Establishments den Baum der Freiheit giessen zu wollen.
Wie kann Obama, wie können die Demokraten versuchen, diesem Einhalt zu gebieten, und wie können sie am besten eine gute Politik durchsetzen? Ich glaube, dass es falsch ist, dass Obama bisher so viele Zugeständnisse an die Rechte gemacht hat. Mag es in Einzelfällen notwendig gewesen sein, um seine Reformen durchzubringen, stellt sich für mich die Lage bspw. bei der Frage von Verfolgung von US-amerikanischen Kriegsverbrechen und -verbrechern anders da. Hier und in vielen anderen Bereichen sollte er deulich konsequenter gemäß seiner Linie vorgehen. Sicher würde dies ein weiteres Auseinanderdriften von Demokraten und Republikanern bedeuten. Für Obama bestand von Anfang an die Alternative, entweder eine Politik zu verfolgen, die auf die Vereinigung der unterschiedlichen politischen Lager zielt, oder einen wirklich neuen Politikstil und neue Politikinhalte zu verfolgen. Beides zusammen war nie wirklich möglich.
Eine wirkliche Hoffnung kann es für die USA nur geben, wenn eine für amerikanische Verhältnisse “linke” Politik betrieben wird, wenn endlich Sozialstaat und Bildung statt Militär und Banken gefördert werden, wenn Schluss ist mit allen katastrophalen Vermächtnissen der Vorgänger-Regierung. In einigen Bereichen ist viel geschehen. Eine Eindämmung des Lobbyismus, einige ziemlich gute Konzepte zur Lösung der Finanzkrise (und zur Verhinderung einer neuen), nicht zuletzt die Gesundheitsreform, u.a. Aber in den Bereichen, in denen Obama auf die Republikaner zugehen wollte, zeigten sich wenig Erfolge, im Gegenteil, wie wir sehen gibt es sogar eine Radikalisierung dieser. Bei den eigenen Anhängern und besonders dem “linken” Flügel der Demokraten verliert er an Unterstützung (sowohl an Wählerstimmen, besonders wegen einer niedrigeren Wahlbeteiligung, als auch an Akionsbereitschaft), da viele Wahlversprechen durch die Kompromisstaktik nicht eingehalten werden konnten, durch die er aber kaum Unterstützer aus dem Republikaner-Lager erhalten dürfte (viele Wechselwähler dürfte er zudem vor der Wahl für sich gewonnen haben und nun zu verlieren drohen).
Nein, das Land ist zu sehr gespalten, um fundamentale Differenzen in der Gesellschafts- und Sozialpolitik aufheben zu können. Die zehn Kernforderungen der Tea-Party-Bewegung etwa, zusammengefasst in einem Kriterienkaalog für Kandidaten, die sie beim Wahlkampf unterstützt, sind: niedrige Steuern, weniger Schulden, kleinerer Staat, Fortsetzung der Kriege im Irak und in Afghanistan bis zum Sieg, sie sind gegen die Gesundheitsreform, gegen die Legalisierung der Homosexuellenehe, gegen Abtreibung und gegen eine Amnestie für illegale Einwanderer sowie für das Recht auf Tragen von Waffen und für eine entschiedene Politik gegenüber Iran und Nordkorea. Bis auf die Fordeung nach weniger Schulden (und diese ist in Zeiten einer Wirtschaftskrise alles andere als primär) erscheinen alle Punkte aus einer linken oder liberalen (im US-amerikanischen Sinne) Sicht ablehnenswert.
Viele Ansichten werden kaum zusammenfinden können, und das muss man so zugestehen. Die Konfliktlinien in der US-amerikanischen Politik und Gesellschaft sind oft relativ klar zu ziehen und die unterschiedlichen Positionen nicht graduell, sondern dichotom, Zwischenlösungen sind oft kaum möglich. Abtreibung erlauben oder generell verbieten? Staatliche verpflichtende Gesundheitsvorsorge oder freiwillige private? Menschen foltern dürfen oder nicht? Finanzmärkte regulieren oder vollkommen unangetastet lassen? Wenn die Regierung etwa Abtreibung unter bestimmten Bedingungen zulassen würde oder geringe Eingriffe des Staates in Wirtschaft und Soziales, haben sie sofort eine Fundamentalopposition der Republikaner gegen sich. Die Weltbilder der Anhänger der beiden großen Lager sind in sehr vielen Feldern nahezu gegensätzlich.
Verwaschene Kompromisse, die keine der beiden Seiten repräsentieren, können dem Land aber nicht weiterhelfen. Die Rechten werden ohnehin weiter protestieren, und sie radikaliieren sich trotz der bisherigen Kompromisspolitik. Warum also Kompromisse schließen, zudem mit denen, die überaus verwirrte bis zu gefährliche Ansichten vertreten? Warum nicht konsequent für eigene gute Ideen und eigene Ideale einstehen? Obama sollte spätestens jetzt klar die Schritte und Programme durchziehen, die er im Wahlkampf angekündigt hatte. Es ist noch nicht zu spät. Sein Kampf um eine Reform des Finanzsektors jedenfalls lässt schon einmal Positives erhoffen.
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