Ein schmaler Grat

Der Tod von Osama Bin Laden, der am Montag von Spezialkräften der US-Armee in seinem Versteck in Pakistan getötet wurde, muss wohl von niemandem betrauert werden. Doch bieten die Umstände seines Todes auch Grund zur Sorge. Denn es ist, das haben diese gezeigt, ein schmaler Grat zwischen Selbstverteidigung gegen Terroristen und Lynchjustiz. Es stellen sich außerdem rund um die Ereignisse des Einsatzes einige Fragen: Was hat es mit den Umständen seines Todes und seiner Bestattung auf sich? Wie ist das Vorgehen der USA insgesamt zu bewerten? Darf man Terroristen töten – und das eventuell auch gezielt? Was bedeutet der Tod von Osama Bin Laden für den “Krieg gegen den Terror” und die internationale Sicherheit? Und was schließlich könnten die Auswirkungen auf Deutschland sein? Auf diese Fragen soll versucht werden, hier eine Antwort zu finden und der Anstoß zu weiteren Diskussionen geben werden.

Der Tod Bin Ladens: Noch viele offene Fragen

Die Umstände während und nach Bin Ladens Tod sind geradezu prädestiniert für Verschwörungstheorien. Einige Fragen drängen sich für Jedermann auf: Wieso wurde die Leiche nicht obduziert? Warum diese schnelle (und im islamischen Gebrauch unübliche) Seebestattung? Vor allem: Was genau ist während des Einsatzes passiert? Dieses und noch Weiteres ist bisher unklar – und könnte es weiter bleiben. Präsident Obama hat entschieden, dass die Fotos des toten Bin Laden nicht veröffentlicht werden sollen. Ein schwer nachvollziehbarer Schritt, hätte man hier doch die üblichen Verschwörungstheoretiker widerlegen können. Einige Angaben unmittelbar nach dem Tod Bin Ladens und spätere widersprachen sich außerdem in wichtigen Punkten. Hieß es etwa zunächst, Bin Laden sei bewaffnet gewesen und habe eine Frau als “menschliches Schutzschild” benutzt, wurde beides später revidiert. Zweifel am tatsächlichen Tod Bin Ladens scheinen jedoch wenig begründet. Vielmehr könnte es der Ablauf des Todes Bin Ladens sein (der eventuell niemals öffentlich ganz aufgeklärt werden wird), der die “weiße Weste” der USA beflecken könnte.

Bildnachweis: The White House/ Flickr

Der genaue Ablauf des Einsatzes, der zur Tötung Bin Ladens führte, ist entscheidend für eine rechtliche und moralische Beurteilung. Die entscheidende Frage für die Bewertung ist dabei für viele, ob es sich bei der Aktion um den Versuch einer Festnahme oder um eine gezielte Tötung handelte. Bisher werden beide Varianten gehandelt. So spricht ein Angehöriger des Büros für Nationale Sicherheit gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters von letzterem, Obamas Sprecher dagegen von ersterem. Der CIA-Chef und designierte künftige Verteidigungsminister Leon Panetta schließlich sagte in einem Interview, die am Einsatz beteiligten Soldaten hätten die Berechtigung gehabt, Bin Laden zu töten. Wenn sie aber die Möglichkeit zu einer Festnahme gehabt hätten, hätten sie diese wahrnehmen sollen. Dies wird sogar konkretisiert: Das wäre etwa der Fall gewesen, wenn er plötzlich die Hände hochgenommen und seine Gefangennahme angeboten hätte. Dies sei aber nicht geschehen, es habe, so Panetta, einige “bedrohliche Bewegungen” gegeben, weshalb die Soldaten feuerten. Der Sprecher des Weißen Hauses gibt inzwischen an, Bin Laden sei in einem “unberechenbaren Schusswechsel” getötet worden. Er sei zwar nicht bewaffnet gewesen, habe sich aber “auf andere Weise gewehrt”. Allerdings hieß es später von Regierungsbeamten dann, nur zu Beginn des Einsatzes habe einer von Bin Ladens Männern gefeuert. Als die Soldaten den Raum Bin Ladens betraten, seien aber Schusswaffen in dessen Reichweite gewesen. (more…)

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“Nichteinmischung”: Ein schmutziges Wort

Von Uri Avnery

Uri Avnery

Donnerstagabend (gemeint ist der 17.03.2011, Anmerkung Guardian of the Blind) konnte ich an nichts anderes als an Libyen denken. Zuerst hörte ich die bluttriefende Rede von Muammar Gaddafi, in der er versprach, innerhalb weniger Stunden Benghasi zu besetzen und ein Blutbad  unter den Rebellen anzurichten. Ich war äußerst besorgt und sehr wütend auf die internationale Gemeinschaft, besonders auf die USA, die tage- und wochenlang kostbare Zeit mit leeren Phrasen vergeudeten, während der Diktator Libyen Stück um Stück zurückeroberte.

Dann war da das fast unglaubliche Bild des UN-Sicherheitsrates, der innerhalb einer Stunde einberufen war, auf Reden verzichtete und  die Resolution ohne Opposition annahm, die zu einer militärischen Intervention aufrief. Die Szene, die auf Benghasis Hauptplatz folgte und über Al-Jazeera live ausgestrahlt wurde, erinnerte mich an den Mugrabi-Platz in Tel Aviv am 29. November 1947, kurz nachdem die UN-Vollversammlung die Resolution über die Teilung Palästinas zwischen einem jüdischen und arabischen Staat angenommen hatte. Die Freude und die Erleichterung waren vollkommen.

Das Zögern der USA und anderer Länder, militärisch in Libyen zu intervenieren, war skandalös. Mehr als das – es war ungeheuerlich. Mein Herz ist mit dem libyschen Volk (tatsächlich bedeutet „libi“ auf hebräisch „mein Herz“.)

Für mich ist „Nichteinmischung“ (”non-intervention”) ein schmutziges Wort. Es erinnert mich an den Spanischen Bürgerkrieg, der stattfand, als ich noch sehr jung war. 1936 wurde die spanische Republik und das spanische Volk brutal von einem spanischen General, Francisco Franco, mit aus Marokko importierten Söldnern angegriffen. Es war ein sehr blutiger Krieg mit unsäglichen Grausamkeiten. Franco wurde  entscheidend von Nazi-Deutschland und dem faschistischen Italien geholfen. Die deutsche Luftwaffe terrorisierte spanische Städte. Das Bombardement der Stadt Guernica wurde durch ein Gemälde von Pablo Picasso verewigt. (Man erzählt sich die Geschichte, dass, als die Nazis ein paar Jahre später Paris besetzten,  sie wütend über das Gemälde waren  und  Picasso anschrieen: „Hast du das getan?“ „Nein!“ antwortete er ruhig, „Das wart ihr!“) (more…)

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WikiLeaks und die Informationshoheit

Information ist Macht, gerade in der heutigen Welt. Und Macht ist, auch in der heutigen Welt, und auch in den scheinbar vollständig demokratisierten Gegenden, ist in der Macht kleiner Gruppen konzentriert. Wer nun, wie WikiLeaks, antritt, nicht einmal um diese Machtstrukturen aufzubrechen, sondern nur, um für etwas mehr Transparenz und Informationsfreiheit zu sorgen, bekommt die geballte Macht des Systems zu spüren, der Regierungen, der Wirtschaft und der Presse. Die Regierungen beugen das Recht bis aufs Gebrechen, die Wirtschaft versucht (ob nun auf Anweisung der USA oder autonom spielt hier nur eine untergeordnete Rolle), WikiLeaks ökonomisch auszutrocknen. Am fatalsten ist aber die Rolle der Medien, angesichts derer man verwundert ist und sich einige Fragen stellen muss:

Warum bricht nun ein solch verheerender Diffamierungs-Beleidigungs-“Internetterroristen”-Sturm gerade über die hinein, die journalistische Aufgaben tatsächlich erfüllen (oder zumindest erfüllen wollen), die wenigstens einen Ansatz von so etwas wie einer “vierten Gewalt darstellen könnten? Warum gehört aber jemand wie Hans Leyendecker, der in Deutschland als “investigativer Journalist” gilt, zu den lautesten Kritikern von WikiLeaks und wird auf einmal zum Anwalt staatlicher Geheimniskrämerei, von Hinterzimmerpolitik und Intransparenz? Ist es tatsächlich nur das gekränkte journalistische Selbstbewusstsein? Gerade aber die ebenfalls heftig kritisierte fehlende journalistische Aufbereitung der “Rohdaten” durch WikiLeaks steht diesem aber doch gerade entgegen: WikiLeaks gibt den Journalisten brisantes Material an die Hand, dass diese dann aufbereiten. WikiLeaks fungiert so als ein zusätzlicher Mittler zwischen direkten Informanten und Journalisten, der die Vorteile bietet, tatsächlich für eine Anonymität der Quellen sorgen zu können (natürlich nur insoweit, als das diese sich nicht selber fahrlässig enttarnen) und eine technische Infrastruktur bereitstellen zu können. (more…)

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Deutschlands Lateinamerika-Politik: Im Stil des Kalten Krieges

Hauptmann der Reserve Dirk Niebel (1)

Die Südamerikareise von Dirk Niebel verdeutlicht den Strategiewandel in der Lateinamerikapolitik Deutschlands wie in seiner gesamten Entwicklungspolitik: Statt um Armutsbekämpfung und Entwicklungschancen geht es vor allem um die wirtschaftlichen Interessen der deutschen Industrie. Dabei arbeitet Deutschland vor allem in Lateinamerika verstärkt mit neoliberal ausgerichteten Staaten zusammen – und dies unabhängig davon, ob diese rechtsstaatliche Grundsätze erfüllen, und selbst davon, ob dort schwere Menschenrechtsverletzungen begangen werden.

Mauerstücke für Bolivien, Millionengelder für Peru

Das neue Lateinamerika-Konzept der Bundesregierung hatte es eigentlich schon hinreichend beschrieben: Im Vordergrund der Aktivitäten Deutschlands in Lateinamerika und in der Karibik sollen künftig Rohstoffsicherung, Exportförderung und die Absicherung der Interessen deutscher Unternehmen stehen. Hinzu kommen jedoch auch ideologische Gesichtspunkte: Unter Schwarz-Gelb erhalten Staaten mit einer wirtschaftsliberalen Ausrichtung deutlich mehr Gelder als andere. Länder mit einer sozialdemokratischen oder demokratisch-sozialistischen Regierung bekommen in vielen Fällen weniger Mittel.

Boliviens Präsident Evo Morales (2)

So wurden etwa die Gelder für Bolivien gekürzt. Doch dabei blieb es nicht: Auf seiner Südamerika-Reise hatte Entwicklungsminister Dirk Niebel ein ganz besonderes Geschenk für Boliviens Präsident Evo Morales im Gepäck: ein Original-Bruchstück der Berliner Mauer. Er überreichte es ihm, so wörtlich, “in Erinnerung an die Überwindung von 40 Jahren sozialistischer Diktatur”. Morales ist zwar demokratisch gewählt, jedoch ist seine Politik eher links ausgerichtet – es gab sogar Verstaatlichungen (worüber Niebel auch gleich seine Besorgnis äußerte). Das ist natürlich zu viel für den überzeugten Neoliberalen Niebel, so dass er offenbar gar eine offene Beleidigung und Brüskierung für gerechtfertigt hielt. In Bolivien traf sich die deutsche Delegation dann auch noch mit zahlreichen Vertretern der rechten Oppositionsparteien.

In Peru dagegen traf man sich nicht mit der Opposition. Kein Wunder, handelt die Regierung dort doch auch getreu dem marktradikalen Dogma und ist ein treuer Verbündeter der EU und der USA. Folglich hat Deutschland ihr bis Ende 2011 bis zu 200 Millionen Euro zugesagt. Schwerpunktthemen der beiden Besuche waren laut Angaben des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) in Bolivien die Verstaatlichung von Unternehmen, gegen die sich Deutschland wendet, in Peru, “dem Schwerpunktland deutscher Entwicklungszusammenarbeit mit Lateinamerika”, war es die Zusammenarbeit mit der Privatwirtschaft. (more…)

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Recht und Unrecht

Wenigstens in Italien werden brutalst gewalttätige und Beweise fälschende Polizisten verurteilt. Es geht um die Polizisten, die beim G-8-Gipfel in Genua 2001 (das erste Mal, dass die globalisierungskritische Bewegung größer in den Medien hervortrat), nachdem ein Carabiniere am Vortag einen Demonstranten erschossen hatte, in einer vor allem jugendlichen Demonstranten als Schlafplatz dienenden Schule alles kurz und klein geschlagen hatten. Das Resultat: Knochenbrüche, ausgeschlagene Zähne, Lungenperforationen, Schädeltraumata. Einen wilderen Akt der Raserei und Gewalt seitens der Sicherheitsbehörden eines demokratischen Staates hatte man lange nicht mehr gesehen. Als Rechtfertigung fälschte man (zudem höchst dilettantisch) Beweismittel. Danach gab es zunächst Freisprüche, Beförderungen und politische Protektion für die meisten Beteiligten, bevor das Berufungsgericht nun wirklich Recht im Sinne des Wortes sprach und die Beschuldigten zu drei bis fünf Jahren Gefängnis verurteilte. Wie lange man auf ein solches Urteil hiezulande wohl noch warten muss?


Darf die US-Regierung Terrorverdächtige(!) gezielt töten, und dann auch noch eigene Bürger, und dann auch noch in anderen Ländern, in denen weder die USA noch sonst jemand Krieg führt? Am besten noch ganz mutig mit einer ferngesteuerten Drohne? Darüber gibt es in den USA tatsächlich eine Debatte. Präsident Obama hatte nämlich den Befehl an die CIA gegeben, den islamistischen Prediger Anwar al-Awlaki, einen US-Bürger, der sich zur Zeit im Jemen aufhält, mit einer Drohne zu töten. Und das Beste: die Befürworter sagen, das ist ja gar kein Mord, das ist – Selbstverteidigung! Und da kann man ja keinen Prozess abwarten, wenn jemand das Land bedroht, indem er terrorverdächtig, also verdächtig, es zu bedrohen, ist? Äh, Moment, liegt da nicht ein kleiner Denkfehler vor? Und würde solch ein Vorgehen, konsequent fortgeführt, nicht zu einem wild marodierenden Willkürstaat führen? Also noch mehr als jetzt schon? Auch schön:

Noch paradoxer ist, dass die Geheimdienste erst eine Gerichtsanordnung erwirken müssen, um seine Telefonanrufe abhören zu dürfen, aber keinerlei Rechtsprüfung notwendig sein soll, um ihn zu töten.

Na warum sich denn dann die Mühe so einer nervigen Gerichtsverhandlung machen? Und so haben die CIA-Jungs wenigstens noch etwas Spaß, hinter ihren Monitoren ein paar Aufständischen einen Gruß aus dem Land der Freiheit zu schicken!


Wenigstens herrscht noch an manchen Stellen Recht und Ordnung: nicht nur das Internet, nein, auch der Fußballplatz ist kein rechtsfreier Raum! (s.: ehemaliges Nachrichtenmagazin, via Fefes Blog)

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Wohin steuert Obama?

Die rechtskonservative “Tea-Party”-Bewegung will die USA vor dem Sozialismus retten, notfalls mit Gewalt. Sarah Palin heizt die Stimmung mit an. “Zieht Euch nicht zurück! Ladet nach!”, rief sie einer versammelten Party-Meute zu, nachdem Obama endlich eine menschenwürdige Gesundheitsversorgung in den USA eingeführt hatte. Zudem kommt es in den USA immer mehr zu einer gefährlichen Vermischung von rechtsextremen Verschwörungstheoretikern und militanten Randgruppen mit dem republikanischen Mainstream. Man weiß dabei nie, wer gefährlich werden kann und den extremen Drohungen der Rechten vielleicht irgendwann entsprechende menschenverachtende Gewalttaten folgen lässt.

Am 15. Jahrestag des Oklahoma-Attentats, bei dem 168 Menschen durch einen Bombenanschlag einer rechtsextremen Miliz getötet worden waren, maschierten bei Washington schwer bewaffnete Männer auf. Ex-Präsident Bill Clintion warnte nach einer “überhitzten Rhetorik” mancher Wortführer der Tea-Party-Bewegung, dass sie damit Leute zu Taten anstiften könnten, “die sie sonst niemals begehen würden“. Auch die Mörder von Oklahoma City hätten sich von einer militanten Anti-Regierungs-Rhetorik anstecken lassen, und dies könne auch heute durch die Tea-Party-Bewegung wieder geschehen. Die Zahl von militanten und bewaffneten rechten, teilweise rassistischen, und christlichen Gruppen,  ist im letzten Jahr in der Tat sprunghaft gestiegen. Besonderen Aufschwung haben dabei die Patriot-Gruppen, zu denen auch der Drahtzieher der Oklahoma-Anschläge gehörte.

Die politische Rechte in den USA hat sich seit dem Wahlsieg Obamas noch mehr radikalisiert. Neben den Gruppen außerhalb der Parlamente wird auch die Republikanische Partei durch diese Bewegung weiter nach rechts gedrängt. Nicht eine Abkehr von der wenig ruhmhaften Bush-Ära, nein, eine Verteidigung von Krieg und Folter und eine vollständige Ablehnung sinnvoller sozial- und wirtschaftspolitischer Maßnahmen der Regierung kennzeichnen die Positionen der amerikanischen Rechten. Wenn man überhaupt von Positionen sprechen kann angesichts einer offensichtlich großen Verwirrtheit:

24 Prozent der Anhänger der Republikaner sagen, US-Präsident Obama könne der Antichrist sein, 22 Prozent meinen, er stehe auf der Seite der Terroristen, für 76 Prozent ist er Sozialist, für 57 Prozent Muslim, 51 Prozent meinen, er wolle die Souveränität der USA opfern und die Macht an eine Weltregierung geben. Zudem glauben die Republikaner mehrheitlich, er habe gegen die Verfassung verstoßen und wolle den Amerikanern ihre geliebten Waffen nehmen. 45 Prozent sagen, er sei nicht in den USA geboren und sei daher nicht rechtmäßig Präsident, für 42 Prozent ist er ein Rassist, 40 glauben, er mache, was die Wall Street ihm sagt, und 38 Prozent sagen, er mache viele Dinge, die auch Hitler gemacht hat. (Telepolis)

Einen Eindruck von dem oft von unbändigem Hasst und einer, man muss es so sagen, fast unfassbaren Dummheit geprägten Atmosphäre in diesem Lager kann man sich auch bei der Wochenzeitung machen, die ein paar Tea-Party-Aktivisten begleitet hat:

Sie jubeln, wenn der reaktionäre Radio­talkmaster von einer apokalyptischen Katastrophe spricht und dabei US-Präsident Barack Obamas Gesundheitsreform meint. Sie jubeln, wenn er von der «bewussten Zerstörung» der USA – des «schönsten und wichtigsten Landes der Erde» – durch «üble Hippies» und deren Abrüstungsverträge spricht. Sie sind begeistert, wenn er das Ende des «Marxismus, Leninismus und Stalinismus light» fordert. Ihre Schilder schimpfen auf Liberale, Friedensdemonstrantinnen, Faulenzer und Sozialisten, die ihrer Meinung nach zu Unrecht in Washington an der Macht sind und ihre Steuergelder ergaunern. (…)

Die traurige Ironie ist: Gerade sie, die Arbeiter in den befleckten Hosen, die Rentnerinnen in ihren billigen Regenjacken und die kleinen Angestellten, die zwei zusätzliche Jobs und tiefe Ringe unter den Augen haben, verloren unter dem konservativen letzten US-Präsidenten George Bush jegliche Chance, an der Gesellschaft teilzuhaben. Doch ihre Wut darüber bekommt nun die neue US-Regierung zu spüren. Der Protest ist ein Ventil ihrer Angst: Sie brüllen den vorsichtig fragenden Reporter nieder, keifen drohend auf die Frage, was denn schlimm an einer rudimentären Gesundheitsversorgung sei. Der Staat ist in ihren Augen zum Tyrannen geworden, gegen den sie Verfassung und Fahne in den Himmel strecken. (…)

Die Tea-Party-Bewegung, das wird hier hoch über den weiten Feldern Wis­consins klar, ist der fleischgewordene Unmut, den allerlei konservative Organisationen für sich zu nutzen wissen. Ihr kommt die Aufgabe zu, den bitterbösen Kampagnen von Fox News gegen Staat, Steuern und den Präsidenten Street Credibility zu verleihen – Glaubwürdigkeit auf der Strasse. Dazu gehören die bigotten Behauptungen der Demonstrant­Innen, Obama tue nicht viel anderes, als das, «was Hitler in Deutschland gemacht hat», oder die Ankündigung, mit dem Blut des liberalen Establishments den Baum der Freiheit giessen zu wollen.

Wie kann Obama, wie können die Demokraten versuchen, diesem Einhalt zu gebieten, und wie können sie am besten eine gute Politik durchsetzen? Ich glaube, dass es falsch ist, dass Obama bisher so viele Zugeständnisse an die Rechte gemacht hat. Mag es in Einzelfällen notwendig gewesen sein, um seine Reformen durchzubringen, stellt sich für mich die Lage bspw. bei der Frage von Verfolgung von US-amerikanischen Kriegsverbrechen und -verbrechern anders da. Hier und in vielen anderen Bereichen sollte er deulich konsequenter gemäß seiner Linie vorgehen. Sicher würde dies ein weiteres Auseinanderdriften von Demokraten und Republikanern bedeuten. Für Obama bestand von Anfang an die Alternative, entweder eine Politik zu verfolgen, die auf die Vereinigung der unterschiedlichen politischen Lager zielt, oder einen wirklich neuen Politikstil und neue Politikinhalte zu verfolgen. Beides zusammen war nie wirklich möglich.

Eine wirkliche Hoffnung kann es für die USA nur geben, wenn eine für amerikanische Verhältnisse “linke” Politik betrieben wird, wenn endlich Sozialstaat und Bildung statt Militär und Banken gefördert werden, wenn Schluss ist mit allen katastrophalen Vermächtnissen der Vorgänger-Regierung. In einigen Bereichen ist viel geschehen. Eine Eindämmung des Lobbyismus, einige ziemlich gute Konzepte zur Lösung der Finanzkrise (und zur Verhinderung einer neuen), nicht zuletzt die Gesundheitsreform, u.a. Aber in den Bereichen, in denen Obama auf die Republikaner zugehen wollte, zeigten sich wenig Erfolge, im Gegenteil, wie wir sehen gibt es sogar eine Radikalisierung dieser. Bei den eigenen Anhängern und besonders dem “linken” Flügel der Demokraten verliert er an Unterstützung (sowohl an Wählerstimmen, besonders wegen einer niedrigeren Wahlbeteiligung, als auch an Akionsbereitschaft), da viele Wahlversprechen durch die Kompromisstaktik nicht eingehalten werden konnten, durch die er aber kaum Unterstützer aus dem Republikaner-Lager erhalten dürfte (viele Wechselwähler dürfte er zudem vor der Wahl für sich gewonnen haben und nun zu verlieren drohen).

Nein, das Land ist zu sehr gespalten, um fundamentale Differenzen in der Gesellschafts- und Sozialpolitik aufheben zu können.  Die zehn Kernforderungen der Tea-Party-Bewegung etwa, zusammengefasst in einem Kriterienkaalog für Kandidaten, die sie beim Wahlkampf unterstützt, sind: niedrige Steuern, weniger Schulden, kleinerer Staat, Fortsetzung der Kriege im Irak und in Afghanistan bis zum Sieg, sie sind gegen die Gesundheitsreform, gegen die Legalisierung der Homosexuellenehe, gegen Abtreibung und gegen eine Amnestie für illegale Einwanderer sowie für das Recht auf Tragen von Waffen und für eine entschiedene Politik gegenüber Iran und Nordkorea. Bis auf die Fordeung nach weniger Schulden (und diese ist in Zeiten einer Wirtschaftskrise alles andere als primär) erscheinen alle Punkte aus einer linken oder liberalen (im US-amerikanischen Sinne) Sicht ablehnenswert.

Viele Ansichten werden kaum zusammenfinden können, und das muss man so zugestehen. Die Konfliktlinien in der US-amerikanischen Politik und Gesellschaft sind oft relativ klar zu ziehen und die unterschiedlichen Positionen nicht graduell, sondern dichotom, Zwischenlösungen sind oft kaum möglich. Abtreibung erlauben oder generell verbieten? Staatliche verpflichtende Gesundheitsvorsorge oder freiwillige private? Menschen foltern dürfen oder nicht? Finanzmärkte regulieren oder vollkommen unangetastet lassen? Wenn die Regierung etwa Abtreibung unter bestimmten Bedingungen zulassen würde oder geringe Eingriffe des Staates in Wirtschaft und Soziales, haben sie sofort eine Fundamentalopposition der Republikaner gegen sich. Die Weltbilder der Anhänger der beiden großen Lager sind in sehr vielen Feldern nahezu gegensätzlich.

Verwaschene Kompromisse, die keine der beiden Seiten repräsentieren, können dem Land aber nicht weiterhelfen. Die Rechten werden ohnehin weiter protestieren, und sie radikaliieren sich trotz der bisherigen Kompromisspolitik. Warum also Kompromisse schließen, zudem mit denen, die überaus verwirrte bis zu gefährliche Ansichten vertreten? Warum nicht konsequent für eigene gute Ideen und eigene Ideale einstehen? Obama sollte spätestens jetzt klar die Schritte und Programme durchziehen, die er im Wahlkampf angekündigt hatte. Es ist noch nicht zu spät. Sein Kampf um eine Reform des Finanzsektors jedenfalls lässt schon einmal Positives erhoffen.

Bilder:

http://www.flickr.com/photos/pargon/ / http://creativecommons.org/licenses/by/2.0/deed.de

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Keine politische Justiz?

Von den Palmer Raids der Zwanziger Jahre bis zu den Fällen Peltier und Abu-Jamal durchzieht ein roter Faden die amerikanische Rechtsgeschichte – der der politischen Justiz (Text: Frank Benedikt unter der Lizenz CC BY NC 3.0)

Mumia Abu-Jamal (*)

Zwei mal drei Meter – das sind die Abmessungen der Zelle, in der der wohl bekannteste Todeskandidat der Welt seit 1995 eingekerkert ist. Seit 1982, als er wegen Polizistenmordes in einem fragwürdigen Verfahren zum Tode verurteilt wurde, hat der Journalist und Aktivist Mumia Abu-Jamal stets den Tod vor Augen. An seiner Schuld bestehen seit langem erhebliche Zweifel, dennoch droht ihm weiter die Hinrichtung. Das Todesurteil, das im März 2008 vorläufig aufgehoben wurde, wird in den kommenden Tagen vom Obersten Gerichtshof der USA entweder bestätigt oder in lebenslange Haft umgewandelt werden, ungeachtet weltweiter Initiativen, die seit langem eine Freilassung Abu-Jamals oder zumindest eine Wiederaufnahme des Verfahrens fordern. Dass es bei dem Verfahren gegen das ehemalige Black Panther- und MOVE-Mitglied zu eklatanten Verstössen gegen rechtsstaatliche Standards kam, heben auch internationale Menschenrechtsorganisationen wie Amnesty International oder Human Rights Watch hervor. Gerade letztere Organisation betont auch nicht zuletzt die politische Komponente in diesem Fall, die bei der Urteilsbemessung eingeflossen sei. Ein „militanter“ Afroamerikaner – eine doppelte Herausforderung für das überwiegend weiße und konservative Justizsystem der USA, das auf emanzipatorische und „linke“ Bestrebungen schon früher mit staatlicher Härte reagiert hat.

„Red Scare“ und die Palmer-Raids

Schon mit dem Eintritt in den Ersten Weltkrieg breitete sich in den Vereinigten Staaten Angst vor Fremden und Spionage aus. Ein erstes Resultat war die Verabschiedung des Espionage Acts im Juni 1917, der unter anderem dazu führte, dass der dreimalige Präsidentschaftskandidat der Sozialistischen Partei, Eugene V. Debs, verhaftet und zu 10 Jahren Gefängnis verurteilt wurde. Auch der bekannte Schriftsteller E. E. Cummings wurde wegen „Spionage“, die sich darin erschöpfte, dass er keinen Hass gegen die Deutschen zu empfinden vermochte, zu dreieinhalb Monaten in einem Militärlager verurteilt. Der Sedition Act, der 1918 als Zusatz dem Espionage Act hinzugefügt wurde, stellte auch generell Kritik an der Regierung unter Strafe und markierte den einstweiligen Höhepunkt in der legislativen Einschränkung der bürgerlichen Freiheiten in den USA.

Mit dem Ausbruch der Russischen Revolution wuchs nicht allein in den europäischen Ländern die Furcht vor einem Übergreifen der revolutionären Dynamik: in den Vereinigten Staaten existierte eine vielfältige Arbeiterkultur, zusammengesetzt aus Sozialisten, Kommunisten und Anarchisten aus aller Herren Länder. Die Anarchisten waren schon gelegentlich durch Attentate aufgefallen und Gewerkschaften wie die Wobblies (IWW – Industrial Workers of the World) waren nicht nur gut organisiert, sondern auch „internationalistisch“ eingestellt. Der offene Konflikt zwischen Arbeiterschaft und Kapital hatte bereits lange vor dem Krieg begonnen, denn schon im ausgehenden 19. Jahrhundert gab es blutige Auseinandersetzungen zwischen den Molly Maguires und den Kohlenbergwerksbetreibern Pennsylvanias. Andere massive Arbeitskämpfe sollten folgen und die gesellschaftlichen Verhältnisse waren bereits zu Beginn des Krieges angespannt.

Weitere große Streiks, staatliche Repression aufgrund der neuen Gesetze, und eine Serie von Bombenanschlägen, die den Galleanisten, einer anarchistischen Gruppierung zugeschrieben wurden, verschärften die Situation und der neue Generalstaatsanwalt, Alexander Mitchell Palmer, ließ – zusammen mit dem jungen J. Edgar Hoover – zwischen 1919 und 1920 die sogenannten „Palmer Raids“ durchführen. Bei Massenfestnahmen ohne offizielle Anklage wurden ca. 10.000 Personen landesweit festgenommen, unter ihnen auch die bekannten Anarchisten Alexander Berkman und Emma Goldman, die, zusammen mit rund 500 anderen „ausländischen Anarchisten und Kommunisten“, kurzerhand nach Russland abgeschoben wurden, welches sich zu dieser Zeit noch im Bürgerkrieg befand. Der Höhepunkt der ersten „Rotenfurcht“ sollte damit aber auch überschritten sein, da Palmer die Unterstützung der Bevölkerung einbüßte, nachdem sich seine Prognose, „die Roten“ würden für den 1. Mai 1920 eine Revolution in den USA planen, als völlig haltlos erwies. Bereits im Juni desselben Jahres beendete der Bundesrichter George W. Anderson die größte Massenverhaftung der US-Geschichte, aber zu diesem Zeitpunkt waren bereits viele Menschen grundlos inhaftiert oder gar deportiert worden.

Die Mörder sind unter uns

In der Zeit der „Palmer Raids“ und der ersten „Roten Angst“ ereignete sich auch der bekannte Fall der italienischstämmigen Anarchisten Nicola Sacco und Bartolomeo Vanzetti, der in Kunst und Literatur seinen Niederschlag gefunden hat. Die beiden Arbeiter, die sich dem Kriegsdienst verweigert bzw. entzogen hatten, hatten sich der Bewegung um Luigi Galleani angeschlossen und sollen im April 1920 bei einem Raub in South Braintree, Mass., zwei Menschen erschossen haben. Trotz zweifelhafter Zeugenaussagen und weltweiter Proteste wurden Sacco und Vanzetti 1927 zum Tode verurteilt und hingerichtet. Ihre Schuld gilt bis heute als nicht erwiesen und anläßlich des 50. Jahrestages ihrer Hinrichtung hat sie der damalige Gouverneur von Massachusetts, Michael Dukakis, postum rehabilitiert.

Leonard Peltier – der letzte der Lakota?

Im selben Jahr, als Mike Dukakis Sacco und Vanzetti rehabilitierte, wurde Leonhard Peltier, ein Mitglied von AIM, des American Indian Movement zur Befreiung von der Unterdrückung durch die weiße Mehrheit, zu zweimal lebenslänglich verurteilt, da er für die Ermordung von zwei Bundesagenten des FBI verantwortlich sein soll. Bürgerkriegsähnliche Zustände in der Pine Ridge Reservation in South Dakota hatten ihn und andere AIM-Mitglieder dazu veranlaßt, das Reservat aufzusuchen, um ihren Stammesbrüdern beizustehen.

Der indigene Aktivist, der sich bereits in jungen Jahren für die Interessen der unterdrückten Ureinwohner einsetzte, dürfte inzwischen wohl der dauerhafteste „Politische“ in den USA sein: seit Dezember 1976 ist Peltier bereits inhaftiert, wiewohl auch hier die Indizien und Zeugenaussagen dürftig genug schienen, um ihm beispielsweise die Unterstützung von Amnesty International und seitens des Dalai Lama einzutragen. Nachdem 2009 ein Gnadengesuch von der Parole Commission abgelehnt wurde, besteht die nächste Möglichkeit für ein Gnadengesuch erst wieder 2024 – Leonhard Peltier wird dann 79 Jahre alt sein und seine Strafe läuft voraussichtlich noch bis 2040.

Zusammen mit Mumia Abu-Jamal gilt Leonhard Peltier heute als der bekannteste politische Gefangene in den USA und ist auch – gerade hinsichtlich der zweifelhaften Beweislage – das doppelte Sinnbild für einen unschuldig und politisch Verurteilten.

Keine politische Justiz?

Die Wertung kann nur der Leser vornehmen, wenn es auch danach „riecht“ und renommierte Menschenrechtsorganisationen dies unumwunden so bezeichnen. Ein System, welches Menschen – schuldig oder unschuldig – ohne die Möglichkeit zu einer Rehabilitation dauerhaft „wegsperrt“ oder gar tötet, kann nach mitteleuropäischen Maßstäben und Ansicht des Autors kein humanes und gerechtes sein. Zwischen „Rache“ und „Gerechtigkeit“ wird es stets einen normativen Unterschied geben.

Freiheit oder Tod?

Fast scheint es so, wenn man sich Mumia Abu-Jamals akute Lage vor Augen ruft. Die „Freiheit“ wird er wohl, dem Rechtssystem in den USA geschuldet, kaum erlangen können, aber Freiheit von ständiger Bedrohung mit dem Tod wäre schon sehr viel. Da tritt spätestens dann auch die Schuldfrage in den Hintergrund, denn dieser Mensch hat in über 28 Jahren „alle seine Sünden gebüßt“ – es wäre an der Zeit, ihn zu begnadigen!
P.p.s.: Ein nachgereichter Link, den ich im Text nicht mehr anzubringen wußte, der mir aber für das Verständnis eines Herrn Palmer hilfreich scheint.

(Originalpost beim binsenbrenner.de)

*: Bild: http://www.flickr.com/photos/dubdem/ / CC BY 2.0

Die Lage um Mumia Abu-Jamal ist derzeit äußerst dringend. Deshalb sind zahlreiche Aktionen in Vorbereitung. Hier ein paar Aufrufe und weitere Informationen:

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Happy Birthday, Simpsons!

Happy Birthday! Vor 20 Jahren lief die Serie “Die Simpsons” zum ersten mal im amerikanischen Fernsehen. Dazu die Tagesschau: 20 Jahre “Die Simpsons”: Gelb, chaotisch und erfolgreich

Sehr schön daraus:

Henry Keazor: “Die Simpsons sind Weltliteratur.”
George Bush: “”Wir brauchen mehr Familien wie die Waltons und weniger wie die Simpsons”

Stimmt, da war ja was …

http://www.youtube.com/watch?v=l3nQ6DbGWvw

Dann doch lieber:

http://www.youtube.com/watch?v=1aBaX9GPSaQ

Ach, und noch einer:  heute vor genau 100 Jahren, am 19. Dezember 1909, wurde der Ballspielverein Borussia 09 e. V. Dortmund gegründet. Herzlichen Glückwunsch!

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