Afrika? Merkel hat andere Prioritäten

Die Entwicklungshilfe-Gruppe One hat den Spitzenkandidaten von Union, SPD, Grünen, FDP und Die Linke. zur Bundestagswahl zwölf Fragen zu Afrika gestellt. Neben eher Belanglosem ging es dabei auch um die Entwicklungspolitik der Spitzenkandidaten.

Photo by oparazzi.de under http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/
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Die Bundeskanzlerin und Spitzenkandidatin von CDU und CSU Frau Merkel aber möchte Prioritäten setzen und hat die Fragen daher nicht beantwortet. Genau so! “Es ist viel los, wir müssen Prioritäten setzen”, so hat es ihr Sprecher mitgeteilt. Sie hat sie noch nicht einmal beantworten lassen! Noch nicht einmal von einem kleinen Sachbearbeiter oder Kanzleramtsbeamten. Prioritäten setzen heißt also, die Belange eines ganzes Kontinentes einfach zu ignoriern. Vollständig. Es ist ja auch Wahlkampf und man muss sich um die “wirklich wichtigen Dinge” kümmern. (Dienstwagen zum Beispiel. Oder hat sonst jemand noch was mitgekriegt? Bild, Spiegel oder Stern machen zur Zeit ja wohl besseren CDU-Wahlkampf als die Parteivorsitzende).

Na gut, andererseits, klar, warum auch, wenn dem deutschen Otto Normal-CDU-Wähler eher interessiert, dass die Steuern runter müssen, als dass die Entwicklungshilfe endlich, wie vor fast 20 Jahren versprochen, auf 0,7% des BIP erhöht wird. Der meint, dass es zu viele Ausländer in Deutschland gibt, während 1 Milliarde Menschen auf der Welt hungern. Der sich vor der Schweinegrippe fürchtet, während 7,2% aller 15-49-Jährigen im südlichen Afrika mit HIV infiziert sind.548px-Topography_of_africa

Ob ihn nicht vielleicht aber auch interessieren würde, dass es nicht einmal 1% des Einkommens der reichsten 10% der Weltbevölkerung kosten würde, um das Einkommen der ärmsten 25% zu verdoppeln? Das genug Reichtum vorhanden ist, um Armut, Hunger und Seuchen endlich Geschichte werden zu lassen?

Worauf Frau Merkel nun ihrerseits Prioritäten setzt, bleibt unterdessen unklar. Sich auf ein Thema festzulegen oder klare politische Konzepte zu erarbeiten war eh nie ihr Stil.

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Guttenbergs geheime Agenda: neoliberale Märchenstunde

Oh nein, da ist doch tatsächlich Guttenbergs Geheimplan aufgetaucht. Besonders lustig dabei ist, dass sein Sprecher den Entwurf nach Bekanntwerden scheinbar verzweifelt als veraltet und obsolet bezeichnet hat, obwohl er vom 3. Juli 2009 stammt, von seinen Staatssekretären geschrieben wurde und viel zu umfassend und detailliert, als das man ihm das abkaufen könnte. Bei dem Papier handelt es sich mal wieder um die Neocon-Agendaliste der Industrieverbände und ihres PR-Vollstreckers “INSM” (Fefe). Ein neoliberaler Gegenentwurf zum Deutschlandplan Steinmeiers. Der Markt wird alles richten, der Staat soll nur die Wettbewerbsfähigkeit der Industrie stärken.

Staatliche Beschäftigungsprogramme soll es natürlich nich geben, dafür eine “Korrigierung” (sprich Abschaffung) der Mindestlohngesetze. Unternehmes- und Einkommenssteuersenkungen will man durch Abschaffung der ermäßigten Mehrwertsteuersätze (die u.a. für Lebensmittel gelten) erreichen, was fast ausschließlich auf Kosten der Niedrigverdiener, die eben fast ihr gesamtes Geld für den Konsum ausgeben müssen, gehen würde: die ärmsten 50% der Bevölkerung haben im Schnitt gar kein individuelles Nettovermögen (Aufrechnen der Vermögen und Schulden, vgl.  Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung, Wochenbericht Nr. 4/ 2009, S. 59). Die Befristungen der Beschäftigung sollen “erleichtert” werden. Noch mehr erleichtert? 2002 waren noch 12,2% aller Arbeitnehmer befristet beschäftigt, 2007 waren es 14,6%.

Klimaauflagen für Betriebe will man streichen, die Steuern für die Öl und Gas senken und Firmen, die beim Emissionszertifikate-Handel mitmachen sogar ganz von Energiesteuern befreien. Erinnert sich noch jemand, wie Angela Merkel am Anfang ihrer Regierungszeit als Klimakanzlerin galt? Im Zuge der Finanzkrise wurde dann aber klar, wo die Priorität des Klimaschutzes bei der Union liegt – ganz weit unten.

Die von Wolfgang Clement, der jetzt für eine Zeitarbeitsfirma arbeitet, stark liberalisierte Zeitarbeit (in der Folge stieg der Anteil der Zeitarbeitnehmer an den sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten von 1,22% im Jahr 2002 auf 2,7% im Jahr 2007) wird als “Brücke in die reguläre Beschäftigung” angepriesen. Dies ist jedoch wissenschaftlich nicht haltbar. Nur 21% der Zeitarbeitnehmer werden in reguläre Beschäftigung übernommen (12-15% direkt im Entleihbetrieb). 26% bleiben in der Zeitarbeit, 34% werden arbeitslos, 19% werden Nichterwerbspersonen (IAB-Betriebspanel). Fast 80% aller Zeitarbeitnehmer sind in diese prekäre Beschäftigungsform von vorher regulärer Beschäftigung oder nur kurzer Arbeitslosigkeit gewechselt. Selbst der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, dem außer Peter Bofinger nur Anhänger der neoklassischen Ökonomie angehören, stellt in seinem Jahresgutachten 2008/ 2009 fest, dass in Deutschland “vormals arbeitslose Leiharbeitnehmer zwar eine höhere Wahrscheinlichkeit haben, binnen vier Jahren wieder bei einem Verleihunternehmen zu arbeiten, sich aber nicht von Arbeitslosen in der Wahrscheinlichkeit unterscheiden, einer regulären Beschäftigung nachzugehen oder wieder arbeitslos zu sein”.  Kommen wir zum wahren Kern der Sache: Zeitarbeitnehmern werden (je nach Beruf) nur 49 bis 73% des Lohns der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten in dem selben Beruf bezahlt (Sozio-oekonomisches Panel 2006). Die Brückenfunktion in reguläre Beschäftigung ist nichts als ein Märchen der neoliberalen Wirtschaftslobby, um billige und kaum abgesicherte Arbeitskräfte zu erhalten.

Steuern senken, prekäre Beschäftigungsformen ausweiten, Klimaschutzmaßnahmen abbauen – die neoliberale Politik der letzten 25 Jahre also, die hier vertreten wird. Gut, dies war kaum anders zu erwarten.

Gut­ten­berg will — noch viel mehr als es aktu­ell schon der Fall ist — das Geld von unten nach oben ver­tei­len (…) Karl-Theodor zu Gut­ten­berg wird nach der Wahl wei­ter für sei­nes­glei­chen sor­gen, auf Kos­ten der Men­schen, der All­ge­mein­heit. (F!XMBRE).

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Guttenberg: der neue Obama!

guttenberg1Die Springerpresse hat sich mal wieder selbst übertroffen: Der Artikel “Der BILD.de-Vergleich: Wie viel Obama steckt in Guttenberg?” übertrifft in seiner derart unreflektierten Lobhudelei sogar die übliche Unions-Hofberichterstattung des Blattes und selbst den „Der coole Baron“-Aufmacher des sterns (siehe zu diesem auch den Kommentar von Stefan Niggemeier). Ich persönlich meine ja auch, dass Guttenberg wohl eher zu den ehrlicheren Politikern (auf der Seite der Union) gehört. Aber dieser Artikel hat wirklich das Potential, der peinlichste des Jahres zu werden (via Jörg Tauss)!

Allein die Vergleiche, die da zwischen Obama und Herrn zu Guttenberg aufgestellt werden, sind so schlecht und so unpassend, das ma da kaum drauf kommen würde:

Beide haben einen außergewöhnlichen Namen.

Den hat der CDU-Bundestagsabgeordenete Cajus Julius Caesar auch, aber über den lese ich nie so etwas.

Guttenberg hat einmal Märchen für eine Schulklasse vorgelesen

Echt? Wahnsinn! Das kann nur unser Adel!!1!

Und der persönliche Hintergrund der beiden Politiker könnte ja wohl kaum noch unterschiedlicher sein.

Dem Fass den Boden schlägt dann aber das Folgende aus:

Obamas und Guttenbergs Laufbahnen sind beeindruckend. Beide sind Selfmade-Männer, haben sich hart hochgearbeitet.

Obama hat sich als Sozialarbeiter hochgearbeitet, und Guttenberg als – Baron??!!? Als Sprössling einer millionenschweren Adelsfamilie?? Ist das wirklich ernst gemeint??

Danach arbeitete Guttenberg in mehreren Unternehmen in herausgehobenen Positionen.

Dazu kann ich nur den Panorama-Beitrag „Baron Karl Theodor zu Guttenberg – Was versteht der neue Minister von Wirtschaft?“ empfehlen, der über seine tatsächlichen Erfahrungen in der Wirtschaft aufklärt.

Und schließlich der Vergleich der Sternzeichen!! Unglaublich. Na, wenigstens ist das Element von beiden das Feuer… Also doch noch ne Gemeinsamkeit.

Das Foto ist eine Bearbeitung von http://commons.wikimedia.org/wiki/File:Guttenberg-800.jpg (Urheber dessen: Bundestagsbüro Karl-Theodor Freiherr von und zu Guttenberg MdB, Lizenz: http://creativecommons.org/licenses/by/2.0/de/deed.en)

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Neusprech im Überwachungsstaat

Falls es jemand noch nicht kennt, dem sei der Vortrag “Neusprech im Überwachungsstaat. Politikersprache zwischen Orwell und Online” von Martin Haase stärkstens empfohlen:

http://video.google.de/videoplay?docid=-343934689018248257

Das Video gibt es auch beim Chaos Computer Club. Paper und Folien zu dem Vortrag und einen CRE-Podcast (“Neusprech im Schnüffelstaat. Eine linguistische Analyse der Sprache von Politikern”) kann man ebenfalls beim CCC finden.

Außerdem zu dem Thema: Innenministerdeutsch – Des Schäubles kleines Wörterbuch

Wie lassen sich Einschränkungen der Bürgerfreiheit als Gewinn für alle verkaufen? Indem man sie sprachlich vernebelt. Ein Katalog des Neusprech zur Inneren Sicherheit

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Das ehemalige Nachrichtenmagazin und das Internet

Titel

Der Artikel “freiheit@unendlich.welt” im ehemaligen Nachrichtenmagazin offenbart mal wieder irrationale Ängste des konservativen Spießbürgers und des schon sprichwörtlichen Internetausdruckers vor der Freiheit des Internets.

Schon das Titelbild ist eigentlich aussagekräftig genug. Nackte Menschen überall – überall! – und überall Gewalt, Schusswaffen, Kettensägen und Baseballschläger, Sprengungen, Explosionen, eine nackte Frau reitet auf einer Atombombe, Voyeure und Exhibitionisten, Piraten und Maskierte. Alles sehr wirr, alles sehr verängstigend, alles sehr böse.

Und auch auf den ersten Seiten des Artikels hagelt es nur so Vorurteile und Klischees, etwa:

“Längst ist das Internet ein Paralleluniversum. Die Refugien der Diebe, Rufmörder, Kinderschänder entziehen sich weitgehend der Kontrolle des Rechtstaats.”

“Während an der Oberfläche des digitalen Reichs tausend bunte Blumen blühen, Shopping, Chat, Schöngeistiges, wuchert  im Wurzelwerk darunter ein Pilzgeflecht aus Intrigen, Täuschung und Terror.”

(Hm, da hat das mit der Übertreibung der Alliterationen noch nicht ganz geklappt, nächstes mal bitte besser, liebe Sprachvirtuosen!)

“Soziale und moralische Verwahrlosung erstickt in weiten Teilen der neuen Galaxie den Freiheitsgeist der Gründergeneration. Mehr als vor einem “Großen Bruder” muss der unschuldige Bürger sich fürchten vor dem Herr der kleinen Brüder, vor der Gemeinheit und Missgunst im Netz. Viele Einträge in den rund 200000 aktiven deutschen Blogs enthalten Pöbeleien, Vulgäres, das die Bürger im Land der Dichter und Denker sich nicht einmal unter vier Augen sagen würden.”

“Das Netz macht, was es will, und das ist kein Ausdruck von Freiheit, sondern von Gefahr”

Zwar wird der Beitrag später differenzierter, es wird auch Kritik an Vorratsdatenspeicherung oder an Zensursula geschildert und man lässt beide Seiten zu Wort kommen. Auch werden die positiven und die demokratisierenden Eigenschaften des Netzes dargelegt. Insgesamt ist der von fünf Autoren geschriebene Artikel aber überaus wirr, alle möglichen unterschiedlichen Themen werden angeschnitten, vieles wird über einen Haufen geworfen, wenig wirklich erläutert und erklärt. Der einzige rote Faden in dem Artikel scheint die Verwendung des Wortes “Cyberspace” in jedem zweiten Absatz zu sein.

Dass man auch aber auch kompetent über netzpolitische Themen berichten kann, zeigt Spon z.B. auf Parteien wetteifern mit Internetschelte. Sehr schön ist auch der Artikel ZEHN THESEN ZUM WEB – Warum die Dummheit des Internets ein Segen ist. Die 10 Thesen lauten dort:

Das Internet ist dumm – und das ist gut so

Die Internetnutzer sind selbst schuld an dem, was das Netz gefährlich macht

Wer über die Gefahren des Netzes lamentiert, meint in Wahrheit meist schlechte Manieren

Wir sollten aufhören, den Exhibitionismus anzuprangern, solange wir den Menschen schamlos und ohne jede Hemmung durchs Wohnzimmerfenster starren

Wir brauchen eine neue Definition von Öffentlichkeit

Jugendschutz ist wichtig, aber nicht wichtiger als alles Andere

Die Staaten dieser Welt werden sich nicht darüber einigen, wie das Netz sein sollte

Es ist dennoch möglich, einen internationalen Minimalkonsens darüber herzustellen, welche Verbrechen geahndet werden sollten

Kulturpessimismus kann Wandel weder aufhalten noch in sinnvoller Weise formen

Die Vorteile eines freien Internets überwiegen seine Nachteile

Wieso also dieser reißerische Titel in der Printausgabe, dieser unsägliche Beginn des Artikels (wobei die angeführten Klischees auch später nicht entkräftet oder widerlegt werden, wo dies nötig gewesen wäre, sondern eher ergänzt um Kritik an der staatlicher Überwachung und Zensur und um die Verdienste eines freien Netzes)? Damit der nicht “netzaffine” Leser, der den Titel sieht und vielleicht nur die ersten Seiten liest, bestätigt wird in seiner Meinung über das böse Internet, dass dringend reguliert werden muss? Der auch weiß, wem er dafür seine Stimme geben sollte? Als Wahlwerbung für das bürgerliche Lager? Diese Erklärung erscheint mir zumindest die schlüssigste.

NACHTRAG: Stefan Niggemeier kommentiert in seinem Blog den Artikel und dabei v.a. das Verhältnis (digitales) Internet/ (analoge) Welt.

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Podcast: Chaosradio Express

Ich höre ja sehr gerne und sehr viele Podcasts.

Die meiner Meinung nach besten auf dem Gebiet der Netzpolitik sind die vom Chaosradio vom Chaos Computer Club. Im Chaosradio Express (CRE) werden Themen zu Computer, Technologie, Netz und Netzpolitik aufgegriffen und ausführlich besprochen. Die Themen werden dabei mit hoher Kompetenz und technischem Sachverstand, aber auch sehr verständlich dargestellt. Besonders gefallen haben mir bei immer die Sendungen zu den eher politischen Themen (Zensursula, Wahlcomputer, Vorratsdatenspeicherung, …) als zu den manchmal doch sehr technischen.

Auch sehr hörenswert: das Chaosradio, das immer am letzten Mittwoch im Monat um 22 Uhr in der Sendung Blue Moon auf Fritz (die sich übrigens auch sonst sehr lohnt!) gesendet wird. Anrufer können in der Sendung fragen stellen oder ihre Meinung zum Thema äußern.

Der Moderator der Sendung CRE, Tim Pritlove, hat nun noch ein paar Sendungen auf Lager und hat zu einer Blogeintragskette aufgerufen, damit er diese veröffentlicht. Ich müsste dann hier schon an der 59. Stelle angekommen sein. Der letzte Beitrag ist hier zu finden.

UPDATE: Und den nächsten Beitrag gibt’s hier.

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Rebellen oder Verräter?

Was steckte hinter dahinter, dass vier hessische Landtagsabgeordnete im November 2008 Andrea Ypsilanti nicht mit den Stimmen der Linkspartei zur Ministerpräsidentin wählen wollten?

Laut FAZ wollte Jürgen Walter schon im vergangenen November mit abtrünnigen SPD-Abgeordneten im Landtag eine neue Fraktion gründen, während man öffentlich verkündete, in der SPD bleiben zu wollen. Auch eine Einflussnahme der CDU auf die Gründung einer eigenen Fraktion der vier “Abtrünnigen” scheint noch möglich (Treffen des Regierungssprechers Dirk Metz mit Silke Tesch). Walter habe außerdem noch im Sommer für die “alternativlose” Koalition mit der Linken geworben. Mitte Juli hätten sich die vier Abgeordeneten zu einer Vorbereitung der Zusammenarbeit mit der Linken getroffen und keiner habe “Gewissenskonflikte” gehabt. Und anders als es Carmen Everts später behauptete, sei kein Druck auf sie ausgeübt worden.

Nur Dagmar Metzger und Silke Tesch hätten später wirklich aus prinzipiellen, nicht aus taktischen und machtpolitischen Gründen , wie Walter und Everts, abgelehnt (vgl.). Die FAZ schreibt dort weiter, dass so auch der Verdacht neuen Auftrieb erhalte, Politik sei eben doch ein schmutziges Geschäft, in dem es sich nicht um Grundsätze sondern immer nur um Posten, Macht und Geltungssucht drehe. Dies stimmt sicherlich nicht immer, aber bei den beiden, die stets beteuert hatten, dass es für sie nur um eine Gewissensfrage ginge, war ihr „Gewissen“ drei Minister- und einen Staatssekretärposten wert. So viel wollte man für die Zustimmung zu einer rot-rot-grünen Koalition. Als Ypsilanti Walter aber nicht das erhoffte Wirtschaftsministerium überlassen wollte, hätten die vier aufbegehrt.

In der Frage um Lüge und Glaubwürdigkeit in der Politik scheinen zumindest Walter und Everts nicht, wie dies bisher dargestellt wurde, für die Glaubwürdigkeit zu stehen. Und langsam wird also Licht auf die Frage geworfen, wie man das Verhalten moralisch (nicht unbedingt politisch) bewerten kann. Ob es sich um eine Gewissensentscheidung oder um eine Intrige gehandelt hat, ob es Rebellen oder Verräter waren. Letztere Alternativen liegen näher.

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BRD – Bananenrepublik Deutschland?

Die OSZE will erstmals Wahlbeobachter nach Deutschland schicken. Grund ist die umstrittene Ablehnung mehrerer Kleinparteien – der Partei Die PARTEI, der Freien Union und der Grauen – durch den Bundeswahlleiter (vgl.: Warum die Premiere des Wahlleiters zur Farce geriet). Der Staatsrechtler Martin Morlok warnt gar davor, dass durch diese Entscheidungen des Bundeswahlausschusses eine Wiederholung der Bundestagswahl folgen könnte – vor der Bundestagswahl können die drei Parteien keine Rechtsmittel mehr einlegen.

In der Tat ist das beschriebene Vorgehen durch den Wahlleiter äußerst zweifelhaft zu betrachten und verschiedene Vorgänge erscheinen sehr ominös – ein angebliches Schreiben der PARTEI, welches diese bestreitet, verschiedene Rechtsauffassungen, wann eine Beschwerde formal möglich ist oder dass eine Unterschrift der Freie Union-Vorsitzenden Pauli, die laut Wahlordnung erfolgen soll (und dies auch noch nach Fristablauf kann), auf einmal zum Fristablauf erfolgen muss – und diese Partei deshalb nicht zugelassen wird.

Auch spielte es etwa keine Rolle, das Die PARTEI eine Satire der Titanic ist – und es schien auch in der Tat die Wirklichkeit mehr Satire – denn um die Frage der Ernsthaftigkeit ging es bei den Kritikpunkten des Wahlleiters gar nicht. In diesem Fall müssen aber für alle Parteien die gleichen Regeln gelten – wenn wir nicht zu einer “Bananenrepublik” werden wollen. Überwachungsstaat reicht ja auch.

Banane
http://commons.wikimedia.org/wiki/File:Bananen_Frucht_%28rotated%29.jpg (http://commons.wikimedia.org/wiki/User:Darkone)/ http://creativecommons.org/licenses/by-sa/2.5/deed.en

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Noch ne neue Partei?

Der Artikel “Hessische SPD-Rebellen – Neue Partei nach der Bundestagswahl?” berichtet, dass die vier hessischen SPD-Abgeordneten, die Andrea Ypsilanti nicht mit den Stimmen der Linken zur Ministerpräsidentin wählen wollten, Jürgen Walter, Carmen Everts, Silke Tesch und Dagmar Metzger sowie der ehemalige Wirtschaftsminister  und jetzt u.a. für die Energiewirtschaft und Leiharbeitsfirmen (deren Liberalisierung er umgesetzt hatte) tätige Wolfgang Clement nach der Bundestagswahl eine eigene Partei gründen wollen, die sich als “sozialliberal” bezeichnen wolle.

UPDATE: Wolfgang Clement will sich derzeit nicht an einer Parteineugründung beteiligen. Fest im Boot wären vorerst wohl nur Walter und Everts.

UPDATE: In der Springer-Presse dementiert Walter, eine neue Partei gründen zu wollen. Everts will sich nicht äußern.

Ne neue Partei? Nur zu!! Ich gabe sowieso nie verstanden, was die je in der SPD gewollt haben. Findet ruhig mal enttäuschte SPD-Wähler, die enttäuscht sind, weil ihnen die SPD nicht wirtschaftsliberal genug ist!

Carmen Everts habe ich ja mal “live” zusammen mit ihrem Doktorvater bei einem Vortrag an unserer Uni (veranstaltet vom “Bernhard-Vogel-Kreis”)  erlebt. Die beiden wollten dem Publikum weißmachen, dass Die Linke eine antidemokratische Partei ist, die nichts vom Grundgesetz hält und am liebsten die DDR wieder aufbauen wollte (mindestens!). Dies konnte man zwar (natürlich) nicht durch etwa das Parteiprogramm oder Aussagen von deren Politikern belegen. Die These wurde dann (erst auf Nachfragen aus dem Publikum) eher durch schlechte Verhaltensweisen der hessischen Linken-Parlamentarier oder dem allgemeinen Verhältnis zum derzeitigen Parlamentarismus versucht zu untermauern. Klappte nur nicht ganz.

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