Für einen Euro mehr

Die Bundesregierung plant, die Zuschüsse für die sogenannten „Ein-Euro-Jobs“ zu kürzen und strengere Richtlinien für diese aufzustellen. Dadurch wird deren Zahl zukünftig stark eingeschränkt werden. Dieses Vorhaben ist ein richtiger Schritt, da in der Vergangenheit dieses arbeitsmarktpolitische Instrument sehr oft nicht in seinem eigentlichen Sinne benutzt wurde und Erfolge nahezu komplett ausblieben. Zudem stellt sich aber nun um sehr mehr auch die Frage, ob die Ein-Euro-Jobs und die hinter ihnen stehenden Ideen überhaupt sinnvoll sind – oder nicht gleich ganz abgeschafft gehören.

Konzept und Ziele der Ein-Euro-Jobs

Die im offiziellen Neusprech “Arbeitsgelegenheiten mit Mehraufwandsentschädigung” genannten Ein-Euro-Jobs wurden in Deutschland seit 2005 im Zuge der Hartz-Gesetze stark ausgebaut. Dabei handelt es sich um Arbeitsmöglichkeiten für Hartz-IV-Empfänger, die für drei bis zwölf Monate für 15 bis 30 Stunden die Woche bestimmte Tätigkeiten, die „im öffentlichen Interesse liegen“, ausführen. Sie erhalten dafür zusätzlich zu den Hartz-IV-Bezügen einen Stundenlohn von meist zwischen 1 und 1 Euro 50. Es kann sich dabei beispielsweise um Tätigkeiten wie Park- oder Landschaftspflege, Hausmeistertätigkeiten oder Hilfe in Pflegeeinrichtungen handeln. Die Beschäftigungsträger der Ein-Euro-Jobber, bei denen es sich meist um Kommunen, Verbände, öffentliche Unternehmen oder (auch private) Wohlfahrtskonzerne handelt, erhalten für die “sozialpädagogische Betreuung” der Teilnehmer zudem bis zu 500 Euro im Monat. Als Grund wird angeführt, dass vor allem solche Personen, die auf dem regulären Arbeitsmarkt kaum eine Chance haben, durch diese Maßnahmen, wie man sich ausdrückt, “gefördert” werden sollen.

Diese “Förderung” ist jedoch nicht freiwillig: Bei Ablehnung droht eine Kürzung des Arbeitslosengeldes II für drei Monate um mindestens 30%. Solche Sanktionen kommen keineswegs selten vor. So wurden im letzten Jahr 102.631 Sanktionen ausgesprochen, weil die Betroffenen sich weigerten, eine als zumutbar eingestufte Arbeit, Ausbildung oder einen Ein-Euro-Job anzunehmen. Der Begriff “Zwangsarbeit” wäre also für Ein-Euro-Jobs zumindest nicht immer unangebracht. Als Ziel der Ein-Euro-Jobs wird angegeben, vor allem Langzeitarbeitslose an den Arbeitsalltag und einen Tagesrhythmus zu gewöhnen, die Arbeitsdisziplin zu stärken und ähnliches. Jede Art von Arbeit für Arbeitslose steigere deren Beschäftigungsfähigkeit und ihre sozialen Fähigkeiten, so eine der Ansichten dieses im Gedankengebäude des Workfare entwickelten Konzepts. Zudem könne ein zusätzlicher Nutzen durch Arbeiten für die Gesellschaft entstehen, für die keine Nachfrage in der Privatwirtschaft gegeben ist. Sie werden zudem statistisch nicht als Arbeitslose gezählt – was ein weiterer Grund sein dürfte.

Mit pro Jahr 600.000 bis 700.000 teilnehmenden Personen sind Ein-Euro-Jobs das am häufigsten eingesetzte Aktivierungsinstrument im Rechtskreis des SGB II. Im März 2011 lag laut Bundesagentur für Arbeit die Zahl der Ein-Euro-Stellen bei 172.400. Dies ist schon deutlich weniger als in den letzten Jahren, in Spitzenzeiten gab es bis zu 300.000 Teilnehmer. Die Gesamtkosten sind dadurch trotz der äußerst niedrigen Verdienstmöglichkeiten recht hoch: Im Jahr 2010 wurden für Ein-Euro-Jobs insgesamt 1,7 Milliarden Euro ausgegeben. Bei derartigen Ausgaben stellt sich die Frage, wie die Realität der Ein-Euro-Jobs aussieht und ob sie effektiv sind. (more…)

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20 Euro Anreiz

Mit den neuen Regelungen für Zuverdienstmöglichkeiten zu Hartz IV ist der Bundesregierung kein großer Wurf gelungen. Sie sind so ausgestaltet, dass sie weiter den Niedriglohnsektor fördern und kaum mehr Anreize zur Aufnahme einer sozialversicherungspflichtigen Vollzeitbeschäftigung schaffen werden.

Das Kombi-Lohn-Modell ist schon an sich sehr problematisch. Es bedeutet eine staatliche Subvention von Niedriglöhnen. Neue Arbeitsplätze werden kaum geschaffen, vielmehr werden reguläre, sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze durch staatlich unterstützte Beschäftigung durch Niedriglöhner ersetzt. Das Lohnniveau wird allgemein gesengt. Außerdem führt das Modell kaum zu einer Integration der Teilnehmenden in den normalen Arbeitsmarkt. Zuverdienstmöglichkeiten zusätzlich zum Arbeitslosengeld II sind im Grunde sinnvoll, bei der derzeitigen Ausgestaltung und den äußerst niedrigen Anrechnungsmöglichkeiten jedoch eher schädlich.

Daran nun wird aber durch die Neuregelung der schwarz-gelben Bundesregierung kaum etwas verbessert. Bis zu 100 Euro Hinzuverdienst wird man weiterhin komplett  behalten dürfen, von Bruttoeinkommen von 100 bis 800 Euro nur 20 %. Einzig von Einkommen von 800 bis 1000 Euro bleiben künftig 20 statt 10% in der Tasche des Arbeitenden; von 1000 bis 1200 weiterhin nur 10%. Im Höchstfall ergibt sich also ein Mehrbetrag von 20 Euro (10% vom Bruttoverdienst von 800 bis 1000 Euro, also von 1000-800= 200 Euro). Diese Regelung betrifft mit 300.000 Personen nur etwa 20% der Arbeitslosen, die neben Hartz IV einer Beschäftigung nachgehen. (more…)

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Kombilöhne: sinnvoll oder nicht?

Hartz IV und die Agenda 2010 haben in den letzten Monaten viel an Zustimmung verloren. Auch die urprünglichen Architekten in der SPD sind von vielen Punkten abgerückt. Die Höhe der Leistungen steht dabei, sicher auch zu Recht, im Zentrum der Kritik. Doch wie sieht es mit anderen Aspekten der Hartz-Gesetze aus? Wie sind sie, v.a. aus arbeitsmarktpolitischer Sicht, zu bewerten? Gehören auch sie auf den Prüfstand? Hier soll als ein Punkt zunächst einmal das Konzept der staatlichen Kombilöhne betrachtet werden.

 

Konzept und Praxis von Kombilöhnen

Kombilöhne beschreiben eine staatliche Subvention von Niedriglöhnen. Dabei gibt es zwei Möglichkeiten: entweder werden die Niedriglöhne direkt für den Arbeitnehmer durch staatliche Transfers aufgestockt, oder der Arbeitgeber erhält Lohnkostenzuschüsse oder Abschläge bei Sozialversicherungsbeiträgen als Subventionen vom Staat zur  Einstellung/ Beschäftigung, z.B. auch von bestimmten Arbeitnehmerzielgruppen (etwa Geringqualifizierten und Langzeitarbeitslosen).

In Deutschland gibt es die Zuschüsse zweiten Typs nur zu Beginn neuer Beschäftigungsverhältnisse. Der erste stellt sich so dar, dass es Hinzuverdienstmöglichkeiten bei Bezug des ALG II gibt. Die Zahl dieser “Aufstocker” liegt in Deutschland bei über einer Million, die meisten davon arbeiten als geringfügig Beschäftigte in Mini-Jobs oder Teilzeitarbeit. Zudem besteht die Möglichkeit, dass Arbeitslose verpflichtet werden, für eine befristete Zeit Arbeitsgelegenheiten, die “im öffentlichen Interesse liegen” zur “Sicherung ihrer Beschäftigungsfähigkeit”  bei einem äußerst geringen Zuverdienst wahrnehmen zu müssen (“1-Euro-Jobs”).

 

Argumente pro Kombilöhne

Laut der neoklassischen Wirtschaftstheorie ist Arbeitslosigkeit in den vergangenen Jahrzehnten in Deutschland deshalb entstanden, da die Löhne im Niedriglohnbereich über der Grenzproduktivität dieser Arbeiten lag. Die Gewerkschaften hätten zu hohe Löhne für Geringqualifizierte durchgesetzt, (wirtschaftswissenschaftliche Untersuchungen zeigten, dass diese über einem reinen Marktlohn lägen), deshalb seien in diesem Bereich Beschäftigungshemmnisse enstanden. Durch eine stärkere “Spreizung der Löhne nach unten” könne mehr Beschäftigung gefördert werden. Zu gewährleisten, dass man “von seiner Arbeit leben könne”, sei nicht Aufgabe der Wirtschaft, sondern eine staatliche Aufgabe. Deshalb müsse dieser die Löhne von Geringqualifizierten wenn nötig bis zum Existenzminimum aufstocken.

Durch die Beschäftigung von 1-Euro-Jobbern kann außerdem ein Nutzen durch Arbeiten für die Gesellschaft entstehen, für den keine Nachfrage in der Privatwartschaft gegeben ist. Jede Art von Arbeit für Arbeitslose steigere außerdem deren Beschäftigungsfähigkeit und ihre sozialen Fähigkeiten. Gerne werden auch Parolen wie “keine Leistung ohne Gegenleistung” verwandt, doch stellen diese eher Populismus als echte Argumente dar (diese wurden vorher aufgezählt).

 

Argumente gegen Kombilöhne

Ein Risiko wäre, dass es für ALG II-Empfänger rational erscheinen könnte, aufzustocken, statt einer regulären Beschäftigung nachzugehen. Die Hinzuverdienstmöglichkeiten sind in der Tat äußerst schlecht. Bis 100 Euro kann man zwar dazuverdienen, ohne dass dies angerechnet wird. Für Bruttoeinkommen von 100 bis 800 Euro jedoch beträgt der Grenzsteuersatz jedoch 80%, für 800 bis 1200 Euro sogar 90%. Der Grenzsteuersatz ist hier also viel höher als der Spitzensteuersatz von 42%. Geringfügige Beschäftigungen bis 100 Euro/ Monat lohnen sich also eher, aber die Anreize, eine Beschäftigung anzunehmen, sind dann monetär gesehen eher gering, da nur ein kleiner Teil des Hinzuverdienstes behalten werden darf (außer wieder, wenn sie so gut entlohnt ist, dass man kein ALG II mehr beziehen muss). Eine Intergration in reguläre Beschäftigung ist in der Realität nicht gegeben: laut einer aktuellen Studie des IAB gehen nur 0-3% mehr der Arbeitslosen, die in 1-Euro-Jobs gearbeitet haben als die, die es nicht haben, 28 Monate nach Beginn der Maßnahme einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung nach. Zudem seien die Maßnahmen nicht zielgruppengenau (siehe dazu auch: Telepolis: Diffamierung von Erwerbslosen, freiwillige Arbeitsangebote oder Workfare).

Groß ist auch das Risiko, dass Unternehmen die Löhne im Bereich geringfügiger Beschäftigung stark senken. Das Einkommen der Beschäftigten muss dann immer mehr durch den Staat gesichert werden, die Unternehmen enziehen sich ihrer “gesellschaftlichen Verantwortung”. Betriebe, die durch Lohnsenkungen ihre Gewinne steigern wollen, finanzieren dies auf Kosten der Staatskasse, und in diesen Lohndruck werden auch andere Unternehmen und höhere Lohnbereiche mit hineingezogen.

Der Niedriglohnsektor ist in Deutschland seit den Agenda-Reformen extrem gewachsen und inzwischen nach den USA der gößte aller Industrieländer. Jedoch legen Untersuchungen nahe, dass dies auf Kosten der regulären Arbeit geschah und der Rückgang der Arbeitslosigkeit seit der Agenda stärker auf konjunkturelle Faktoren zurückzuführen war. Durch die Vergößerung des Niedriglohnsektors sinkt die Binnenachfrage, was (insbesondere zu Zeiten, in denen der Export stark einbricht) zu weniger Produktion und zu weniger Arbeitsplätzen führt. Die sozialen Folgen sind außerdem äußerst negativ – es wurde von der Politik gezielt ein prekärer Gesellschaftsbereich geschaffen.

 

Fazit

Maßnahmen der Agenda 2010, auch die Kombilöhne, haben zu einem Anstieg des Niedriglohnsektors geführt, ohne viele neue Arbeitsplätze geschaffen zu haben. Sie haben damit ihr vorgegebenes Ziel verfehlt. Stattdessen stieg lediglich die Gewinnquote (auf Kosten der Lohnqute). Die Lohnspirale nach unten wird durch Kombilöhne gefördert. Natürlich gibt es auch gute Gründe für die Annahme, dass tatsächlich diese breiten Lohnsenkungen im Interesse der Agenda-Maßnahmen standen (auch wenn sich manche davon wirklich die Schaffung von mehr Arbeitsplätzen versprochen hatten).

Im Grunde kann die Möglichkeit, bei Empfang von Arbeitslosenleistungen hinzuverdienen zu können, sinnvoll sein, aber nicht in der derzeitigen Ausgestaltung. Dazu müssen auf jeden Fall die Hinzuverdienstmöglichkeiten verbessert werden. Dies dient auch dem sicherlich zu unterstützenden Ziel, dass “sich Arbeit lohnen muss”. Dafür, und zur Vermeidung einer Ausplünderung des Staates durch Unternehmen, die reguläre Beschäftigung durch Niedriglöhner ersetzen, ist eine weitere Senkung der Hartz-IV-Sätze kein geeignetes Mittel. Vielmehr wäre für diese Ziele die Einführung eines Mindestlohns sinnvoll.

 

[Dieser Beitrag ist auch beim Oeffinger Freidenker und beim binsenbrenner.de erschienen.]

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