Todesstrafe und Sozialdarwinismus

Bei SWR2 Leben gibt es einen interessanten Podcast: Der Tod als Strafe (MP3) (Alternativlink):

Was tut archaisches Recht in einer Demokratie des 21. Jahrhunderts?

Von Lotta Suter. SWR2Leben vom 01.10.2009.

Die USA haben den alttestamentarischen Rachegedanken “Auge um Auge” ins neue Jahrtausend hinübergenommen. Die öffentliche Meinung zum Thema Todesstrafe ist geteilt. Als 15. US-Bundesstaat hat New Mexico die Todesstrafe aufgehoben. Im Neuenglandstaat New Hampshire jedoch, wo die letzte Exekution 70 Jahre zurückliegt, wird gegenwärtig der Bau einer Exekutionskammer diskutiert, um die “ultimative Strafe” an einem einzigen Täter vollstrecken zu können. An der öffentlichen Anhörung debattieren Befürworter und Gegner die Todesstrafe nach allen Regeln der Demokratie.

Der Podcast dauert etwa 24 Minuten.

Das Manuskript der Sendung gibt es hier als pdf.

Besonders gut fand ich den folgenden Abschnitt:

Die meisten westlichen Demokratien betrachten die Abschaffung der Todesstrafe heute als einen der wichtigsten und wertvollsten Zivilisations- und Kulturalisierungsfortschritte. Die USA sind noch nicht ganz so weit.
Noch hält die Nation an der Idee einer absoluten Gerechtigkeit fest und ist überzeugt, dass man das Böse eindeutig identifizieren, vom Guten trennen und ein für allemal eliminieren kann. Der biblische Rat, man solle das schlechte Glied abhauen, um den gesunden Leib zu retten, bestimmt und korrumpiert die amerikanische Gesellschaft. Im Innern der USA führt diese Haltung zu einer gnadenlosen Sozialpolitik gegenüber den Armen und einer rekordverdächtigen Inhaftierungsrate von unerwünschten Menschen. In der Außenpolitik wird der Feind mit allen Mitteln, auch mit Krieg und Folter, unschädlich gemacht.
Die Todesstrafe dient der Elimination des Bösen. Wobei unverzüglich klar wird, dass dieses Böse stets das ganz Andere ist: Die andere Rasse, die andere soziale Klasse, der krankhafte Psychopath. Es ist kein Zufall, dass die Todesstrafe in Kriegszeiten heute sogar in der EU, im Lissabon Vertrag, wieder zur Debatte steht; denn im Krieg ist die Entmenschlichung des feindlichen Andern am weitesten fortgeschritten. Leider verstehen sich die USA ständig als eine Nation im Ausnahmezustand, wenn nicht gar im akuten Krieg. Die Abschaffung der Todesstrafe wäre in diesem Sinn eine friedenssichernde Maßnahme.

Und auch in Deutschland gibt es Versuche, sozialdarwinistische Auffassungen wieder zu verbreiten: Thilo Sarrazin und der Neuaufguss des Sozialdarwinismus.

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Religulous

Bill Mahers Religulous – Auszüge vom Beginn und Ende des Films:

http://video.google.de/videoplay?docid=419378659422792803&ei=jOWMSuixG6Ki2AKR_-mcCg&q=religulous+ending

Bill Maher (ab Minute 1:13):

The irony of religion is that because of its power to divert man to destructive forces, the world could actually come to an end.

The plain fact is, religion must die for mankind to live. The hour is getting very late to be able to indulge in having key decisions made by religious people, by irrationalists, by those who would steer the ship of state not by a compass but by the equivalent of reading the entrails of a chicken. George Bush prayed a lot about Iraq, but he didn’t learn a lot about it.

Faith means making a virtue out of not thinking, it’s nothing to brag about and those who preach faith and enable and elevate it are intellectual slave holders, keeping mankind in a bondage to fantasy and nonsense that has spawned and justified so much lunacy and destruction. Religion is dangerous because it allows human beings who don’t have all the answers to think that they do. Most people would think it’s wonderful when someone says “I’m willing Lord, I’ll do what ever you want me to do”. Except that since there are no gods actually talking to us, that void is filled in by people, with their own corruptions and limitations and agendas.

And anyone who tells you they know, they just know what happens when you die, I promise you, you don’t. How could I be so sure? Because I don’t know, and you do not possess mental powers that I do not.

The only appropriate attitude for man to have about the big questions is not the arrogant certitude that is the hallmark of religion, but doubt. Doubt is humble and that’s what man needs to be, considering that human history is just a litany of getting shit dead wrong.

This is why rational people, anti-religionists, must end their timidity and come out of the closet and assert themselves. And those who consider themselves only moderately religious, they need to look in the mirror and realise that the solace and comfort that religion brings you actually comes at a terrible price.

If you belong to a political party or a social club that was tied to as much bigotry, misogyny, homophobia, violence and sheer ignorance as religion is, you’d resign in protest. To do otherwise is to be an enabler, a mafia wife, with the true devils of extremism that draw their legitimacy from the billions of their fellow travellers.

If the world does come to an end here or wherever, or if a glimpse into the future decimated by the effects of religion inspired nuclear terrorism, lets remember what the real problem was, that we learned how to precipitate mass death before we got past the neurological disorder of wishing for it.

That’s it, grow uo, or die!

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Der Hass der amerikanischen Rechten

Die amerikanische Rechte radikalisiert sich zunehmend in ihrer Ablehnung der Politik und v.a. der Person von Präsident Obama. Immer mehr blanker Hass schlägt ihm entgegen, immer mehr geifernde Wut. Wie tief verbreitet der Rassismus noch (zumindest unterschwellig) wirkt, zeigt sich etwa an der Debatte um Obamas Geburtsort, die von den konservativen Medien verbreitet wird. Ebenso bezeugt sich wiedermal eine verbreitete Islamfeindschaft. Wegen der Konjunkturprogramme (mit denen sich ja sogar George W. Bush zu Ende einer Amtszeit schon den Unmut der marktradikalsten unter den Republikanern zugezogen hatte) und der geplanten Gesundheitsreform wird Obama als “Sozialist” bezeichnet. Die Krone setzen dem Ganzen die Lügen der Neokonservativen über die Gesundheitsreform auf, die bis zum Vorwurf der Euthanasie gehen und selbst von Ex-Vizepräsidentschaftskandidaten Palin dem amerikanischen Volk aufgetischt werden.

Zu den härtesten und hasserfülltesten Gegenern Obamas gehören, wen sollte es wundern, gering gebildete weiße Amerikaner. Erschreckend ist dann aber, wie diese zunehmend Gewaltbereitschaft signalisieren und schon offen auf der Straße ihre Waffen präsentieren (siehe: Konservative in den USA: Obama, der Nazi-Muslim). Dabei erscheint mir immer wieder erstaunlich, wie radikal und unreflektiert gerade auch die viele der Verlierer des amerikanischen Systems, eben die ungebildeten, gering verdienenden Schichten, dieses System verteidigen und sich gegen Vorhaben der Regierung wenden, die ihre Situation massiv verbessern würde.

Man muss es sich immer wieder vor Augen führen: ein uneingeschränktes Recht auf Waffenbesitzt, Einschränkung bürgerlicher Freiheiten, Folter und Todesstrafe, Durchsetzung amerikanischer Interessen mit Gewalt, keine staatliche Umverteilung und eine so geringe Rolle des Staates in der öffentlichen Daseinsfürsorge wie möglich, das ist die Politik, für die die Gegner Obamas stehen; das Nichtvorhandensein des Klimawandels, Kreationismus und christlicher Fundamentalismus sind die Ideen, an die die meisten von ihnen glauben. Und es gilt sich immer wieder klar zu machen, dass “change” vielleicht in erster Linie ein Wahlkampfslogan war, dass dieser aber nichtsdestotrotz für die USA und für die Welt unerlässlich zu sein scheint.

UPDATE: Laut einem Bericht des britischen Observer (übersetzt beim Freitag: Es fehlt nur noch der Funke) steigt die Zahl gewaltbereiter rechtsextremer Milizen und auch die Gefahr eines Anschlagen auf Obama durch diese wächst. Diese Welle des Hasses ist nach Ansicht vieler Experten von der republikanischen Kampagne gegen die Gesundheitsreform sowie durch Nazi-Vergleiche konservativer Medien ausgelöst worde.

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George W. Bush hat es geschafft!

bush2Man kann es kaum glauben, aber bei einem Anliegen der Republikaner hat “W.” tatsächlich Erfolg gehabt. Die Einkommensungleichheit in den USA ist größer denn je. Zwei Drittel des gesamten Einkommenszuwachses gingen  zwischen 2002 und 2007 zu Gunsten des reichsten Hundertstels der Bevölkerung, allein 2007 gab es dort einen Einkommenszuwachs von 65%. Das reichste Zehntel besitzt nun die Hälfte des Einkommens (in den 70ern war es noch ein Drittel), das reichste Zehntausendstel 6 Prozent (70er: unter 1%).

Und zu alledem kamen Senkungen der Steuern für die obersten Einkommensgruppen. Eine fast besipiellose Umverteilung. Dagegen wirkte die Präsidentschaft Reagans fast wie sozialistische “Gleichmacherei”.

Mit der Präsidentschaft Obamas wird wohl wieder eine leichte Angleichung einhergehen, so wird erwartet. Sozialprogramme, Steuerentlastungen für den allergrößten Teil der Bevölkerung, Erhöhungen für die absolute Spitzengruppe: es ist klar, die Neokonservativen fühlen sich bedroht. Und sie schlagen zurück.

Welche Macht siebush3 inzwischen wieder erlangt haben, zeigt sich u.a. bei der derzeitigen Debatte um die Gesungheitsreform. Menschen, die es “böse” finden, wenn man dafür sorgen will, dass über 40 Millionen Bürger endlich eine Krankenversicherung bekommen – wäre es nicht in jedem anderen Land der Welt andersherum? Woran Clinton einst scheiterte, daran droht nun auch Obama zu scheitern, und die Republikaner frohlocken: so leicht kann man ihr Land auch jetzt nicht an die sozialen Standards aller anderen Industriestaaten angleichen.

Präsident Obamas Visionen erweisen sich also als schwieriger umzusetzen als erwartet, die Widerstände als größer, der soziale Zusammenhalt als geringer. Die 8 Jahre Bush-Regierung haben nicht nur weltweit, sondern auch innerhalb des Landes vieles verändert. Und W. wird sich freuen: er hat ja doch noch etwas geschafft!

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NACHTRAG: Einige Ursachen dafür, dass die Einkommensverteilung in den USA sich immer mehr der von Entwicklungsländern annähert, werden bei Zeit Online Herdentrieb aufgezeigt.

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