Wohin marschieren die Piraten?

Zunächst einmal lässt sich diese Frage ganz einfach beantworten: zum Hambacher Schloss. Denn die Piratenpartei Rheinland-Pfalz ruft unter dem Motto “Freiheit und Demokratie” zu einem Marsch zum Hambacher Schloss  und einem  Hambacher Fest 2.0″ auf. Aber die eigentliche Frage lautet: Wohin führt der politische Weg der Piratenpartei? Und das wird durch diese Veranstaltung nicht unbedingt klarer. Nicht nur das Wort “Marsch” und die prangende Deutschland-Flagge im Aufruf könnten  hier manche Leute skeptisch machen. “Die Piraten marschieren für Deutschland”? Das Hambacher Fest war zweifelsohne ein für seine Zeit eindeutig fortschrittliches Ereignis mit progressiven Werten: Demokratie,  Bürgerrechte, religiöse Toleranz. Aber es war doch auch ein klar nationalistisches Ereignis. Man muss es aus seiner Zeit betrachten – eine Berufung darauf ist heute sicher nicht ganz unproblematisch.

Ginge es aber nur darum, dass einer noch jungen Partei mit meist politisch relativ unbeleckten Mitgliedern noch die gewisse politische Sensibilität fehlt, wäre dies noch nachzusehen.  Es ist jedoch um zwei grundsätzliche Probleme der Piraten: Einmal wird ihnen von manchen Seiten vorgeworfenen, dass es nicht immer eine klare und eindeutige Abgrenzung nach rechts gäbe. Dies wurde etwa dadurch verursacht, dass  in einigen Fällen in der Vergangenheit politisch mindestens rechtspopulistische Positionen einiger Mitglieder in der Partei relativ lange tolieriert wurden. Hier müsste man ganz klare Grenzen ziehen.

Das Hauptproblem aber ist, dass die Piratenpartei sich in absoluten Kernfragen politisch immer noch nicht festgelegt hat. (more…)

Share

Moratorium für deutsche AKWs: Billige Augenwischerei

Angela Merkel hat heute ein Moratorium für die Laufzeitverlängerung der deutschen Atomkraftwerke um drei Monate angekündigt. Während dieser Auszeit sollen deren Sicherheitsstandards überprüft und dann eine Entscheidung getroffen werden.

Dies ist im Prinzip der kleinste erwartbare Schritt, den Schwarz-Gelb in der Hoffnung tun konnte, bei den kommenden Landtagswahlen nicht komplett abzusacken. Der Zeitraum von drei Monaten ist viel zu offensichtlich, um auch nur irgendjemandem andere Motive vorzutäuschen. Man erhofft sich, dass das Thema nach den Landtagswahlen aus der öffentlichen Aufmerksamkeit verschwunden ist. (more…)

Share

Fukushima-Ticker

  • 30.03.2011, 12:35 Uhr
    Wachsende Verseuchung des Meerwassers und Verschrottungspläne
    Die dritte Woche im Kampf gegen den drohenden Super-GAU in Fukushima scheint – neben manch kleinerer Hoffnung – auch neue Hiobsbotschaften bereitzuhalten: Nachdem gestern bereits bekannt wurde, dass inzwischen das Ultragift Plutonium in Bodenproben aus der Umgebung nachgewiesen werden kann (siehe unten), was deutlich für eine Beschädigung eines oder mehrerer Reaktordruckgefäße spricht, hat die Radioaktivität im Meer vor der Anlage nun erheblich zugenommen. Wurde von NHK World gegen 6:25 Uhr Ortszeit (Sommerzeit in Deutschland: minus 7 Stunden) noch ein Nachlassen der Strahlung im küstennahen Bereich gemeldet,  wurde dies nur Stunden später um 12:23 Uhr (Ortszeit) korrigiert. Ein neuer Rekordwert, der 3.355-fach über dem Normalwert liegt, wurde in der Nähe eines der Abflüsse gemessen. Aus der havarierten Anlage scheint also zunehmend radioaktives Material in die Umwelt freigesetzt zu werden.  Übersichtliche und zeitnahe Kurzberichte zum Zustand der Reaktoren in Fukushima finden sich beispielsweise bei der japanischen Agentur für Nuklear- und Industrieanlagensicherheit (NISA).
    Auch die teilweise Überschwemmung der Reaktorgebäude mit kontaminiertem Wasser scheint ein wachsendes Problem bei der Eindämmung der Katastrophe darzustellen, wie Asahi Shimbun berichtet. Die Arbeiter vor Ort haben damit (wie auch mit weiteren Problemen) zunehmend zu kämpfen und leisten etwas, das man von keinem Menschen verlangen dürfte, während es der Aufsichtsratsvorsitzende des Betreibers TEPCO bei einer Entschuldigung bewenden läßt.
    Eine wahre Absurdität zeigt sich auch bei den Absichtsbekundungen von Betreiber und Regierung: Während TEPCO verkündet, die ersten vier Reaktoren verschrotten zu wollen, fordert Regierungssprecher Edano die Stillegung aller sechs in der Anlage vorhandenen; dies im Angesicht einer immer noch nicht überstandenen Krise ohne historische Präzedenz.
    Lesenswerte Zusatzinformationen (zu Strahlung, ihren Auswirkungen auf Fauna und Flora, zu Schäden, Vorbeugungsmaßnahmen und zu Maßnahmen wie Statements der Verantwortlichen) finden sich u.a. übrigens beim japanischen Ministerium für Erziehung, Kultur, Sport, Wissenschaft und Technologie, kurz MEXT. [fb]
  • (more…)

Share

Abschalten!

Zunächst einmal: Don’t panic! Die Sicherheit bei Naturkatastrophen ist bei den deutschen Atomkraftwerken nicht das größte Problem. Und auch bei den schlimmsten denkbaren Katastrophen sollten bei weitreichenden politischen Entscheidungen Fakten die entscheidende Rolle spielen. Panikmache hilft niemandem. Dennoch ist es auch unter dieser Prämisse richtig, gerade jetzt entschieden den Ausstieg aus der Atomkraft auch für Deutschland zu fordern.

Fukushima zeigt, dass auch als äußerst unwahrscheinlich eingeschätzte Fälle eintreten können – und treten diese ein, sind die Folgen so hoch, dass auch das äußerst geringe Risiko diese nicht legitimieren kann. Und auch aus vielen anderen Gründen ist die Atomenergie abzulehnen – seien es das ungelöste Endlagerproblem, gehäuft auftretende Fälle von Krebserkrankungen in der Nähe von Atomkraftwerken bis hin zu ökonomischen Gründen.

Kommt von Seiten der Atomkraftbefürworter nun der Vorwurf, die Aktionen der Anti-AKW-Bewegung seien eine Instrumentalisierung der Opfer in Japan und unverantwortlich, so kann man nur entgegenhalten: unverantwortlich war es, auf eine so gefährliche Energie wie Atomkraft zu setzen. Es gilt, dafür zu sorgen, dass so etwas nie wieder vorkommen wird.

 

Share

“Größter anzunehmender Unfall”?

Von Frank Benedikt

Da momentan in Japan ein “Super-GAU” droht und auch wir in der einen oder anderen Art und Weise davon betroffen sein werden, bereiten wir für mehrere Blogs und “Social Networks” einen eigenen Ticker vor. Schon der Begriff des “GAU” findet in seiner Steigerung “Super-GAU” seine Widerlegung und die Sprache der “Mächtigen” ist wie stets sehr “schwurbelig”. Fakten zusammenzutragen, transparent und verständlich zu machen, ist dabei unser Ziel, denn derzeit ist die Berichterstattung zunehmend widersprüchlich. Sollten wir genug Freiwillige finden, die daran ernsthaft mitarbeiten wollen, werden wir versuchen, hier und anderswo einen kontinuierlichen, kritischen Überblick zu bieten.

Vorab schon die aktuellen Strahlenwerte in Bayern: http://inters.bayern.de/kfue/station2.htm. So schnell sind auch die Stratosphärenwinde nicht … Auch relevant ist die von “Ausgestrahlt” kurzfristig angesetzte Demo. Und wer jetzt gegen die Laufzeitverlängerung bei AKWs seine/ihre Stimme erheben mag: Nicolas Semak bietet eine bequeme Möglichkeit an, die zwar an den Regierungssprecher Seibert adressiert ist, aber natürlich die Regierung selbst meint.

Spätestens jetzt sollte “alles anders” werden …

Share

“Keine Lose für die Nieten!”

Das Kölner Landgericht hat mit einer einstweiligen Verfügung der Westlotto GmbH verboten, Personen, die “Spieleinsätze riskieren, die in keinem Verhältnis zu ihrem Einkommen stehen”, insbesondere Hartz-IV-Empfängern, Lotto- oder Wettspielscheine zu verkaufen. Bereits im Januar hatte ein anderes Gericht entschieden, dass, obwohl Lotto-Gewinne ja ansonsten steuerfrei sind, bei Hartz-IV-Bezieher ein Lottogewinn auf vom Regelsatz abgezogen werden muss. (Wo kämen wir auch hin, wenn in Zeiten des Finanzmarktkapitalismus Einkünfte erzielt würden, für die man nicht gearbeitet hat?)

Die Begründung des Lotto-Verbots für Hartz-IV-Empfänger mit dem Glücksspielstaatsvertrag und dessem vorgeblichen Ziel der Bekämpfung von Spielsucht erscheint wenig überzeugend. Dies ist sowieso eher eine  bloße Fassade, um das staatliche Glücksspielmonopol aufrechtzuerhalten und dem Staat nicht unbeträchtliche Einnahmen zu sichern. Und es ist äußerst fragil. Im Dezember hatte sogar das Bundesverwaltungsgericht entschieden, dass das bestehende staatliche Sportwettenmonopol in Deutschland nur dann aufrechterhalten werden kann, wenn es zur Bekämpfung von Glücksspielsucht dient.  Dem Urteil ging eine Vorabentscheidung des Europäischen Gerichtshofs voraus, der geurteilt hatte, dass das deutsche Sportwetten- und Glücksspielmonopol dem europäischen Recht widersprechen und einen Verstoß gegen die Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit in der EU darstellen würde. Zur Bekämpfung der Spielsucht könne ein solches Monopol zwar gerechtfertigt werden, Deutschland verfolge mit der derzeitigen Regelung dieses Ziel aber nicht wirksam. Das Gericht nennt hier etwa die Werbekampagnen für Lotto oder die Existenz privat betriebener Spielautomaten. Gerade dies zeigt am besten, wie bigott die deutsche Gesetzgebung ist. Der Suchtfaktor von Automaten-Daddelspielen ist der höchste aller Glücksspielarten – trotzdem dürfen ausgerechnet diese privat betrieben werden. Würde man das Thema wirklich ernst nehmen und nicht nur als Alibi benutzen, würde man hier ganz anders handeln müssen – aber bestimmt nicht mit einem pauschalen Verbot für bestimmte gesellschaftliche Schichten. (more…)

Share

Polizeieinsatz gegen Dresden-Nazifrei [UPDATE 3]

Bezüglich der erfolgreich verhinderten Nazi-Aufmärsche in Dresden ist in den Mainstream-Medien vor allem von Krawallen und Gewalt Linksautonomer die Rede. Diese sind auf jeden Fall vollkommen abzulehnen. Diese Gewalttaten, vor allem gegen Polizisten, sind in keiner Weise zu rechtfertigen, und sie schaden dem kompletten Kampf gegen den Rechtsextremismus. (Jedoch stehen sie auch keinesfalls für die ganz überwiegend friedlichen Aktionen der Mehrheit der Demonstranten, die in einem breiten Bündnis über die verschiedensten Lager friedlich demonstrierten und die Nazis zu blockieren versuchten.)

Fast vollständig verschwiegen werden hingegen gewaltsame Aktionen der Neonazis, wie Angriffe auf ein alternatives Kulturzentrum unter den Augen der Polizei sowie Übergriffe der Polizei gegen friedliche Demonstranten. Doch folgenreicher aber ist wohl Folgendes:

Im Anschluss an die Demos stürmte ein Einsatzkommando des LKA Dresden das “Haus der Begegnung”, in der sich unter anderem das Pressezentum des Bündnisses Dresden-Nazifrei (inzwischen ist auch ihre Website nicht zu erreichen) und eine Geschäftsstelle der Partei Die Linke befinden. Die Polizisten haben dabei  ohne Durchsuchunsbefehl in voller Kampfmontur gewaltsam die Räume gestürmt, durchsucht, die Computer des Presseteams beschlagnahmt und 14 Personen verhaftet. Die Bundestagsabgeordnete Katja Kipping berichtet, dass alle im Gebäude anwesenden Personen festgehalten wurden und fast eine Stunde keinen Kontakt zu Außenstehenden, zum Beispiel zu Anwälten, aufnehmen durften. Die Vorwürfe der Polizei lauten auf Vorbereitung von schwerem Landfriedensbruch und Bildung einer kriminellen Vereinigung.

Doch dies erscheint absurd: Das Bündnis hat sich immer ganz ausdrücklich gegen Gewalt und für einen friedlichen Protest gegen Nazis eingesetzt. Äußerst nahe liegt hier der Verdacht, dass wie schon im letzten Jahr im Umfeld der Dresdner Anti-Nazi-Aktionen der zivilgesellschaftliche Kampf gegen den Rechtsextremismus kriminalisiert werden soll. Die Entscheidungen der Gerichte im Vorfeld der Demo  kommen da noch hinzu. Näheres zum Thema wird erst nach dem Wochenende in Erfahrung zu bringen sein. [20.2.2011, 20:56] (more…)

Share