Bill Clinton hat also mit seinem Nordkorea-Besuch die Freilassung der beiden inhaftierten US-Journalistinnen erreicht. Nordkoreas Diktator Kim Jong Il sprach eine “Sonderbegnadigung” aus.
Ob nun Nordkorea durch deren Inhaftierung von den USA Zugeständnisse im Streit über sein Atomprogramm erpressen wollte, oder ob nun vielmehr die Möglichkeit einer drastischen Wende und eine Rückkehr zu Verhandlungen erreicht wurde, wird sich noch zeigen. Es lohnt sich aber, einen Blick auf die Hintergründe des Besuchs Clintons zu werfen.
Der Zombie-Staat – Unterdrückung und der liebe Führer
Sicher ist der Besuch des ehemaligen US-Präsidenten und Ehemanns der Außenministerin ein Propagandaerfolg für das totalitäre nordkoreanische Regime, den die Staatsmedien ausnutzen werden, um dem Volk eine vermeintliche Macht und internationale Anerkennung des Regimes vorzugaukeln. Denn so skurril es scheint, Nordkorea wünscht sich kaum etwas so sehr wie die Anerkennung (als Atommacht) durch den Erzfeind USA. Schon den Besuchen des früheren Präsidenten Carter 1994 und der damaligen Außenministerin Albright 2000, bei dem Kim Jong-Il, falls er bereit zur Aufgabe seines Atomwaffenprogramms sei, ein Besuch des US-Präsidenten Clinton in Aussicht gestellt wurde, war eine große Bedeutung zugemessen worden.
Ich würde den Besuch Clintons nun nicht als sehr großen Preis bezeichnen, den die USA „zu zahlen haben“. Die Staatsideologie scheint derart in den Köpfen der meisten Nordkoreaner zementiert, dass jeglicher Aufstand gegen das Regime o. ä. sowieso als mehr als unwahrscheinlich einzuschätzen ist. Selbst in Zeiten größter Hungersnöte in den 90ern konnte keinerlei Rebellion oder auch nur Missmut gegen den „lieben Führer“ beobachtet werden. Und falls doch mal jemand auch nur aus Versehen auf eine Zeitung mit einem Bild von Kim Il-Sung oder Kim Jong-Il tritt, hat Nordkorea Arbeitslager zu bieten, im Vergleich zu denen ein Aufenthalt in Guantanamo wie ein Urlaub im Emirates Palace Hotel erscheint.
In letzter Zeit andererseits scheint mehreren Berichten zufolge immer mehr Korruption das Land, stärker als bisher schon, zu prägen und die Herrschaft zu destabilisieren. V.a. wirtschaftlich aber pfeift der „Zombiestaat“ Nordkorea (Hanns W. Maull) schon seit langem auf dem letzten Loch. Was nicht zuletzt daran liegt, dass ein so großer Teil des Bruttoinlandsprodukts wie in keinem anderen Land der Welt in das Militär investiert wird.
Mit zwei Nukleartests und ungezählten Raketenstarts hat das Regime gezeigt, dass es seinen letzten Kampf um Aufmerksamkeit und Selbstbehauptung führt. Umgeben von prosperierenden Staaten, verharrt der archaische Herrscher in seiner Angststarre, und mit jedem Tag wächst die Gefahr des Kollapses von innen, gefolgt von einem Behauptungskampf rivalisierender Fraktionen. (Süddeutsche)
Auch die Stellung Kim Jong-Ils in der Frage um seine Nachfolge gegenüber dem Militär könnte durch den Besuch gestärkt werden. Hier (wie bei allem, was Angelegenheiten innerhalb Nordkoreas angeht) kann man jedoch nur spekulieren. Nordkorea ist das am meisten von allem Äußeren abgeschottete Land der Welt, Einsichten in das Innere des Regimes sind rar wie nirgendwo anders.
Der Soprano-Staat – Geschäfte mit allem, was Geld bringt
Irgendwie muss dich die nordkoreanische Führungsschicht ihren Lebensstandard sichern. Kim Jong-Il etwa gilt als Liebhaber teuerster französischer Bordeaux-Weine und Cognacs. Zudem soll er der größte Privatkunde eines amerikanischen Videoverleihs sein.
Das Maß, in dem das totalitäre Regime Kim Jong-Ils auf Einnahmen aus illegalen Aktivitäten angewiesen ist – man spricht teilweise von bis zu 40 % der Exporteinnahmen – hat ihm schon den Namen „Soprano State“, nach der amerikanischen TV-Serie „The Sopranos“, eingetragen – in der es um eine Mafiafamilie geht. Zu den Geschäftsfeldern gehören Falschgeld, Drogen und Schmuggelware. Zudem wurden in den 70er und 80er Jahre japanische Bürger entführt. Und Nordkorea ist der weltweit größte Exporteur von Raketensystemen. Die Entstehung der Raketenprogramme Pakistans und Irans etwa war in hohem Maße von Nordkoreas Technologie und Expertise abhängig, auch bei Syrien, Libyen, Ägypten und vielleicht anderen Staaten hat Nordkorea diese zweifelhafte Art von Entwicklungshilfe geleistet. In den letzten Jahren kam die Atomtechnologie dazu. Zusammenarbeit mit Pakistan und Syrien gelten als sehr wahrscheinlich, v.a. auf dem Gebiet von Wissen, Erfahrungen und Technologien. Die mögliche Hilfe beim Aufbau eines Atomprogramms Burmas mag da nicht weiter verwundern. Und auch die Inhaftierungen der Journalistinnen wegen nicht näher ausgeführter „illegaler Aktivitäten“ passen hinein.
Für Nordkoreas Regime bedeuten die extrem hohen Deviseneinnahmequellen durch diese Aktivitäten die vielleicht einzige ultimative Überlebensgarantie. Nordkorea verbleibt damit wohl einmalig in Geschichte und Gegenwart der Staatenwelt. Ein Staat, der sich gerade so am Leben hält, und dies mit Mitteln, die fast überall anders geächtet sind.