Wo ist die Opposition?

Angesichts des massiven Fehlstarts der schwarz-gelben Bundesregierung erscheint es erstaunlich, wie wenig bisher aus den Oppositionsparteien im Bundestag zu hören ist. Die Zerstrittenheit der Koalition, die Kundus-Affäre, der Bundesverband der Vertriebenen, aber v. a. solche Themen wie die Kopfpauschale, die Steuersenkungen und die Bürgerrechte würden eine Chance bieten, sich als klare Alternative zur derzeitigen Politiklinie zu profilieren. Doch bleibt diese weitgehend ungenutzt.

Die schwarz-gelbe Koalition wirkt zur Zeit in vielem wie ein unbeausichtigter Kindergarten: CSU und NRW-CDU wollen den Sozialstaat wenigstens noch etwas am Leben halten, die FDP will auf großen Raubzug gehen. Die Kopfpauschale bedeutet das Ende der solidarischen Krankenversicherung. Die Pläne der Koalition für Steuersenkungen und einen Stufentarif sind wirtschaftlich völlig kontraproduktiv. Die Verfolgung von Steuerhinterziehern wird ganz nebenbei einmal faktisch außer Kraft gesetzt.

Die FDP ist ihrem Umfaller-Prinzip treu geblieben. Ob Überwachungsstaat, Bürgerrechte oder Netzpolitik: von ursprünglichen liberalen Forderungen ist inzwischen nicht mehr viel übriggeblieben. Beim Streit um den Vertriebenenbund könnte sich leider ebenfalls ein Umfallen ankündigen, falls man auf dessen maßlos anmaßende Forderungen eingeht. Nur beim Thema Steuern bleibt sie hart – doch die Einsicht der Union, derlei abenteuerliche Vorstellungen nicht auf Deutschland loslassen zu können, hat zu weiteren Verstimmungen innerhalb der Koalition geführt.

Die Enthüllungen über Kundus werden von mal zu mal schlimmer, für Afghanistan liegt weiterhin kein Konzept vor, und Dirk Niebel hat einen Fehlstart sondergleichen hingelegt. Aber auch die anderen Minister sind mit ihrem Ämtern oft völlig überfordert. Langsam scheint sich im Kabinett zudem ein Rotationsprinzip anzubahnen. Und die Kanzlerin betreibt weiterhin die Politik des “wenn ich mich rechtzeitig verdrücke, kann mir auch niemand was”. Wohin man auch schaut: es ist wohl nicht übertrieben, diesen Auftakt als rundum misslungen zu bezeichnen.

Doch die Opposition? In der SPD erweist sich, wie zu erwarten war, Frank-Walter Steinmeier als schwere Hypothek. Ob Kundus-Affäre, Hartz IV und die Agenda 2010 oder die Innenpolitik und die Bürgerrechte – überall scheint auf der SPD die Last der Agenda-Zeiten und der Großen Koalition zu liegen. Könnte sie sich von diesen Lasten befreien, wäre schon viel getan. Das Scheitern des Klimagipfels von Kopenhagen – warum haben die Grünen dies nicht genutzt, nicht explizit die Demonstrationen unterstützt, die fatalen “Ergebnisse” nicht als das dargestellt, was sie sind? Im wirtschafts- und sozialpolitischen Bereich machen sie sich gegenwärtig sehr rar. Die Linke ist zur Zeit leider v. a. dabei, sich gegenseitig zu zerfleischen. Dies kann ihr jedoch nur schaden, v. a., wenn es nicht um inhaltliche Fragen geht. Nicht Personalien, ihre Ideen und Konzepte sollten in den Vordergrund rücken.

Eine stärkere  Zusammenarbeit der Oppositionsparteien ist indes bisher leider größtenteils ausgeblieben. Warum? Gerade jetzt besteht die Chance, klarzumachen und dafür zu sorgen, dass diese Hornissenkoalition – von Anfang an – auf wackligen Beinen steht, und ihr die Konzepte der Oppositionsparteien entgegenzuhalten. Diese Konzepte sollten eine klare und gemeinsame Alternative zur Politik des Sozialabbaus, der Klientelpolitik zugunsten von Besserverdienenden und diversen Lobbys, der verantwortungslosen Finanzpolitik und des Abbaus der Bürgerrechte darstellen. Sie sollten es – und ich denke, dass sie es auch können.

Gerade im sozialpolitischen Bereich besteht die Chance, die Bürger und die Öffentlichkeit zu überzeugen. Die vollkommen unsoziale, unsolidarische und sinnlose Kopfpauschale wäre ein wichtiger Punkt, an dem die Opposition der Regierung das Konzept der Bürgerversicherung entgegenhalten könnte. Das Wachstumsbeschleunigungsgesetz von Schwarz-Gelb stellt v. a. eine Klientelpolitik dar und wird kaum Erfolge vorweisen können (mit Entlastungen für Hoteliers, die schon zugesichert haben, diese nicht an die Kunden weiterzugeben, eine Volkswirtschaft zu beleben, könnte vielleicht in Mallorca klappen. Hier aber sollte man, v. a. in der Wirtschaftspolitik, doch etwas mehr Nüchternheit bewahren). Die SPD hatte vor der Wahl mit dem Deutschlandplan ein durchaus sinnvolles Programm zur Bekämpfung von Arbeitslosigkeit und zur Belebung der Wirtschaft geliefert. Staatliche Beschäftigungsprogramme, hohe Lohnabschlüsse, Erhöhung der Sozialleistungen, das sind die Mittel, um die Nachfrage anzukurbeln und Beschäftigung zu schaffen. Der Finanzmarkt bräuchte entgegen der leeren Versprechungen auch eine tatsächliche Regulierung, und die Kreditvergabe an die Unternehmen muss erleichtert werden.

Die Opposition sollte außerdem das Bündnis suchen mit den Gewerkschaften, mit sozialen und mit Umweltgruppen, mit Bürgerrechtlern und Datenschützern. Wenn es einer vereinigten linken Kraft gelingt, der Regierungspolitik gemeinsame und konsistente Alternativen klar und konsequent entgegenzusetzen – und ich denke nicht, dass dem inhaltlich viele Punkte entgegenstehen würden – so könnte der schwarz-gelbe Spuk vielleicht spätestens im Jahr 2013 beendet sein.

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Wahlbetrug in grün, die Zweite

Die saarländischen Grünen haben sich für Koalitionsgespräche mit CDU und FDP und gegen ebenso mögliche mit SPD und der Linken entschlossen.  Mit 117 zu 32 Stimmen haben die Parteitagsdelegierten die Entscheidung des Vorstandes abgenickt („sind den Empfehlungen des Vorstandes gefolgt”).

Dass man politisch etwa mehr von grünen Zielen mit schwarz-gelb als mit rot-rot durchsetzen könne, erscheint geradezu grotesk. Und es spricht auch für sich, dass eine ähnliche Begründung gar nicht erst zu liefern versucht wird. In Wahrheit verspricht man sich wohl eher, dass machtpolitisch mehr dabei herauskommt. Wie wenig die Entscheidung mit Inhalten zu tun hat, zeigt auch, dass sich der örtliche Parteichef Ulrich nicht mit Linken-Parteichef Lafontaine an der Saar klarkommt. Und wie er versucht, die „Schuld“ jetzt tatsächlich auf die Linken zu schieben, ist erbärmlich. Er habe zu „diesem Mann [Lafontaine] und dieser Partei kein Vertrauen, lautete nämlich Ulrichs Begründung auf dem Parteitag, keine rot-rot-grüne Koalition bilden zu wollen, und er machte Lafontaine als den „Hauptschuldigen“ aus. Ein Projekt der politischen Reinwaschung mit der Begründung einer „Unzuverlässigkeit der Linken“, dass ähnlich verlogen ist wie bei Matschie in Thüringen (vgl dazu: Thüringen: Linke vs. SPD – Ramelow: “SPD-Chef Matschie lügt”).

Es geht also wie derzeit in Thüringen im Saaraland primär um Machtkämpfe und Postengeschacher, um persönliche Fehden und Animositäten, und um die Eitelkeit von „Führungspolitikern“, diese nicht für die Sache beizulegen und über den Wählerwillen zu stellen. Selbst Parteichef und Realo Özdemir gibt zu: „Offenbar waren neben den programmatischen auch persönliche Gründe wichtig.”

Und noch etwas kommt hinzu: viele der grünen Parteifunktionäre bis hin zu Renate Künast, sehen sich nicht als Teil der politischen Linken und vertreten wirtschafts- und sozialpolitisch Positionen, die auch nahe an denen von CDU und FDP sind. So jubelt auch der saarländische Grünen-Vorsitzende Ulrich, dass die neue Koalition den Grünen die Möglichkeit biete, sich nicht automatisch in ein linkes Lager einordnen zu lassen.  Diese Positionierung aber erfolgt in einem Gegensatz zu dem größten Teil ihrer Anhänger, ihrer Wähler und ihrer Mitglieder an der Basis. Für die begehrten Posten und Pfründe sind die Funktionäre dann sowohl bereit, den Wählerwillen zu übergehen als auch mit grünen Werten zu brechen. Selbst in der noch am meisten basisdemokratisch und am wenigsten autoritär organisierten Partei in Deutschland geschieht so etwas.

Wie schon in Hamburg folgt auf die Ankündigung eines Politikwechsels eine Anbiederung an die regierende CDU. Als „politisch unflexibel“ bekannt waren die Grünen ja noch nie. Geht es um das Mittragen und später massive Unterstützen der Agenda-Politik oder um Militäreinsätze im Ausland – grüne Positionen sind dort kaum mehr zu erkennen. Und erinnern wir uns: in Hamburg haben sie ja nicht mal ein grünes Minimalziel, dass keine neuen Kohlekraftwerke gebaut werden sollen, durchsetzen können. Und auch im Saarland werden die Grünen sich auf lange Sicht nicht gegen eine neoliberale Einheitsfront aus schwarz und gelb als sozialer oder ökologischer Korrekturfaktor oder ähnliches durchsetzen können, machen wir uns keine Illusionen. Die Zugeständnisse bei der Bildungspolitik sind doch eher als Feigenblatt zu sehen.

Die Grünen werden immer mehr zu der Partei, die die FDP mal war: das Fähnchen im Wind, dass sich opportunistisch an die jeweils Machthabenden annähert. Und die Parteispitze wird sich immer mehr von ihren Mitgliedern entfernen. Wie in anderen Parteien vorher.

Lesenswerte Kommentare zum Thema bisher:

F!XMBR: Die Wahlbetrüger von der Saar

Kommentar vom Deutschlandfunk (MP3)

Erklärung des SPD-Landesvoritzenden Maas

UPDATE:

Feynsinn: Jamaica say “I will”

Der Freitag: Hellsichtiger Buhmann

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Erste Ergebnisse der Bundestagswahl – eine kurze Analyse

18.28 Die ersten Prognosen für die Bundestagswahl sind raus. Die SPD hat das schlechteste Ergebnis aller Zeiten eingefahren. Schwarz-Gelb hat nach den bisherigen Ergebnissen auch ohne Überhangmandate eine Mehrheit

Was zeigt dieses Ergebnis? Deutschland zeigt sich gespalten. Als wichtigste Konfliktlinien dieser Lager würde ich v.a. wirtschafts- und sozialpolitische Ansichten ansehen, dazu kommen auch starke Unterschiede etwa im Bereich der Umweltpolitik. Der große Zuwachs der FDP ist sicherlich mit unzufriedenen, sehr stark marktorientierten Unionswählern, denen soziale Zugeständnisse, die die Union in der großen Koalition gemacht hat, zu weit gingen, sowie ihren (unrealistischen) Steuersenkungsversprechen zu deuten. Das Anwachsen der Linken und der Grünen kann klar mit einer Unzufriedenheit über die Politik der SPD der letzten Jahre erklärt werden.

Die Politik der Agenda 2010, des Sozialabbau, der heimlichen Beteiligung am Irak-Krieg und des Mitmachens bei den Überwachungsstaats-Phantasien der Union hat abgewirtschaftet. Nur eine SPD, die sich auf ihre sozialen Werte besinnt, die eine nachfrageorientierte Wirtschaftspolitik verfolgt, die die Finanzmärkte nicht unreguliert lässt, die eine Friedens- und Umweltpolitik betreibt, hat die Aussicht, der drohenden Politik des ungezügelten Sozialabbaus eine wirkungsvolle Alternative entgegenzusetzen.

Denn was CDU und FDP vorhaben, haben sie klargemacht. Ein Fortsetzung der Vorherrschaft der Finanzmärkte, eine angebotsorientierte Wirtschaftspolitik, starke Einschnitte in soziale Errungenschaften und Arbeitnehmerschutz, den Ausstieg aus dem Atomausstieg, den Abbau der Förderung von Kimaschutz und der Förderung alternativer Energien. Und die FDP hat sich auch schon bereitwillig gezeigt, die Politik von Überwachung und Einschränkung der Bürgerrechte fortzusetzen. Die wenigen verbliebenen Vertreter eines sozialeren Arbeitnehmerflügels der Union werden weiter geschwächt werden, ebenso die Bürgerrechtsliberalen in der FDP.

Für eine starke linke Alternative in der Opposition ist ein klares Bündnis der SPD mit den Grünen notwendig, aber auch mit der Linken. In Brandenburg hat man die Möglichkeit, eine rot-rote Koalition zu bilden. Diese Chance zur Einleitung eine Neuanfangs muss wahrgenommen werden.

18:50 Ein Neuanfang ohne einen personellen Neubeginn ist schwer vorstellbar.

1924: Ach ja, und verfolgt auch mal den Wahlsonntag-Thread beim Spiegelfechter.

19:31: Gysi zeigt sich bereit für Linksbündnis… jetzt kommt es auf die SPD an.

19:43: Auch wenn Steinmeier, Müntefering und Struck sich dagegen wehren: Die SPD braucht jetzt einen strukturellen Erneuerungsprozess.

20:41: Berliner Runde: Es wird klar, dass eine starke gemeinsame linke Opposition nötig und auch möglich ist, wenn man dazu bereit ist. Merkel schweigt sich zu Inhalten und Programmen der kommenden Regierung aus.

20:47: Bei Netzpolitik gibt es einen Kommentar dazu, was man in den Bereichen Netzpolitik und Überwachungsgesetze von einer schwarz-gelben Regierung erwarten kann.

22:33: Anne Will hatte auch schon mal Gäste, deren politische Aktivitäten aktueller waren. Nach der Jubelberichterstattung im zdf allerdings mal relativ ausgewogen.

22:40: Volker Pispers: Die Wahllogik der Deutschen

http://www.youtube.com/watch?v=5C3xkezHEd8

22:53: Spreeblick zur Bundestagswahl

23:06: Der Kommentar des Oeffinger Freidenkers

00:38: So, zum Abschluss des Wahlabends noch das ZDF-Nachtstudio. Dann reicht’s aber.

01:06: ZDF-Nachtstudio übt sich in billig-oberflächlicher Linken-Dämonisierung, pro-FDP-Wahlkampf und “sozialdemokratische CDU”-Märchen (Wenn der Welt-Typ meint, dass die CDU eine sozialdemokratische Partei wär, warum gründet die Spinger-Presse dann nicht ne eigene rechtskonservativ-neoliberale Partei?). Außer Florian Schröder (“Der BWL-Bachelor ist definitiv nicht die Lösung”) sehr enttäuschend. Jetzt meint der Welt-Typ, die Linke wäre totalitär (sic!). Das würde wohl so wohl nicht mal jemand aus der CDU oder FDP sagen. Was soll man vom ZDF auch erwarten…?

1:35: Wenn man ne Sendung zur Wahl macht –  wieso lädt man dann nur Leute ein, denen die CDU komplett und die FDP  teilweise zu links sind (und einen Kaberettisten)?! Beende mit einem größeren Unbehagen gegen unsere Journaille als gegen die Wahlsieger diesen Wahlabend …

2:04: Ok, zum Abschluss verweise ich noch auf zwei Beiträge zur Zukunft der SPD: Völliger Realitätsverlust bei Frank-Walter Steinmeier und Franz Müntefering (FIXMBR) und Rücktritt! (WEISSGARNIX). Jetzt reicht’s aber für heute …

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Die TV-Spots zur Bundestagswahl – welche Partei blamiert sich am meisten?

Wenn man ohne Fernseher ist, verpasst man ja ganz die besten Seiten des Wahlkampfes: die TV-Spots. Naja, mittels dieses „Internets“ werde ich mir die dann doch mal ankucken. Also, dann mal los!

CDU: Der erste Spot… Boah, ist das ekelhaft pathetisch! Und die Inhalte??? Fällt schwer, das schon beim ersten Spot zu sagen, aber so etwas hat nicht mal die CDU verdient! Der zweiten Spot der CDU dreht sich auch nicht um Inhalte, sondern ausschließlich um die Bundes-Angie. Man wirbt mit der Einheit. Auch schon etwas her. „Bildung und Forschung voranbringen“? Bitte, liebe CDU, ihr könnt ja gerne mit aus eurer Sicht Erfolgen werben. Aber damit? Ist das Zynismus? Wenigstens wissen wir etwas, was Merkel gerlernt hat, nämlich: „wie wichtig eine Frisur sein kann“. Und jetzt Merkels Jubelbilder von der WM 2006? Das muss doch Satire sein! Spot lässt einen ratlos. Echt? Oder doch ne Verarschung der Titanic?

SPD: Zum Deutschlandplan. Recht professionell gemacht. Gut, blaue Schrift auf blauem Hintergrund muss nicht sein. Neben der Süddeutschen werden Zitate von Spon, Handelsblatt, Financial Times Deutschland und Focus Online gebracht. Kann mir ein Schmunzeln nicht vergreifen, wenn ich mir vorstelle, wie die sich ärgern werden, dass die SPD mit ihnen Werbung macht.

FDP: Inhaltsleer wie der erste CDU-Spot. Nur alles in gelb. „Deutschland kann anpacken“: Yuppie kann Blätterstapel kleiner machen, indem er auf ihn zeigt. Magie im Spiel? „Manager-Typen“ spielen offensichtlich während der Arbeitszeit im Büro Basketball. So wird es mit Deutschland nicht vorangehen! „Deutschland kann stolz sein“. Oh Mann. Dann sagt es doch, wie ihr es sagen wollt. wenn ihr auf Stimmenfang gehen wollt! Naja, wenigstens wird während des Spots nicht gesprochen. Oh, ne, jetzt doch! Und wer wohl? Na?

Bündnis 90/ Die Grünen: Gehe aufgrund der letzten Grünen-Wahlspots mit hohen Erwartungen in diesen Clip… Hm… Zusammengeschnittene Statements. Sieht aus wie ein Zurschaulaufen der Özdemirs und Co.s, die bei Jamaika an was anderes als die klassischen Grünen denken. Spot in der Form nicht mehr von anderen Parteien unterscheidbar. Das konntet ihr mal besser!

Die LINKE.: Stimmen aus dem Hintergrund zu Aufnahmen von Hochhäusern und Die Linke-Fahnen… Wer spricht da? Jetzt sieht man ein paar… Wer ist das? Und bei der Musik geht aber auch noch ein bisschen was…

CSU: (Vermutlich echter) Biergarten mit gestellten Gesprächen zwischen Seehofer und n paar Leuten. Jetzt ist man in Berlin. Und wieder in Bayern. Was ist denn überhaupt „unser Land“ ständig? Verwirrung vorherrschend. Wenn das Deutschland ist, warum kann man Euch dann nur in Bayern wählen? Achso, „was unser Land jetzt braucht, ist ein starkes Bayern in Berlin“. Jetzt auch noch Expansionsgelüste?

Piratenpartei: Der erste Spot ist zu gestellt. Der hier und der hier (eine Variante von “Du bist Terrorist”) sind die besten Spots bisher. Wirklich gut gemacht!

Freie Wähler Deutschland: Wütende Hausfrau aus der Laien-Theater-Truppe. Vorsicht mit dem Bügeleisen! Huch! Was ist denn das jetzt? Naja, schon vorbei.

ödp: Erstaunlich professionell im Vergleich zu den anderen Kleinparteien. Dass diese sich v. a. über die Abgrenzung zu den „etablierten Parteien“ definieren, ist ja bekannt. Naja, aber orange sind doch heute einige Parteien, wenn ich das richtig sehe.

Tierschutzpartei: Die da oben! Die versprechen alles und halten sich nie daran! „Die noch keine Stimme haben“? So wird es wohl bei dieser Partei auch nach der Wahl sein. „Bitte wach werden“. Ok, der Spot ist ja gleich rum.

NPD: Fremdenhass und schlechter Populismus. Solche Menschen wie Voigt können offensichtlich sich nicht mal für so einen Spot auf freundlich verstellen. Nur das hassverzerrtes Gesicht des Rechtsextremismus. „Heimreise statt Einreise“ wird sich auch der normale NPD-Pöbel noch merken können. Aber die Rechtsextremen treten ja zur Bundestagswahl wieder getrennt an…

DVU: „Vor 60 Jahren haben unsere Großmütter dieses Land aus den Trümmern wieder aufgebaut“? Wer hat denn die Trümmer verursacht? „Unser Großväter waren keine Verbrecher!“ Und dann zeigt man ein total übertriebenes Idealbild der Nachkriegszeit? Wenn ihr jetzt einen auf bürgerlich macht, nimmt euch das eh keiner ab. Ah, jetzt kommt der Ausländer- und Islamhass. Anti-Gloablisierung, „Abtreibung ist Mord“, „Rückkehrpremie“. „All dies sind ganz normale Forderungen“. Zum Glück seit nun 64 Jahren nicht mehr.

MLPD: Professionelle, nicht-lispelnde Sprecher sind doch gar nicht soo teuer! Jetzt kommen sie mit merkwürdigen Wirtschaftsdaten. „Die MLPD steht für die revolutionäre Alternative. Das ist der echte Sozialismus.“ Muhaha!

Partei für Soziale Gleichheit: Sektion der Vierten Internationale. Größter Feind ist für sie die Linkspartei? Und man will eine „unabhängige Mobilisierung der Arbeiter“ unter der Abhängigkeit von der PSG? Ein bisschen widersprüchlich alles. Aber merkt ihr selber, ne?

Rentnerinnen- und Rentner-Partei: Uh, die hat so ein lustiges Fahrgerät wie Kevin James in diesem Film da. Der Kaufhaus-Cop oder so. Will ich auch! Wie heißt das? Wo gibt’s das? … Hm, war sonst noch was außer Phrasen und Sprichwörtern?

Rentner-Partei-Deutschland: Baha! Die haben echt wieder den Europawahl-Spot ausgepackt mit der 90er-Elektro-Trash-Konserve (was die alten Leute sich heute unter „kuhler Techno-Musik“ oder so vorstellen) und der Rentner-Partei-Deutschland-Baseballkappe! Aufhören! Ich kann nicht mehr!

Allianz der Mitte: Nie gehört bisher. Wird man wohl auch nie wieder von hören. Kind fragt am Ende des Spots genervt „können wir jetzt endlich weiterfahren?!“ Ich glaube ja, das war echt und nicht so geplant.

Volksabstimmung: Mein Gott! Hat sich der alte Mann vor die Kamera verirrt? Kann ihm nicht jemand helfen? Und er beginnt ein Dutzend Sachen, die er machen will, mit „wir werden…“ Wahrscheinlich glaubt er echt dran.

Familienpartei: Ist das nicht wieder mal der selbe wie zur Europawahl? Was soll das sein? Debilität als Wahlprogramm? Zwitscher zwitscher.

Bayernpartei: Einer der besseren Kleinparteien-Spots. Was das aber alles mit Bayern zu tun haben soll, wird nicht klar.

Zentrum: „In diesem Land werden bald die Lichter ausgehen!“ Die älteste Partei Deutschland muss es wissen. War die nicht am Untergang der letzten deutschen Demokratie zumindest teilweise beteiligt?

Partei Bibeltreuer Christen: Kinder. Aha. Und sonst? Klimper klimper.

Christliche Mitte: Wieder ein recycleter Europawahl-Spot. Spießertum, „nein zur Abreibung“, Homosexuellen- und Islamhass, EU-Feindschaft und Nationalismus. Die christliche Rechte.

Bürgerrechtsbewegung Solidarität: Mein Gott! Das ist doch jetzt nicht wahr, oder? Was für ein Scheiß! Wir werden alle sterben! Jetzt zeigt sie Proteste gegen Obamas Gesundheitsreform und redet von ganz was anderem. “Die Unregierbarkeit droht!” Oh ne, jetzt nicht echt! „Das ist mein Patentrezept!“ Ist das nicht so ein Wort, das man sonst nur mit einem „kein“ davor benutzt?

Die Violetten: Für spirituelle Politik… So so. Was wollen die denn so? Bedingungsloses Grundeinkommen? Ich will Homöopathie und Wünschelruten, Geister und Außerirdische! So reißt ihr niemanden vom Hocker. Zweite Frau kuckt unsicher hilfesuchend, kriegt aber den auswendig gerlenten Text mit etwas Stocken dann doch noch hin. Oh, jetzt. Freie Wahl geben, zu “entscheiden zwischen Schulmedizin, alternativer Medizin, Naturmedizin und sogar Energiemedizin“? Warum nicht „entscheiden zwischen Medizin, Paramedizin, Scharlatanerie und sogar Quacksalverei“?

… Und schließlich? Was bleibt festzhalten? Gerade die Spots der kleinen Parteien wirken mit wenigen Ausnahmen oft so, als ob sie mit zwei Leuten an einem Nachmittag abgedreht wurden. Schlechte Texte, schlechte Sprecher, schlechte Musik, schlechte Bilder. Bei den großen Parteien fehlen oft inhaltliche Aussagen zu Gunsten des Aufbaus von bestimmten Gefühlen und Stimmungen. Die kleinen Parteien ziehen diese oft aus einer Ablehung von “denen da oben”, die ja eh nur machen, was sie wollen etc.

Die besten Spots sind für mich die der Piratenpartei, der SPD und der ödp. Die schlechtesten? Schwer… So viele so unfassbar schlechte… Inhaltlich am schlechtesten sind sicher die von NPD und DVU. Von der Machart her würde ich sagen die der Christlichen Mitte und der Rentner-Partei-Deutschland (und vielleicht noch der PBC).

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Illners TV- Dreikampf – Fairness sieht anders aus

Mit TV-Duellen von Politikern vor Wahlen ist es ja immer so eine Sache. Themen werden vereinfacht, wichtige Aspekte weggelassen, was von den Aussagen hinterher übrig bleibt, ist gelinde gesagt zweifelhaft usw. Alles berechtigt. Trotzdem habe ich mir mal den “TVdreikampf” zwischen Westerwelle (FDP), Künast (Grüne) und Gysi (Linke) am Donnerstag mal angeschaut, die Sendung, mit der die in den Bundestag gewählten Oppositionsparteien (oder “die Kleinen”) quasi für das Duell der zwei “Großen” entschädigt werden sollen (worüber es auch während der Sendung bei den dreien merkbaren Unmut gab – Westerwelle hat schon Recht: “Zur Demokratie gehört auch die Opposition”). Themen waren Afghanistan, Opel, Arbeitsplätze, Steuern und die Sozialversicherungen (Rente und Gesundheit).

Polit-Talk à la Illner: Gysi wird ausgelacht, Westerwelle muss sich als Sozialrevolutionär üben

Auch wenn ich die Positionen von Westerwelle nicht teile, muss man doch zugestehen, dass er diese recht gut vertreten hat. Er gab sich dabei sogar, durchaus überraschend, relativ gemäßigt. Zumindest gemäßigter als Illner. Aber der Reihe nach.

Spätestens als es um die Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik ging, ab Minute 36 der Sendung, stichelte Frau Illner immer wieder in einer bei sich neutral gebenden Journalisten so kaum gesehen arrogant-herablassenden Weise dazwischen, sei es auch nur mit kurzen abfälligen Bemerkungen. Derart abfällig, dass es wirklich eine Farce wäre, hier von Ausgewogenheit, Neutralität oder auch nur Fairness seitens der Moderation zu sprechen.

Ein Zuschauer, der wirkte wie ein beliebiger JU-Vorsitzender, stellte Gregor Gysi die obligatorische Frage nach der Finanzierbarkeit der Pläne der Linken. Er zitierte dabei auch die Zahl von 300 Milliarden Euro (laut der Rheinischen Post, nach dem Zuschauer aber laut der Linken), die die Pläne der Linken angeblich kosten würden. Nun haben die NachDenkseiten ausgeführt, dass diese Zahl nicht stimmt und viel zu hoch gegriffen ist. Und Gysi führte aus, dass die Zahlen nicht stimmen (und laut Schätzungen von Ökonomen die Pläne sogar kostendeckend wären). Spätestens da zeigte sich, dass Die Linke eben nicht wie jede andere Partei behandelt wird und schon gar nicht versucht wird, sie fair zu behandeln. Frau Illner konnte sich scheinbar nicht zurückhalten, über poliische Aussagen Gysis tatsächlich zu lachen, nahm ich sichtbar nicht ernst und führte ihre Kaskade höhnisch-sarkastischer Bemerkungen und Frotzeleien (“Sie machen heute nur tolle Bemerkungen!”) immer wieder, wenn Gysi sprach, fort. Und Gysi, der ja im TV durchaus fast immer recht locker wirkt, war sichtbar irritiert.

Als der Zuschauer darauf kam, was die Linke tue, um die “Leistungsträger” zu entlasten (übersetzt: Senkung der Steuern für Spitzenverdiener, weitere Nichtbesteuerung von Vermögen), machte Gysi darauf aufmerksam, dass auch Arbeitnehmer Leistungsträger für die Gesellschaft sind. Künast griff dass ein wenig später auf und sagte, dass auch jeder Facharbeiter oder jede Altenpflegerinnen  “Leistungsträger” sei. Illner warf  dort ein abfälliges “Die empfindet sich als…” ein. Woraufhin Westerwelle einspringen musste (!) und Künast unterstützte.

Ein paar von Illners Nebentätigkeiten: Initiative Neue Soziale Markwirtschaft, Konrad-Adenauer-Stiftung und der Vatikan

In der Vergangenheit moderierte Illner Veranstaltungen der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM). Die INSM ist eine von Arbeitgeber- und Wirtschaftsverbänden gegründete und finanzierte Lobbyorganisation, die für den Abbau des Sozialstaates, Privatisierungen von öffentlichen Betrieben und Sozialsystemen, Senkung der Unternehmenssteuern oder die Einführung von Studiengebühren eintritt. Nach Ansicht des Politikwissenschaftlers Claus Leggewie will die INSM weniger soziale Marktwirtschaft, sondern viel mehr kapitalistische freie Marktwirtschaft.  Für sie arbeiten solche Sympathieträger wie Arnulf Baring, Oswald Metzger, Martin Kannegiesser oder Bernd Raffelhüschen.

Die INSM unterhält “Medienpartnerschaften” zu der Financial Times Deutschland, der Wirtschaftswoche, der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung, dem Focus, dem Handelsblatt und der Fuldaer Zeitung. Dabei kann das Verhältnis der INSM zu den Medien durchaus kritisch betrachtet werden. Die Kritiker erheben den Vorwurf, dass die Grenzen zwischen Journalismus und PR dabei zusehends verschwimmen. Die INSM habe es geschafft, einen “neoliberalen Mainstram in den Medien durchzusetzen”, so der Medienwissenschaftler Siegrfried Weischenberg. Eine Studie der Universität Münster kommt zu dem Ergebnis, dass die Medienberichterstattung weitgehend die INSM-Perspektive übernehme und nicht deutlich mache, dass diese strategisch Arbeitgeberinteressen vertritt. Auch die “Botschafter” der INSM sind bekannt dafür, diese Rolle nicht unbedingt transparent zu machen. Doch die INSM greift noch zu ganz anderen Mitteln. 2002 hatte sie per Schleichwerbung in der ARD-Serie Marienhof von ihr geschriebene Szenen und Dialoge platziert, die ihre neoliberale Ansichten verbreiten sollten. Auch direkter Druck auf Medien und Verunglimpfung von Journalisten, die andere Positionen vertreten werden ihr vorgeworfen.

Auch für die CDU-nahe Konrad-Adenauer-Stiftung sprach sie, oder moderierte für den Vatikan (dort mit Sympathisanten von Opus Dei) sowie u. a. für McKinsey, wie CARTA recherchiert hat. Die Höhe der Honorare blieb dabei immer unklar.

Illners Sendungen – Teil der Medienkampagnen gegen links?

Schon in der Sendung “Illner Intensiv” bediente man alte Kommunististen-Klischees und übte sich in Suggestivfragen oder warf ihr mal wieder Demokratiefeindlichkeit vor. In der Folge von Lafontaines Kritik an einer hohen Medienkonzentration war in der Presse sogar von Verschwörungstheorien die Rede.

Man muss es so festhalten: Illner gehört zu der Reihe von Journalisten, die dazu beigetragen haben und daran mitarbeiten, dass der Neoliberalismus und die Interessen der Arbeitgeberlobby die Mainstream-Medien dominieren, dass der Sozialabbau als alternativlos dargestellt wird und Gegner dessen (etwa als “Populisten”) diskreditiert werden. Deshalb ist es kein Wunder, dass Illners Sendungen als einen Teil der Medienkampagnen gegen die politisch linke Richtung ansehen werden. Wie Kampagnenjournalismus funktioniert, kann man in ihren Sendungen auch so sehen. Illner muss Gysi nicht auslachen, damit dies klar wird.

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Die Entwicklungspolitik der Parteien – Ignoranz bei der CDU, Desinteresse bei der FDP

Die Studie Sie haben die Wahl! Entwicklungspolitische Positionen der Parteien zur Bundestagswahl 2oo9 von VENRO und Deine Stimme gegen Armut untersucht die entwicklungspoltischen Positionen von CDU/CSU, SPD, Grüne, FDP und Die Linke.

In relativ vielen Punkte stimmen die Parteien dabei sogar überein. Angesichts sehr vieler sinnvoller Konzepte und Ideen scheint es sinnvoll, sich ein paar problematische oder sogar schädliche anzusehen:

Die CDU lehnt die Agrarsubventionen der Industrieländer für ihre Landwirtschaft nicht ab und betont sogar, dass sie „verstärkt Exportmärkte für die deutsche Land- und Ernährungswirtschaft erschließen und die Exportoffensive fortsetzen“ will.

Jährlich geben die Industrieländer  für Importzölle und Exportsubventionen auf Agrar- und Textilprodukte mit 350 Milliarden Dollar das Siebenfache ihrer Entwicklungshilfe aus. Durch Exportsubventionen werden die hohen Preise auf oder unter das Weltmarktpreisniveau gesenkt, sogar bis um mehr als ein Drittel unter den Produktionskosten. Die  Zollschranken der Industrieländer  für Exporte aus Entwicklungsländern sind 4 mal höher als für Exporte aus anderen Industrieländern. Der Protektionismus der Industrieländer kostet die Entwicklungsländer nach IWF- und Weltbankschätzungen mit 100 Milliarden Euro doppelt so viel, wie sie an Entwicklungshilfe von ihnen erhalten.

Die CDU setzt sich ebenfalls für weiterhin strenge Patentregelung ein.

Die Entwicklungshilfe will die CDU an Good Governance-Kriterien und die Einhaltung der Menschenrechte knüpfen. Dies erscheint v.a. im Bereich der Budgethilfe sinnvoll, aber: CDU und FDP sind eher gegen die Budgethilfe.

CDU und SPD wollen eine starke Rolle der G-8 bei der Steuerung der Globalisierung behalten.

Die Zusage, 0,7 Prozent des BNE für Entwicklungszusammenarbeit bereitzustellen, findet sich überall, bei CDU, FDP und Linke fehlt jedoch das (bereits zugesagte) Zieljahr 2015. Besonders bei der FDP wird mit der Aussage, die „Wirksamkeit der Entwicklungszusammenarbeit stärker in den Mittelpunkt stellen zu wollen als die Höhe der Gelder“ deutlich, dass eine Erhöhung der Entwicklungshilfe wohl nicht zu erwarten wäre.

Die FDP lehnt innovative Finanzierungsinstrumente für Entwicklungshilfe ab, die CDU äußert sich dazu nicht.

Die Erlöse aus dem Emissionshandel will die FDP nicht in den Klimaschutz und die Entwicklungszusammenarbeit investieren, sondern mit ihnen die Senkung der Stromsteuer finanzieren.

Außerdem ist die FDP als einzige Partei für die Abschaffung des Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung.

Die Linke will regionale Märkte in Entwicklungsländer stärken. Für einige Länder kann dies der richtige Weg sein. Empirische Untersuchungen zeigen jedoch, dass offene und weltmarktorientierte Entwicklungsländer höhere Wachstumsraten des Pro-Kopf-Einkommens haben als geschlossene.

Vergleicht man die Positionen der Parteien zu denen, die seitens der Wissenschaft und seitens der Zivilgesellschaft, wie etwa durch Nichtregierungsorganisiationen wie VENRO zum Ausdruck gebracht werden, so ergibt sich, dass die CDU aus entwicklungspolitischer Sicht nicht wählbar ist. Gerade die Existenz hoher Agrarsubventionen des Nordens ist zweifelsohne ein gravierende Entwicklungshemmnis für den Süden, und nur die CDU besteht aus Klientelinteressen darauf.

Die FDP unterstreicht dadurch, dass sie das BMZ abschaffen und nicht mehr Gelder bereitstellen will, dass die Entwicklungspolitik keine ihrer Prioritäten darstellt, auch sie erscheint hinsichtlich ihrer entwicklungspolitischen Vorstellungen kaum wählbar.

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Die Entwicklungspolitik der Spitzenkandidaten (außer Merkel)

Die Spitzenkandidaten570px-Africa_satellite_plane Steinmeier, Trittin, Gysi und Westerwelle haben sich, im Gegensatz zu Angela Merkel, die Zeit genommen, 12 Fragen der Entwicklungshilfeorganisation One zu Afrika zu beantworten. In vielen Punkten gibt es Gemeinsamkeiten, doch auch ein paar Unterschiede. Ich möchte hier zwei Punkte aufzeigen, zu denen, hier examplarisch an den Parteien, verschiedene Konzepte bestehen. Erstens: soll Entwicklungspolitik (in erster Linie) eigenstaatlichen Interessen dienen? Und zweitens: wie soll man mit verbrecherischen Regimen umgehen?

[Im Blog von One werden die Fragebögen erst nach und nach veröffentlicht, weshalb ich mich hier erstmal v.a. auf den Artikel in der Süddeutschen Zeitung und die dort veröffentlichten Fragen und Antworten stütze.]

Egoismus versus Altruismus

Dass Guido Westerwelle hervorhebt, dass Entwicklungszusammenarbeit auch dem Eigennutz dient

Das falscheste Vorurteil über Entwicklungszusammenarbeit ist, …

Guido Westerwelle (FDP): “… dass wir keinerlei eigenes Interesse an der Hilfe hätten. Mehr Wohlstand und mehr Stabilität bei unseren Nachbarn nutzt auch uns.”

gehört wohl zur Ideologie. Warum etwas tun, wenn es einem nicht selbst nutzt? Wenn jeder egoistische handelt, geht es wie von Zauberhand (oder zumindest durch die unsichtbare des Marktes) allen am besten. Kennt man ja alles. Immerhin sind die Liberalen nicht dafür, die Entwicklungshilfe komplett abzuschaffen. Muss man ja heute schon froh sein.

Gregor Gysi greift dieses Thema auch auf, jedoch von der anderen Seite,

Gregor Gysi (Linke): “… dass sie völlig selbstlos und ohne Eigeninteresse der Geberländer geleistet wird. Es stehen meistens die Interessen der reichen Industriestaaten im Vordergrund, wenn es um die konkrete Gestaltung der Zusammenarbeit geht. Ein Vielfaches dessen, was als Hilfe von Nord nach Süd fließt, kommt zurück: über Zinstilgungen, Kapitalflucht, ungerechte Handelsbeziehungen, die den Süden strukturell benachteiligen. Seit Jahrhunderten wird Umverteilung zugunsten des Nordens organisiert. Daran ist viel Entwicklung im Süden gescheitert.”

Sicher zieht Deutschland auch einen Nutzen aus seiner Entwicklungspolitik. Es ist aber auch richtig, einen Egoismus anzuprangern, der  in der Weltwirtschaft eben dazu führt, dass der Reichtum vom Süden zum Norden hin fließt, dass Ausbeutung weltweit fortgesetzt wird.

Wie behandelt man Schurken?

Anderseits kann ein Punkt der Liberalen, nämlich gute Regierungsführung und die Einhaltung der Menschenrechte –  “Good Governance”-Kriterien – bei der Vergabe von Entwicklungshilfe stärker in den Vordergrund zu stellen, in vielen Fällen sinnvoll sein.

Good Governance ist „The manner in which power is exercised in the Management of country’s economic and social resources for development” (Weltbank). Good Governance, eine gute Regierungsführung, stellt eine Form der Herrschaft da, die den Kriterien Partizipation der Bevölkerung bei der Auswahl der Regierenden, Rechtsbindung der Politik sowie Schutz der Menschenrechte entspricht. Sie steht für eine effiziente Staatsführung, die in verantwortlicher Weise der Sorgfaltspflicht von Regierungen und Behörden bei ihren Tätigkeiten sowie beim Umgang mit ihnen anvertrauten wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Ressourcen nachkommt. Maßstäbe zur Ausübung von Good Governance sind z.B. die Steigerung der Kapazität und Effizienz im Management des öffentlichen Sektors, Verantwortlichkeit der Regierung, Rechtssicherheit oder Transparenz im öffentlichen Sektor. Eine wichtige Rolle spielt der Aufbau und die Teilhabe einer funktionierenden Zivilgesellschaft.

Robert Mugabe (http://en.wikipedia.org/wiki/File:Mugabecloseup2008.jpg)
Simbabwes Machthaber Robert Mugabe (Author: Tech. Sgt. Jeremy Lock, (USAF), public domain, http://en.wikipedia.org/wiki/File:Mugabecloseup2008.jpg) "Let me be a Hitler ten-fold"

Den krassesten Gegenpunkt dazu stellt etwa die wirtschaftliche Zusammenarbeit Chinas mit Staaten in Afrika dar, die mit Hinweis auf die Nichteinmischung in die inneren Angelegenheiten anderer Staaten (womit ja immer auch Kritik an den Menschenrechtsverletzungen in China gekontert wird) und völlig ohne jegliche moralische Skrupel z.B. Waffen an den Sudan oder Simbabwe liefern, die sicherlich zu den furchtbarsten und menschenverachtendsten Regimen der Welt gehören.

Ein Problem aber ist, dass in der von den neoliberalen Ideen des Washington Konsensus beherrschten Vergangenheit von Weltbank und IWF an die Entwicklungsländer für den Erhalt finanzieller Hilfen Bedingungen gestellt wurden, die jedoch fast ausschließlich wirtschaftliche Liberalisierungsmaßnahmen, Privatisierung von Staatsbetrieben und den massiven Abbau von Sozialleistungen (die v.a. die ärmsten Bevölkerungsschichten betrafen) beinhalteten. Diese erzeugten oft gerade neue große Armut. Ziel war die Schaffung eines attraktiven Investitionsklimas für auslädische Investoren, nicht die Bekämpfung von Hunger, keine sozialen, Gesundheits- oder Umweltstandards (diese mussten meist als Investitionshindernisse sogar noch weiter gesenkt werden). Das Good Governance-Konzept wurde vor 20 Jahren entwickelt (Post Washington Consensus/ Stiglitz), erhielt aber erst in den letzten Jahren mehr Einfluss, gegen den Widerstand der neoliberalen Kräfte. Man kann sich wohl, ohne der FDP Böses zu wollen, vorstellen, dass auch sie wirtschaftliche “Anpassungsmaßnahmen” (wieder) stärker zur Bedingung für die Vergaben von Entwicklungshilfe machen will.

2000px-African_continent-de.svgTeilweise problematisch erscheint aber auch der Standpunkt der Linken. Selbstverwaltung der Gelder durch die empfangenden Staaten, bei denen das Geberland keine “Vorschriften” für deren Verwendung macht, “ownership”, ist sicher bei den meisten Staaten ein Konzept, das man anwenden sollte. In manchen Fällen kann dies aber eben unterdrückende Regierungen oder korrupte Eliten weiter unterstützen, die Finanzmittel kommen nicht der Bevölkerung zu Gute.

Demokratie und Menschenrechte sollten bei der Entwicklungszusammenarbeit gefördert werden – wenn auch nicht mittels paternalistischer Bevormundung. Eine Miteinbeziehung von gesellschaftlichen Gruppen, wie sie Steinmeier anspricht, erscheint hier durchaus sinnvoll. Den in Armut lebenden Menschen helfen, Zivilgesellschaft und demokratische Kräfte eines Landes zu stärken ohne die Unterdrücker und Ausbeuter ungewollt zu fördern – hier liegt eine Schwierigkeit in der Entwicklungspolitik, zu deren Lösung es immer noch guter Konzepte bedarf.

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Neues von Zensursula – patente Spitznamen, Millionen Unterstützer und Vertrauen in den Staat

Zunächst einmal: Frau von der Leyen hat nichts gegen ihren ja durchaus zweifelhaften Spitznamen „Zensursula“.

zensursula

Hat sie der Spitzname „Zensursula” getroffen?

von der Leyen (lacht) Nein. Das fand ich patent. Das gehört zur politischen Auseinandersetzung dazu. (Siehe)

oder gleich nochmal hier:

Welt am Sonntag: Und Ihren Spitznamen?

von der Leyen: Meinen Spitznamen finde ich patent. Viel Feind, viel Ehr’. Wir haben eine lebendige Debatte, da darf man nicht kleinlich sein.

Ja, richtig, sie findet ihn „patent“. Nicht „Patent“ (sich anbietende Wortwitze mit Bezugnahme auf die Urheberrechtsdebatte erspare ich mir), sondern „patent“. Als Adjektiv! Und sie fordert außerdem Benimmregeln für das Internet. Diese Frau scheint wirklich aus dem vorvorletzten Jahrhundert zu stammen… Und nebenbei: ich würde diesen Namen an ihrer Stelle ja nicht „patent“ finden, sondern ganz und gar furchtbar. Selbst wenn sie da anderer Meinung ist, muss ihr doch klar sein, dass sie (für nicht gerade wenige Menschen) für die Einführung einer Zensurinfrastruktur in Deutschland steht.

Ach ja, sie hat ja auch ein sehr, sagen wir, eigenwilliges Demokratieverständnis. So ist sie der Meinung, dass Millionen hinter ihr stehen. Der pantoffelpunk blog führt dagegen sehr schön aus, dass es vielleicht doch eher tausend sind.


Aber nicht nur Zensursula (so darf man sie dann inzwischen vollkommen guten Gewissens nennen) hat ihre Probleme mit demokratischen Instrumenten des Internets. Herr Schäuble meint doch tatsächlich auf dem zweiten Deutschland Online-Kongress, es sei „ein grobes Missverständnis und eine Fehlwahrnehmung, dem Staat im Internet Zensur- und Überwachungsabsichten zu unterstellen.“ Er bittet um Verständnis und Vertrauen! (Einen guten Kommentar dazu gibt es auf Netzpolitik ). Das meint er doch nicht im Ernst, oder? Glaubt er wirklich, dass politisches Taktieren und Schönfärben ausgerechtet dort angebracht ist? Oder glaubt er tatsächlich daran, dass der Staat uns schützen müsse? Vor uns selber? Vor der unmittelbaren terroristischen Bedrohung, die uns allen bevorsteht? Vielleicht auch noch vor der Schweinegrippe…? Vielleicht glaubt er das, dass er uns schützen muss – aber dies durch Überwachung. Denn:

„Oh – großer Lauschangriff, Vorratsdatenspeicherung, Zugangserschwerungsgesetz, Bundestrojaner, Flugpassagierdatenweitergabe an die USA, Überwachung von Konten und Überweisungen, verfassungswidrige Rasterfahndungen und und und, das haben wir uns nur ausgedacht?“

.

Die FDP währenddessen möchte gegen das Internetzensurgesetz nur dann vor das Bundesverfassungsgericht ziehen, wenn es nach der Bundestagswahl keine schwarz-gelbe Regierungskoalition geben wird (vgl.). Was mal wieder zeigt, wieviel für diese Partei wirklich die Freiheit bedeutet, wenn es um Machtinteressen geht. Aber das auch noch so eiskalt zuzugeben, da gehört schon eine ordentliche Portion Dreistigkeit dazu.


Und selbst von den Grünen sind sehr irritierende Töne zu hören. Nur ein paar Auszüge:

Die ignorante Argumentation gegen Internetsperren kommt von Menschen, die es sich in virtuellen Räumen bequem gemacht haben und übersieht die Opfer in der realen Welt.“

„Wer Ego-Shooter für Unterhaltung, Facebook für reales Leben, wer Twitter für reale Politik hält, scheint davon auszugehen, dass Gewalt keine Opfer in der Realwelt fordert. Anders kann die ignorante Argumentation gegen die Internetsperren gar nicht erklärt werden.“

„Da haben sich einige wohl das Hirn herausgetwittert.“

Eine Begründung, warum er diese Tirade veröffentlicht, liefert Matthias Güldner, seines Zeichens Fraktionsvorsitzender der Grünen in der Bremischen Bürgerschaft, wenigstens gleich selbst mit:

„Unser Umfeld kommt zu einem nicht unerheblichen Teil aus den erziehenden Berufen, ist selbst Mutter oder Vater. Die Internetsperren haben Umfragen zu Folge bei ihnen eine hohe Popularität.“

Aber ich frage mich wirklich, was in einem (grünen!) Politiker vorgehen muss, dass er eine derart hasserfüllte Polemik schreibt, dass der härteste Neokonservative eifersüchtig werden könnte.

Wenigstens hat die Bundespartei diese Stellungnahme recht schnell als „nicht erträglich“ und „abweichende Einzelmeinung“ bezeichnet – bei twitter.

Dennoch ist es erschreckend zu sehen, was für Meinungen offensichtlich in fast allen im Bundestag vertretenen Parteien anzutreffen sind.

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Internetzensur – Machtpolitik geht über Bürgerrechte

Das Gesetz zu den Web-Sperren hat nun also den Bundesrat passiert (vgl. z.B. http://www.heise.de/newsticker/Gesetz-zu-Web-Sperren-passiert-den-Bundesrat–/meldung/141849: betroffene Anbieter werden über die Sperrung ihrer Seiten nur “in der Regel” informiert, die Sperrliste wird nur vierteljährig und nur in Stichproben überprüft,  IP-Adressen dürfen von den Zugangsanbietern aufgezeichnet und in Verdachtsfällen an die Polizei weitergegeben werden.)

Die “Debatte” dauerte 3,5 Minuten (siehe: http://blog.fefe.de/?ts=b4a7d165, http://netzpolitik.org/2009/gesetz-zu-web-sperren-passiert-den-bundesrat). 3,5 Minuten für ein Gesetz, dass nicht wirksam die Kinderpornographie bekämpft, dass aber den Aufbau einer Zensurinfrastruktur ermöglicht. Eine Ausbreitung der Sperren wird schon diskuttiert, etwa auf “Killerspiele” (vgl.) oder Hasspropaganda (vgl.). Doch alle Kritik und alle Befürchtungen wurden überhört. Die Experten wurden ignoriert. Der Vermittlungsausschuss wurde nicht angerufen.

Die deutsche Politik, insbesondere die deutschen Parteien, stellen sich damit ein Armutszeugnis aus: Symbolpolitik geht über wirksame Maßnahmen und machtpolitische Interessen gehen einmal mehr über politische Überzeugungen (wenn diese überhaupt vorhanden sind).

Die FDP verteidigt Bürgerrechte nur so lange, wie ihr dies politisches Kapital bringt. Wenn es jedoch um handfeste Koalitionsinteressen mit CDU und CSU geht, vergisst sie diese ganz schnell (vgl. auch etwa die aktuellen Planungen zu ausgedehnten Eingriffsrechten der Polizei in Hessen).

Die Grünen scheinen die Wichtigkeit der Frage noch nicht erkannt zu haben, siehe auch die vielen Enthaltungen im Bundestag. Die Zensurgegner in der SPD sitzen nicht an den einflussreichen Stellen; dort sitzen die Politiker, die sich aus Angst vor der Springer-Presse von der politischen Vernunft verabschiedet haben.

Das Gesetz zu den Web-Sperren zeigt eine Schwäche des deutschen Parteiensystems – dass dieses Opportunismus und Machtpolitik belohnt,  zu “unflexible” Überzeugungen aber bestraft.

Bleibt nur noch die (sehr geringe) Hoffnung auf Horst Köhler, der seine Unterschrift unter das Gesetz verweigern könnte, und auf das Bundesverfassungsgericht. Erste juristische Untersuchungen erheben schon schwere Bedenken. Dabei gibt es etwa Zweifel an der Gesetzgebungskompetenz des Bundes, der Geeignetkeit der Sperrtechniken allgemein, der Transparenz des Sperrverfahrens oder der Verwendung der Daten. Zudem befürchtet man  eine “kaum mehr kontrollierbaren Einschränkung des Internetverkehrs” durch eine Ausweitung der gesperrten Inhalte (vgl.: http://www.heise.de/newsticker/Juristen-melden-schwere-Bedenken-gegen-Web-Sperren-an–/meldung/141875).

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