Investieren in Nachhaltigkeit

Lena Ribka Verbraucherzentrale HessenWas kann ich tun, wenn ich nicht möchte, dass mit meinem Geld Kinderarbeit, Waffenproduktion oder Kohle- und Atomkraft finanziert werden? Kann mein Geld auch etwas Gutes tun? Und muss ich dafür auf Rendite verzichten? Es ist durchaus möglich: Mit Geldanlagen lässt sich nicht nur Rendite erzielen, sondern auch Positives bewirken. Und genauso muss umgekehrt mit ethischen Kriterien nicht zwingend auf Rendite verzichtet werden.

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erschienen im Monatsmagazin printzip, Ausgabe 12/2016

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Ein schmaler Grat

Der Tod von Osama Bin Laden, der am Montag von Spezialkräften der US-Armee in seinem Versteck in Pakistan getötet wurde, muss wohl von niemandem betrauert werden. Doch bieten die Umstände seines Todes auch Grund zur Sorge. Denn es ist, das haben diese gezeigt, ein schmaler Grat zwischen Selbstverteidigung gegen Terroristen und Lynchjustiz. Es stellen sich außerdem rund um die Ereignisse des Einsatzes einige Fragen: Was hat es mit den Umständen seines Todes und seiner Bestattung auf sich? Wie ist das Vorgehen der USA insgesamt zu bewerten? Darf man Terroristen töten – und das eventuell auch gezielt? Was bedeutet der Tod von Osama Bin Laden für den “Krieg gegen den Terror” und die internationale Sicherheit? Und was schließlich könnten die Auswirkungen auf Deutschland sein? Auf diese Fragen soll versucht werden, hier eine Antwort zu finden und der Anstoß zu weiteren Diskussionen geben werden.

Der Tod Bin Ladens: Noch viele offene Fragen

Die Umstände während und nach Bin Ladens Tod sind geradezu prädestiniert für Verschwörungstheorien. Einige Fragen drängen sich für Jedermann auf: Wieso wurde die Leiche nicht obduziert? Warum diese schnelle (und im islamischen Gebrauch unübliche) Seebestattung? Vor allem: Was genau ist während des Einsatzes passiert? Dieses und noch Weiteres ist bisher unklar – und könnte es weiter bleiben. Präsident Obama hat entschieden, dass die Fotos des toten Bin Laden nicht veröffentlicht werden sollen. Ein schwer nachvollziehbarer Schritt, hätte man hier doch die üblichen Verschwörungstheoretiker widerlegen können. Einige Angaben unmittelbar nach dem Tod Bin Ladens und spätere widersprachen sich außerdem in wichtigen Punkten. Hieß es etwa zunächst, Bin Laden sei bewaffnet gewesen und habe eine Frau als “menschliches Schutzschild” benutzt, wurde beides später revidiert. Zweifel am tatsächlichen Tod Bin Ladens scheinen jedoch wenig begründet. Vielmehr könnte es der Ablauf des Todes Bin Ladens sein (der eventuell niemals öffentlich ganz aufgeklärt werden wird), der die “weiße Weste” der USA beflecken könnte.

Bildnachweis: The White House/ Flickr

Der genaue Ablauf des Einsatzes, der zur Tötung Bin Ladens führte, ist entscheidend für eine rechtliche und moralische Beurteilung. Die entscheidende Frage für die Bewertung ist dabei für viele, ob es sich bei der Aktion um den Versuch einer Festnahme oder um eine gezielte Tötung handelte. Bisher werden beide Varianten gehandelt. So spricht ein Angehöriger des Büros für Nationale Sicherheit gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters von letzterem, Obamas Sprecher dagegen von ersterem. Der CIA-Chef und designierte künftige Verteidigungsminister Leon Panetta schließlich sagte in einem Interview, die am Einsatz beteiligten Soldaten hätten die Berechtigung gehabt, Bin Laden zu töten. Wenn sie aber die Möglichkeit zu einer Festnahme gehabt hätten, hätten sie diese wahrnehmen sollen. Dies wird sogar konkretisiert: Das wäre etwa der Fall gewesen, wenn er plötzlich die Hände hochgenommen und seine Gefangennahme angeboten hätte. Dies sei aber nicht geschehen, es habe, so Panetta, einige “bedrohliche Bewegungen” gegeben, weshalb die Soldaten feuerten. Der Sprecher des Weißen Hauses gibt inzwischen an, Bin Laden sei in einem “unberechenbaren Schusswechsel” getötet worden. Er sei zwar nicht bewaffnet gewesen, habe sich aber “auf andere Weise gewehrt”. Allerdings hieß es später von Regierungsbeamten dann, nur zu Beginn des Einsatzes habe einer von Bin Ladens Männern gefeuert. Als die Soldaten den Raum Bin Ladens betraten, seien aber Schusswaffen in dessen Reichweite gewesen. (more…)

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Für einen Euro mehr

Die Bundesregierung plant, die Zuschüsse für die sogenannten „Ein-Euro-Jobs“ zu kürzen und strengere Richtlinien für diese aufzustellen. Dadurch wird deren Zahl zukünftig stark eingeschränkt werden. Dieses Vorhaben ist ein richtiger Schritt, da in der Vergangenheit dieses arbeitsmarktpolitische Instrument sehr oft nicht in seinem eigentlichen Sinne benutzt wurde und Erfolge nahezu komplett ausblieben. Zudem stellt sich aber nun um sehr mehr auch die Frage, ob die Ein-Euro-Jobs und die hinter ihnen stehenden Ideen überhaupt sinnvoll sind – oder nicht gleich ganz abgeschafft gehören.

Konzept und Ziele der Ein-Euro-Jobs

Die im offiziellen Neusprech “Arbeitsgelegenheiten mit Mehraufwandsentschädigung” genannten Ein-Euro-Jobs wurden in Deutschland seit 2005 im Zuge der Hartz-Gesetze stark ausgebaut. Dabei handelt es sich um Arbeitsmöglichkeiten für Hartz-IV-Empfänger, die für drei bis zwölf Monate für 15 bis 30 Stunden die Woche bestimmte Tätigkeiten, die „im öffentlichen Interesse liegen“, ausführen. Sie erhalten dafür zusätzlich zu den Hartz-IV-Bezügen einen Stundenlohn von meist zwischen 1 und 1 Euro 50. Es kann sich dabei beispielsweise um Tätigkeiten wie Park- oder Landschaftspflege, Hausmeistertätigkeiten oder Hilfe in Pflegeeinrichtungen handeln. Die Beschäftigungsträger der Ein-Euro-Jobber, bei denen es sich meist um Kommunen, Verbände, öffentliche Unternehmen oder (auch private) Wohlfahrtskonzerne handelt, erhalten für die “sozialpädagogische Betreuung” der Teilnehmer zudem bis zu 500 Euro im Monat. Als Grund wird angeführt, dass vor allem solche Personen, die auf dem regulären Arbeitsmarkt kaum eine Chance haben, durch diese Maßnahmen, wie man sich ausdrückt, “gefördert” werden sollen.

Diese “Förderung” ist jedoch nicht freiwillig: Bei Ablehnung droht eine Kürzung des Arbeitslosengeldes II für drei Monate um mindestens 30%. Solche Sanktionen kommen keineswegs selten vor. So wurden im letzten Jahr 102.631 Sanktionen ausgesprochen, weil die Betroffenen sich weigerten, eine als zumutbar eingestufte Arbeit, Ausbildung oder einen Ein-Euro-Job anzunehmen. Der Begriff “Zwangsarbeit” wäre also für Ein-Euro-Jobs zumindest nicht immer unangebracht. Als Ziel der Ein-Euro-Jobs wird angegeben, vor allem Langzeitarbeitslose an den Arbeitsalltag und einen Tagesrhythmus zu gewöhnen, die Arbeitsdisziplin zu stärken und ähnliches. Jede Art von Arbeit für Arbeitslose steigere deren Beschäftigungsfähigkeit und ihre sozialen Fähigkeiten, so eine der Ansichten dieses im Gedankengebäude des Workfare entwickelten Konzepts. Zudem könne ein zusätzlicher Nutzen durch Arbeiten für die Gesellschaft entstehen, für die keine Nachfrage in der Privatwirtschaft gegeben ist. Sie werden zudem statistisch nicht als Arbeitslose gezählt – was ein weiterer Grund sein dürfte.

Mit pro Jahr 600.000 bis 700.000 teilnehmenden Personen sind Ein-Euro-Jobs das am häufigsten eingesetzte Aktivierungsinstrument im Rechtskreis des SGB II. Im März 2011 lag laut Bundesagentur für Arbeit die Zahl der Ein-Euro-Stellen bei 172.400. Dies ist schon deutlich weniger als in den letzten Jahren, in Spitzenzeiten gab es bis zu 300.000 Teilnehmer. Die Gesamtkosten sind dadurch trotz der äußerst niedrigen Verdienstmöglichkeiten recht hoch: Im Jahr 2010 wurden für Ein-Euro-Jobs insgesamt 1,7 Milliarden Euro ausgegeben. Bei derartigen Ausgaben stellt sich die Frage, wie die Realität der Ein-Euro-Jobs aussieht und ob sie effektiv sind. (more…)

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Keine Solidarität mit Diktatoren!

Sitzungssaal des UN-Sicherheitsrates (1)

Der UNO-Sicherheitsrat hat eine Resolution beschlossen, die die Mitgliedsstaaten beauftragt, alle notwendigen Schritte zu unternehmen, um Zivilisten in Libyen zu schützen. Er hat sie auch ermächtigt, notfalls auch mit militärischen Mitteln (außer dem Einsatz von Bodentruppen) eine Flugverbotszone über Libyen einzurichten. 10 Länder stimmten für die Resolution. Russland, China, Indien, Brasilien und Deutschland enthielten sich.

Die Positionen in Deutschland sind nun zweigeteilt – und auf beiden Seiten von ziemlich starken Emotionen geprägt: Die einen sprechen von kriegslüsternen Bellizisten, die anderen von realitätsfremden Radikalpazifisten. Dabei ist die Sache längst nicht so einfach: Weder scheint es angemessen, die Morde und Verbrechen von Gaddafi und seinen Schergen als “in der Souveränität eines Staates liegend” zu verharmlosen, noch ist jedes Vorgehen und jedes Opfer recht, um “den da endlich wegzukriegen”. Die beiden möglichen Vorgehensweisen – ein militärisches Eingreifen oder das Verbleiben bei anderen Sanktionsmöglichkeiten – beide bieten
Chancen und Risiken, beide haben moralische Rechtfertigungen. (more…)

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Zu Guttenbergs Rücktritt

Zu Guttenberg ist nun doch endlich zurückgetreten. Aber auch im Rücktritt bleibt er seinem Verhalten treu. Seine Rücktrittserklärung tropft von Eitelkeit und Selbstgefälligkeit, sie ist voller Heuchelei. Guttenberg stilisiert sich darin vor allem selbst als Opfer – er scheint einer Art “Dolchstoßlegende” Vorschub leisten zu wollen. Zudem steht er immer noch nicht zu dem Umfang seines akademischen Betrugs und zum Belügen der Öffentlichkeit. Und er ist sich sogar nicht zu schäbig, tote Soldaten für seine Zwecke zu instrumentalisieren. Ein “anständiger”, “ehrenhafter” Rücktritt sieht anders aus.

http://www.youtube.com/watch?v=YsLMLfbSPxs

Ja, Guttenberg wie auch Merkel haben gezeigt, dass es im heutigen Zustand des deutschen Parlamentarismus so etwas wie Ehre und Anstand nur noch als  Worte gibt; dass man gewillt ist, noch so tief zu sinken, in der Hoffnung, nicht ein paar Wählerstimmen zu verlieren. Billiger Populismus, Personalisierung und Verdummung der Politik haben eine neue Stufe erreicht. Die Schäbigkeit der Springer-Presse ist zwar bekannt, eine in dieser Wiese bisher aber kaum dagewesene Kampagne verdeutlichte deren Gefährlichkeit, die jetzt wohl niemand mehr leugnen kann. Anders, als sie es freilich selbst sehen, haben sich aber auch die viele andere Medien (besonders negativ taten sich die öffentlich-rechtlichen Medien hervor) nicht gerade mit Ruhm bekleckert. So sprachen die meisten etwa immer noch von bloßen Verdachtsfällen und ein paar möglichen Fußnotenfehlern, als schon längst der Umfang des Betrugs offensichtlich war. Erst in den letzten Tagen gab es deutlicheren Gegenwind. Als positive Folge bleibt, dass aus der akademischen Welt klare Stimmen zu vernehmen waren, und dass das Internet als technisches Mittel und als soziales Medium neue Stärken gezeigt hat.

Wie könnte Guttenbergs Zukunft aussehen? Ich halte, anders als etwa Michael Spreng,  eine Rückkehr in die Politik keineswegs für ausgeschlossen. Möglicherweise könnte dies schon nach oder zu den Landtagswahlen in Bayern der Fall sein. Es ist zu befürchten, dass es Guttenberg nicht schwer fallen dürfte, unterstützt vom Boulevard nach einer kurzen Auszeit als geläutert und als, nach den absehbaren Wahlmissfolgen in nächster Zeit, als “Retter” der Union zurückzukehren. So manche CSU-Politiker haben noch ganz Anderes durchgestanden. Guttenbergs Verhalten in der Plagiatsaffäre wie selbst auch noch sein Rücktritt haben aber gezeigt, dass er einen Charaktertypus repräsentiert, der möglichst nie wieder an die politische Macht kommen sollte.

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Lasst die Armen leiden!

Der “Thilo-Sarrazin-Preis für Menschlichkeit und Nächstenliebe” wird diese Woche verliehen an Gerd Habermann für seinen Kommentar “Hartz IV: Ein seltsames Recht, auf Kosten anderer zu leben!” in der Welt. Habermanns Ausführungen, dass Arme eben keiner Hilfe bedürften, dass sie  auch kein Recht auf ein menschenwürdiges Leben hätten, sondern diese Arbeitsunwilligen und Sozialschmarotzer vielmehr schmerzliche Strafe verdient hätten, seien wegweisende Gedanken, so die Begründung der Jury. “Schmerzliche Wahrheiten aussprechen” bekomme dabei durch Habermann eine ganz neue Bedeutung:

Zur Menschenwürde gehört auch, dass der Mensch zur Selbsthilfe und zur Selbstverantwortung fähig ist und sich beschämt fühlt, wenn er auf Kosten anderer Leute, sei es auch über Staatsgeschenke, leben muss. Den Empfängern solcher Geschenke ohne Gegenleistung darf es nicht erspart bleiben, diese Situation als schmerzlich zu empfinden.

Wie Habermann weiter ausführe, dass eine öffentliche Demütigung und Stigmatisierung von Transferleistungsempfängern notwendig sei, damit diese aufhörten, der arbeitenden Bevölkerung raffgierig in die Taschen zu greifen und angespornt würden, ihre Menschenwürde selbst wieder herzustellen, sei “ein Meistergriff in bester Tradition der großen Sophisten”. Dass er mit  “mutigen Ideen” wie dem Entzug des Wahlrechts für Unterstützungsempfängern liebäugele, verdeutliche sein “engagiertes Eintreten gegen die political correctness  der linken Meinungsdiktatur und ihre Sklavenmoral”. (more…)

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Armutserklärung Deutschlands

Die Bundesregierung hat leider kein Geld mehr übrig. Jedenfalls kein Geld für eine Hartz-IV-Sätze, die den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts genügen. Und auch kein Geld für die Bekämpfung von Hunger und Armut auf der Welt, und für die Erfüllung der übrigen Milleniumsziele der UNO. Dafür sei kein Geld da, heißt es lapidar aus dem Kanzleramt. Klar, denn das Geld wurde ja viel dringender benötigt: für Günstlingswirtschaft und Klientelinteressen,  für Bankenrettungen und Staatsgarantien, für Subventionierungen und Gewinngarantien, von der Atomindustrie über die Pharmakonzerne bis hin zu Hoteliers. Nun ist die Kasse eben leer – so wie es die Neoliberalen immer gewollt haben. Bei den Ärmsten der Welt wird nun gespart.

Vor 10 Jahren hatten sich alle Mitgliedsstaaten der Vereinten Nationen verbindlich auf die sogenannten Milleenniumsziele zur Verringerung der globalen Armut geeingt, die bis 2015 erreicht werden sollten. Der jetzige Zwischengipfel war eine einzige Enttäuschung. Die meisten versprochenen Ziele werden so nicht erreicht werden können. So werden die Halbierung Zahl der Menschen, die von unter 1,25 Dollar am Tag leben, die Halbierung der Zahl der Hungernden, die Reduzierung der Sterblichkeit von Müttern, die Grundschulbildung, die Bekämpfung von AIDS und anderen Krankheiten, der Zugang zu Sanitäranlagen, die Gleichberechtigung und die Höhe der Entwicklungshilfe der Industrieländer wohl kaum erreicht werden. Teilerfolge sieht man lediglich bei der Reduzierung der Kindersterblichkeit und dem Zugang zu sauberem Wasser (Schweizer Fernsehen: Acht UNO-Ziele sollen bis 2015 umgesetzt sein, via Erlkönig). Das ist der sehr ernüchternde Stand bisher. Und die Zukunft bietet wenig Hoffnung auf Besserung. In der Abschlusserklärung des Millenniumsgipfels 2010 gab es keine konkreten Verpflichtungen oder finanziellen Zusagen. (more…)

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Sarrazin, mein Held!

Thilo Sarrazin und seine rassistischen und sozialdarwinistischen Äußerungen bleiben nicht wirkungslos auf die öffentliche Meinungsbildung. Er hat es bereits geschafft, dass einige (rechts-)konservative Journalisten und Rechtsintellektuelle sich nun aus ihren Löchern trauen, um ihrer ganzen Menschenverachtung endlich freien Lauf zu lassen. Verteidiger Sarrazins finden sich etwa bei der Springerpresse, der Rheinischen Post, der Süddeutschen oder bei Deutschlandradio Kultur.

Dort gibt es im “Politischen Feuilleton” einen Kommentar von Cora Stephan (Text, MP3), der glatt als  Liebeserklärung an Thilo Sarrazin durchgehen, dabei aber auch mit den Hetztiraden von Fox News oder Politically Incorrect mithalten könnte. Jede Zeile trieft vom Hass auf (folgendes bitte in Anführungszeichen denken) das linke Gutmenschenpack, die schmarotzenden Ausländer, Multikulti und die political correctness – und von der Verachtung von Menschlichkeit. Sarrazin mit seiner Sammlung unwissenschaftlichen Blödsinns wird konsequent als Darsteller von objektiven Zahlen und Statistiken, gar von Fakten stilisiert. Es ließe sich nicht leugnen, dass, so im besten Rechtsaußenjargon, sich ein Teil der Ausländer nicht integrieren wollte und die deutsche Kultur verachte. Und der Türke sei nun beleidigt, weil man diese “Wahrheiten” ausspreche. (more…)

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Die deutsche Bildungspolitik als ein Mittel zur Sicherung von Egoismus, Konkurrenzdenken und gesellschaftlicher Ungleichheit

In Hamburg ist die Schulreform, mit der eine sechsjährige Primarschule ermöglicht werden sollte, gescheitert. Obwohl es eine breite Unterstützung der politischen Parteien, von der Linken bis zur CDU, gab, wurde sie in einem Volksentscheid abgelehnt. Wie kann man dies erklären und deuten? Ein sehr guter Ansatz bietet sich bei Telepolis: Niederlage für eine solidarische Gesellschaft

Das ist eine Absage an eine Schulpolitik, die davon ausgeht, dass die “stärkeren” Schüler die “schwächeren” beim Lernen unterstützen können und alle davon profitieren. Zur Bildung gehört nach dieser Lesart auch das Ausbilden von sozialen Kompetenzen, wie Solidarität und gegenseitige Unterstützung. Zu Zeiten der Bildungskämpfe der siebziger Jahre waren solche Werte in großen Teilen der Gesellschaft verbreitet. Das ist aktuell nicht mehr der Fall. So liegt das Hamburger Ergebnis ganz im Trend einer Gesellschaft, in der das Prinzip “Jeder ist seines Glückes Schmied” und “Der Schwache ist selber schuld und soll den anderen nicht zur Last fallen” zum Dogma erhoben wurde . Im Umgang mit Flüchtlingen und Migranten drückt sich diese Politik ebenso aus, wie in den Maßnahmen gegen Hartz IV-Empfänger und eben jetzt auch in der Bildungspolitik.

In einer Gesellschaft, in der es als normal gilt, wenn jeder mit jedem in Konkurrenz liegt, sorgen die Eltern dafür, dass damit schon im Schulalter angefangen wird. Ein solidarisches Lernen wird als Konkurrenznachteil für die eigenen Kinder empfunden […]

Dass “Volkes Stimme” wie in Hamburg gegen eine ganz große Parteienkoalition von Union, SPD, Grünen und Linkspartei, die sich für die Primärschule aussprachen, stimmte, kann nur verwundern, wer noch immer noch meint, dass “die da unten” oder auch “der kleine Mann” sozialer abstimmen als die politischen Parteien. Eine solche Vorstellung verkennt, wie stark die Idee der Ungleichheit und des Konkurrenzgedanken in großen Teilen der Bevölkerung Konsens sind.

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Ich tue hier nur meinen Job!

“Ich tue hier nur meinen Job!” oder ” Ich tu hier nur meinen verdammten Job!”  Nein, diese Sätze, die immer dann benutzt werden, um eine moralische Verantwortung zu leugnen, um eigene Schuld zu bestreiten, um sich selbst zu einem Werkzeug zu diskreditieren, um Zweckrationalität heilig zu sprechen, nein, diese Sätze bewirken bei mir das Gegenteil von dem, was sie bewirken sollen. Sie sind keine Legitimation unmoralischen Handelns – sie sind der Ausdruck, wie weit sich ein unmoralisches System durchgesetzt hat bis zum Selbstbetrug des Einzelnen.

“Ich tue nur meinen Job!” Gerade in Ländern, in denen es zwar nicht angenehm, aber eben auch nicht gerade tödlich ist, einen bestimmten Job nicht zu tun, ist dieser Satz eben nicht immer eine Rechtfertigung für jegliche Taten, die “man eben tun muss”.  Besonders absurd natürlich, wenn dieser Satz von denen gesprochen wird, die aufgrund ihrer Qualifikation einen beliebigen anderen Job bekommen könnten. Von skrupellosen Managern, gnadenlosen Offizieren, gewissenlosen Lobbyisten. “Ich hab ja auch meine Hypotheken abzuzahlen!” “Ich bin dafür ja nicht verantwortlich!” Keiner wäre danach verantwortlich. Und alle waren Widerstandskämpfer.

“Ich tue nur meinen Job!” Vom alten “Ich erfülle hier nur meine Pflicht” abgelöst durch die amerikanische “Leitkultur”. Die blinde Autoritätshörigkeit und ein diffuses Gefühl der Pflichterfüllung des deutschen, speziell des preußischen Beamtentums, die an sich schon Instrumente der Unterdrückung und Freiheitsberaubung waren, wurden abgelöst durch eine von aller Verantwortung gelöste neue Moral – die des bloßen Geldverdienens. Das Geldverdienen legitimiert alles. Ethische Werte und Überzeugungen zählen nichts. Der Zwang dazu setzt sich bis ins Innerste des Menschen durch. Die heutige Unterdrückung ist keine äußere, sie ist eine psychologische. Alles, was einer kalten, auf die Vermehrung des persönlichen Reichtums fixierten Zweckrationalität im Wege steht, soll ausgeräumt, alles sensible, alles mitmenschliche und solidarische, alles Schwache soll ausgemerzt werden. Die narzisstische Persönlichkeit ist gefangen zwischen grenzenloser Selbstüberschätzung und der Erfahrung von tatsächlicher relativer Ohnmacht. Dies führt zum Willen zur Verschmelzung mit dem herrschenden System.

“Es ist sein Beruf” Irgendwie kann man daraus noch das Wort “Berufung” ablesen. Eine Aufgabe, mit der man sich identifiziert, die einen Zweck erfüllt, einen Sinn hat und stiftet. Der fortgeschrittene Kapitalismus kennt diese Art von Erfüllung oder wirklicher Selbstverwirklichung durch einen bestimmten Beruf nicht. Selbstverwirklichung soll nur in einem gefüllten Bankkonto bestehen, alles andere steht dem Fortschritt im Wege.

“Es ist sein Job” ist das sprachliche Äquivalent zu einem amoralischen, einzig auf Verwertung ausgelegtem ökonomischen und gesellschaftlichen  System. In diesem muss man flexibel sein, alle, wirklich alle Aufgaben auszuführen, die einem befohlen werden, was nicht nur eine qualifikatorische, sondern bei vielen Aufgaben auch eine moralische Flexibilität verlangt. Wo wäre diese Gesellschaft, wenn sich kein Pressesprecher mehr für Monsanto, kein Lobbyist für die Rüstungsindustrie, kein Mediziner, der sich von der Tabaklobby kaufen ließe, kein Politiker, der den Dienst am Volk dem Dienst an seiner Karriere opfert, finden ließe?

Genug Geld rechtfertigt alle Tätigkeiten. Hauptsache, man wird bezahlt. Hauptsache, man “tut seinen verdammten Job”. Wo käme die Gesellschaft hin, wenn nicht jeder seinen Job täte? Wenn er seine Arbeitsweise oder die Aufgabenstellung hinterfragen würde? Wenn er gar eine moralische Rechtfertigung seines Tuns verlangen würde?

Das System ist mächtig, doch seine Macht beruht auch auf dem Einzelnen, der diese hinnimmt, sich dieser unterwirft. Gibt es wirklich kein richtiges Leben im falschen?

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