Der freie Markt als Ideologie

[D]ie Gedanken der Ökonomen und Staatsphilosophen [sind aber], sowohl wenn sie im Recht, als auch wenn sie im Unrecht sind, einflußreicher, als gemeinhin angenommen wird. Die Welt wird in der Tat durch nicht viel anderes regiert. Praktiker, die sich ganz frei von intellektuellen Einflüssen glauben, sind gewöhnlich die Sklaven irgendeines verblichenen Ökonomen. Verrückte in hoher Stellung, die Stimmen in der Luft hören, zapfen ihren wilden Irrsinn aus dem, was irgendein akademischer Scheiberling ein paar Jahre vorher verfaßte. Ich bin überzeugt, daß die Macht eworbener Rechte im Vergleich zum allmählichen Durchdringen von Ideen stark übertrieben wird. Diese wirken zwar nicht immer sofort, sondern nach einem gewissen Zeitraum; denn im Bereich der Wirtschaftslehre und der Staatsphilosophie gibt es nicht viele, die nach ihrem fünfundzwanzigsten oder dreißigsten Jahr durch neue Theorien beeinflußt werden, so daß die Ideen, die Staatsbeamte und Politiker und selbst Agitatoren auf die laufenden Ereignisse anwenden, wahrscheinlich nicht die neuesten sind. Aber früher oder später sind es Ideen, und nicht eigennützige (Gruppen-)Interessen, von denen die Gefahr kommt, sei es zum Guten oder zum Bösen.

Noch einmal möchte ich diese Stelle aus der “Allgemeinen Theorie der Beschäftigung, des Zinses und des Geldes” von John Maynard Keynes zitieren. Keynes zeigte als bekanntester Ökonom seiner Zeit die Unzulänglichkeiten und Defizite der neoklassischen Wirtschaftstheorie auf, deren Anhänger er selber lange Zeit gewesen war. Bis gegen Ende der 70er Jahre spielten Ideen von Keynes eine bedeutende Rolle. Die Idee aber, die danach in der wirtschaftspolitischen und wirtschaftswissenschaftlichen Debatte und Praxis dominant wurden, mit denen die meisten der heutigen Entscheidungsträger sozusagen aufgewachsen sind und von denen sie sich kaum lösen können, auch wenn sie sich, auch für sie selbst erkennbar als falsch erwisen haben, haben in vielen Punkten den Charakter von “wildem Irrsinn”, von starren Ideologien.

Es sind dies die Ideen, Theorien und Modelle der Neoklassik und des Neoliberalismus, die die Wirklichkeit ignorieren. So dient das “erste Wohlfahrtstheorem” der Neoklassiker, das besagt,  dass jedes Tauschgleichgewicht bei freiem Wettbewerb pareto-effizient ist, diesen als “schlüssiger Beweis” für die Gültigkeit von Adam Smiths “unsichtbarer Hand des Marktes” (wobei diese Aussage nicht auf Smith zurückzuführen ist). Dieser “Beweis” jedoch ist in Wirklichkeit nichts anderes als eine Ideologie: die fundamentalen Annahmen sind viel zu sehr an künstlich konstruierte, nicht in der Realität herstellbare Annahmen gebunden, um Gültigkeit oder Anwendbarkeit beanspruchen zu können. Der methodische Individualismus und das Bild des Menschen als Homo Oeconomicus sind wissenschaftlich nicht haltbar. Vielmehr ist es wohl so, dass die Anhänger der Neoklassik diesen ausschließlich egoistischen und in ihrem, im egosistischen, Sinne “rational” handelnden Menschen v. a. so haben wollen. Die von der Neoklassik vorausgesetzte Marktrationalität (Planübereinstimmung) der Wirtschaftssubjekte ist (als nachgeschoben unterstellte Rationalität)  problematisch, wenn sie in die Zukunft gerichtet ist (rationale Erwartung). Diese Vorstellung ist in der Realität nicht zutreffend. Warum wird sie dennoch von der neoklassischen Ökonomie vertreten? Auf ihr beruht ihr “Nachweis”, dass staaliches Eingreifen die Allokation nicht verbessern, sondern nur Störungen verursachen kann. Dieser “Nachweis” war die Intention des (nicht zutreffenden) Modells. Sich aber ein (nicht zuteffendes) Modell zu basteln, um einen politischen Zweck (kein Eingreifen des Staates in die Wirtschaft) scheinbar wissenschaftlich zu legitimieren, ist alles andere als ein wissenschaftliches Vorgehen.

Die Ansätze der Mainstream-Ökonomie können ideologisch gewendet werden. Möchte man nicht den Begriff der “Ideologie” verwenden, könnte man sagen, in ihnen herrscht eine wenig oder gar nicht reflektierte oder gar eine negierte Diskrepanz zwischen Vorstellung und Erfahrungswelt. Stimmen Theorie und Modelle nicht mit der Wirklichkeit überein, stört dies die überzeugten Verteter der orthodoxen Wirtschaftslehre nur in den seltensten Fällen. So wird etwa ein freier Wettbewerbsmarkt von ihnen als ein idealer Zustand angesehen, gleichzeitig aber propagieren sie die unveränderte Anwendung von Modellen, die für diesen (für sie) Idealzustand geschaffen wurden, für die Realität, in der dieser so, in reiner Form kaum existent ist (und dies oft auch nicht sein kann). Sie erleben die Diskrepanz zwischen Wunsch(vortellung) und Wirklichkeit nicht, da sie in einer, in ihrer Utopie leben, z.B. in der Utopie des freien Marktes, in einer konstruierten Wirklichkeit, die ihnen als Orientierungspunkt für Denken und Handeln dient.

Woher kommt dieser Mangel an Reflexion? Die Ideologiehaftigkeit der neoliberalen Lehre wird von ihren Anhängern zwar oft bestritten, die sich häufig auf angeblich “objektive Erkenntnisse” berufen und ihre Lehre oft als unwiderlegbar, als die eigentlich einzige überhaupt mögliche verstanden haben wollen. Ab er ab und zu gibt es Aussagen, die einigen Aufschluss erlauben. Alan Greenspan, bis Januar 2006 Vorsitzender der US-amerikanischen Notenbank, gab 2008 in einer Anhörung zur Finanzkrise vor dem US-Kongress zu, dass er, auch in seinen Entscheidungen als Notenbankchef, durchaus eine Ideologie vertreten habe, die Ideologie des freien Marktes. Er sei in Folge der Finanzkrise “geschockt” gewesen, dass die Voraussagen seiner Ideologie nicht zugetroffen habe. Er habe Probleme, die Finanzkrise wirklich zu verstehen (und kommt aber nicht etwa  auf die Idee, vielleicht einmal Minsky zu Rate zu ziehen – dieser würde nicht in seine Ideologie passen). Wohin diese Ideologie und ihr Versagen geführt hat, zeigte in aller Deutlichkeit die weltweite Finanz- und Wirtschaftskrise. Zur Verdeutlichung von Greenspans (ideologischen) Ansichten sollten wir einen Blick auf die Einflüsse, die auf ihn als junger Mann gewirkt haben, werfen. Grennspan war ein Schüler der US-amerikanischen Schriftstellerin ud Philosophin Ayn Rand. Diese und ihre zahlreichen Schüler forderten einen “rationalen Egoismus”. Sie vertaten einen radikalen Laissez-faire-Kapitalismus und wendeten sich gegen jegliche Sozialmaßnahmen. Doch am meisten Aufschluss über ihre Ideologie liefern die Romane Rands. In “Atlas wirft die Welt ab”  etwa gibt es am Ende den feierlichen Schwur “Ich schwöre, dass ich niemals zum Wohl eines Anderen leben werde und niemals von einem Anderen verlangen werde, für mein Wohl zu leben”. Am Ende erscheint, quasi als Zeichen der Erlösung und der zu erwartenden paradiesischen Zustände des grenzenlosen Egoismus, über den Menschen am Himmel ein $-Zeichen.

Von Ideen kommt Gefahr, zum Guten oder zum Bösen. Wenn dise Ideen Ideologien darstellen, die wissenschaftliche Erkenntnisse ignorieren, wenn sie eine Ideologie produzieren, die dalle Menschen als ausschließlich egoistisches Wesen sehen will, in der Gerechtigkeit, Solidarität, Mitmenschlichkeit bloße Hindernisse für das Durchsetzen des Einzelnen darstellen, dann fällt es schwer zu erklären, was diese zum Guten verändern sollten.

Dieser Beitrag ist inspiriert  durch und greift Aussagen auf aus dem Vortrag “Die optimale Allokation durch den Markt als Ideologie?” von Prof. Dr. G. M. Ambrosi (VWL) im Rahmen der Vortragsreihe “Zur politischen Kritik der Ökonomie” an der Universität Trier.

NACHTRAG (Links):

Ein guter Beitrag, der zeigt, wie Keynes eine sinkende Kapitalrendite voraussagte und erklärte – eine Annahme, die auch empirisch beobachtbar ist: Der kollektive Wahn der Anleger-Gesellschaft oder der Wunschtraum ewiger risikoloser Rendite (Blog ohne Namen)

Die Talkshow-Ökonomen fordern mal wieder Lohnzurückhaltung, angeblich rein pragmatisch und völlig unideologisch: Frei von Gesinnung (ad sinistram)

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Das Sein bestimmt das Bewusstsein: die Ideologiekritik von Karl Marx und Friedrich Engels

„Nicht die Taten sind es, die die Menschen bewegen, sondern die Worte über die Taten.“ (Aristoteles zugeschrieben)

Ist unser Denken wirklich frei? Von wem ist es beeinflusst? Können wir unser Denken und uns selbst befreien? Diese Fragen sind grundlegende Fragen der menschlichen Existenz, doch auch und v. a. der gesellschaftlichen Realität, seit Karl Marx sagte, dass nicht das Bewusstsein das Sein, sondern das Sein das Bewusstsein bestimmt. Ist unsere “freiheitliche” Gesellschaft wirklich freiheitlich für alle Menschen? Warum wird eine andere Gesellschaftsform kaum diskutiert, geschweige denn gewünscht?

Dies sind ein paar grundsäzliche Fragen der Ideologiekritik, und ich möchte hier darstellen, was diese bedeutet anhand des Beispiels, wie Karl Marx als der Begründer der Ideologiekritik diese Fragen beantwortet hat.

(In einem folgenden Beitrag möchte ich dann betrachten, wie die Kritische Theorie, die den Marxismus erneuern will, so dass er für die heutigen Gesellschaften anwendbar ist, dies sieht und welche “Aktualisierungen” der klassischen Marxschen Theorie sie hier vorgenommen hat. Als Beispiel soll dann Herbert Marcuse mit seiner Kritik der Eindimensionalität dienen).

Ideologiekritik und Materialismus

Auf einer gewissen Stufe ihrer Entwicklung geraten die materiellen Produktivkräfte der Gesellschaft in Widerspruch mit den vorhandenen Produktionsverhältnissen oder, was nur ein juristischer Ausdruck dafür ist, mit den Eigentumsverhältnissen, innerhalb deren sie sich bisher bewegt hatten. Aus Entwicklungsformen der Produktivkräfte schlagen diese Verhältnisse in Fesseln derselben um: Es tritt dann eine Epoche sozialer Revolution ein. Mit der Veränderung der ökonomischen Grundlage wälzt sich der ganze ungeheure Überbau langsamer oder rascher um. In der Betrachtung solcher Umwälzungen muss man stets unterscheiden zwischen der materiellen, naturwissenschaftlich treu zu konstatierenden Umwälzung in den ökonomischen Produktionsbedingungen und den juristischen, politischen, religiösen, künstlerischen oder philosophischen, kurz, ideologischen Formen, worin sich die Menschen dieses Konflikts bewusst werden und ihn ausfechten.

In der gesellschaftlichen Produktion ihres Lebens gehen die Menschen bestimmte, notwendige, von ihrem Willen unabhängige Verhältnisse ein, Produktionsverhältnisse, die einer bestimmten Entwicklungsstufe ihrer materiellen Produktivkräfte entsprechen. Die Gesamtheit dieser Produktionsverhältnisse bildet die ökonomische Struktur der Gesellschaft, die reale Basis, worauf sich ein juristischer und politischer Oberbau erhebt und welcher bestimmte gesellschaftliche Bewußtseinsformen entsprechen. Die Produktionsweise des materiellen Lebens bedingt den sozialen, politischen und geistigen Lebensprozess überhaupt. Es ist nicht das Bewußtsein der Menschen, das ihr Sein, sondern umgekehrt ihr gesellschaftliches Sein, das ihr Bewußtsein bestimmt. (Karl Marx: Zur Kritik der Politischen Ökonomie, Vorwort, 1859, MEW 13, S. 7-11.)

Die Kritik des Bestehenden begann bei Karl Marx und Friedrich Engels als Kritik des Bewusstseins. Erst Marx und  Engels haben „Ideologie“ zu einer politischen Theorie ausgebaut, und diese durchzieht ihr Werk. Die Lehre von der Ideologie ist also auch eines der wichtigsten Elemente der materialistischen Geschichtsauffassung, die Erkenntnis der Widerspiegelung des gesellschaftlichen Seins der Menschen in ihrem Bewusstsein eine ihrer zentralen Aussagen. Auch wenn die Voraussagen des historischen Materialismus sich als falsch erwiesen haben, kann doch die Ideologiekritik als philosophische Idee durchaus weiter existieren.

Wurzeln des Ideologiebegriffs von Marx und Engels sind Kritik an Hegels  Philosophie, v. a. seiner Staatsphilosophie (die Hegelsche Vorstellung von Geschichte als Werk von Ideen ist für Marx Verkehrung im Bewusstsein der deutschen Ideologen als theoretischer Ausdruck der Verselbstständigung der Waren; Menschen sind für Marx der alleinige Träger der historischen Entwicklung), an Feuerbachs Anthropologie und an der klassischen Nationalökonomie (etwa Adam Smith oder David Ricardo). Die Geschichte der Philosophie habe sich laut Engels durch die Erkenntnisse von Marx und ihm weitgehend als Geschichte der Ideologie erwiesen.

Bewusstsein als gesellschaftliches Produkt

Das Bewusstsein des Menschen ist bei ihnen von vornherein gesellschaftliches Produkt. Ideologien sind falsches Bewusstsein im Sinne gesellschaftlich notwendigen Scheins, können nicht bewusst inszeniert werden und sind – da gesellschaftlich erzeugt -notwendiger Ausdruck wirtschaftlicher und politischer Verhältnisse.

Die Produktion der Ideen, Vorstellungen, des Bewusstseins ist zunächst unmittelbar verflochten in die materielle Tätigkeit der Menschen, Sprache des wirklichen Lebens. Das Vorstellen, Denken, der geistige Verkehr der Menschen erscheinen hier noch als direkter Ausfluß ihres materiellen Verhaltens. Von der geistigen Position, wie sie in der Sprache der Politik, der Gesetze, der Moral, der Religion, Metaphysik usw. eines Volkes sich darstellt, gilt dasselbe. Die Menschen sind die Produzenten ihrer Vorstellungen, Ideen pp, aber die wirklichen, wirkenden Menschen, wie sie bedingt sind durch eine bestimmte Entwicklung der Produktivkräfte (…) Das Bewußtsein kann nie etwas Andres sein als bewusste Sein, und das Sein der Menschen ist ihr wirklicher Lebensprozeß. Wenn in der ganzen Ideologie die Menschen und ihre Verhältnisse wie in einer Camera Obscura auf den Kopf gestellt erscheinen, so geht dies Phänomen ebenso sehr aus ihrem historischen Lebensprozeß hervor, wie die Umdrehung der Gegenstände der Netzhaut aus ihrem unmittelbar physischen“. (Karl Marx und Friedrich Engels: Die deutsche Ideologie – Kritik der neuesten deutschen Philosophie in ihren Repräsentanten, Feuerbach, B. Bauer und Stirner, und des deutschen Sozialismus in seinen verschiedenen Propheten, 1845-1846.)

Entfemdung, Verdinglichung und Warenfetischismus

Entfremdung ist eine für den Produzenten von Waren, den Arbeiter, als unterjochende Herrschaft der Waren, seiner vergegenständlichten Arbeit, fühl- und erfahrbare Erscheinung der kapitalistischen Produktionsverhältnisse und -bedingungen. Durch industrielle Produktion und Arbeitsteilung habe die Arbeit für den Proletarier jeden selbstständigen Charakter verloren, er werde „Zubehör der Maschine“, „Arbeitsinstrument“ und produziere eine ihm fremde, ihn aber beherrschende Macht.

Warenfetischismus als wesentliches Element der Entfremdung bedeutet eine Verzerrung von Subjekt und Objekt, die Herrschaft der Produkte über den Produzenten: gesellschaftliche Phänomene verselbstständigen sich von ihren Entstehungsbedingungen („Verdinglichung“, „Versachlichung“). Diese erscheinen als allgemeingültig. Die Produkte der menschlichen Arbeit werden nur noch im Tauschwert (der sich im Preis ausdrückt), nicht mehr im Gebrauchswert (der Nützlichkeit) der Dinge erfahren, und dies hat Auswirkungen auf das Bewusstsein. Arbeitsprodukte, Dinge erhalten als Waren eine gesellschaftliche Beschaffenheit. Die Ware spiegelt den Menschen die gesellschaftlichen Eigenschaften ihrer eigenen Arbeit als Eigenschaften des Arbeitsprodukts selber, als natürliche Eigenschaften dieser wider.

Ideologie als falsches Bewusstsein

Sozusagen Gegenstück zu der ökonomischen Entfremdung (als totales Fremdsein von sich selbst, Mitmenschen, Arbeit, Natur, Gesellschaft und Transzendenz) sind „ideologische Nebelbildungen“ scheinbar ewiger Ideen (die auch zu selbstständigen Mächten verdinglicht werden) und Prinzipien. Produkte des menschlichen Geistes scheinen mit eigenem Leben ausgestattete selbstständige Gestalten. Wirklichkeit wurde und wird bei  Marx und Engels (unbewusst) verzerrt widergespiegelt. Die Basis des Kapitalismus reproduziert sich, die Bewusstseinsprozesse überwinden den Rahmen der Gesellschaft nicht und werden bürgerliches Bewusstsein. Ideologie ist mit Lage und Interessen der herrschenden Klassen verknüpft, sie stützt deren Macht und lähmt die politische Kraft derer, die sie über ihre Lebensverhältnisse täuscht.

Ideologie ist ein Prozeß, der zwar mit Bewußtsein vom sogenannten Denker Vollzogen wird, aber mit einem falschen Bewußtsein. Die eigentlichen Triebkräfte, die ihn bewegen, bleiben ihm unbekannt; sonst wäre es eben kein ideologischer Prozeß. (Aus einem Brief von Friedrich Engels an Frank Mehring.)

Während in den Frühschriften von Marx Ideologien von aller Realität losgelöste metaphysische Gedanken sind, sind sie in den ökonomischen Schriften mit falschem, der (ökonomischen) Wirklichkeit nicht entsprechendem Bewusstsein identisch  (idealistisch-spekulatives als Grundzug bürgerlichen Denkens sei Ideologie). Im Historischen Materialismus hat ideologisches Bewusstsein eine Tendenz, gegenüber dem materiellen Unterbau selbstständig zu werden und durch einen Rückkopplungsprozess das gesellschaftliche Sein wiederum zu bestimmen.

… es kommt aber darauf an, sie zu verändern

Die Philosophen haben die Welt nur verschieden interpretiert; es kommt darauf an, sie zu verändern. (Karl Marx: Thesen über Feuerbach., 1845, MEW 3, S. 7.)

Die (ideologischen) Philosophen der Vergangenheit hatten die materiale Basis ihrer Ideologie nicht erkannt. Es soll dagegen bei der  Ideologiekritik von Marx und Engels nicht nur bei Erkenntnis des falschen Bewusstseins bleiben – die gesellschaftlichen Ursachen sollen angetastet werden. Ideologiekritik und Basis-Überbau-Konstruktion sind in ein politisches Programm eingebunden.

Über Stärken und Schwächen dieses politischen Programms zu sprechen, ist ein anderes Thema. Fest steht, dass  Karl Marx und Friedrich Engels mit dem historischen Materialismus und seiner Aussage, dass das Sein das Bewusstsein bestimt, die Philosophie revolutioniert haben. Um das zuzugestehen, muss man kein orthodoxer Marxist sein.

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