Abwahnrecht

Stefan Niggemeier zeigt an ein paar Beispielen den ganzen Wahnsinn der Praxis von Abmahnungen in Deutschland, die dem Prinzip der Meinungsfreiheit oft völlig zuwider läuft.

Woher kommt der Gedanke, dass man Dinge, die einem nicht gefallen, mit der Hilfe von Anwälten und Gerichten aus der Welt schaffen lassen kann? Wenn das nicht mit Meinungsfreiheit gemeint ist: dass Leute frei finden und sagen können, an wen ich sie erinnere, egal wie ungerecht mir das erscheinen oder wie unvorteilhaft das für mich sein mag — was denn dann? (…)

Für erstaunlich viele Menschen, Gruppen und Unternehmen scheint es ganz normaler Bestandteil des Repertoires einer Auseinandersetzung zu sein, anderen ihre Äußerungen zu verbieten. Das ist nicht nur ein juristisches Problem, sondern auch ein gesellschaftliches und kulturelles. (…)

Natürlich gibt es Fälle, in denen es legitim ist oder sogar notwendig sein kann, Veröffentlichungen verbieten zu lassen (und es haben nicht einmal alle dieser Fälle mit der „Bild”-Zeitung zu tun). Aber müsste das in einer freiheitlichen Gesellschaft nicht das letzte Mittel sein? Eine drastische Maßnahme für besonders drastische Fälle — anstatt ein Routinewerkzeug in jeder Auseinandersetzung? Es ist völlig das Bewusstsein dafür abhanden gekommen, was für ein einschneidender Schritt das ist: jemandem zu verbieten, etwas zu sagen.

Das deutsche Abmahnrecht ist längst zu einem wirkungsvollen Zensurmittel verkommen, durch das mächtige und v.a. finanzstarke Unternehmen oder Organisationen alle ihnen unliebsamen Meinungsäußerungen und auch wahre Tatsachenbehaupungen zu unterlassen quasi erpressen können, will man nicht einen jahrelangen und extrem teuren Rechtsweg auf sich nehmen, zudem mit äußerst ungewissem Ausgang. Denn die Rechtssprechung, v.a. die eines Gericht in einer deutschen Hansestadt landet, ist inzwischen berüchtigt. Abmahnunrecht wäre wohl ein passenderes Wort. Auch gerne dabei mit Abmahnungen: die Katholische Kirche. Und sie geht sogar noch weiter als viele andere, auch das hat Stefan Niggemeier jetzt erfahren. Will sie nach Jahrhunderten endlich wieder zum Vorreiter der Verdunklung der Wahreheit auftreten? Erfahrung hat sie ja. Und das Abmahnunrecht bietet ihr jetzt quasi alle Mittel dazu.

Die Diözese Regensburg hat nun auch mich abgemahnt. Sie geht also nicht mehr nur gegen Artikel über ihr Verhalten im Zusammenhang mit dem Kindesmissbrauch eines Pfarrers vor elf Jahren vor. Sie geht auch gegen Artikel vor, die darüber berichten, wie sie gegen diese Artikel vorgeht. (…)

So umfassend ist also das Schweigen, das das Bistum Regenburg gerichtlich erzwingen will. Es geht ihr offenkundig nicht nur um eine (richtige oder falsche) Aufbereitung der Ereignisse von 1999. Es geht ihr offenkundig darum, das Thema insgesamt aus der Öffentlichkeit herauszuklagen.

Einzig das Bundesverfassungsgericht ist anscheinend regelmäßig die letzte Bastion der Vernunft im ausartenden Abm/wahnsinn. Und doch, wenn erst das BVerfG feststellen muss, dass das Persönlichkeitsrecht eines Menschen “seinem Träger keinen Anspruch darauf vermittelt, öffentlich nur so dargestellt zu werden, wie es ihm selbst genehm ist”, wie weit ist es dann mit der tatsächlichen Praxis eines formalen Rechtsstaats gekommen? Wie kann daran überhaupt jemand zweifeln?

Auch CARTA beschäftigt sich in einer Artikelserie mit anderen Aspekten der deutschen Abmahnpraxis. Bisher erschienen: Abmahnrepublik Deutschland (I), der die Auswüchse der Abmahnungen anschaulich darstellt und für eine Allianz gegen die Pervertierung des Abmahnrechts plädiert, und Wie man aus Schülern Geschäftsleute macht. Teil II der Serie „Abmahnrepublik“, der zeigt, wie sich die Politik  bei der Gesetzgebung zur Durchsetzung von Rechten des geistigen Eigentums von Lobbys und Klientelgruppen beeinflussen ließ und wie aus diesem Gesetz eine vollkommen widersinnige Rechtssprechung resultierte.

Und der rauskucker demonstriert, wohin die ausartende Abmahnpraxis und freiheitsfeindliche Rechtsprechung noch führen könnte. Zwar als Satire, aber leider wohl gar nicht mehr so unrealistisch:

Der Moppedclub “Hells Angels” ließ ein Verbot des Begriffs “Rockerbande” verfügen.
Osama Bin Laden setzte durch, daß seine Al Kaida nicht mehr als “Terrornetzwerk” und ihre Arbeit nicht mehr als “Terroranschläge” bezeichnet werden durften.
Die NPD ließ (in ihrer Eigenschaft als Rechtsnachfolgerin der NSDAP) die Wörter “Holocaust”,”Shoah”, “Völkermord” und “Angriffskrieg” verbieten, ebenso alle Bezeichnungen für A. Hitler (wie z.B. “Diktator”), außer dem korrekten “Reichskanzler”, bzw. “Führer”.
Der Hamburger Zensurrichter Andreas Buske erreichte, daß der Ausdruck “Zensur” in allen Abwandlungen und Kombinationen nicht mehr verwendet werden durfte.

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Sprecht Mixa heilig!

Der bayerische Landtagsvizepräsident Franz Maget (SPD) fordert, dass Walter Mixas sein Amt als Bischof niederlegen soll. Und auch Renate Künast, Fraktionsvorsitzende der Grünen im Bundestag, fordert einen Rücktritt Mixas. Mixa hat inzwischen zugegeben, Kinder und Jugendliche geschlagen zu haben. Ohrfeigen seien noch vor 20 oder 30 Jahren “vollkommen normal” gewesen, so Mixa. Zuvor hatte er beteuert, dass er niemals körperliche Gewalt gegenüber Kindern und Jugendlichen angewandt und ein “reines Herz” habe. Zudem wird Mixa vorgeworfen, dass er aus Mitteln einer Waisenhausstiftung Kunstgegenstände für das Pfarrhaus gekauft habe, darunter einen Kupferstich für 43.000 DM (der nebenbei höchstens 4.000 Euro wert gewesen sei und den er von einem Freund gekauft habe).

Ein anderer katholischer Bischof, Richard Williamson, wurde unterdessen wegen Volksverhetzung zu einer Geldstrafe von 10.000 Euro verurteilt. Die Verteidigungsstrategie war, dass Williamson ja schließlich den schwedischen TV-Mitarbeitern gesagt habe, dass der Beitrag, in dem er den Holocaust leugnet, nicht in Deutschland gezeigt werden dürfe. Na dann!

Mixa soll also zurücktreten? Nein, der soll mal schön bleiben. Mehr noch: Die Kirche soll ihn verteidigen, soll ihn ehren, soll ihn noch zu Lebzeiten heilig sprechen. Damit es auch den Letzten klar wird, dass die Kirche ein Hort von autoritären, reaktionären, bigotten, wütenden Männern ist, die statt Nächstenliebe Hass predigen, die Unterwerfung und blinden Gehorsam fordern und hinter der frömmelnden Fassade Ansichten vertreten, die schon im 19. Jahrhundert veraltet und erschreckend wirkten. Sie sollen ruhig weiter Militärseelsorge betreiben, weiter gegen Frauen und Homosexuelle hetzen, weiter gegen Modernität und Liberalismus eintreten. Sie sollen weiter die, die sich für eine Modernisierung der Kirche einsetzen, exkommunizieren. Sie sollen die Pius-Brüder aufnehmen und die Befreiungstheologen ausschließen.

Sie sollen predigen, dass das Bestehende gerecht ist und man sich gehorsam dem Willen Gottes, seiner Stellvertreter und der Staatsmacht fügen soll, dass auch die schlimmste Ungerechtigkeit unveränderlich ist und dass das ganze Leid der Welt einen Sinn hat und einem göttlichen Plan gehorcht, und dass den Sündern ewige Verdammung und ewige Qualen drohen. Ja, sie sollen sagen, dass Homosexuelle kranke Perverslinge sind, dass Frauen weniger wert sind als Männer, dass Verhütung Mord ist und dass Kriege gegen die Ungläubigen von Gott gewollt sind. Sie sollen sagen, dass man Kinder manchmal schlagen muss als eine gerechte Strafe des Herrn, und sie sollen dabei von einem reinen Gewissen sprechen, ja, sie sollen gar ein reines Gewissen haben. Sie sollen sagen, dass diese elenden 68er-Gutmenschen schuld an Kindesmissbrauch sind. Sie sollen heucheln und lügen. Sie sollen alle moralischen Werte und Ansprüche ihrer eigenen Religion ad absurdum führen.

Dann bleiben von ihren Anhänger vielleicht irgendwann nur noch die Hardliner übrig, zu denen ihre Funktionäre gehören. Und dann werden die Kirchen endlich eine so unbedeutende Rolle spielen, wie sie sie in einer laizistischen – und v.a. einer aufgeklärten Gesellschaft – spielen sollten. Versuche derjenigen, die wirklich moralische Werte vertreten, die Kirche zu reformieren, mögen ehrenvoll sein – ich glaube aber nicht, dass sie noch Erfolg haben werden. Zu den eifrigsten Kirchenerneuerern des Zweiten Vatikanischen Konzils zählte Joseph Ratzinger, der jetzige Papst Benedikt XVI.

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Ganz lahme Aprilscherze

Heute, zum 1. April, warten wieder einige Medien mit mehr oder weniger lustigen Falschmeldungen auf. Aber manche dieser angeblichen Nachrichten sind schon so offensichtlich erfunden, dass es nicht schwer fällt, sie als Aprilscherze zu enttarnen.

Da werden wirklich die abenteuerlichsten Geschichten aufgetischt. Angeblich gibt es z.B. einen neuen Verdacht auf illegale Parteifinanzierung – gegen die FDP!!! Mein Gott, jede Partei, aber doch nicht die FDP! Nein, ganz im Gegenteil, die FDP tut sogar etwas gegen Korruption in anderen Ländern: die afghanische Regierung soll die Korruption stärker bekämpfen, wenn sie mehr Hilfsgelder von Deutschland erhalten will (außerdem will Dirk Niebel die deutsche Hilfe nur noch dort leisten, wo auch die Bundeswehr – nun sagen wir tätig ist. Hilfsorganisationen sollen nur gefördert werden, wenn sie mit der Bundeswehr zusammenarbeiten. Aber das bedeutet natürlich nicht eine Militarisierung der Entwicklungshilfe! Nein!!). Wenn man da von jemandem lernen kann, dann von der FDP!!1! Und natürlich bei den Steuern:

Und weil es an Bord auch nicht ganz so ernst zu gehen soll, probiert Niebel noch den ein oder anderen Witz. “Wir zeigen denen noch wie sie Steuereinnahmen bekommen”, sagt Niebel und meint die afghanische Regierung. Und er rundet die Anspielung auf die deutsche Debatte um Steuersenkungen noch ab: “Wir sind ja nicht generell gegen Steuern.” Niebel grinst.

Ein wahrlich köstliches Bonmot! Beim Thema Steuern sind aber auch andere Parteien zu Scherzen aufgelegt: die CDU-Mittelstandsvereinigung sagt, sie wünsche sich beim Thema Steuersenkungen weiter klare Worte von der FDP. Diese müsse dabei “Treiber der schwarz-gelben Koalition sein” sein und auf ihrer Forderung nach schnellen Steuersenkungen beharren. Sehr lustig, CDU! Damit wollt ihr der FDP wohl den Rest geben. Mit Leuten (oder Parteien), die am Boden liegen, treibt man nicht solch üble Späße!

Oder noch einmal zurück zur Korruption: Man ist sich tatsächlich nicht für einen so billigen Scherz zu schade, zu behaupten, dass derzeit strafrechtliche Verfahren in über hundert Fällen gegen Mitarbeiter von verschiedenen Bundesministerien wegen Verdachtes auf Korruption laufen würden! Korruption!?! Bei unseren Ministerien!?!!So etwas von unglaubwürdiges habe ich ja selten gelesen (außer gerade die Sache zur FDP)!! Nein nein, liebe Presse, da müsst ihr schon etwas kreativer sein!

Oder der: der Heilige Vater muss sich angeblich billiger juristischer Tricks bedienen: seine diplomatische Immunität als Staatsoberhaupt des Vatikans müsse herhalten, damit er nicht vor einem US-amerikanischen Gericht erscheinen muss (dort gibt es eine Sammelklage, in der der katholischen Kirche vorgeworfen wird, sie habe Missbrauchsfälle toleriert). Als ob der Stellvertreter Gottes auf Erden so etwas nötig hätte!!1! Und als ob er als Verkünder der Botschaft Jesu Christi nicht für das Wahre und Gute stehen würde! Oder das: ausgerechnet DER Botschafter der Toleranz, Versöhnung und Nächstenliebe, Walter Mixa, soll Kinder geschlagen haben? Als ob das irgendjemand glaubt!!!1 Sehr souverän ist dagegen der Umgang der Kirche, die sich “ausdrücklich zivilrechtliche und strafrechtliche Schritte” vorbehält!

Nein, das ist doch alles viel zu offensichtlich!!1! Das hält doch niemand für bare Münze. Aprilscherze müssen subtiler sein! Bei diesen Meldungen muss man doch höchstens mal ganz kurz leise verstohlen schmunzeln.

http://www.youtube.com/watch?v=zj23pMdQBZ8

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