Wie zuverlässig ist der Wahl-O-Mat?

WahlomatDer Wahl-O-Mat zur Bundestagswahl 2009 hatte einige Kritik ausgelöst (siehe darunter etwa einen Artikel im Standard, in dem auch ein Beitrag dieses Blog zitiert wurde). So landete etwa bei vielen eher links eingestellten Personen die NPD noch vor FDP und CDU/ CSU. Dies lag daran, dass politisch linke und grüne Positionen zu extrem dargestellt wurden. Die Fragenauswahl bevorzugte Parteien des rechten Randes überproportional, die Fragenstellung benachteiligte SPD, Grüne (und schwächer Die Linke).

Wie ist nun der Wahlomat zu der Bundestagswahl 2013 gestaltet? (more…)

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Wen wählen? – der bessere Wahlomat?

Der Wahlomat der Bundeszentrale für politische Bildung zur Bundestagswahl 2009 hat ja einige Schwachstellen. Ein Team um Alvar Freude hat einen Versuch gestartet, es besser zu machen. Auf http://www.wen-waehlen.de/ kann man seine poliischen Positionen nicht nur mit denen der Parteien , sondern auch mit denen der Bundestagsdirektkandidaten vergleichen.

Man kann sehen, wie die Bundestagskandidaten zu politischen Thesen stehen. Außerdem kann man (auf einer Skala von -5 bis +5) entscheiden, ob man bestimmte Kandidaten wählen würde (wodurch sich auch eine „Top oder Flop“-Liste als „Wählbar?“ oder „Nichtwählbar?“ ergibt). Weiterhin gibt es die Möglichkeit zu vergleichen, wieviele Kandidaten einer bestimmten Partei wie zu den jeweiligen Thesen geantwortet haben.

Beim Vergleich mit Parteien und Kandidaten kann man zunächst gewichten, wie wichtig einem bestimmte Werte und Ziele sind und im zweiten Teil bestimmte Thesen bewerten.

Bei den Werten und Zielen gibt es ingesamt eine recht gute Auswahl. Es handelt sich dabei um eher längerfristige und übergeordnete politische Konzepte und Ideen, z.B. „wirtschaftliche Freiheit“ oder „Solidarität und soziale Absicherung“. Die Punkte „Bildung“ und „Forschung und Förderung moderner Technologien“ hätte vielleicht zusammengefasst werden können. Man vermisst aber Punkte z.B. zum Themenbereich „Krieg und Frieden“. Und eher konservative Werte/ Einstellungen fehlen hier (Nation, Familie, Religion), die man vielleicht zu einer besseren politischen Zuordnung doch hätte aufnehmen sollen. Bei den Sternen wäre noch hilfreich, wenn da geschrieben wäre, wie viele es sind.

Beim nachflgenden 2. Abschnitt mit den politischen Thesen hat man die Möglichkeit, 56 politische Thesen mit „Nein!“, „Eher nicht“, „Unentschieden“, „Eher Ja“ oder „Ja“ beantworten. Diese Möglichkeit ist schon einmal deutlich besser als beim Wahlomaten „stimme zu“, „stimme nicht zu“ oder „neutral“. Außerdem kann man Thesen als „besonders wichtig“ kennzeichnen.

Die Thesen umfassen dabei fast alle politischen Bereiche. So gibt es 3 Thesen zum Bereich Außenpolitik, 4 zum Bereich Inneres/ Innere Sicherheit, 4 zum Bereich Steuern/ Finanzen, 5 mal wirtschaftspolitische Thesen, 7 zu Arbeit/ Soziales, 4 zu Umwelt und Energie, 3 zu Landwirtschaft, 2 mal Verbraucherschutz, 5 zur Netzpolitik, 3 mal im Bereich Medien/ Kultur, 3 zu rechtspolitischen Themen, 2 zu Verteidigung, 4 zur Familienpoliik, 2 mal Bildung und je 1 mal Forschung, Verkehr, direkte Demokratie, Förderalismus und Drogenpolitik.

Einzig der Bereich der Entwicklungspolitik wurde leider weggelassen. Etwas zu viel Gewichtung wurde vielleicht auf den Bereich Netzpolitik und Medien, etwas zu wenig auf Außenpolitik gelegt. Aber insgesamt ist eine sehr gute Auswahl gelungen.

Die Thesen sind meistens recht gut, verständlich und eindeutig formuliert und kurz erläutert. Nur bei These 9 sehe ich vielleicht einen gewissen Widerspruch „Die Gehälter von Managern sollen begrenzt werden. Hier sind verschiedene Arten denkbar, u.a. durch steuerliche Modelle, die extrem hohe Einkommen, Bonuszahlungen oder Abfindungen unattraktiv machen“: begrenzen ist nicht gleich unattraktiv machen. Bei These 32 hätte man vielleicht noch eine eventuelle Steuerfinanzierung ansprechen können. Aber im Vergleich zu der Fragestellung zum Wahlomaten wurde hier deutlich mehr Sorgfalt walten lassen.

Schade ist noch, dass von den Parteien nur CDU/ CSU, SPD, FDP, Grüne, LINKE, PIRATEN, ödp und BüSo und auch nicht alle Direktkandidaten die Thesen beantwortet haben (was man aber natürlich nicht den Machern vorwerfen kann).

Das innovative an “Wen Wählen?” ist, dass man die Meinungen der einzelnen Kandidaten und nicht nur der Parteien vergleichen kann. Die Vorteile für eine Entscheidung, wem man seine Erststimme gibt, sind offensichtlich. Auch nach der Wahl kann man hier gut Positionen von vor und nach der Wahl vergleichen. Demokratisierende Möglichkeiten des Netzes werden hier gut genutzt. Es gibt hier deutlich mehr Thesen als beim Wahlomaten und es werden mehr Themenbereiche angesprochen. Es gibt weniger absolute Formulierungen, eine klarere Zuordnung ist besser möglich als beim Wahlomaten.

Insgesamt scheint Wen Wählen? ein deutlich besseres Mittel als Hilfe zur politischen Entscheidungsfindung als der Wahlomat.

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Der neue Wahlomat – schlecht gemacht und tendenziös

Der Wahlomat zur Bundestagswahl 2009 der Bundeszentrale für politische Bildung ist nun endlich online. Ich habe den Wahlomaten schon seit Jahren jedesmal ausprobiert. Bisher fand ihn zwar auf keinen Fall ein ausreichendes Mittel zur politischen Entscheidungsfindung. Jedoch schien er immer relativ gut gemacht, die Fragen deckten wichtige Bereiche ab und waren recht gut formuliert und die Ergebnisse vielen erwartungsgemäß aus (es sei hier gesagt – Lesern dieses Blogs wird es sowieso kein Geheimnis sein – mit der Linken, der SPD, den Grünen und bei den letzten Wahlen der Piratenpartei auf den vorderen Plätzen, gefolgt von Union und FDP, und den rechten Parteien weit abgeschlagen auf den untersten).

So ist es diesmal nicht. Diesmal fallen bei mir die Ergebnisse etwas anders aus als bei allen anderen Wahlomaten zuvor. Die NPD etwa landete noch vor CDU/CDU und FDP. Und auch bei anderen Leuten, die dem “linken Lager” angehören, sah es ähnlich aus. Sind wir alle seit der Europawahl plötzlich zu Nazis geworden? Oder nur so einfach unglaublich dumm? Schwer vorstellbar. Ich habe diesmal vielmehr stark den Eindruck, dass politisch linke und grüne Positionen zu extrem dargestellt werden. Es lohnt dabei zur Verifizierung sich ein genauerer Blick auf einige “Thesen” des Wahlomaten:

These 3: “Die Bundeswehr soll sofort aus Afghanistan abgezogen werden.”

Würde es nicht reichen, dass “sofort” wegzulassen? Denn dies wäre ein durchaus überhastetes Manöver, dass ja auch die neue US-Regierung unter Präsident Obama nicht gutheißt. Ein Zeitplan zum Abzug könnte deulich sinnvoller erscheinen (was z.B. die Grünen fordern, die aber bei dieser Fragestellung keinen Punkt erhalten würden, wenn man nicht für einen sofortigen Abzug ist).

These 5: “Unternehmen sollen über die Höhe von Managergehältern frei entscheiden können.”

Natürlich sollen sie das. Das bestreitet auch Die Linke z.B. nicht. Sie will eine Verringerung steuerlicher Vergüstigungsmöglichkeiten. Ihre Antwort wird hier trotzdem als “nein” gewertet. Die SPD will eine stärkere Orientierung am langfrsitigen Erfolg des Unternehmens und eine Begrenzung der steuerlichen Absetzbarkeit von Managergehältern. Ihre Antwort wird als “ja” gewertet. Ähnliche Positionen werden entgegengesetzt gewertet.

These 9: “Ausnahmsloses Verbot von Tierversuchen.”

In erster Linie stehen doch die Tierversuche aus kosmetischen (nicht medizinischen) Gründen in der Kritik. Die Position der Grünen “Tierversuche sollen nur noch dann durchgeführt werden dürfen, wenn sie unerlässlich sind und es keine Alternative gibt, um die Gesundheit von Mensch, Tier und Umwelt zu schützen. Und wenn dabei keine Tiere gequält werden.” (ähnlich bei der Linken – beide Positionen werden als “ja” gewertet”) erscheint mit dabei unterstützenswert. Falls Tierversuche als letztes Mittel zur Therapie schwerer Krankheiten anzusehen sind, sind sie für mich zu befürworten. Das sagen ja auch die Grünen ähnlich, die SPD sagt es so: “Wir wollen Tierversuche deutlich reduzieren und auf das wirklich unerlässliche Maß beschränken” , und ihre Antwort wird als “nein” gewertet.

These 11: “Handelsbeziehungen mit Staaten, die Menschenrechte missachten, sollen eingestellt werden.”

Keine Partei (!) stimmt dieser Frage in dieser Formulierung laut dem Wahlomaten zu. Weil sie viel zu drastisch ist. Ich habe in diesem Blog schon öfter geschrieben, dass eine stärkere Orientierung an Good Governance-Kriterien in vielen Fällen sinnoll sein kann. Aber ein kompletter Abbruch des Handels? Etwa auch zu China z.B.? Unter Bush jr. hätte das (spätestens seit 2002) ja auch für die USA gelten müssen. Außerdem werden Chancen für die Entwicklung von Fortschritt und Demokratie durch Beteiligung am internationalen Handel und Integration in die Weltwirtschaft und dadurch immer mehr in die Weltgemeinschaft, wie sie etwa für China beobachtet werden, durch diese Frage ignoriert.

These 18: “Die Türkei soll die Vollmitgliedschaft in der EU erhalten.”

Die obligatorische Frage für die Nationalkonservativen übersieht Antworten wie “sobald sie die Kopenhagener Kriterien im Hinblick auf eine demokratische und rechtsstaatliche Ordnung, auf die Wahrung der Menschenrechte sowie die Achtung und den Schutz von Minderheiten in vollem Umfang erfüllt.” (bei der Linken, ähnlich bei der SPD, deren Antworten also pauschal als “ja” gewertet werden).

These 23: “Christliche Werte sollen das Leitbild deutscher Politik sein!”

Welche christlichen Werte? Die ursprünglichen wie Nächstenliebe? Oder das, was die Kirchen daraus gemacht haben? Mit vielen Aussagen könnten sich auch bestimmt Wähler von anderen Parteien außer Union und Republikanern (Antworten als “Ja” gewertet) anfreunden.

These 33: “Generelles Verbot von Rüstungsexporten deutscher Firmen.”

Hier wäre diese Forderung ja nun wohl v.a. für Staaten, die die Menschenrechte missachten, zu unterstützen. Jedoch wird so eine Meinung (wie bei der SPD: “Wir stehen zu einer restriktiven Rüstungskontrollpolitik. Rüstungsexporte in Krisengebiete und eine Aufweichung der rüstungsexportpolitischen Grundsätze lehnen wir ab.”) als “nein” gewertet und daher genauso wie die der gewissenlosen Rüstungslobbyisten á la “Lord of war”, um es überspitzt auszudrücken.

These 38: “Die Demokratie, die wir in der Bundesrepublik haben, ist die beste Staatsform.”

Was ist z.B., wenn man die Form in der Schweiz besser findet? Wird man bei dem Wahlomaten mit den Republikanern (!) in einen Topf geworden? Oder muss man gar genauso wie  die Rechtsextremen der NPD antworten mit “nein”?

Auch andere Fragen sind zu absolut formuliert oder einfach Schwachsinn, dem nur radikale Randgruppen zustimmen würden (wie These 4: Austritt aus der EU, oder These 21: Wiedereinführung der D-Mark). Und der Wahlomat deckt auch nicht die relevantesten Fragen ab. Fragen zur Innenpolitik, zu den Themen Überwachung und Freiheit des Internets sind unterrepräsentiert, das Gebiet Entwicklungspolitik z.B. wird gar nicht behandelt.

Fazit: Dieser Wahlomat ist schlechter gemacht als alle bisherigen. Und er ist tendenziös ausgerichtet. Die Fragenauswahl bevorzugt Parteien des rechten Randes überproportional, die Fragenstellung benachteiligt SPD, Grüne (und schwächer Die Linke). Woran das liegen mag, soll der Meinung des Lesers überlassen bleiben.

UPDATE: Dieser Beitrag wird im Artikel “Ich will kein Nazi sein” beim Standard zitiert. 🙂

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