Politik, Medien und das Web 2.0

Das Internet bietet Möglichkeiten einer gesellschaftlichen Aufklärung und einer Partizipation der Gesellschaft, wie man sie sich so in der Vergangenheit kaum vorstellen konnte. Doch den politisch Verantwortlichen, den Parteien und den Mainstream-Medien scheint sich noch immer nicht die Tragweite erschlossen zu haben, in der das Netz dazu beitragen kann, sowohl Entscheidungsfindungen rationaler zu machen und zu verbessern als auch demokratische Elemente zu fördern.

Die Argumente der Gegner von der Einführung von Formen und Elementen direkter Demokratie wie die der fehlenden technischen Machbarkeit werden durch die neuen kommunikativen und vernetzenden Möglichkeiten immer mehr ad absurdum geführt. Neue Formen der Einbindung der Bevölkerung in die politische Diskussion, aber auch neue Formen der Bürgerbeteiligung an der Entscheidungsfindung wären heute so realistisch und einfach durchsetzbar wie sie es nie zuvor in der Geschichte waren. Jedoch bleiben entsprechende Maßnahmen in diesem Bereich aus, und wenn einmal ein umfassendes Konzept zu Web 2.0-Anwendungen in der Politik ausgearbeitet wird, dient es zur weiteren Manipulation des Volkes, zur „Anleitung für die politische Elite, wie sie in Zeiten der digitalen Revolution ihre Deutungs- und Gestaltungshoheit verteidigen kann“, wie der Spiegelfechter sehr schön darlegt . Er schreibt dort außerdem:

„…die Politik fängt langsam zu ahnen an, welche Gefährdung für sie im digitalen Orkus lauert. Das System der repräsentativen Parteiendemokratie, das in der alten Bundesrepublik durchaus als Erfolgsgeschichte gelten konnte, befindet sich in einer Sackgasse. Sei es der Mangel an glaubhaften Alternativen in der Politik, die Machtlosigkeit des Einzelnen in einem starren System oder die selbstreferenzielle Darstellung der Politik durch die politischen Eliten – der Bürger fühlt sich in einem immer stärker werdenden Maße nicht mehr von der Politik repräsentiert. Damit verliert die repräsentative Demokratie ihre Legitimation ihrer Herrschaft. Die offene Partizipation ist Kern der digitalen Revolution, und eine immer größer werdende Zahl aktiver „Netzbewohner“ will es nicht wahrhaben, dass es in der realen Politik keine realistische Möglichkeit der Mitbestimmung gibt.“

Viele Politiker jedoch wollen diese neuen Formen der Mitbestimmung nicht, sie fürchten, dass alt hergebrachte Eliten-, Macht-, und Herrschaftsstrukturen und -institutionen durch eine immer größer werdende Bürgerbeteiligung aufgelöst werden. Um in die entscheidungsfähigen Positionen in der Politik zu kommen, muss man meist zuvor eine langjährige Parteikarriere durchlaufen und sich in dieser eher durch Anpassungsfähigkeit und Flexibilität in Bezug auf politische Positionen sowie die Zugänglichkeit zu politischen „Deals“ ausgezeichnet haben. Keine Fähigkeiten, die bei einer idealer Weise auf Vernunft basierenden Entscheidungsfindung, bei der sich die besseren Argumente durchsetzen, dienlich wären. Die neuen Partizipationsmöglichkeiten bieten das Potential, das politische Geschehen wieder auf wirkliche Inhalte zu konzentrieren und die sachliche Debatte zu stärken zu Lasten von parteipolitischem Manövrieren, reiner Machtpolitik und dem allgegenwärtigen Postenschacher, die oft einen Großteil des heutigen „politischen Alltags“ ausmachen.

Mit der digitalen Revolution haben die alten Eliten ihre Deutungshoheit verloren. Für immer mehr Bürger wird das Netz mit all seinen interaktiven Kommunikationsplattformen zu einem virtuellen Raum, in dem man sich nicht nur informiert, sondern auch aktiv an der Diskussion teilnimmt. Die Zeiten, in denen sich das Volk mit der bloßen Empfängerrolle im Kommunikationsmodell zufrieden gab, sind ein für allemal vorüber. Wer heute die Deutungshoheit für sich beansprucht, muss sich der Diskussion stellen, in der diese Deutungshoheit nur allzu oft bis zur Bedeutungslosigkeit zerpflückt wird“, so der Spiegelfechter.

Die traditionellen Medien fürchten, dass ihr früheres Monopol als Nachrichtenvermittler und Nachrichtenmacher aufgelöst wird. Sie sehen die Chancen einer global und überaus schnell agierenden Wissensgemeinschaft nicht. Informationen können in Sekundenschnelle verbreitet, falsche Informationen korrigiert oder revidiert werden. Und sie sehen auch, wie immer öfter aufgedeckt wird, dass ihre selbst behauptete Neutralität und Objektivität oft bloße Fassade ist.

Was bleibt als Fazit? Die neuen Partizipationsmöglichkeiten durch das Netz sind vielleicht nicht aufzuhalten, werden aber wohl leider noch eine gewisse Zeit brauchen, um sich gegen die aufgezeigten Widerstände durchsetzen zu können. Doch am Ende werden sich Politik und auch Medien neuen Formen der Partizipation in der Demokratie nicht entziehen können.

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