Zensur beim ZDF? (UPDATE 4)

Die “heute show” im ZDF wurde heute abend plötzlich abgebrochen. Michael Mittermeier hatte in einem Gespräch mit Oliver Welke über Atomkraft einige – sagen wir – nicht ganz jugendfreie Bemerkungen zu “Atomkraftfetischisten” (eine Anspielung auf eine Aussage von Markus Söder) gemacht. Sie scherzten noch in der Richtung, ob das jetzt zu viele derartige Ausdrücke waren. Plötzlich brach die Sendung ab, es gab ein schwarzes Bild, und dann kam unvermittelt die nachfolgende Sendung “aspekte” – präsentiert ausgerechnet vom Atomkraftbefürworter Wolfgang Herles.

http://www.youtube.com/watch?v=fv-NZ1akLAk (more…)

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Zur Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen

Bei der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen liegt derzeit (1:35 Uhr) immer noch sehr vieles im Unklaren. Es steht noch nicht fest, ob es für Rot-Grün reichen wird und auch nicht, ob die CDU oder die SPD nun die stärkste Partei ist. Fest steht nur: Schwarz-Gelb hat eine Niederlage erlitten. Politische Konsequenzen wurden bisher noch nicht gezogen. Bei Rüttgers ist dies aber wohl nur noch eine Frage der Zeit. Trotzdem (auch wenn das jetzt viele nicht gerne hören werden) wäre es natürlich zu wünschen, wenn Rüttgers in der CDU weiter eine Rolle spielen würde als Gegengewicht und einer der letzten Verbliebenen eines eher sozialeren Flügels. Dies wird aber wohl nicht der Fall sein. Auch manche Miniser aus seinem Kabinett, wie Karl-Josef Laumann oder Armin Laschet gehören, wenn man ehrlich ist, durchaus zu den besseren CDU-Politikern. Dennoch hat natürlich Rüttgers durch zahlreiche Skandale eine Hauptschuld an dem dramatischen Einbruch.

Bei der FDP sind vor allem recht aggressive Stimmen zu hören. Niederlagen einzugestehen passt nicht zu der neoliberalen “Ich bin der größte!”- Egoismus- Jeder-gegen-Jeden -Einzelkämpfer- Ideologie. Dennoch, und das ist das beste Ergebnis der Wahl: die FDP wird in NRW wohl kaum in einer Regierung vertreten sein, “Ampel” oder “Jamaika” sind so gut wie ausgeschlossen, und Schwarz-Gelb verliert die Mehrheit im Bundesrat. Hört man nun des Öfteren, Merkel hätte jetzt eine praktische Entschuldigung für einen eher behäbigen Regierungsstil, dann kann man dem entgegenhalten: um so besser. Besser, wenn solche Vorhaben wie die Kopfpauschale oder Steuersenkungen nicht durchkommen.

Die SPD hat im Vergleich zur letzten Landtagswahl nicht zugelegt, das stimmt, aber im Hinblick auf die letzten Wahlergebnisse der SPD und den politischen Stimmungstrend kann man es doch durchaus als eine Art Sieg bezeichnen (ob nun ganz knapp stärkste Partei oder ganz knapp zweitstärkste). Ganz klarer Gewinner sind natürlich die Grünen, und auch die Linke hat erstmals den Einzug ins Landesparlament geschafft.

Falls es für Rot-Grün nicht reichen sollte, besteht kein Zweifel, dass die nächsten Tage alle Kommentarspalten der Mainstream-Presse und noch mehr alle Sendungen der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten überfluten werden mit Warnungen vor einer Koalition mit “den Extremisten”, Panikmache vor den “Kommunisten” und den “linken Chaoten”, vor Verstaatlichungen und einer Neuauflage der DDR. Wenn die Wunschkoalitionen Schwarz-Gelb oder Schwarz-Grün nicht möglich sind, werden sie für eine Große Koalition kämpfen – und v.a. mit allen Mitteln gegen Rot-Rot-Grün.

Der Staatsfunk musste natürlich schon am Wahlabend sofort Propaganda gegen Rot-Rot-Grün machen. Sollte es bei der “Elefantenrunde” im ZDF ja v.a. um die Wahlergebnisse gehen, geriet sie zu einer reinen Anti-Rot-Rot-Grün-Propaganda-Farce, nicht nur seitens Union und FDP, sondern auch von Seiten des Moderators  (war dieser selbsternannter “Terrorismusexperte” eigentlich  neutral genug, die “Elefantenrunde” zu moderieren? Ganz und gar nicht.) Und natürlich kommt keine Sendung ohne Lafontaine-Kritik aus. So durfte ein Hinweise auf eine Blockade-Haltung des damaligen SPD-Vorsitzenden, iih!, Lafontaine, nicht fehlen (dasselbe machte übrigens Tom Buhrow später bei den Tagesthemen), genauso wie Suggestivfragen oder Bezeichnungen wie “Chaotentruppe” und “nicht regierungsfähig” in Richtung Bartsch, der für die Linke anwesend war. In der Runde wie bei der ZDF-Berichterstattung wurde immer und immer wieder die Frage nach rot-rot-grünen Bündnissen gestellt und davor beständig gewarnt. Die Moderatoren wirkten auch insgesamt ziemlich betrübt – naja, kein Wunder. Und als Gäste waren Giovani di Loenzo und Helmut Markwort im Studio. Was für eine ausgewogene Kombination! Bei der nächsten Wahl dann als “Experten” im ZDF: Franz Josef Wagner und Henryk M. Broder. Bei ARD und WDR war es wenigstens etwas ausgewogener, auch wenn dort Warnungen vor den bösen und nicht regierungsfähigen Linken nicht fehlen durften.

Haben SPD und Grüne auch nur genau die erforderliche Mehrheit, wird es ganz sicher diese Koalition geben. Reicht es aber für Rot-Grün (und dann auch für Schwarz-Grün) nicht, ist Rot-Rot-Gün die einzige Chance für einen wirklichen Politikwechsel. Sicher, eine eher gemäßigte NRW-CDU und eine rechte NRW-SPD könnten sich wohl recht gut verstehen, die Politik würde sich wohl aber nicht sehr von der unter Schwarz-Gelb unterscheiden. Und stellt die CDU den Ministerpräsidenten und macht die SPD sich wiederum willentlich zum Juniorpartner der CDU, wäre das politisch schlecht und taktisch unklug. Etabliert man hingegen eine Koalition ohne CDU und FDP, kann man gegen die drohenden Maßnahmen der Bundesregierung eine viel effektivere, glaubwürdigere und öffentlichkeitswirksamere Gegenstrategie fahren. Die Linken in NRW sind gewiss nicht der Landesverband, mit denen eine Koalition am nächsten liegt, aber sie sind auch nicht die Radikalen, als die die Systemmedien sie darstellen wollen. SPD und Grüne könnten hier eine wirkliche Opposition gegen das bürgerliche Lager aufzubauen beginnen, die auch im Bund dringend notwendig ist.

UPDATE (2:38):

Das vorläufiges Ergebnis der Landeswahlleiterin ist da. Danach erhalten die CDU 67 Sitze, SPD 67, Grüne 23, FDP 13 Sitze, Linke. Weder Rot-Gün noch für Schwarz-Grün hat also die erforderliche Mehrheit (91 Sitze). Die CDU hat 6200 Stimmen mehr als die SPD.

Ich würde gerne an eine rot-rot-grüne Koalition glauben, doch ich halte es für höchst unwahrscheinlich. Die SPD wird sich ihrer “staatstragenden Verantwortung” bewusst werden, nicht mit “den Extremisten” zu koalieren. Die großen Herausforderungen erfordern es, dass jetzt “alle Demokraten zusammenstehen”. Die Regierung baucht Unterstützung und Zusammenarbeit! Und immerhin habe das der Wähler so gewollt! Die Bundesregierung wird die schlimmsten ihrer Vorhaben, die sie ohnehin nicht durchsetzen könnten, wie die Kopfpauschale, auf Eis legen, und das werden die Medien als Rechtfertigung heranziehen. Die Finanzmärkte werden nicht angetastet, vielleicht wird man eine etwas höhere Bankenabgabe einführen. Steinbrück wird 2013 Kanzlerkandidat und Vizekanzler einer Großen Koalition.

Ich hoffe, dass ich mich irre.

Links zum Thema:

Kommentar von Philip Grassmann (Der Freitag): Mut zur Alternative

F!XMBR: Nach der NRW-Wahl

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Bye Bye ZDF!

Das ZDF hat durch die Entscheidung gegen eine Vertragsverlängerung von Nikolaus Brender nun endgültig jeden Anschein von journalistischer Unabhängigkeit verloren. Roland Koch hat es geschafft, dass sieben der vierzehn Mitglieder des Verwaltungsrates des ZDF (von denen neun Mitglied in der Union sind oder ihr nahe stehen) gegen den parteipolitisch neutralen Brender, der den Parteipolitikern noch um so negativer durch seinen kritischen Journalismus und eine nicht gerne gesehene fehlende Korrumpierbarkeit auffiel, gestimmt haben. Ein schwarzer Tag für die Presse- und Rundfunkfreiheit, ein schwarzer Tag für die Meinungsfreiheit.

Auch die Proteste von vielen (dabei durchaus auch CDU-nahen) ZDF-Journalisten und die Warnungen von 35 führenden Staatsrechtlern, die von einem “Prüfstein für die Rundfunkfreiheit” sprachen, nützten nichts. Einzig eine Klage vor dem Bundesverfassungsgericht gegen die parteipolitische Einflussnahme könnte helfen – doch dazu muss sich erst mal ein Kläger finden. Das Zweite Deutsche Fernsehen wird seine Regierungshofberichterstattung nun also für alle ganz offensichtlich betreiben. Die parteipolitische Einflussnahme erfolgt nicht mehr nur “in den Köpfen” oder hinter verschlossenen Türen – sie erfolgt ganz direkt, für alle sichtbar. Man muss es der CDU lassen – sie verfügt damit über einen derart umfangreichen Propaganda-Apparat, wie ihn in Europa wohl nur noch ein Berlusconi hat.

Ich würde auch gerne glauben, dass wenigstens Roland Koch tatsächlich angeschlagen als Verlierer aus diesen Machenschaften hervorgehen wird. Aber schon die CDU-Spendenaffäre, ausländerfeindliche Ressentiments führende Wahlkämpfe, die Steuerfahnder-Affäre und mehr hat er überstanden und wurde doch wiedergewählt. Und wer sagt, dass nicht bald wieder eine andere Sau durchs Mediendorf getrieben wird und bei der nächsten Wahl der Wähler alles vergessen hat? Noch dazu, wenn tatsächlich Peter Frey neuer Chefredakteur des ZDF werden sollte und wir dort eine Regierungspropaganda sondergleichen zu erwarten hätten. Wieviele Zuschauer würden dessen Berichte kritisch hinterfragen? Die sicheren Verlierer sind nur der unabhängige Journalismus und die Meinungsfreiheit.

Quelle: http://commons.wikimedia.org/wiki/File:Roland_Koch_08.jpg. Bildautor: Armin Kübelbeck. Lizenz: http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/ (In short: you are free to share and make derivative works of the file under the conditions that you appropriately attribute it, and that you distribute it only under a license identical to this one.)

Demnächst wird man beim ZDF dann wohl eher vom “Zensierten Deutschen Fernsehen” sprechen können. Oder einfach direkt von CDU.TV. Meine Tipps für die Zukunft des ZDF: “heute” wird ersetzt durch “BILD-TV-News”, “Neues aus der Anstalt” durch den “Der Pofalla der Woche”.

Wie erwartet gibt es viele Kommentare zu dem Thema. Ein paar lesenswerte sind:

Spiegel online: Absetzung von ZDF-Chefredakteur Brender: Deutschland ist jetzt Berlusconi-Land

Der Spiegelfechter: Mit dem Zweiten sieht man schwärzer – Nikolaus Brender darf nicht mehr ZDF-Chefredakteur sein

Der Spiegelfechter: Politik vs. Pressefreiheit – Klarmachen zum Showdown

(UPDATE:) F!XMBR: Nikolaus Brender – die Geister, die sie riefen

Hintergrund: Der Fall Nikolaus Brender (NDR)

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