Marc-Uwe Kling: Quality Land

Mit QualityLand liefert Marc-Uwe Kling eine nicht allzu unrealistische Zukunftsperspektive: In einer hochtechnisierten Gesellschaft gibt es ein umfassenden Netz aus Überwachung des Konsumverhaltens und personalisierter Werbung. Algorithmen bestimmen fast alles, von Aufstiegschancen bis zur Partnerwahl. Menschen werden entsprechend ihrer “Nützlichkeit” in Level eingeteilt, die zahlreiche Privilegien ermöglichen. “Nutzlose” müssen etwa Drohnenlieferungen für Nachbarn annehmen, aber erhalten auch eine schlechtere Behandlung im Krankenhaus. Digitale Helfer sind den Menschen buchstäblich nahe über implantierte Ohrwürmer oder Netzhautbildschirme. Maschinen haben einen Großteil der Arbeit übernommen, Drohnen liefern Bestellungen, selbstfahrende Autos fahren durch die Straßen. Selbst einfachste Geräte wie Mülleimer sind mit künstlichen Intelligenzen ausgestattet und können sprechen. Jedoch ist das Wirtschaftssystem ein kapitalistisches, und daher werden der technische Fortschritt, Digitalisierung und Automatisierung kaum zum Wohle der Allgemeinheit benutzt, sondern dienen vor allem großen Konzernen. Die arbeitslos gewordenen Menschen werden durch personalisierte Nachrichten zum Hass auf Ausländer oder Maschinen angestachelt.

Peter Arbeitsloser – der Nachname ergibt sich in dieser Zukunft aus dem Beruf des Vaters bzw. der Mutter beim Zeitpuntk der Zeugung – betreibt einen Laden für das Verschrotten defekter Maschinen. Durch die Konsumschutzgesetzte ist Reparieren verboten. Dennoch zerstört er die Maschinen nicht, sondern versteckt sie in seinem Keller, darunter eine E-Poetin mit Schreibblockade, ein liebeskranker Sexdroide, ein Kampfroboter mit posttraumatischer Belastungsstörung, eine Drohne mit Flugangst und ein elektronischer Rechtsanwalt, der ein Gewissen entwickelt hat und daher für seinen Arbeitgeber, eine Bank, natürlich nutzlos geworden ist. Auch gibt es ein QualityPad – ein persönlicher digitaler Assistent – das einen Charakter aus einem Buch simuliert. Es ist Kommunist und hat eine hohe, kratzige Stimme… Peter hat das Problem, dass sein digitales Profil nicht zu seinen wirklichen Vorlieben und Wünschen passt.

Ein anderer Handlungsstrang schildert die anstehende Präsidentschaftswahl. Für die QualitätsAllianz tritt ein rechtspopulistischer Fernsehkoch an, der eine Parodie auf Donald Trump dartsellt. Die Fortschrittspartei hat einen Überraschungscoup gelandet und John of Us nominiert – einen Androiden. Sein Wahlspruch: “Maschinen machen keine Fehler”. Er hat Visionen für eine gerechtere Zukunft, in der die Technik zum Wohl der Menschheit eingesetzt wird, er möchte jenseits von Profit und Rendite das Leben für alle Lebewesen so angenehm wie möglich machen – und hat es erwartungsgemäß schwer.

Von dem Buch gibt es eine helle (Oberschichten- bzw. höhere Level-) und eine dunkle (Unterschichten-)Version. Diese haben die gleiche Geschichte, aber Seiten mit unterschiedlicher Werbung, (mit Schleichwerbung durchsetzten) Nachrichten oder Wahlempfehlungen. Beide Versionen enthalten jedoch hinten auch eine Internetlink auf die anderen Texte. Dadurch werden Grundthemen des Buches für die Leser noch mal anschaulicher und es ist keine Geldmacherei. Im Gegenteil, wie bei seinen anderen Produkten spendet Marc-Uwe Kling den kompletten Gewinn, der ihm durch den Verkauf in seinem Online-Shop marcuwekling.reimkultur-shop.de entsteht, an ein fortschrittliches gemeinnütziges Projekt. In diesem Fall ist es Digitalcourage, die sich für Grundrechte und Datenschutz engagieren und beispielsweise den “Big Brother Award” verleihen.

Natürlich gibt es QualityLand auch als Hörbuch (bzw. zwei Hörbuch-Versionen). Die drei Känguru-Bücher von Marc-Uwe Kling belegen seit Jahren stets die Top 5 der Hörbuch-Bestseller-Listen.

Eine lustige Dystopie – QualityLand zeigt, dass dies durchaus möglich ist. Neben seinen fundierten, aber stets verständlichen Betrachtungen gesellschaftlicher Zukunftsthemen glänzt es durch seine lustigen und skurillen Einfälle und seinen blühenden Witz.

Ullstein Buchverlage| Berlin 2017 | 384 Seiten | 18 Euro

erschienen im Monatsmagazin printzip, Ausgabe November 2017

Share

Leave a Reply

Your email address will not be published. Required fields are marked *