Steuern runter? Lieber nicht!

Dass die Forderungen der FDP nach Steuersenkungen, insbesondere nach Senkung der Einkommenssteuer, wirtschaftlich nicht sinnvoll sind und dass Steuersenkungen auch nicht vollständig selbstfinanzierend sind, sondern der Staat Defizite macht, legt der Oxford-Finanzwissenschaftler Clemens Fuest im Deutschlandradio (MP3, 4:13 Minuten) dar. Statt Einkommenssteuersenkungen, die v.a. den reicheren Haushalten nützten, seien direkte Hilfen für ärmere Haushalte (bspw. durch eine Erhöhung der Hartz IV-Sätze) bessere Mittel für die Förderung privaten Konsums. (Andere Ökonomen sehen Steuerentlastungen für Unternehmen, um Investitionen zu erleichtern, als sinnvoller an, aber auch sie sehen keinen großen Nutzen in der Senkung der Einkommenssteuern.)

Hier sei noch einmal auf das Interview der Taz mit Clemens Fuest verwiesen. Ein Auszug:

taz: Herr Fuest, Union und FDP begründen die geplanten Steuersenkungen damit, dass sie das Wirtschaftswachstum stimulieren müssten. Was halten Sie davon?
Clemens Fuest: Augenblicklich halte ich es für falsch, die Einkommensteuer zu senken. Denn ein großer Teil der Entlastung käme Privathaushalten zugute, die nicht unter Geldsorgen leiden. Diese würden die zusätzlichen Mittel überwiegend sparen, aber nicht in den Geschäften ausgeben. Wesentlich stärkere Nachfrage oder Impulse für das Wirtschaftswachstum kann die Bundesregierung so nicht auslösen.
(…)
taz: Union und FDP hoffen, dass niedrigere Steuern das Wachstum ankurbeln und später die Staatseinnahmen steigen. Darf man mit diesem Selbstfinanzierungseffekt rechnen?
Clemens Fuest: Die Auswirkungen niedrigerer Steuern auf das Wachstum sind schwer zu messen. Untersuchungen deuten aber darauf hin, dass der Staat nur darauf hoffen kann, maximal die Hälfte der Einnahmeverluste, die die Steuersenkung verursacht, durch höheres Wachstum und stärkere Einnahmen zu kompensieren.

Wie Steuersenkungsprogramme in der Vergangenheit eher wirtschaftlichen Schaden anrichteten, legt Zeit Online Herdentrieb dar. Auch der “falsche Charme” des neoliberalen Standard-Argumentes der Laffer-Kurve, die Arthur Laffer, Vetreter der angebotsorientierten Wirtschaftspolitik und Berater von Ronald Reagan, einst  bei einem Abendessesn für Dick Cheney und Donald Rumsfeld auf eine Serviette kritzelte,  und die seither das Argument für eine Selbstfinanzierung von Steuersenkungen dartsellt, wird in dem Artikel behandelt.

Eine gute Betrachrung zu den Möglichkeiten von Steuersenkungen gibt es auch bei Telepolis: Wählerbetrug vorprogrammiert. Auch hier wird die Laffer-Kurve angesprochen, z.B.:

(…) Wenn die FDP mit ihren Behauptungen recht hätte, so befände sich das deutsche Steuersystem oberhalb des “Laffer-Maximums”, so dass jede Steuererhöhung die Einnahmen verringern und jede Steuersenkung die Einnahmen erhöhen würde. Dies trifft auf das deutsche Steuersystem allerdings nicht zu. Untersuchungen der Ökonomen Trabant und Uhlig legen vielmehr die Vermutung nahe, dass das “Laffer-Maximum” in Deutschland bei rund 64% Steuerlast liegt. (…)

Es wäre daher gut daran getan, wenn die Beteiligten bei den Koalitionsverhandlungen einmal auf unabhängigen Sachverstand hören würden und nicht weiterhin nur auf die durch die Mainstream-Medien hin- und hergereichten “Wirtschaftsexperten” im Dienste der Arbeitgeberverbände und Banken. Versprechungen wie “Steuern runter!” oder “Mehr Brutto vom Netto!” erweisen sich so eher als hohle Slogans denn als politisch und ökonomisch durchdachte Konzepte.

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Stimmt gegen die Quacksalber!

Stimmt mal alle hier ab : Geben gibt. Bündnis für Engagement: Online-Voting: Wer hat den Deutschen Engagementpreis verdient?

Und am besten stimmt ihr für Raul (SOZIALHELDEN e.V.). Auf jeden Fall stimmt für ein Projekt, dass auch wirklich dem Engagement für das Gemeinwohl dient, wofür dieser Preis ja gedacht ist.

Ihr wollt doch auch nicht, dass die Homöopathie-Quacksalber auch noch 10.000 Euro von der Bundesregierung bekommen, oder? Und überhaupt kann man Zensursula, deren Familienministerium ein Hauptförderer des Preises ist, durchaus wie Holgi im Nightline-Blog fragen:

Wie kommt es, dass Du in Erwägung ziehst, Quacksalber dafür zu belohnen, dass sie anderen Menschen ihren Unsinn verkaufen, anstatt dich daran zu beteiligen, dass die Ahnungslosen aufgeklärt werden, damit sie in Zukunft nicht mehr den Scharlatanen auf den Leim gehen?

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Rhetorik-Hilfe für Esoteriker

He, Esos!

Wenn Ihr demnächst mal mit jemandem über den bevorstehenden Weltuntergang, über Astrologie oder Homöopathie, über irgendwelche Energien und Kräfte, über Außerirdische oder Atlantis, über magische Orte, Steine oder Kristalle, die Kraft der Sonne, des Mondes oder der Venus, über Pendel, Kartenlegen oder Wünschelruten oder über Uri Geller sprecht, dann solltet Ihr darauf achten, einen der folgenden Sätze (gerne auch etwas umformuliert) zu bringen:

“Es gibt Dinge zwischen Himmel und Erde, die kann die Wissenschaft nicht erklären!” oder gleich das Shakespeare-Zitat

“Man muss ja auch nicht für alles eine Erklärung haben!”

“Man muss ja nicht alles beweisen können!”

“Wissenschaft ist ja auch nur ein Glaube!”

“Die Wissenschaft hat uns ja auch nicht wirklich vorangebracht!”

“Es gibt ja auch keine Beweise, dass es nicht so ist!”

“Aber der Mensch besteht doch aus mehr als kalter Wissenschaft und Studien und Beweisen!”

“Die Schulmedizin hat nicht gegen alles ein Heilmittel!”

“Aber Frau Kleinschmidt von nebenan hat es doch auch geholfen!”

“Aber wenn die Leute daran glauben und es ihnen dadurch besser geht, dann lass sie doch!”

Und Ihr solltet Euch in Eurer “Argumentation” auch nicht mit Zusammenhängen oder auch nur der geringsten wissenschaftlichen Nachvollziehbarkeit aufhalten. Und wenn Ihr seht, dass Ihr gegen diese miese “Logik” der Nicht-Gläubigen nicht durchkommt, solltet Ihr auch ruhig mal laut und ausfallend werden oder gegebenenfalls herablassend-arrogant lachen.

So überzeugt Ihr die Ungläubigen! Ganz bestimmt! Ihr müsst nur dran glauben!

An alle anderen:

Lest mal Astrodicticum simplex und Die Skeptiker – GWUP. Und Holgi twittert und bloggt immer mal was dazu.

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Entwicklungspolitik ohne Entwicklungsministerium?

Bei den Koalitionsverhandlung zur neuen deutschen Bundesregierung steht neben dem Abbau von Steuern, Sozialstaat und Bürgerrechten leider noch ein Punkt auf der Agenda: die FDP fordert die Auflösung des Ministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ). Seine Aufgaben soll fortan das Außenministerium mit übernehmen.

Diese Forderung geht durchaus konkruent mit dem neoliberalen Gedankengut und den Äußerungen Westerwelles zur Entwicklungspolitik, dass diese in erster Linie eigenen (in diesem Fall deutschen) Interessen dienen solle. Auch wurde die Auflösung des Entwicklungsministeriums von der FDP vor der Wahl explizit gefordert.

Eine Auflösung des BMZ und eine “Eingliederung” in ein von einem Neoliberalen geführtes Außenministerium wäre aber nicht nur ein falsches Signal, sondern auch politisch ein falscher Schritt. Bei der Außenpolitik geht es in der Tat in erster Linie um nationalstaatliche Interessen. Bei der Entwicklungspolitik sollte das jedoch anders sein. Auch in den Jahren, in denen dass  BMZ von Unions-Ministern geführt wurde, verfolgte es zum Glück nie eine dermaßen egoistische Poltik, wie die Neoliberalen dies sich vorstellen und wünschen. Entwicklungspolitik entspringt aus einer Einsicht für soziale Verantwortung, auch weltweit, für die Bekämpfung von Armut und Hunger, und nicht nur aus dem Interesse, möglichst wenige Flüchtlinge aus Entwicklungsländern zu haben und diese ungestört ausbeuten zu können.

Ein weiterer Punkt: Nicht umsonst trägt das Ministerium “wirtschaftliche Zusammenarbeit” im Titel. Diese macht einen wichtigen Teil der Arbeit aus, wirtschafts- und finanzpolitischer Sachverstand sind gefordert (und ob da die doch eher auf diplomatischem Gebiet liegenden Qualitäten im Auswärtigen Amt ausreichen, möchte ich eher bezweifeln). Gerade eine Verknüpfung von Diplomatie, wirtschaftlichem und technischem Sachverstand stellte jedoch immer eine Stärke des BMZ dar. Die (eigenständige) Struktur des BMZ bietet praktisch gesehen große Vorteile.

Das BMZ muss als eigenständiges Ressort erhalten bleiben. Es ist kein Wunder,  dass Entwicklungspolitik-Experten von CDU, CSU und SPD, der Linken und der Grünen, Entwicklungsorganisationen und Hilfswerke wie VENRO, Misereor, “Brot für die Welt” und der Evangelische Entwicklungsdienst oder die Kirchen in einer Abschaffung verherrende Wirkungen sehen. Und mehr noch: Deutschland muss endlich seine internationale Zusage einhalten, 0.7% des BIP für die Entwicklungspolitik zur Verfügung zu stellen. Für die Besetzung müssen wir in diesem Politikfeld wohl auf einen Unions-Politiker hoffen, und zwar einen mit einem ausgeprägten sozialen Profil – auch wenn es davon immer weniger gibt. Der FDP wäre gut geraten, diesen Politikbereich, der weder ihren Interessen- noch in ihrem Kompetenzschwerpunkt bildet der Union zu überlassen, und sich mehr auf wahre liberale Stärken zu besinnen: den Stop der unsäglichen Überwachungsstaatsmaßnahmen der Union.

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Todesstrafe und Sozialdarwinismus

Bei SWR2 Leben gibt es einen interessanten Podcast: Der Tod als Strafe (MP3) (Alternativlink):

Was tut archaisches Recht in einer Demokratie des 21. Jahrhunderts?

Von Lotta Suter. SWR2Leben vom 01.10.2009.

Die USA haben den alttestamentarischen Rachegedanken “Auge um Auge” ins neue Jahrtausend hinübergenommen. Die öffentliche Meinung zum Thema Todesstrafe ist geteilt. Als 15. US-Bundesstaat hat New Mexico die Todesstrafe aufgehoben. Im Neuenglandstaat New Hampshire jedoch, wo die letzte Exekution 70 Jahre zurückliegt, wird gegenwärtig der Bau einer Exekutionskammer diskutiert, um die “ultimative Strafe” an einem einzigen Täter vollstrecken zu können. An der öffentlichen Anhörung debattieren Befürworter und Gegner die Todesstrafe nach allen Regeln der Demokratie.

Der Podcast dauert etwa 24 Minuten.

Das Manuskript der Sendung gibt es hier als pdf.

Besonders gut fand ich den folgenden Abschnitt:

Die meisten westlichen Demokratien betrachten die Abschaffung der Todesstrafe heute als einen der wichtigsten und wertvollsten Zivilisations- und Kulturalisierungsfortschritte. Die USA sind noch nicht ganz so weit.
Noch hält die Nation an der Idee einer absoluten Gerechtigkeit fest und ist überzeugt, dass man das Böse eindeutig identifizieren, vom Guten trennen und ein für allemal eliminieren kann. Der biblische Rat, man solle das schlechte Glied abhauen, um den gesunden Leib zu retten, bestimmt und korrumpiert die amerikanische Gesellschaft. Im Innern der USA führt diese Haltung zu einer gnadenlosen Sozialpolitik gegenüber den Armen und einer rekordverdächtigen Inhaftierungsrate von unerwünschten Menschen. In der Außenpolitik wird der Feind mit allen Mitteln, auch mit Krieg und Folter, unschädlich gemacht.
Die Todesstrafe dient der Elimination des Bösen. Wobei unverzüglich klar wird, dass dieses Böse stets das ganz Andere ist: Die andere Rasse, die andere soziale Klasse, der krankhafte Psychopath. Es ist kein Zufall, dass die Todesstrafe in Kriegszeiten heute sogar in der EU, im Lissabon Vertrag, wieder zur Debatte steht; denn im Krieg ist die Entmenschlichung des feindlichen Andern am weitesten fortgeschritten. Leider verstehen sich die USA ständig als eine Nation im Ausnahmezustand, wenn nicht gar im akuten Krieg. Die Abschaffung der Todesstrafe wäre in diesem Sinn eine friedenssichernde Maßnahme.

Und auch in Deutschland gibt es Versuche, sozialdarwinistische Auffassungen wieder zu verbreiten: Thilo Sarrazin und der Neuaufguss des Sozialdarwinismus.

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Der Vertrag von Lissabon: Gründe für eine Ablehnung

Gegen Lissabon heißt nicht gegen die EU

Nun haben also die Bürger Irlands sich im einem zweiten Referendum doch für die Annahme des EU-Vertags von Lissabon ausgesprochen. Auch wenn man den europäischen Einigungsprozess und auch ein wirtschaftliches Zusammenwachsen der europäischen Staaten befürwortet, kann man durchaus gegen den Vertrag von Lissabon sein. Man braucht weder ein Nationalist noch ein Kommunist zu sein, der jede Förderung eines marktbasierten Wirtschaftssystems von vornherein ablehnt. Und das nicht nur Vorurteile und Ressentiments, wie es oft dargestellt wird, sondern durchaus auch rationale Gründe gegen den Vertrag von Lissabon sprechen, soll im folgenden Beitrag erläutert werden.

Eine Verfassung für die Bürger ohne die Bürger?

Die ursprünglich geplante Verfassung für Europa wurde in  repräsentativen Umfragen von einer Mehrheit der europäischen Bürger nicht befürwortet – und von den Bürgern Frankreichs und der Niederlande in Volksabstimmungen abgelehnt. In Deutschland wurde eine solche gar nicht erst durchgeführt – obwohl Art. 146 GG ausdrücklich sagt:

Dieses Grundgesetz, das nach Vollendung der Einheit und Freiheit Deutschlands für das gesamte deutsche Volk gilt, verliert seine Gültigkeit an dem Tage, an dem eine Verfassung in Kraft tritt, die von dem deutschen Volke in freier Entscheidung beschlossen worden ist.

Die EU-Verfassung ist also gescheitert, könnte man denken. Ist sie das? Nein, denn im Umgang der politischen Eliten mit dem Votum des Volkes zeigt sich wieder, was erstere von letzterem halten. Kriegt man keine “EU-Verfassung” auf dem direkten Weg, führt man sie durch die Hintertür ein. Im Grundlagen-Vertrag für die EU von Lissabon sind 96% des Textes derselbe wie in der abgelehnten Verfassung. Nur bietet er den Komfort, nicht erst das Volk darüber abstimmen lassen zu müssen. Nur Irland hat dies getan, nur die Iren durften über eine EU-Verfassung ohne diesen Titel abstimmen. Am 12. Juni 2008 lehnten sie den Lissabon-Vertrag ab.

Das Bundesverfassungsgericht urteilte für Deutschland, dass der Vertrag von Lissabon zwar mit dem Grundgesetz vereinbar sei, dass es aber Begleitgesetze verfassungswidrig sind, soweit den Gesetzgebungsorganen keine hinreichenden Beteiligungsrechte eingeräumt wurde, es keine demokratisch nicht legitimierte Zustimmung Deutschlands zu EU-Gesetzen geben dürfe, die die nationale Souveränität betreffen, die Kompetenzen der EU erweitern oder die Abstimmungsmodalitäten ändern.

Demokratiedefizite

Europa soll mit einer Stimme sprechen, wird immer wieder gefordert. Doch das dann lieber nicht mittels einer europäischen Demokratie oder wirklichen Beteiligungsrechten des Europäischen Parlamentes (oder gar der Bürger Europas). Auch wenn das Europäische Parlament im Lissabon-Vertrag etwas aufgewertet wird, wirkt es immer noch wie die Simulation einer Volksvertretung in einem autokratischen Staat. Die Kommission ist weiter nur indirekt demokratisch legitimiert, und  sie trifft als Exekutive legislative Entscheidungen.

Nein, man  möchte lieber eine starke Stimme mittels eines “starken Mannes”, mittels einer höheren Konzentration von Macht und Autorität in weniger Händen (auch die Verkleinerung der EU-Kommission und anderer Institutionen wird immer wieder mit der “Handlungsfähigkeit” begründet, stellt aber tatsächlich auch eine Verkleinerung der Entscheidungsbasis dar – so dass manche kleineren Länder in manchen Bereichen sogar gar nicht mehr mitsprechen dürfen). Diese offenbar bei den europäischen Konservativen vorhandene Sehnsucht nach autoritärerer Politik will man mittels der Stärkung des Ratspräsidenten und der Schaffung des Amtes eines Europäischen Außenministers durchsetzen. Auch wenn man ein entschiedener Befürworter eines stärkeren politischen Zusammenwachsens Europas ist: die Außen- und Sicherheitspolitik ist das Kerngebiet staatlicher Selbstbestimmung, und das nicht ohne guten Grund: hier geht es um Krieg und Frieden. Man stelle sich nur vor, Deutschland müsste aufgrund eines Mehrheitsvotums in einen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg – sagen wir einmal der USA – ziehen.

Dem i das Tüpfelchen setzt noch auf, dass die europäischen Eliten mit dem Vertrag von Lissabon die Demokratisierung der EU als abgeschlossen betrachten wollen. Ein Europa, in dem Entscheidungen auf transparentem Wege über ein demokratisches Parlamentsverfahren und über Volksabstimmungen getroffen werden, mit so einem Europa könnten sich sicherlich deutlich mehr Europäer identifizieren. Doch der Lissabon-Vertrag läuft eher in die entgegengesetzte Richtung.

Aufrüstung und Militarisierung

Der Vertrag von Lissabon verpflichtet die Mitgliedsstaaten zur Aufrüstung.  Auch dass er die gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik nicht anstelle, sondern zusätzlich zu der nationalen fördern will, kann kritisch betrachtet werden. Militärische Mittel werden gegenüber zivilen überbetont. Unbedingt betrachtet werden sollte dabei auch eine Studie des EU Institute for Security Studies: What ambitions for Europeans defence in 2020?, in der ein internationaler, auch militärisch und “mittels des gesamten Spektrums hoch intensiver Kampfmaßnahmen“ geführter Klassenkampf des reichen Nordens gegen die “unterste Milliarde” der Menschen des armen Südens zur Stabilisierung der internationalen Klassengesellschaft gefordert wird (siehe: Krieg gegen die Armen). Menschen, die so denken, darf man nicht die Macht über einen großen Militärapperat übertragen.

Bürger- und Menschenrechte

Die EU-Verfassung erlaubt staatliche Hinrichtungen und Tötungen von Menschen in einem Kriegszustand  oder zur Niederschlagung eines Aufruhrs. Auch wenn diese Regel rechtlich für viele Staaten, u.a. auch für Deutschland nicht gilt, gilt sie doch für andere und zeigt, aus welchem Geist dieser Vertrag gemacht ist. Bei den Menschen- und Bürgerrechten fällt der Vertrag nach Meinungen einiger Kritiker deutlich hinter  das Grundgesetz und sogar hinter die UN-Menschenrechtserklärung zurück.

Problematisch erscheint auch die Rolle der EU im Gebiet der inneren Sicherheit. Verschiedene Maßnahmen  hin zum Überwachungsstaate wurden als Maßnahmen zur Terrorabwehr über Europa eingeführt. Die Vorratsdatenspeicherung etwa wurde über den Umweg über die EU in Deutschland umgesetzt – und als “Sachzwang” verkauft.

Freier Markt über alles

Im Vertrag von Lissabon wird die freie Marktwirtschaft festgeschrieben. Auch wenn sich auch Formulierungen zur “soziale Marktwirtschaft” finden: diese verfolgt nach eigenen Angaben auch die FDP. Was dahinter steckt, ist klar: die Privatisierungs- und Deregulierungswelle, die von der EU in der Vergangenheit angestoßen wurde, soll fortgesetzt werden, die Staaten weiter auf Sozialabbau und Einschränkung von Leistungen der öffentlichen Daseinsfürsorge gedrängt werden.

Und ein weiteres Problem stellt sich: im deutschen Grundgesetz ist bewusst die Frage nach der Wirtschaftsform außen vor gelassen. Diese wollten die “Väter des Grundgesetzes” der demokratischen politischen Auseinandersetzung überlassen. Eine Festschreibung einer Wirtschaftsform in der Verfassung (auch wenn diese nicht so genannt wird) bedeutet ein weniger an Demokratie.

Das Ja Irlands: “Wer für die EU ist, ist für Lissabon”

Die Iren haben den Vertrag von Lissabon beim ersten mal teilweise vielleicht auch aus falschen Gründen abgelehnt. Jedoch spielten auch einige der hier genannten eine Rolle.

Wie kann man die jetzige Zustimmung erklären? Zunächst lief seit der Ablehnung im Juli letzten Jahres eine groß aufgelegte Kampagne über Lobbyisten,  Medien und Parteipolitiker an, die weniger an Argumente, denn an Gefühle, v.a. an Ängste, anknüpfte (wobei ich nicht sagen möchte, dass Kampagnen zur Ablehnung des Vertrages nicht bestanden und diese nur auf Argumenten beruhten – auch dort spielten irrationale Ängste eine Rolle). V.a. die Auswirkungen der Finanzkrise, die durch EU-Hilfsmittel stark abgemildert wurden und das Land vor stärkeren Verwerfungen bewahrten, wirkten sich aber positiv aus. Verbunden mit einer Propaganda nach dem Motto “wenn ihr nicht gegen die EU seid, müsst ihr für den Vertrag stimmen”  oder “eine Stimme gegen den Vertrag ist eine Stimme gegen EU-Hilfen” dürfte diese bei der Zustimmung zum Vertrag die größte Rolle gespielt haben.

Der Vertrag von Lissabon als Projekt der konservativen Eliten Europas

Der Vertrag von Lissabon hebt Demokratiedefizite der EU nicht auf, sondern schafft, allein schon durch die fehlende Zustimmung der Bürger Europas, neue. Er lässt Trends zu einer neoliberalen Wirtshhafts- und Sozialpolitik, zur Militarisierung und zum Abbau von Bürgerrechten erkennen. Insgesamt muss er als ein Projekt der konservativen Eliten Europas angesehen werden – seit Samstag zudem als erfolgreiches.

Der konservative und neoliberale Wind aus Europa wird sich verstärken – was jedoch nicht bedeutet, dass man die EU jetzt ablehnen muss. Die EU ist eine großartige Idee, die auch in weiten Teilden sehr positiv verlaufen ist. Heute bedürfen wir jedoch mehr denn je einer kritischen Gegenöffentlichkeit und einer Zivilgesellschaft – und einer Schwächung der Konservativen in Europas Parlamenten und Regierungen. Damit sie die Mittel nicht ausnutzen können, die ihnen der Vertrag von Lissabon bietet.

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Erste Ergebnisse der Bundestagswahl – eine kurze Analyse

18.28 Die ersten Prognosen für die Bundestagswahl sind raus. Die SPD hat das schlechteste Ergebnis aller Zeiten eingefahren. Schwarz-Gelb hat nach den bisherigen Ergebnissen auch ohne Überhangmandate eine Mehrheit

Was zeigt dieses Ergebnis? Deutschland zeigt sich gespalten. Als wichtigste Konfliktlinien dieser Lager würde ich v.a. wirtschafts- und sozialpolitische Ansichten ansehen, dazu kommen auch starke Unterschiede etwa im Bereich der Umweltpolitik. Der große Zuwachs der FDP ist sicherlich mit unzufriedenen, sehr stark marktorientierten Unionswählern, denen soziale Zugeständnisse, die die Union in der großen Koalition gemacht hat, zu weit gingen, sowie ihren (unrealistischen) Steuersenkungsversprechen zu deuten. Das Anwachsen der Linken und der Grünen kann klar mit einer Unzufriedenheit über die Politik der SPD der letzten Jahre erklärt werden.

Die Politik der Agenda 2010, des Sozialabbau, der heimlichen Beteiligung am Irak-Krieg und des Mitmachens bei den Überwachungsstaats-Phantasien der Union hat abgewirtschaftet. Nur eine SPD, die sich auf ihre sozialen Werte besinnt, die eine nachfrageorientierte Wirtschaftspolitik verfolgt, die die Finanzmärkte nicht unreguliert lässt, die eine Friedens- und Umweltpolitik betreibt, hat die Aussicht, der drohenden Politik des ungezügelten Sozialabbaus eine wirkungsvolle Alternative entgegenzusetzen.

Denn was CDU und FDP vorhaben, haben sie klargemacht. Ein Fortsetzung der Vorherrschaft der Finanzmärkte, eine angebotsorientierte Wirtschaftspolitik, starke Einschnitte in soziale Errungenschaften und Arbeitnehmerschutz, den Ausstieg aus dem Atomausstieg, den Abbau der Förderung von Kimaschutz und der Förderung alternativer Energien. Und die FDP hat sich auch schon bereitwillig gezeigt, die Politik von Überwachung und Einschränkung der Bürgerrechte fortzusetzen. Die wenigen verbliebenen Vertreter eines sozialeren Arbeitnehmerflügels der Union werden weiter geschwächt werden, ebenso die Bürgerrechtsliberalen in der FDP.

Für eine starke linke Alternative in der Opposition ist ein klares Bündnis der SPD mit den Grünen notwendig, aber auch mit der Linken. In Brandenburg hat man die Möglichkeit, eine rot-rote Koalition zu bilden. Diese Chance zur Einleitung eine Neuanfangs muss wahrgenommen werden.

18:50 Ein Neuanfang ohne einen personellen Neubeginn ist schwer vorstellbar.

1924: Ach ja, und verfolgt auch mal den Wahlsonntag-Thread beim Spiegelfechter.

19:31: Gysi zeigt sich bereit für Linksbündnis… jetzt kommt es auf die SPD an.

19:43: Auch wenn Steinmeier, Müntefering und Struck sich dagegen wehren: Die SPD braucht jetzt einen strukturellen Erneuerungsprozess.

20:41: Berliner Runde: Es wird klar, dass eine starke gemeinsame linke Opposition nötig und auch möglich ist, wenn man dazu bereit ist. Merkel schweigt sich zu Inhalten und Programmen der kommenden Regierung aus.

20:47: Bei Netzpolitik gibt es einen Kommentar dazu, was man in den Bereichen Netzpolitik und Überwachungsgesetze von einer schwarz-gelben Regierung erwarten kann.

22:33: Anne Will hatte auch schon mal Gäste, deren politische Aktivitäten aktueller waren. Nach der Jubelberichterstattung im zdf allerdings mal relativ ausgewogen.

22:40: Volker Pispers: Die Wahllogik der Deutschen

http://www.youtube.com/watch?v=5C3xkezHEd8

22:53: Spreeblick zur Bundestagswahl

23:06: Der Kommentar des Oeffinger Freidenkers

00:38: So, zum Abschluss des Wahlabends noch das ZDF-Nachtstudio. Dann reicht’s aber.

01:06: ZDF-Nachtstudio übt sich in billig-oberflächlicher Linken-Dämonisierung, pro-FDP-Wahlkampf und “sozialdemokratische CDU”-Märchen (Wenn der Welt-Typ meint, dass die CDU eine sozialdemokratische Partei wär, warum gründet die Spinger-Presse dann nicht ne eigene rechtskonservativ-neoliberale Partei?). Außer Florian Schröder (“Der BWL-Bachelor ist definitiv nicht die Lösung”) sehr enttäuschend. Jetzt meint der Welt-Typ, die Linke wäre totalitär (sic!). Das würde wohl so wohl nicht mal jemand aus der CDU oder FDP sagen. Was soll man vom ZDF auch erwarten…?

1:35: Wenn man ne Sendung zur Wahl macht –  wieso lädt man dann nur Leute ein, denen die CDU komplett und die FDP  teilweise zu links sind (und einen Kaberettisten)?! Beende mit einem größeren Unbehagen gegen unsere Journaille als gegen die Wahlsieger diesen Wahlabend …

2:04: Ok, zum Abschluss verweise ich noch auf zwei Beiträge zur Zukunft der SPD: Völliger Realitätsverlust bei Frank-Walter Steinmeier und Franz Müntefering (FIXMBR) und Rücktritt! (WEISSGARNIX). Jetzt reicht’s aber für heute …

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Die Philosophie der Stoa – Ethik für das Leben statt Theorie für die Bücher

Die Philosophie der Stoa und insbesondere die Senecas behandelt in erster Linie das Gebiet der Philosophie, dass für mich das entscheidende, da für das wahre Leben relevanteste, der Philosophie ist: die Ethik.

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Statt sich in metaphysischen Spekulationen (die, wie ich für mich denke, nur Spekulationen bleiben können: der Mensch kann mit seinem Verstand nur die durch diesen erfassten Gebiete erkennen, darüber möglicherweise Hinausgehendes entzieht sich unserer Erfahrung und kann daher nie gewusst werden) oder den theoretischen Formalia der Logik zu ergehen, will sie konkrete, und, was das Entscheidende ist,  praktisch anzuwendende Empfehlungen und Hilfestellungen für ein ruhiges, nicht von Affekten heimgesuchtes, glückliches Leben geben.

Zwei Aspekte der Philosophie der Stoa  erscheinen für mich besonders herausstellenswert:

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Einerseits das Ideal der Seelenruhe, der inneren Unerschütterlichkeit gegenüber äußeren Schicksalsschlägen (auf deren Eintreten oder Nichteintreten wir keinen Einfluss haben).

Und andererseits das eines moralisch geprägten Verhaltens gegenüber den Mitmenschen, in deren Mittelpunkt Werte wie Solidarität für die Gemeinschaft und Nächstenliebe stehen (kein Wunder, dass die frühen Christen viele Gemeinsamkeiten mit der Stoa fanden – die in ihnen jedoch eher eine Bedrohung sah – und sogar einen Briefwechsel zwischen Paulus und Seneca fälschten).

Seneca versucht für eine Vielzahl von Problemen Lösungsansätze auf der Grundlage der stoischen Philosophie zu geben, die auch heute noch als nützlich betrachtet werden können. Auch wenn die Vorschläge Senecas zugegebenermaßen häufig sehr streng und in dieser Form kaum in der Realität umsetzbar sind – sie stellen Idealbilder und Idealvorstellungen dar, denen man sich annähern kann. Die Themen, die Seneca anspricht, sind meist für fast alle Menschen zutreffende Probleme, denen sich jeder (einmal) zu stellen hat. Es sollen ein paar Beispiel der philosophischen Ideen Senecas folgen, wie er sie in den Briefen an Lucilius schildert.

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„Tugend als das höchste Gut“

In seinem 66. Brief  legt Seneca die fundamentalen Pfeiler der stoischen Ethik dar. Er betont zunächst die Unabhängigkeit des Geistes, der Seele, von Äußerlichkeiten (z.B. vom Körper). Tugend definiert er als Seelenverfassung, die nach Erkenntnis der Wahrheit strebt, die weiß, wie man sich verhalten soll, die frei ist von Affekten und Leidenschaften und die sich nicht vom Schicksal, vom unbeeinflussbaren Zufall, erschüttern lässt.
Er betont weiterhin sehr stark, dass die Tugend etwas in ihrem Wesen absolutes, vollkommenes, immer gleiches und unveränderliches sei, die in den konkreten Situationen nur verschiedene Gestalten annehmen kann. Für die Tugend einzig entscheidend ist die rechte Vernunft, Tugend ist die praktische Umsetzung der Vernunft. (Diese sieht Seneca als etwas göttliches im Menschen an, so wie alles Gute voller Vernunft und göttlichen Ursprungs sei.) Deshalb gäbe es auch keinen Unterschied zwischen den Gütern. Für diese zähle nur die Tugend allein, keine Äußerlichkeiten, auch nicht Freude oder Schmerz, sie seien einander in ihrer allein auf die Tugend bezogenen Wertigkeit gleich.
Das sittlich Gute muss der Mensch durch freien Entschluss tun. Da das Gute gemäß der Vernunft ist und die Vernunft der Natur folgt, ist das höchste Gut des Menschen, sich dem Willen der Natur anzupassen. Er muss erkennen, dass das ihm durch Zufall zuteil gewordene eben dadurch, dass es zufällig ist, haltlos, hinfällig, vergänglich ist und einzig die Tugend als das sittliche, vernunftgemäße Verhalten entscheidend ist.
Gerade die Forderung nach ethischem, moralischem Handeln in unserer von Egoismus und Egozentrik, vom Bestreben nach eigener materieller Bereicherung und von Entsolidarisierung geprägten Zeit erscheint mir heute von entscheidender Wichtigkeit. Die stoische Lehre der Seelenruhe, der Gelassenheit gegenüber äußerlichen Zufälligkeiten, dem Freimachen von extremen Leidenschaften und Affekten, der Konzentration auf die Tugend und eine (sittlich) gute Lebensführung erscheint mir sehr beachtenswert.

Die vier Kardinaltugenden der Stoa (diese wurden übernommen von Platon)
Die vier Kardinaltugenden der Stoa (übernommen von Platon) (4)

„Über den Reichtum des Weisen”

Im 17. Brief  betont Seneca, dass nicht der Erwerb von Reichtum das Wichtigste für die Lebensführung des Weisen ist, sondern das Streben nach Veredelung seiner Seele, die dem Menschen viel mehr gebe als materieller Besitz, nämlich ewige Freiheit und Furchtlosigkeit. Im Gemüt des Menschen läge die Ursache für entweder seine Ruhe oder seine Leiden.
Da man zur Befriedigung der lebensnotwendigen Bedürfnisse nicht viele Mittel brauche, solle sich der vernünftige Reiche dies zum Vorbild nehmen und genügsam leben. Auch in Armut und Not könne man sich der Philosophie widmen und am Streben nach Weisheit und sittlicher Vervollkommnung teilhaben, so Seneca. Die Menschen müssen ihre Konzentration abwenden vom Begehren und Streben nach Besitz, von einer nur auf Äußerlichkeiten beruhenden Glücksschimäre und erkennen, dass das Entscheidende im Menschen in seiner Seele liegt und dass ein sittlich gutes Leben nicht durch Egoismus, sondern durch Solidarität, durch die Liebe zum Mitmenschen, durch gerechtes Handeln gekennzeichnet ist.

„Über die Adressaten der Philosophie“

Seneca stellt im 44. Brief  an Lucilius die Zugänglichkeit und Möglichkeit der Ausübung der Philosophie für alle Menschen, unabhängig von ihrer Herkunft, ihren Vorfahren, ihrem Beruf, ihrer sozialen Situation usw. dar. Niemand werde dadurch an der Beschäftigung mit Philosophie und an einer edlen Gesinnung gehindert. Er drückt es prägnant aus, indem er schreibt „Was die Philosophie anlangt, so weist sie niemanden zurück und bevorzugt niemanden: sie leuchtet allen.“ Er sieht keinen Unterschied zwischen Menschen „adliger“ und „nichtadliger“ Herkunft, sondern sagt, dass der Geist den Adel gibt.
Diese Betrachtung einer grundlegenden Gleichheit aller Menschen, der Unabhängigkeit ihrer Herkunft für ihr Leben und ihre Tugend war gerade für die Zeit Senecas sehr ungewöhnlich und sehr fortschrittlich.

Ancient Rome - Photo by http://picasaweb.google.com/milehighirish under http://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/3.0/
Ancient Rome (5)

„Über den Nutzen der Philosophie“

Im 16. Brief sagt Seneca zunächst, dass das Streben nach dem Erwerb von Weisheit der entscheidende Punkt sei, ob jemand in seinem Verständnis glücklich oder auch nur erträglich leben könne. Er sagt, dass das Wesen der Philosophie nicht im Wort, sondern in der Handlung liegt. Sie helfe dem Menschen außerdem, das Schicksal zu tragen. Am Ende sagt er, dass die natürlichen Bedürfnisse begrenzt seien und die unbegrenzten dem Wahn entstammten und man naturgemäß leben solle.
Man erkennt ein Verständnis von Philosophie als einerseits Hilfestellung zum „Über dem Schicksal stehen“, zur Seelenruhe, und andererseits auch von ganz konkreten praktischen Hilfen für die Lebensführung, für das Verhalten den Mitmenschen, der Gesellschaft gegenüber.

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(1) Lin Kristensen / http://creativecommons.org/licenses/by/2.0/deed.de

(2) Wikipedia (User: Calidius) / http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/deed.de

(3) Wikipedia / Public Domain

(4) Wikipedia / Public Domain

(5) Marty / http://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/3.0/

(6) Matthijs Koster / http://creativecommons.org/licenses/by/2.0/deed.de

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Jesus – ein Sozialist?

Auch wenn ich in Bezug auf Religionen wie gesagt eine agnostische Position einnehme, erscheinen doch viele der Lehren des Jesus von Nazareth sehr beachtens- und nachahmenswert. Jesus wird ja heutzutage gerne von eher konservativ, national und kapitalistisch eingestellten Parteien (ich weiß, dass ich die – leider immer weniger werdenden – Anhänger der katholischen Soziallehre damit etwas übergehe) – für sich eingenommen. Doch legt man einen genaueren Blick auf die Aussagen Jesu, wie sie in der Bibel (also von seinen Anhängern) überliefert werden, ergibt sich ein durchaus anderes Bild:

“Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst.” (Markus 12,31)

“Wenn du vollkommen sein willst, geh, verkauf deinen Besitz und gib das Geld den Armen; so wirst du einen bleibenden Schatz im Himmel haben; dann komm und folge mir nach.” (Matthäus 19,21)

“Niemand kann zwei Herren dienen; er wird entweder den einen hassen und den andern lieben, oder er wird zu dem einen halten und den andern verachten. Ihr könnt nicht beiden dienen, Gott und dem Mammon.” (Mt 6,24)

“Gebt acht, hütet euch vor jeder Art von Habgier. Denn der Sinn des Lebens besteht nicht darin, dass ein Mensch aufgrund seines großen Vermögens im Überfluss lebt.” (Lukas 12,15)

Und auch das Zusammenleben einer ersten Anhänger (der Apostel) war anscheinend in einer Weise geregelt, die man heutzutage mit guten Gründen als “kommunistisch” bezeichnen könnte:

“Und alle, die gläubig geworden waren, bildeten eine Gemeinschaft und hatten alles gemeinsam. Sie verkauften Hab und Gut und gaben davon allen, jedem so viel, wie er nötig hatte.” (Apostelgeschichte 2,44-45)

“Die Gemeinde der Gläubigen war ein Herz und eine Seele. Keiner nannte etwas von dem, was er hatte, sein Eigentum, sondern sie hatten alles gemeinsam.” (Apg 4,32)

” Es gab auch keinen unter ihnen, der Not litt. Denn alle, die Grundstücke oder Häuser besaßen, verkauften ihren Besitz, brachten den Erlös und legten ihn den Aposteln zu Füßen. Jedem wurde davon soviel zugeteilt, wie er nötig hatte.” (Apg 4,34-35).

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Der kategorische Imperativ – Gemeinsamkeit aller Weltreligionen

Ich betrachte mich selbst als Agnostiker. Und betrachtet man sich die fundamentalen ethischen Grunsätze der großen Weltreligionen und der Philosophie, so scheinen Kriege und auch nur Konflikte zwischen diesen Weltanschauungen in großer Linie irrational: Der bekannte kategorische Imperativ Kants “Handle so, daß die Maxime deines Willens jederzeit zugleich als Prinzip einer allgemeinen Gesetzgebung gelten könne” findet sich in allen Weltreligionen:

“Man sollte sich gegenüber anderen nicht in einer Weise benehmen, die für einen selbst unangenehm ist; das ist das Wesen der Moral.” Mahabharata (Hinduismus)

“Gleichgültig gegenüber weltlichen Dingen sollte der Mensch wandeln und alle Geschöpfe in der Welt behandeln, wie er selbst behandelt sein möchte.” Sutrakritanga (Jainismus)

“Was du selbst nicht wünschst, das tue auch nicht anderen Menschen an.” Konfuzius (Konfuzianismus)

“Ein Zustand, der nicht angenehm oder erfreulich für mich ist, soll es auch nicht für ihn sein; und ein Zustand, der nicht angenehm oder erfreulich für mich ist, wie kann ich ihn einem anderen zumuten?” Buddha nach Samyutta Nikaya V (Buddhismus)

“Tue nicht anderen, was du nicht willst, dass sie dir tun.” Rabbi Hillel (Judentum)

“Alles, was ihr also von anderen erwartet, das tut auch ihnen!” Jesus (Christentum)

“Keiner von euch ist ein Gläubiger, solange er nicht seinem Bruder wünscht, was er sich selber wünscht.” Mohammed (Islam)

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