Entwicklungspolitik bei der Bundestagswahl

Welche Forderungen kann man aus entwicklungspolitischer Sicht an die zur Bundestagswahl antretenden Parteien stellen? Und wie sehen die Positionen der Parteien zur Entwicklungspolitick aus?

Der Verband Entwicklungspolitik deutscher Nichtregierungsorganisationen (VENRO) hat 10 Forderungen zur Bundestagswahl gestellt. Der Kampf gegen Hunger und Armut, für demokratische Teilhabe, soziale Gerechtigkeit und den Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen gehöre  ganz oben auf die politische Agenda einer auf eine demokratische, soziale und ökologische Gestaltung der Globalisierung ausgerichteten Politik, so VENRO. Die Forderungen (die auch näher spezifiziert und konkretisiert werden) sind:

  1. Die Folgen der Finanz- und Wirtschaftskrise für die Armen mindern
  2. Die Millenniumsentwicklungsziele voranbringen
  3. Versprechen halten – Mehr und bessere Entwicklungszusammenarbeit
  4. Hunger bekämpfen – Welternährung sichern
  5. Klimawandel stoppen
  6. Gerechtigkeit im Welthandel
  7. Gesundheit und Bildung für alle
  8. Frieden und Sicherheit schaffen, Krisenprävention ausbauen, die Unabhängigkeit der humanitären Hilfe sichern
  9. Rolle der Frauen stärken und Geschlechtergerechtigkeit schaffen
  10. Solidarität und Kompetenzen im Umgang mit der Globalisierung stärken

In der Studie Sie haben die Wahl! Entwicklungspolitische Positionen der Parteien zur Bundestagswahl 2oo9 von VENRO und der Aktion ” Deine Stimme gegen Armut” wird untersucht, welchen Stellenwert und welche Rolle die Parteien der Entwicklungspolitik geben. Schwerpunkte der Untersuchung sind: Ziele der Entwicklungspolitik, mehr und bessere Entwicklungszusammenarbeit, globale Wirtschafts- und Finanzkrise, gerechter Welthandel und der Klimawandel. Betrachtet werden CDU/CSU, SPD, Grüne, FDP und Die Linke.

Die dafür analyierten Wahlprogramme der Parteien zur Entwicklungspolitik und die Antworten der Parteien auf einen Fragenkatalog finden sich auf dieser Seite, und dort gibt es auch Vorschläge, was man zur Bundestaggswahl gegen Armut tun kann, sowie verschiedene Materialien und Links zum Thema.

Bei Deine Stimme gegen Armut gibt es ebenfalls einen Entwicklungspolitischen Wahlhelfer, ähnlich dem bekannten Wahlomaten, bei dem man Aussagen zur Entwicklungspolitik zustimmen, ablehnen oder auch überspringen kann. Die Antworten werden mit den Programmen der Parteien verglichen und die Übereinstimmung festgestellt. Jedoch werden dort nur 10 Fragen gestellt, und es kann auch gefragt werden, ob diese die wichtigsten Punkte abdecken. Eine Kritik zu dem Wahlhelfer gibt es auch im Blog der Rheinzeitung.

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Arbeit in Deutschland: immer prekärer, immer schlechter bezahlt

Deutsche Unternehmen nutzten Leiharbeit nicht mehr zum kurzfristigen Ausgleich personeller Engpässe, sondern als Instrument einer kurzfristigen Absicherung der Kapitalrendite oder der Profitabilität.

Mehr prekäre Beschäftigungsformen

Laut einer Studie des Statistischen Bundesamtes hat die Zahl der atypisch Beschäftigten (Teilzeitarbeit, Leiharbeit, befristet und geringfügig Beschäftigte) in Deutschland von 5,3 auf 7,7 Millionen zugenommen, die (unbefristeten Vollzeit-) Normalarbeitsverhältnisse gingen von 23,7 auf 22,9 Millionen zurück. Der Verdienst in den atpischen Beschäftigungsformen liegt bei 2/3 des Verdienstes eines Normalbeschäftigten, und fast die Hälfte von ihnen fielen unter die Niedriglohngrenze. Die Ergebnisse gibt es bei http://www.tagesschau.de/wirtschaft/studiejobqualitaet100.html.

Leiharbeit: unsicher und schlecht bezahlt

Die Studie der Hans Böckler-Stiftung Zeitarbeit in europäischen Ländern – Lehren für Deutschland? stellt schlechtere Arbeitsbedingungen für Deutsche Arbeitnehmer als in den anderen europäischen Staaten fest. V.a gibt es hier gravierende Lohnunterschiede zu den regulär Beschäftigten. In keinem der anderen Länder sind die Lohnunterschiede so stark ausgeprägt wie in Deutschland. Jeder achte ist auf staatliche Lohnzschüsse angewiesen und Leiharbeiter haben ein überdurchschnittlich hohes Armutsrisiko. Mehr als die Hälfte sind außerdem kürzer als 3 Monate angestellt. Eine kurze Zusammenfassung auf http://www.tagesschau.de/wirtschaft/leiharbeiter102.html.

In Deutschland gibt es nicht etwa wie in Frankreich bei der Leiharbeit eine Art Ausgleich: höhere Bezahlung gegen unsichereres Beschäftigungsverhältnis  oder allgemein wie in Dänemark großzügige Arbeitslosenunterstützung (hohe Sicherheit) gegen geringen Kündigungsschutz (hohe Flexibilität). Bei uns lautet der “Deal”: niedrigere Löhne bei nicht vorhandener Beschäftigungssicherheit.

Andere Untersuchungen zur Leiharbeit

Nur 21% der Zeitarbeitnehmer werden in reguläre Beschäftigung übernommen (12-15% direkt im Entleihbetrieb). 26% bleiben in der Zeitarbeit, 34% werden arbeitslos, 19% werden Nichterwerbspersonen (IAB-Betriebspanel). Fast 80% aller Zeitarbeitnehmer sind in diese prekäre Beschäftigungsform von vorher regulärer Beschäftigung oder nur kurzer Arbeitslosigkeit gewechselt.

Der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, dem außer Peter Bofinger nur Anhänger der neoklassischen Ökonomie angehören, stellt in seinem Jahresgutachten 2008/ 2009 fest, dass in Deutschland “vormals arbeitslose Leiharbeitnehmer zwar eine höhere Wahrscheinlichkeit haben, binnen vier Jahren wieder bei einem Verleihunternehmen zu arbeiten, sich aber nicht von Arbeitslosen in der Wahrscheinlichkeit unterscheiden, einer regulären Beschäftigung nachzugehen oder wieder arbeitslos zu sein”.

Zeitarbeitnehmern werden (je nach Beruf) nur 49 bis 73% des Lohns der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten in dem selben Beruf bezahlt (Sozio-oekonomisches Panel 2006).

NACHTRAG: Die Folgen prekärer Beschäftigung

In der Süddeutschen Zeitung gibt es unter Leiharbeit – ”Das System powert die Leute systematisch aus” ein Interview mit dem Arbeitssoziologen Klaus Dörre zu einer Studie der IG Metall.  Deutsche Unternehmen nutzten Leiharbeit nicht mehr zum kurzfristigen Ausgleich personeller Engpässe, sondern, so ndern als Instrument einer kurzfristigen Absicherung der Kapitalrendite oder der Profitabilität. Bei Lowestfrequency gibt es eine Zusammenfassung sowie ein paar Anmerkungen.

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In Deutschland muss niemand hungern! Oder doch?

Ein Bündnis für das Existenzminimum

In Deutschland ist es tatsächlich so weit gekommen, dass ein Bündnis von Politikern (von SPD, Grünen und der Linken sowie auch Heiner Geißler), Gewerkschaften und verschiedenen Initiativen fordern muss, dass gegen Bezieher des Arbeitslosengeldes II bei Versäumnissen gegen Forderungen der Jobcenter keine Sanktionen verhängt werden dürfen, die ihr Existenzminimum bedrohen. Darunter versteht man die Mittel, die zur Befriedigung der materiellen Bedürfnisse notwendig sind, um physisch zu überleben; dies sind vor allem Nahrung, Kleidung, Wohnung und eine medizinische  Notfallversorgung (wikipedia).

Regeln und Strafen

So kann, wer etwa eine  “zumutbare” (also so gut wie jede) Arbeit oder einen Ein-Euro-Job ablehnt oder wer ein Bewerbungstraining schwänzt, mit einer Leistungskürzung um 30% für 3 Monate bestraft werden, bei Wiederholung bis zu 100%. Erwachsenen unter 25 Jahren wird häufig schon bei der ersten “Pflichtverletzung” der Regelsatz komplett gestrichen, beim zweiten mal die Unterkunftskosten (2008 gab es das 97000 mal). Diese Maßnahmen wurden 2007 im Zuge der sogenannten Hartz IV-Gesetze eingeführt. Die legale Rechtmäßigkeit der Sanktionen darf unterdessen angezweifelt werden: 41% der Widersprüche und 65% der Klagen vor Gericht waren ganz oder zumindest teilweise erfolgreich. Und: die Bundesagentur für Arbeit weiß selbst auch noch nicht einmal, wieviel Geld der Staat durch Sanktionen gegen Arbeitslose einsparen kann.

Wer nicht arbeitet, soll auch nicht essen!

Workfare in Reinkultur: wer nicht “arbeitswillig” erscheit, dem soll das Leben so schwer und so unangenehm wie möglich gemacht werden. Oder auch: “Wer nicht arbeitet, soll auch nicht essen”. Erwerbsloseninitiativen stellen fest, dass sich die Ernährungs- und Gesundheitslage der Betroffenen durch die Sanktionen noch einmal verschlechtert. So müssen von diesen betroffene Hartz-IV-Bezieher zwischen hungern oder Miete nicht bezahlen abwägen.

50 Prozent haben nichts

Währenddessen geht die Umverteilung von unten nach oben in Deutschland immer weiter. Die Lohnquote sank von 2000 vis 2007 von 72,2% auf 64,6%. (Statistisches Bundeamt, VGR). Deutschland hat den zweithöchsten Zuwachs an Einkommensarmut aller OECD-Länder (OECD 2008). Bei der Vermögensverteilung sieht es sogar noch drastischer aus:

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(BpB nach dem DIW-Wochenbericht Nr. 4/2009)

Während die ärmsten 50% der Menschen in Deutschland im Durchschnitt 0 (in Worten: null) Prozent des Nettovermögens besitzen, konnten die reichsten 10% diesen Anteil von 2002 bis 2007 von 57,9 auf jetzt 61,1% erhöhen. (90 Prozent aller Deutschen profitierten nicht von dem Wirtschaftsaufschwung in dieser Zeit oder verloren gar Vermögen, der gesamte Vermögenszuwachs von über 1 Billionen Euro kam außschließlich den reichsten 10% zu Gute.)

Georg Schramm hatte das in Neues aus der Anstalt auch noch einmal schön erläutert:

http://www.youtube.com/watch?v=tFUio-DRWpc

http://www.youtube.com/watch?v=sOgQbx9Ry9s

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  1. Im Gespräch: Polit-Blogger Albrecht Müller. Eine perfekte Meinungsmaschine http://bit.ly/Gd2X8

  2. Zwei Drittel des gesamten Einkommenszuwachses erhielt in den Bush-Jahren zwischen 2002 und 2007 das reichste Ein-Prozent der Bevölkerung.

  3. George W. Bush hat es geschafft: USA: Einkommensungleichheit größer denn je http://www.heise.de/tp/r4/a…

  4. @horatiorama: Naja, besser als Chelsea…

  5. @frakturfreak: Ja, Thüringer ist immer mit Darm

  6. @frakturfreak: Thüringer ist wirklich am besten! Wurst ohne Darm kommt mir aber sehr komisch vor (kenn ich auch nicht)

  7. Hartz-IV-Bezieher müssenzwischen hungern oder Miete nicht bezahlen abwägen. http://bit.ly/4hmykS

  8. Das gesamte Wahlprogramm der CDU in einem Song! http://bit.ly/16JnlI

  9. Bachelor/ Master: kleine Korrekturen helfen nicht http://ur1.ca/9eli

  10. Dümmster Text über das Internet: http://bit.ly/vbD9l (via @martinhaase)

  11. Ah, genau: @Sixtus vs. @Lobo: Counter-Strike http://bit.ly/QN2zC

  12. Musste mal gesagt werden! Sagt ja keiner sonst

  13. Wir müssen was für DEN kleinen frühaufstehenden Handwerker, für DIE hart arbeitende frühaufstehende Krankenschwester tun!

  14. Oh, Tweet Nummer 500

  15. RT @timpritlove: Neuer Podcast: CRE135 Mut zur Freiheit http://chaosradio.ccc.de/cr… (mit Juli Zeh und Ilija Trojanow)

  16. Merkel braucht keine Strategiepapiere, “Wachstum schafft Arbeit. Das ist die Philosophie.” reicht ihr. http://bit.ly/BGte1

  17. Einzige Erkenntnis aus Anne Will: Wulff übertreibt es mit Fußballvergleichen, Steinbrück wirft mit Zitaten um sich.

  18. @afrikablog: Die Entwicklungspolitik der Spitzenkandidaten (außer Merkel) http://bit.ly/aUESF

  19. Die Entwicklungspolitik der Spitzenkandidaten (außer Merkel) http://bit.ly/aUESF

  20. Piratenpartei kämpft für Bärtewandel (BILDblog) http://bit.ly/zYHtB

  21. RT @spreeblick: Der Sonntagstipp für Unentschlossene: Vielleichtathletik.

  22. Afrika? Merkel hat andere Prioritäten http://bit.ly/HAeSh

  23. @Doener: Bei den Episoden kannst du auch “watch in english” einstellen…

  24. Merkel hat Prioritäten?

  25. Spitzenkandidaten beantworten Fragen zu Afrika und Entwicklungspolitik, aber Merkel hat “andere Prioritäten” http://bit.ly/xLR6R

  26. @martinhaase: Hm, falscher Link (Welt)?

  27. BA weiß selbst nicht einmal, wieviel Geld der Staat durch Sanktionen gegen Arbeitslose einspart http://bit.ly/GI9rT workfare halt…

  28. @Doener: http://daserste.ndr.de/pano…

  29. Guttenbergs geheime Agenda: neoliberale Märchenstunde http://ur1.ca/9917

  30. 1. Trierer #BlogBier -Treffen (ein kurzes Resümee) http://bit.ly/I6Rwt

  31. @frakturfreak: Was sind denn Grumpeln?

  32. Männer sind, und Frauen auch, überleg dir das mal!

  33. Deutsche Post wil bis Ende 2011 bundesweit alle noch selbst betriebenen 475 Filialen aufgeben. http://bit.ly/1PWQlv

  34. Kaufland #Trier Irgendson Abziehbild von nem BWLer-Schnösel will mir nen Volksfreund andrehen. Der yellowstrom-Typ versucht’s erst gar nicht

  35. RT: @fidepus: Die Twitter-Frühstück-Umfrage. http://twtpoll.com/d5xv6t

  36. Guttenbergs neoliberaler Geheimplan http://bit.ly/c5hSJ http://bit.ly/S3tXr

  37. @Doener: Nur: bei ntv hätte man es nicht anders erwartet …

  38. RT @tauss: Abendblatt verliert völlig die Fassung http://u.nu/6vfv #zensursula

  39. RT @bevision: RT @futurezone_ Bayrischer Innenminister und BpB-Präsident fordern Ausweitung von Netzsperren http://awe.sm/16g6 #zensursula

  40. Beim #Stern geht der schwarz-gelbe Wahlkampf in die nächste Runde: “Das Obamameter: Merkel gegen Steinmeier 5:1” http://bit.ly/iNBgf

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Afrika? Merkel hat andere Prioritäten

Die Entwicklungshilfe-Gruppe One hat den Spitzenkandidaten von Union, SPD, Grünen, FDP und Die Linke. zur Bundestagswahl zwölf Fragen zu Afrika gestellt. Neben eher Belanglosem ging es dabei auch um die Entwicklungspolitik der Spitzenkandidaten.

Photo by oparazzi.de under http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/
Photo by oparazzi.de under http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/

Die Bundeskanzlerin und Spitzenkandidatin von CDU und CSU Frau Merkel aber möchte Prioritäten setzen und hat die Fragen daher nicht beantwortet. Genau so! “Es ist viel los, wir müssen Prioritäten setzen”, so hat es ihr Sprecher mitgeteilt. Sie hat sie noch nicht einmal beantworten lassen! Noch nicht einmal von einem kleinen Sachbearbeiter oder Kanzleramtsbeamten. Prioritäten setzen heißt also, die Belange eines ganzes Kontinentes einfach zu ignoriern. Vollständig. Es ist ja auch Wahlkampf und man muss sich um die “wirklich wichtigen Dinge” kümmern. (Dienstwagen zum Beispiel. Oder hat sonst jemand noch was mitgekriegt? Bild, Spiegel oder Stern machen zur Zeit ja wohl besseren CDU-Wahlkampf als die Parteivorsitzende).

Na gut, andererseits, klar, warum auch, wenn dem deutschen Otto Normal-CDU-Wähler eher interessiert, dass die Steuern runter müssen, als dass die Entwicklungshilfe endlich, wie vor fast 20 Jahren versprochen, auf 0,7% des BIP erhöht wird. Der meint, dass es zu viele Ausländer in Deutschland gibt, während 1 Milliarde Menschen auf der Welt hungern. Der sich vor der Schweinegrippe fürchtet, während 7,2% aller 15-49-Jährigen im südlichen Afrika mit HIV infiziert sind.548px-Topography_of_africa

Ob ihn nicht vielleicht aber auch interessieren würde, dass es nicht einmal 1% des Einkommens der reichsten 10% der Weltbevölkerung kosten würde, um das Einkommen der ärmsten 25% zu verdoppeln? Das genug Reichtum vorhanden ist, um Armut, Hunger und Seuchen endlich Geschichte werden zu lassen?

Worauf Frau Merkel nun ihrerseits Prioritäten setzt, bleibt unterdessen unklar. Sich auf ein Thema festzulegen oder klare politische Konzepte zu erarbeiten war eh nie ihr Stil.

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