Angie in Trier

Eigentlich wollte ich ja hier etwas über die Wahlkampfveranstaltung der Perle der Uckermark gestern hier bei uns an der wunderschönen Mosel, die sie auch laut eigener Aussage von ihrem Hubschrauber aus bewundern konnte, schreiben.

Das fällt jetzt aber zusehends schwer. Einfach, weil es nichts gab. Nicht, dass einen Unionswähler hätte mitreißen können, nichts, was den unbedarften Bürger überzeugen könnte. Und noch nicht mal etwas, über das man sich aufregen konnte. Keine strittigen Themen, nur Allgemeinplätze und so unklar gehaltene politische Aussagen, dass diesen fast jeder zustimmen würde (nach dem Schema “Wir müssen die Familien stärken!” “Die Finanzmärkte dürfen auch nicht ganz unreguliert sein!”). Und was an CDU-Politik gelobt wurde, war v. a. in der Zeit Adenauer bis Mauerfall zu verorten. Substanz- und Inhaltslosigkeit in einer selbst im Wahlkampf kaum gekannten Form.

Wie man eine Wahlkampfrede halten konnte, hatte Schröder beim Wahlkampf 2005 in Trier gezeigt. Ob man jetzt seine politischen Inhalte gut oder schlecht findet, er konnte zweifelslos die Zuschauer mitreißen. Als Reaktion auf den Auftritt der sich selbst als “Staatsoberhaupt” bezeichnenden Kanzlerin (nicht, dass das etwa der Bundespräsident wäre…)bleibt nur ein ratloses Schulterzucken.

Das einzige, was ich gern gesehen hätte (ich kam etwas zu spät – aber wo beginnt denn so eine Veranstaltung auch bitte pünktlich?), war die Rede des Premierministers unsere Lieblings-Nachbar-Großherzogtums. Schon merkwürdig genug, dass ein ausländischer Regierungschef Wahlkampf für unsere Bundes-Angie macht. Obwohl, Berlusconi z.B. wär mal ziemlich lustig gewesen. Während ihrer Rede stand der Juncker jedenfalls mit nem Bier da. Wenigstens er hatte wohl Spaß.

Ach, und auch unser örtliches Lokalblatt, der Trierische Volksfreund (für die Nicht-Trierer: ja, der heißt wirklich so!) scheint sich jetzt in die CDU-Jubelpresse-Front einzureihen:

Was für ein Kontrast-Programm: Am Montag in Danzig noch ganz Staatsfrau beim 70. Jahrestag des deutschen Überfalls auf Polen, war Bundeskanzlerin Angela Merkel am Mittwoch in Trier und Ludwigshafen wieder ganz die CDU-Bundesvorsitzende und als solche mitten im Wahlkampf. (…)

Am Mittwochabend wurde die CDU-Bundesvorsitzende vom christsozialen Nachbarn Jean-Claude Juncker begleitet. Ein gutes Duo: Juncker gab sich gewohnt locker (“Mein Privileg als Ehrenbürger ist es, hier gratis bestattet zu werden”), Merkel dagegen etwas ernsthafter. (…)

Obwohl, aus dem nachfolgenden Bericht im Volksfreund könnte man fast den Eindruck haben, “Angie” sei eine gefährliche Sozialistin und Umverteilerin. Vielleicht hält das ja doch noch CDU-Sympatisanten vom CDU-wählen ab. Dieter Lintz hingegen hat zu Angies Auftritt einen (mal wieder) ziemlich guten Kommentar beim Volksfreund geschrieben.

Auf 16 vor wird unterdessen nur die Rede Merkels nachgebetet wie im Monats-Käseblatt vom CDU-Ortsverein. Da hat man auf dieser Seite schon deutlich besseres gelesen.

UPDATE: Bessere Berichte gibt es dagegen hier und hier.

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Singt alle mit für die Partei!

Also, hier noch mal das unglaubliche JU-Video – für die, die es bei youtube (oder in den zahlreichen Blogs, wo es dieses Machwerk inzwischen zu sehen gibt) nicht finden 😉

http://www.youtube.com/watch?v=Qow9Q6QLb58

Und nein, das ist keine Satire. Wirklich nicht. Siehe z.B. hier: Junge Union bei Youtube: Eigentor im Online-Wahlkampf oder hier: Wahlkampf im Netz – “Junge Un-jo-hon / ist die Miss-jo-hon”.

Andere schlechte Parteilieder werden gerade im Nightline-Blog gesammelt. Vorschläge bitte an: http://twitter.com/holgi

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Die Entwicklungspolitik der Parteien – Ignoranz bei der CDU, Desinteresse bei der FDP

Die Studie Sie haben die Wahl! Entwicklungspolitische Positionen der Parteien zur Bundestagswahl 2oo9 von VENRO und Deine Stimme gegen Armut untersucht die entwicklungspoltischen Positionen von CDU/CSU, SPD, Grüne, FDP und Die Linke.

In relativ vielen Punkte stimmen die Parteien dabei sogar überein. Angesichts sehr vieler sinnvoller Konzepte und Ideen scheint es sinnvoll, sich ein paar problematische oder sogar schädliche anzusehen:

Die CDU lehnt die Agrarsubventionen der Industrieländer für ihre Landwirtschaft nicht ab und betont sogar, dass sie „verstärkt Exportmärkte für die deutsche Land- und Ernährungswirtschaft erschließen und die Exportoffensive fortsetzen“ will.

Jährlich geben die Industrieländer  für Importzölle und Exportsubventionen auf Agrar- und Textilprodukte mit 350 Milliarden Dollar das Siebenfache ihrer Entwicklungshilfe aus. Durch Exportsubventionen werden die hohen Preise auf oder unter das Weltmarktpreisniveau gesenkt, sogar bis um mehr als ein Drittel unter den Produktionskosten. Die  Zollschranken der Industrieländer  für Exporte aus Entwicklungsländern sind 4 mal höher als für Exporte aus anderen Industrieländern. Der Protektionismus der Industrieländer kostet die Entwicklungsländer nach IWF- und Weltbankschätzungen mit 100 Milliarden Euro doppelt so viel, wie sie an Entwicklungshilfe von ihnen erhalten.

Die CDU setzt sich ebenfalls für weiterhin strenge Patentregelung ein.

Die Entwicklungshilfe will die CDU an Good Governance-Kriterien und die Einhaltung der Menschenrechte knüpfen. Dies erscheint v.a. im Bereich der Budgethilfe sinnvoll, aber: CDU und FDP sind eher gegen die Budgethilfe.

CDU und SPD wollen eine starke Rolle der G-8 bei der Steuerung der Globalisierung behalten.

Die Zusage, 0,7 Prozent des BNE für Entwicklungszusammenarbeit bereitzustellen, findet sich überall, bei CDU, FDP und Linke fehlt jedoch das (bereits zugesagte) Zieljahr 2015. Besonders bei der FDP wird mit der Aussage, die „Wirksamkeit der Entwicklungszusammenarbeit stärker in den Mittelpunkt stellen zu wollen als die Höhe der Gelder“ deutlich, dass eine Erhöhung der Entwicklungshilfe wohl nicht zu erwarten wäre.

Die FDP lehnt innovative Finanzierungsinstrumente für Entwicklungshilfe ab, die CDU äußert sich dazu nicht.

Die Erlöse aus dem Emissionshandel will die FDP nicht in den Klimaschutz und die Entwicklungszusammenarbeit investieren, sondern mit ihnen die Senkung der Stromsteuer finanzieren.

Außerdem ist die FDP als einzige Partei für die Abschaffung des Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung.

Die Linke will regionale Märkte in Entwicklungsländer stärken. Für einige Länder kann dies der richtige Weg sein. Empirische Untersuchungen zeigen jedoch, dass offene und weltmarktorientierte Entwicklungsländer höhere Wachstumsraten des Pro-Kopf-Einkommens haben als geschlossene.

Vergleicht man die Positionen der Parteien zu denen, die seitens der Wissenschaft und seitens der Zivilgesellschaft, wie etwa durch Nichtregierungsorganisiationen wie VENRO zum Ausdruck gebracht werden, so ergibt sich, dass die CDU aus entwicklungspolitischer Sicht nicht wählbar ist. Gerade die Existenz hoher Agrarsubventionen des Nordens ist zweifelsohne ein gravierende Entwicklungshemmnis für den Süden, und nur die CDU besteht aus Klientelinteressen darauf.

Die FDP unterstreicht dadurch, dass sie das BMZ abschaffen und nicht mehr Gelder bereitstellen will, dass die Entwicklungspolitik keine ihrer Prioritäten darstellt, auch sie erscheint hinsichtlich ihrer entwicklungspolitischen Vorstellungen kaum wählbar.

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Afrika? Merkel hat andere Prioritäten

Die Entwicklungshilfe-Gruppe One hat den Spitzenkandidaten von Union, SPD, Grünen, FDP und Die Linke. zur Bundestagswahl zwölf Fragen zu Afrika gestellt. Neben eher Belanglosem ging es dabei auch um die Entwicklungspolitik der Spitzenkandidaten.

Photo by oparazzi.de under http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/
Photo by oparazzi.de under http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/

Die Bundeskanzlerin und Spitzenkandidatin von CDU und CSU Frau Merkel aber möchte Prioritäten setzen und hat die Fragen daher nicht beantwortet. Genau so! “Es ist viel los, wir müssen Prioritäten setzen”, so hat es ihr Sprecher mitgeteilt. Sie hat sie noch nicht einmal beantworten lassen! Noch nicht einmal von einem kleinen Sachbearbeiter oder Kanzleramtsbeamten. Prioritäten setzen heißt also, die Belange eines ganzes Kontinentes einfach zu ignoriern. Vollständig. Es ist ja auch Wahlkampf und man muss sich um die “wirklich wichtigen Dinge” kümmern. (Dienstwagen zum Beispiel. Oder hat sonst jemand noch was mitgekriegt? Bild, Spiegel oder Stern machen zur Zeit ja wohl besseren CDU-Wahlkampf als die Parteivorsitzende).

Na gut, andererseits, klar, warum auch, wenn dem deutschen Otto Normal-CDU-Wähler eher interessiert, dass die Steuern runter müssen, als dass die Entwicklungshilfe endlich, wie vor fast 20 Jahren versprochen, auf 0,7% des BIP erhöht wird. Der meint, dass es zu viele Ausländer in Deutschland gibt, während 1 Milliarde Menschen auf der Welt hungern. Der sich vor der Schweinegrippe fürchtet, während 7,2% aller 15-49-Jährigen im südlichen Afrika mit HIV infiziert sind.548px-Topography_of_africa

Ob ihn nicht vielleicht aber auch interessieren würde, dass es nicht einmal 1% des Einkommens der reichsten 10% der Weltbevölkerung kosten würde, um das Einkommen der ärmsten 25% zu verdoppeln? Das genug Reichtum vorhanden ist, um Armut, Hunger und Seuchen endlich Geschichte werden zu lassen?

Worauf Frau Merkel nun ihrerseits Prioritäten setzt, bleibt unterdessen unklar. Sich auf ein Thema festzulegen oder klare politische Konzepte zu erarbeiten war eh nie ihr Stil.

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Die Internetversteher von CDU und FDP

Der Artikel “Online-Wahlkampf: Die Parteien werfen ihre Netze aus” auf FAZ.net zeugt zwar nicht von wirklich großer Sachkenntnis (und egal was man z.B. von der Piratenpartei hält, in so einem Artikel sollte diese wohl – allein aus journalistischem Interesse – wenigstens mal erwähnt werden).

Interessant fand ich dann aber doch folgende Anekdoten zum Online-Wahlkampf von CDU und FDP (muhaha, die  scheinen das Internet verstanden zu haben!):

Die Mitglieder des „teAM Deutschland” der CDU können im Wahlkampf Punkte sammeln. Daraus berechnet sich ein “Aktionsindex”, und die “Fleißigsten” dürfen dann zum Wahlabend nach Berlin. So gibt es für einen in einer Zeitung veröffentlichten Leserbrief 200 Pukte, und für einen (!) Tweet (Twitter-Beitrag, FAZ) 50 Punkte. 4 mal einen höchtsens 140-Zeichen-Beitrag zu schreiben zeigt also soviel “Fleiß” wie einen Leserbrief zu verfassen, der ja (in den meisten Zeitungen :P) meistens dann doch schon ein wenig fundiert sein sollte, um veröffentlicht zu werden.  Wenn ich da bei denen mitmachen würde, würde ich ja ständig nur “#CDU+”-Beiträge twittern, bis es weh tut. Allein um zu so nem exklusiven Wahlabend zu kommen (Reise wird doch aber bezahlt, oder?).

Und laut Ronald Pofalla will sich die CDU auch eher auf die im Netz aktiven älteren Wähler konzentrieren. Schuster, bleib bei deinen Leisten, oder wie hieß das?

Die CSU hat übrigens als einzige keine offene Untestützerplattform. “CSUnity” ist nur für Parteimitglieder …

Die Unterstützer der FDP Schuhe_18_Prozent_fcmwährenddessen können in der „mit mach arena“ Punkte sammeln, um sie später im „my FDP Shop“ einzulösen.

Was soll es denn da geben?? Wahlkampf-Kulis und -Feuerzeuge? FDP-Poloshirts mit hochgestellten Hemdkragen?  Projekt 18-Schuhe? “Ich bremse auch für Hartz IVler”-Autoaufkleber?

Die wirtschaftsliberalen Parteien müssen also ihre Leistungsideologie und ihren Materialismus nun auch für die eigenen Leute im Wahlkampf einsetzen, damit diese sie unterstützen, oder wie? Wie war das noch mit ehrenamtlichem Engagement zum Wohle der Allgemeinheit? Naja gut,  stimmt, wir reden von Union und FDP.

Bildquelle:

Wikipedia (User: Frank C. Müller) / http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/deed.de

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Neues von Zensursula – patente Spitznamen, Millionen Unterstützer und Vertrauen in den Staat

Zunächst einmal: Frau von der Leyen hat nichts gegen ihren ja durchaus zweifelhaften Spitznamen „Zensursula“.

zensursula

Hat sie der Spitzname „Zensursula” getroffen?

von der Leyen (lacht) Nein. Das fand ich patent. Das gehört zur politischen Auseinandersetzung dazu. (Siehe)

oder gleich nochmal hier:

Welt am Sonntag: Und Ihren Spitznamen?

von der Leyen: Meinen Spitznamen finde ich patent. Viel Feind, viel Ehr’. Wir haben eine lebendige Debatte, da darf man nicht kleinlich sein.

Ja, richtig, sie findet ihn „patent“. Nicht „Patent“ (sich anbietende Wortwitze mit Bezugnahme auf die Urheberrechtsdebatte erspare ich mir), sondern „patent“. Als Adjektiv! Und sie fordert außerdem Benimmregeln für das Internet. Diese Frau scheint wirklich aus dem vorvorletzten Jahrhundert zu stammen… Und nebenbei: ich würde diesen Namen an ihrer Stelle ja nicht „patent“ finden, sondern ganz und gar furchtbar. Selbst wenn sie da anderer Meinung ist, muss ihr doch klar sein, dass sie (für nicht gerade wenige Menschen) für die Einführung einer Zensurinfrastruktur in Deutschland steht.

Ach ja, sie hat ja auch ein sehr, sagen wir, eigenwilliges Demokratieverständnis. So ist sie der Meinung, dass Millionen hinter ihr stehen. Der pantoffelpunk blog führt dagegen sehr schön aus, dass es vielleicht doch eher tausend sind.


Aber nicht nur Zensursula (so darf man sie dann inzwischen vollkommen guten Gewissens nennen) hat ihre Probleme mit demokratischen Instrumenten des Internets. Herr Schäuble meint doch tatsächlich auf dem zweiten Deutschland Online-Kongress, es sei „ein grobes Missverständnis und eine Fehlwahrnehmung, dem Staat im Internet Zensur- und Überwachungsabsichten zu unterstellen.“ Er bittet um Verständnis und Vertrauen! (Einen guten Kommentar dazu gibt es auf Netzpolitik ). Das meint er doch nicht im Ernst, oder? Glaubt er wirklich, dass politisches Taktieren und Schönfärben ausgerechtet dort angebracht ist? Oder glaubt er tatsächlich daran, dass der Staat uns schützen müsse? Vor uns selber? Vor der unmittelbaren terroristischen Bedrohung, die uns allen bevorsteht? Vielleicht auch noch vor der Schweinegrippe…? Vielleicht glaubt er das, dass er uns schützen muss – aber dies durch Überwachung. Denn:

„Oh – großer Lauschangriff, Vorratsdatenspeicherung, Zugangserschwerungsgesetz, Bundestrojaner, Flugpassagierdatenweitergabe an die USA, Überwachung von Konten und Überweisungen, verfassungswidrige Rasterfahndungen und und und, das haben wir uns nur ausgedacht?“

.

Die FDP währenddessen möchte gegen das Internetzensurgesetz nur dann vor das Bundesverfassungsgericht ziehen, wenn es nach der Bundestagswahl keine schwarz-gelbe Regierungskoalition geben wird (vgl.). Was mal wieder zeigt, wieviel für diese Partei wirklich die Freiheit bedeutet, wenn es um Machtinteressen geht. Aber das auch noch so eiskalt zuzugeben, da gehört schon eine ordentliche Portion Dreistigkeit dazu.


Und selbst von den Grünen sind sehr irritierende Töne zu hören. Nur ein paar Auszüge:

Die ignorante Argumentation gegen Internetsperren kommt von Menschen, die es sich in virtuellen Räumen bequem gemacht haben und übersieht die Opfer in der realen Welt.“

„Wer Ego-Shooter für Unterhaltung, Facebook für reales Leben, wer Twitter für reale Politik hält, scheint davon auszugehen, dass Gewalt keine Opfer in der Realwelt fordert. Anders kann die ignorante Argumentation gegen die Internetsperren gar nicht erklärt werden.“

„Da haben sich einige wohl das Hirn herausgetwittert.“

Eine Begründung, warum er diese Tirade veröffentlicht, liefert Matthias Güldner, seines Zeichens Fraktionsvorsitzender der Grünen in der Bremischen Bürgerschaft, wenigstens gleich selbst mit:

„Unser Umfeld kommt zu einem nicht unerheblichen Teil aus den erziehenden Berufen, ist selbst Mutter oder Vater. Die Internetsperren haben Umfragen zu Folge bei ihnen eine hohe Popularität.“

Aber ich frage mich wirklich, was in einem (grünen!) Politiker vorgehen muss, dass er eine derart hasserfüllte Polemik schreibt, dass der härteste Neokonservative eifersüchtig werden könnte.

Wenigstens hat die Bundespartei diese Stellungnahme recht schnell als „nicht erträglich“ und „abweichende Einzelmeinung“ bezeichnet – bei twitter.

Dennoch ist es erschreckend zu sehen, was für Meinungen offensichtlich in fast allen im Bundestag vertretenen Parteien anzutreffen sind.

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Internetzensur – Machtpolitik geht über Bürgerrechte

Das Gesetz zu den Web-Sperren hat nun also den Bundesrat passiert (vgl. z.B. http://www.heise.de/newsticker/Gesetz-zu-Web-Sperren-passiert-den-Bundesrat–/meldung/141849: betroffene Anbieter werden über die Sperrung ihrer Seiten nur “in der Regel” informiert, die Sperrliste wird nur vierteljährig und nur in Stichproben überprüft,  IP-Adressen dürfen von den Zugangsanbietern aufgezeichnet und in Verdachtsfällen an die Polizei weitergegeben werden.)

Die “Debatte” dauerte 3,5 Minuten (siehe: http://blog.fefe.de/?ts=b4a7d165, http://netzpolitik.org/2009/gesetz-zu-web-sperren-passiert-den-bundesrat). 3,5 Minuten für ein Gesetz, dass nicht wirksam die Kinderpornographie bekämpft, dass aber den Aufbau einer Zensurinfrastruktur ermöglicht. Eine Ausbreitung der Sperren wird schon diskuttiert, etwa auf “Killerspiele” (vgl.) oder Hasspropaganda (vgl.). Doch alle Kritik und alle Befürchtungen wurden überhört. Die Experten wurden ignoriert. Der Vermittlungsausschuss wurde nicht angerufen.

Die deutsche Politik, insbesondere die deutschen Parteien, stellen sich damit ein Armutszeugnis aus: Symbolpolitik geht über wirksame Maßnahmen und machtpolitische Interessen gehen einmal mehr über politische Überzeugungen (wenn diese überhaupt vorhanden sind).

Die FDP verteidigt Bürgerrechte nur so lange, wie ihr dies politisches Kapital bringt. Wenn es jedoch um handfeste Koalitionsinteressen mit CDU und CSU geht, vergisst sie diese ganz schnell (vgl. auch etwa die aktuellen Planungen zu ausgedehnten Eingriffsrechten der Polizei in Hessen).

Die Grünen scheinen die Wichtigkeit der Frage noch nicht erkannt zu haben, siehe auch die vielen Enthaltungen im Bundestag. Die Zensurgegner in der SPD sitzen nicht an den einflussreichen Stellen; dort sitzen die Politiker, die sich aus Angst vor der Springer-Presse von der politischen Vernunft verabschiedet haben.

Das Gesetz zu den Web-Sperren zeigt eine Schwäche des deutschen Parteiensystems – dass dieses Opportunismus und Machtpolitik belohnt,  zu “unflexible” Überzeugungen aber bestraft.

Bleibt nur noch die (sehr geringe) Hoffnung auf Horst Köhler, der seine Unterschrift unter das Gesetz verweigern könnte, und auf das Bundesverfassungsgericht. Erste juristische Untersuchungen erheben schon schwere Bedenken. Dabei gibt es etwa Zweifel an der Gesetzgebungskompetenz des Bundes, der Geeignetkeit der Sperrtechniken allgemein, der Transparenz des Sperrverfahrens oder der Verwendung der Daten. Zudem befürchtet man  eine “kaum mehr kontrollierbaren Einschränkung des Internetverkehrs” durch eine Ausweitung der gesperrten Inhalte (vgl.: http://www.heise.de/newsticker/Juristen-melden-schwere-Bedenken-gegen-Web-Sperren-an–/meldung/141875).

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CDU beschließt Wahlprogramm – ohne Parteitag

Was wird in denn der CDU überhaupt noch abgestimmt (wenn schon nicht das Wahlprogramm)?Es wurde beschlossen, wurde es überhaupt abgestimmt? Es gab jedenfalls keinen Parteitag.

Und auch nach der Wahl soll es auch keinen Parteitag geben.  Weder für das Programm noch für mögliche Koalitionen wird innerparteiliche Demokratie wohl als notwendig erachtet. Und was ist eigentlich mit den einfachen Mitgliedern (gut, das betrifft noch mehr Parteien…)

Und was steht nun in dem Wahlprogramm?

–  Steuern senken – und mit welchem Geld? Gut, es gab ja auch den Vorschlag, die ermäßigten Mehrwertsteuersätze auf Nahrungsmittel u.a. massiv zu erhöhen – was zu einer überproportionalen Belastung der unteren Einkommensgruppen führen würde. Also weiterhin eine Umverteilung von unten nach oben wie in den letzten 25 Jahren. Aber der übliche Stammtisch-CDU-Wähler wird wieder drauf anspringen.

– Abbau der Bürgerrechte und Ausbau des Überwachungsstaates

– Zensur des Internets, stärkerer  Kampf gegen die “Internetkriminalität”. Das Stufenmodell Großbritanniens und Frankreichs, nach dem nach 3 Urheberrechtssverstößen der Internetzugang gesperrt wird, ist zwar aus dem offiziellen Wahlprogramm verschwunden, darauf, dass der Plan tatsächlich fallen gelassen wurde, deutet jedoch wenig hin.

– und eine klare Aussage zu Gunsten der FDP – wenigstens etwas.

Was davon außer dem Überwachungsstaat, wo man ja im Moment dabei ist,  sie nun tatsächlich umsetzen will (und wie), bleibt unklar.

Was sonst noch? Die SPD will die Koalition nicht riskieren, auch wenn das Bundesverfassungsgericht sagt, dass das jetzige Wahlrecht verfassungswidrig ist. Nunja.

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