Zensur beim ZDF? (UPDATE 4)

Die “heute show” im ZDF wurde heute abend plötzlich abgebrochen. Michael Mittermeier hatte in einem Gespräch mit Oliver Welke über Atomkraft einige – sagen wir – nicht ganz jugendfreie Bemerkungen zu “Atomkraftfetischisten” (eine Anspielung auf eine Aussage von Markus Söder) gemacht. Sie scherzten noch in der Richtung, ob das jetzt zu viele derartige Ausdrücke waren. Plötzlich brach die Sendung ab, es gab ein schwarzes Bild, und dann kam unvermittelt die nachfolgende Sendung “aspekte” – präsentiert ausgerechnet vom Atomkraftbefürworter Wolfgang Herles.

http://www.youtube.com/watch?v=fv-NZ1akLAk (more…)

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Die Sünden der Ministerin

Ein Gastbeitrag von Simon Stratmann

Kristina Schröder hat gesündigt. In doppelter Hinsicht: Den einen zu links, den anderen zu rechts. In einer Partei wie der CDU erfordert das entweder Abbitte oder Exkommunizierung. Die interessierte Öffentlichkeit wird bestimmt noch erleben, welche der beiden Wege sie beschreiten wird. Medial ist der Fall völlig klar, denn die Scharfrichterin und Wächterin „feministischer Theorie“ hat ihr Urteil längst gesprochen. Alice Schwarzer hat dem SPIEGEL genau das geliefert, was in herrschender Medienlogik unerlässlich ist: eine zweite Meinung, die der ersten – vom SPIEGEL selbst hochstilisierten – möglichst diametral entgegensteht. Das ist der Mechanismus, der die Sarrazin-Debatte ermöglichte. Erst wird eine unmögliche Meinung publiziert, um dann mitsamt der vorhandenen Diskursmacht andere Akteure in Stellung zu bringen, um dieser Meinung öffentlichkeitswirksam zu widersprechen. Das selbstreferenzielle System der Medien macht es möglich.

Im Falle Kristina Schröder wird dieses System exemplarisch. Wer das Interview  (Der Spiegel Nr. 45/ 8.11.10, S.54-58, Zusammenfassung siehe hier) ernsthaft gelesen hat, wird die sexistische (andere würden sagen: professionelle) Unverschämtheit der Journalisten genauso erkennen können wie die Dummheit, mit der die Ministerin vorgeht. Sich mit dem Kenntnisstand einer 18-jährigen Oberstufenschülerin auf eine bundesweit verbreitete Debatte über Feminismus einzulassen, ist mindestens naiv. Das wäre so, als ob Sigmar Gabriel sich in die Niederungen der Sozialgesetzgebung begeben würde. Klar, sein Thema – aber doch nicht im Rahmen eines wissenschaftlichen Seminars, sondern auf Parteitagen. Da geht es nicht um Differenzierung, sondern um catch phrases. Diese mediale Logik hätte Frau Schröder beherzigen sollen. Stattdessen zitiert sie Schwarzer, bekennt sogar (als Konservative), drei ihrer Bücher gelesen zu haben. Und tappt natürlich in die Falle, die jedes Erstsemester zu umschiffen versucht: Zitiere nur die Dinge, zu denen man sich in zweierlei Perspektive positionieren kann. Aber als stramm Konservative kann sie nicht anders, als den Feminismus anhand dieser Zitate abzulehnen. Und jetzt muss sie mit einem Echo leben, das ihre „politische Glaubwürdigkeit“ erschüttert. Die Linken schreien: Hat nix verstanden von unseren komplexen Gedanken. Die Rechte schweigt. Vernehmbar. (more…)

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Wir kaufen uns eine Bundesregierung

Bananenrepublik Schland? (1)

Mehrere Ereignisse der letzten Wochen haben verdeutlicht, dass es der Bundesregierung nicht darum geht, ein bestimmtes politisches Programm umzusetzen – auch kein konservatives oder liberales (etwa die Durchsetzung freier Märkte), sondern nur um die Bedienung der Klientelinteressen bestimmter Gruppen. Das sind freilich nicht nur die Hotelbesitzer. Und freilich ist es zu kurz gedacht, zu vermuten, mit einem entsprechenden Betrag könne jeder die Regierung kaufen.

Die Gruppierungen und Organisationen, für die CDU, CSU und FDP Politik machen, sind vielmehr solche, mit denen diese Parteien über  viele verschiedene Konstellationen verbunden sind – seien es etwa Parteispenden oder andere finanzielle Verflechtungen, personelle Überschneidungen oder  auch (dies aber seltenerr) inhaltlich deckungsgleiche Ziele. Quasi natürlicherweise sind und waren dies immer die Großindustrie, die Finanzwirtschaft sowie die Selbstständigen der Oberschicht (Ärzte, Apotheker, Anwälte). Ob es sich im Einzelfall dann um Korruption oder Vorgänge, die man in Deutschland im offiziellen Sprachgebrauch nicht als Korruption bezeichnet, aber jeder weiß, das sie es sind, um Erpressung, um einen freiwilligen Kotau der Politiker vor den wahren Machthabern oder eine der vielen möglichen Mischformen handelt, ist oft schwer nachzuvollziehen, im Endeffekt aber von eher geringer Bedeutung. Um transparente und um demokratische Vorgänge handelt es sich aber nicht. (more…)

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Kampagne gegen Rot-Rot-Grün in NRW, Tag 2

Die Kampagne gegen Rot-Rot-Grün geht weiter. Zunächst sollen noch ein paar Beiträge von Montag Nachmittag/ Abend, dann von heute betrachtet werden.


Report Mainz (danke an die Hinweise in den Kommentaren!) brachte am Montag einen ebenso aggressiven wie dillettantischen Beitrag: “DDR-nostalgisch und linksextrem. Wofür die neuen Landtagsabgeordneten der Linken in NRW stehen” (Video, Schriftform). Isolierte Textpassagen aus Ausrufen, ein Ausweichen auf Suggestivfragen wie “War die DDR ein Unrechtsstaat?” eines aufdringlichen Reporters und Einschätzungen der derzeitigen Bundesregierung wurden dort als Beweis genommen, dass die Linken-Abgeordneten in NRW fast sämtlich Linksextremisten und Verfassungsfeinde seien. Besonders schön: die Linke in NRW sei ein “Hort des Wahnsinns”. Sie dazu auch: Kampagnen- und Indizienjournalismus pur (Freitag.de). NACHTRAG: Und auch Duckhome hat die Sendung analysiert.

Außerdem gab es gestern noch mehrere Beispiele einer unseriösen und v.a. einseitigen Berichterstattung, wie

Nach der Landtagswahl in NRW: Muss der Gegner deines Gegners dein Partner sein? (FAZ.net)

Bemerkenswert ist es allerdings auch aus einem anderen Grund, dass den Grünen der Hamburger Präzedenzfall (damals bildete Ole von Beusts CDU gemeinsam mit der FDP und der kurzlebigen Protestpartei von Ronald Schill eine Koalition) nun wieder einfällt. Denn das Risiko zahlte sich für Beust damals aus: Er entledigte sich bald per Neuwahl beider Juniorpartner, regierte erst allein und inzwischen mit – ausgerechnet – den Grünen. Ob die Grünen nun die SPD ermuntern wollen, ein ähnliches Risiko mit der nordrhein-westfälischen Linkspartei einzugehen, um notfalls den chaotischen Teil der Koalition irgendwann wieder loszuwerden, bleibt Spekulation.

→ Inhaltlich ist der Vergleich mit der mindestens rechtspopulistischen Schill-Partei natürlich hanebüchen bis diffamierend. Doch auch hinsichtlich der Organisation: die Linke in NRW ist, was auch immer man ihr vorwerfen mag, gewiss kein zusammengewürfelter Haufen von weitgehend persönlichen Bekannten mit einem chronischen Mangel an Kompetenz und Redlichkeit.


Un es kamen noch mehrere Vergleiche der NRW- und der Hessen-Wahl und von Hannelore Kraft mit Andrea Ypsilanti. Die Lieblingsfeindin der Systemmedien wird dabei immer noch mit fast grenzenloser Verachtung bedacht. Ein paar Beispiele:

Unklare Mehrheitsverhältnisse: Ist Nordrhein-Westfalen doch Hessen? (Fr-online.de)

Die neue Hoffnungsträgerin der SPD bemüht sich, die bösen Gespenster einer von Dilettantismus und Wortbruch geprägten Vergangenheit zu vertreiben: “Hessen ist nicht Nordrhein-Westfalen. Die Verhältnisse sind in keiner Weise zu vergleichen.” Das sind große Worte. Immerhin aber scheint Kraft aus den Fehlern der Andrea Ypsilanti zu lernen: Eine von der Linkspartei tolerierte Minderheitsregierung schließt sie von vornherein aus.

NRW-Wahl: Kraft in der Ypsilanti-Falle (FTD.de)

Die SPD steckt in NRW in dem gleichen Dilemma wie vor zwei Jahren in Hessen. Allerdings ist die Falle nicht so groß wie seinerzeit bei Andrea Ypsilanti. Anders als diese hat Kraft ein Linksbündnis nie ausgeschlossen, für sie führt der Weg zu Rot-Rot-Grün also nicht über einen Wortbruch. Aber sie weiß auch, dass es nicht leicht zu erklären wäre, würde man sich jetzt mit den Linken einlassen, nachdem man sie im Wahlkampf pausenlos als nicht regierungs- und koalitionsfähig abgetan hat.

Wahl in NRW – SPD im Rausch der Niederlage (Sueddeutsche.de)

Aber nach all dem Linken-Bashing kann sich Hannelore Kraft nicht einmal tolerieren lassen. Dann wäre sie in der Falle der Andrea Ypsilanti, die sich in Hessen vor der Wahl auch klar gegen die Linke abgrenzte und sie dann doch für die Übernahme der Macht nutzen wollte.

Die Ypsilanti-Frage lähmte die Partei monatelang. Sie trieb den damaligen Parteichef Kurt Beck ins Seitenaus. Sie machte die SPD zur Lachnummer. Eine Neuauflage dieser hessischen Verhältnisse kann in der SPD niemand wollen. Da kann Parteichef Sigmar Gabriel vor Selbstbewusstsein so sehr strotzen, dass die Knöpfe am Sakko platzen – die SPD ist nicht im Fahrersitz. Auch die aktuellen Philosophierereien der Generalsekretärin Andrea Nahles von einer “Regierungsbildungsmöglichkeit”, die man auch nutzen werde, helfen in der Sache nicht. (…)

Theoretisch bliebe ihr noch – wenn sie nicht Ypsilanti II. werden will – der Versuch einer Ampelkoalition mit den Grünen und der FDP. Aber das wäre ein bisschen viel verlangt von den Liberalen.



Am Dienstag geht es weiter, zunächst mit Ypsilanti-Vergleichen:

Patt in NRW: Die Büchse der Andrea (Focus.de)

So wie die Büchse der Pandora den Menschen Krankheiten, Missgunst und Elend brachte, so blieben nach Andrea Ypsilantis gescheitertem Griff nach der Macht 2008 für die Hessen Stillstand, Blockade und Wählerverdruss übrig. Erst Neuwahlen machten das Land nach quälend langen Monaten wieder regierbar. Jetzt hat jemand die Büchse der Andrea wieder geöffnet, und zwar in Düsseldorf.

→ Wow, der Focus bringt ganz schön harten Tobak. Ein heftigerer Vergleich ist schwer vorstellbar. Krankheiten, Missgunst, Elend, das Unheil an sich droht uns! Und an all dem ist Andrea Ypsilanti schuld bzw. wird Hannelore Kraft schuld sein, wenn sie mit der roten Pest koaliert! Oder hab ich das jetzt falsch verstanden? Zum Glück haben wir ja noch die Hoffnung, dass das (rot-rot-grüne) Übel uns verschont und die Große Koalition uns errettet!

Ypsilanti und Kraft – Ein Rat unter Frauen (Sueddeutsche.de)

Hannelore Kraft – eine zweite Andrea Ypsilanti? Die NRW-CDU mutmaßte schon vor der Wahl, dass die SPD-Spitzenkandidatin sich im Falle eines Falles auch mithilfe der Linken zur Ministerpräsidentin wählen lassen würde.

Meiner Meinung nach hätte sich Ypsilanti mit ihrem Ratschlag an Hannelore Kraft, über den in den meisten Medien berichtet wurde, zurückhalten sollen. Es war taktisch nicht besonders klug, man darf den Kampagnenjournalisten nicht so eine Steilvorlage liefern.. So drängen sich die Vergleiche ja geradezu auf, und der entscheidende Unterschied, dass Kraft und SPD und Grüne alle eben gerade eine Koalition mit der Linken nicht ausgeschlossen haben, wird von den Mainstream-Medien sowieso gerne verwischt. Es wird sogar wieder der “Wortbruch” herbefabuliert.


Und weiter geht es in der Kampagne …

Analyse: Was nun, Hannelore Kraft? (Fr-online.de)

Rot-Grün-Rot, wenn es denn am Ende dazu kommt, wird keine Frage politischer Überzeugungen von SPD oder Grünen sein. Rot-Grün-Rot kommt (hoffentlich) nicht als “Projekt” daher. Das Bündnis aus SPD, Grünen und Linken wird in erster Linie Ergebnis strategischer Zwänge von SPD und CDU sein. Möglicherweise ist diese Nüchternheit der beste Weg zur Stabilität.

→ Hier sollen beim Bürger in Hinblick auf ein rot-rot-grünes Bündnis unbequeme Assoziationen mit Parteiengeschacher, Machtpolitik und Zweckpartnerschaften abseits von inhaltlichen Überzeugungen und Verhaben geweckt werden. (Vergleich man jedoch die programmatischen Vorstellungen, stellt man fest, dass sich SPD, Grüne und Linke in Wahrheit viel näher stehen als SPD und CDU.)

Linke buhlt um SPD: Ruf! mich! an! (Spon)

→ Spiegel Online führt dort die Schlagrichtung der anfangs dargestellten Kampagne von Report Mainz fort. Die beiden Punkte “Recht auf Rausch” und Verstaatlichung der Energiekonzerne werden unreflektiert kritisiert, es gibt die Hinweise auf “radikale Gruppen”, in denen die küntige Parlamentarier der Linken Mitglied seien, und auf Streitereien innerhalb der Partei. Die NRW-Linke sei dogmatisch und fundamentalistisch. Zudem versucht der Artikel einen merkwürdigen Spagat aus die Linke “will um jeden Preis in die Regierung” und “will eigentlich gar nicht wirklich regieren.” Auf jeden Fall ist der Tenor des Artikels: “mit denen” kann man keine Koalition machen, auf keinen Fall.

Nach der NRW-Wahl: Mikado am Rhein (FAZ.net)

Die andere Möglichkeit ist, das wirtschaftlich bedeutsamste und überdies bevölkerungsreichste Land inmitten einer Wirtschafts- und Finanzkrise mit Antikapitalisten am Kabinettstisch zu regieren. Weil auch vielen in der SPD diese Vorstellung ein Graus ist, dürften sich Frau Krafts Versuche beim Koalitionsmikado so lange hinziehen, bis ihr die eigenen Genossen in den Arm fallen und es dann entweder doch zu einer großen Koalition oder zu einer Neuwahl kommt.

→ Dass es die neoliberale Variante des Kapitalismus war, die uns in gerade diese Finanz- und Wirtschaftskrise gebracht hat, das will man in der FAZ-Redaktion immer noch nicht wahrhaben. Und so werden alle, die gegen den Marktradikalismus eintreten, “Antikapitalisten” (oder woanders gerne “Linksextremisten”, “Chaoten”, “Spinner”, “Populisten”, “Demagogen” usw.)

NACHTRAG: ebenfalls aus diesem FAZ-Artikel:

Der FDP-Landesvorsitzende Pinkwart hat mit seinem Verzicht auf ein kategorisches Nein zu Verhandlungen über eine „Ampel“ taktisches Geschick bewiesen. Einerseits blieb er auf der Linie eines Beschlusses seiner Partei von Anfang Mai und legt den Finger tief in die Wunde. Schließlich ist die erstmals in den Landtag eingezogene Linke ein ausgewiesen linkssektiererischer Haufen.

→ Die Beleidigung übersehen wir jezt einfach mal. Interessant ist die, sagen wir, recht eigenwillige Interpretation des Parteitagsbeschlusses. Denn dieser ist doch recht eindeutig, und da helfen auch keine sophistischen Spielereien:

Die nordrhein-westfälische FDP will die erfolgreiche Koalition aus FDP und CDU weiter fortsetzen. Wir werdenkeine Koalition mit Parteien eingehen, die Bündnisse mit rechtsextremen oder linksextremen Parteiennicht eindeutig ausschließen. Daher kommen für uns Koalitionen mit Grünen oder SPD nicht in Frage. (Wahlaufruf auf dem Landesparteitag der FDP Nordrhein-Westfalen am 2. Mai 2010)


Außerdem gab es Berichte über weitere taktische Vorgehen der Parteien.

Ob an angeblichen Plänen zum “Überlaufen” eines Linkenabgeordneten tatsächlich etwas dran ist, kann ich nicht beurteilen (ich halte es für nicht sehr wahrscheinlich) – sie dürften sich aber spätestens jetzt erledigt haben. Parteichef Gabriel greift derweil weiterhin in die “autonome” Entscheidungsfindung der NRW-SPD ein (nebenbei: besonders bezeichnend, wie er “meinetwegen sozialistisch” benutzt, so richtig despektierlich, mit der Kneifzange, und dann meint, dass die SPD für das “Bürgertum” wieder anschlussfähig werden sollte – besser kann man eine Missachtung der sozialdemokratischen Tradition und Überzeugungen kaum darstellen).

Zudem mehren sich auffällig die Stimmen in den Medien, die betonen, dass eine (meist als einzige begrüßenswerte Möglichkeit dargestellte) Große Koalition auch nur unter einem CDU-Ministerpräsidenten möglich sei. Anderes sei mit dem Wahlausgang und “demokratischen Gepflogenheiten” nicht zu vereinbaren. Man will vollständig auf Nummer sicher gehen, dass die CDU-Politik in ihrem Kern fortgeführt wird. Die sogenannte “israelische Lösung”, bei der CDU und SPD je zwei Jahre die Ministerpräsidentin/ den Ministerpräsidenten stellen würden, wird kaum mehr diskutiert.

Zu dem vergifteten Gesprächsangebot der FDP an SPD und Grüne, unter der Bedingung, keine Gespräche mit der Linken zu führen (auf das aber auch in den Medienn nur wenige, wie das ZDF, angesprungen sind) kann ich mich Wolfgang Lieb von den NachDenkSeiten nur anschließen:

Wenn Grüne und SPD auf das Lockangebot der FDP eingingen, hätte Pinkwart (und Rüttgers) nach der Wahl erreicht, was sie vor der Wahl nicht geschafft haben, nämlich Hannelore Kraft eine mögliche Machtoption und damit eine starke Verhandlungsposition gegenüber allen im Landtag vertretenen Parteien aus der Hand zu schlagen.

Würden die Gremien der SPD – wie es die FDP verlangt – beschließen, keine Gespräche mit der Linkspartei zu führen, dann wäre Hannelore Kraft auf Gedeih und Verderb der FDP oder der CDU ausgeliefert. Sie hätte jede Verhandlungsmacht verloren, denn ein Zurück von einem solchen Beschluss der SPD gäbe es nicht mehr, ansonsten würde Hannelore Kraft fertig gemacht, wie ihre hessische Kollegin Andrea Ypsilanti.

Dann stellte entweder die CDU den Ministerpräsidenten oder die FDP bliebe in der Regierung und diese beiden Parteien könnten der SPD ihre Bedingungen diktieren und ihre politischen Positionen maximal durchsetzen.

Wieso wird eigentlich hier nicht das Wort “Wortbruch” gebraucht?

Mit ihrer Ankündigung, nun doch über eine Ampel-Koalition reden zu wollen, brechen die Liberalen einen Parteitagsbeschluss, den sie erst eine Woche vor der Landtagswahl gefasst hatten. Darin hieß es, die Liberalen sähen „keine Grundlagen für Koalitionsgespräche mit Parteien“, die sich Bündnisoptionen mit extremistischen Parteien offen hielten. Damit waren unmissverständlich SPD und Grüne gemeint. Einzig möglicher Koalitionspartner sei folglich die CDU.

Noch gestern hatten Pinkwart und sein Fraktionsvorsitzender Gerhard Papke Gespräche mit SPD und Grünen kategorisch abgelehnt. „Die FDP wird ihre Glaubwürdigkeit nicht für den reinen Machterhalt aufs Spiel setzen“, sagte Papke. Seit heute scheinen sie es mit der Glaubwürdigkeit anders zu sehen. (Welt.de)



Ich werde die Beobachtung der Kampagnen gegen Rot-Rot-Grün in der nächsten Zeit fortsetzen. Über entsprechende Hinweise bin ich weiterhin dankbar!

UPDATE:

Kampagne gegen Rot-Rot-Grün in NRW, Tag 3-7

Kampagne gegen Rot-Rot-Grün in NRW, Tag 8-11

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Zur Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen

Bei der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen liegt derzeit (1:35 Uhr) immer noch sehr vieles im Unklaren. Es steht noch nicht fest, ob es für Rot-Grün reichen wird und auch nicht, ob die CDU oder die SPD nun die stärkste Partei ist. Fest steht nur: Schwarz-Gelb hat eine Niederlage erlitten. Politische Konsequenzen wurden bisher noch nicht gezogen. Bei Rüttgers ist dies aber wohl nur noch eine Frage der Zeit. Trotzdem (auch wenn das jetzt viele nicht gerne hören werden) wäre es natürlich zu wünschen, wenn Rüttgers in der CDU weiter eine Rolle spielen würde als Gegengewicht und einer der letzten Verbliebenen eines eher sozialeren Flügels. Dies wird aber wohl nicht der Fall sein. Auch manche Miniser aus seinem Kabinett, wie Karl-Josef Laumann oder Armin Laschet gehören, wenn man ehrlich ist, durchaus zu den besseren CDU-Politikern. Dennoch hat natürlich Rüttgers durch zahlreiche Skandale eine Hauptschuld an dem dramatischen Einbruch.

Bei der FDP sind vor allem recht aggressive Stimmen zu hören. Niederlagen einzugestehen passt nicht zu der neoliberalen “Ich bin der größte!”- Egoismus- Jeder-gegen-Jeden -Einzelkämpfer- Ideologie. Dennoch, und das ist das beste Ergebnis der Wahl: die FDP wird in NRW wohl kaum in einer Regierung vertreten sein, “Ampel” oder “Jamaika” sind so gut wie ausgeschlossen, und Schwarz-Gelb verliert die Mehrheit im Bundesrat. Hört man nun des Öfteren, Merkel hätte jetzt eine praktische Entschuldigung für einen eher behäbigen Regierungsstil, dann kann man dem entgegenhalten: um so besser. Besser, wenn solche Vorhaben wie die Kopfpauschale oder Steuersenkungen nicht durchkommen.

Die SPD hat im Vergleich zur letzten Landtagswahl nicht zugelegt, das stimmt, aber im Hinblick auf die letzten Wahlergebnisse der SPD und den politischen Stimmungstrend kann man es doch durchaus als eine Art Sieg bezeichnen (ob nun ganz knapp stärkste Partei oder ganz knapp zweitstärkste). Ganz klarer Gewinner sind natürlich die Grünen, und auch die Linke hat erstmals den Einzug ins Landesparlament geschafft.

Falls es für Rot-Grün nicht reichen sollte, besteht kein Zweifel, dass die nächsten Tage alle Kommentarspalten der Mainstream-Presse und noch mehr alle Sendungen der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten überfluten werden mit Warnungen vor einer Koalition mit “den Extremisten”, Panikmache vor den “Kommunisten” und den “linken Chaoten”, vor Verstaatlichungen und einer Neuauflage der DDR. Wenn die Wunschkoalitionen Schwarz-Gelb oder Schwarz-Grün nicht möglich sind, werden sie für eine Große Koalition kämpfen – und v.a. mit allen Mitteln gegen Rot-Rot-Grün.

Der Staatsfunk musste natürlich schon am Wahlabend sofort Propaganda gegen Rot-Rot-Grün machen. Sollte es bei der “Elefantenrunde” im ZDF ja v.a. um die Wahlergebnisse gehen, geriet sie zu einer reinen Anti-Rot-Rot-Grün-Propaganda-Farce, nicht nur seitens Union und FDP, sondern auch von Seiten des Moderators  (war dieser selbsternannter “Terrorismusexperte” eigentlich  neutral genug, die “Elefantenrunde” zu moderieren? Ganz und gar nicht.) Und natürlich kommt keine Sendung ohne Lafontaine-Kritik aus. So durfte ein Hinweise auf eine Blockade-Haltung des damaligen SPD-Vorsitzenden, iih!, Lafontaine, nicht fehlen (dasselbe machte übrigens Tom Buhrow später bei den Tagesthemen), genauso wie Suggestivfragen oder Bezeichnungen wie “Chaotentruppe” und “nicht regierungsfähig” in Richtung Bartsch, der für die Linke anwesend war. In der Runde wie bei der ZDF-Berichterstattung wurde immer und immer wieder die Frage nach rot-rot-grünen Bündnissen gestellt und davor beständig gewarnt. Die Moderatoren wirkten auch insgesamt ziemlich betrübt – naja, kein Wunder. Und als Gäste waren Giovani di Loenzo und Helmut Markwort im Studio. Was für eine ausgewogene Kombination! Bei der nächsten Wahl dann als “Experten” im ZDF: Franz Josef Wagner und Henryk M. Broder. Bei ARD und WDR war es wenigstens etwas ausgewogener, auch wenn dort Warnungen vor den bösen und nicht regierungsfähigen Linken nicht fehlen durften.

Haben SPD und Grüne auch nur genau die erforderliche Mehrheit, wird es ganz sicher diese Koalition geben. Reicht es aber für Rot-Grün (und dann auch für Schwarz-Grün) nicht, ist Rot-Rot-Gün die einzige Chance für einen wirklichen Politikwechsel. Sicher, eine eher gemäßigte NRW-CDU und eine rechte NRW-SPD könnten sich wohl recht gut verstehen, die Politik würde sich wohl aber nicht sehr von der unter Schwarz-Gelb unterscheiden. Und stellt die CDU den Ministerpräsidenten und macht die SPD sich wiederum willentlich zum Juniorpartner der CDU, wäre das politisch schlecht und taktisch unklug. Etabliert man hingegen eine Koalition ohne CDU und FDP, kann man gegen die drohenden Maßnahmen der Bundesregierung eine viel effektivere, glaubwürdigere und öffentlichkeitswirksamere Gegenstrategie fahren. Die Linken in NRW sind gewiss nicht der Landesverband, mit denen eine Koalition am nächsten liegt, aber sie sind auch nicht die Radikalen, als die die Systemmedien sie darstellen wollen. SPD und Grüne könnten hier eine wirkliche Opposition gegen das bürgerliche Lager aufzubauen beginnen, die auch im Bund dringend notwendig ist.

UPDATE (2:38):

Das vorläufiges Ergebnis der Landeswahlleiterin ist da. Danach erhalten die CDU 67 Sitze, SPD 67, Grüne 23, FDP 13 Sitze, Linke. Weder Rot-Gün noch für Schwarz-Grün hat also die erforderliche Mehrheit (91 Sitze). Die CDU hat 6200 Stimmen mehr als die SPD.

Ich würde gerne an eine rot-rot-grüne Koalition glauben, doch ich halte es für höchst unwahrscheinlich. Die SPD wird sich ihrer “staatstragenden Verantwortung” bewusst werden, nicht mit “den Extremisten” zu koalieren. Die großen Herausforderungen erfordern es, dass jetzt “alle Demokraten zusammenstehen”. Die Regierung baucht Unterstützung und Zusammenarbeit! Und immerhin habe das der Wähler so gewollt! Die Bundesregierung wird die schlimmsten ihrer Vorhaben, die sie ohnehin nicht durchsetzen könnten, wie die Kopfpauschale, auf Eis legen, und das werden die Medien als Rechtfertigung heranziehen. Die Finanzmärkte werden nicht angetastet, vielleicht wird man eine etwas höhere Bankenabgabe einführen. Steinbrück wird 2013 Kanzlerkandidat und Vizekanzler einer Großen Koalition.

Ich hoffe, dass ich mich irre.

Links zum Thema:

Kommentar von Philip Grassmann (Der Freitag): Mut zur Alternative

F!XMBR: Nach der NRW-Wahl

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Wo ist die Opposition?

Angesichts des massiven Fehlstarts der schwarz-gelben Bundesregierung erscheint es erstaunlich, wie wenig bisher aus den Oppositionsparteien im Bundestag zu hören ist. Die Zerstrittenheit der Koalition, die Kundus-Affäre, der Bundesverband der Vertriebenen, aber v. a. solche Themen wie die Kopfpauschale, die Steuersenkungen und die Bürgerrechte würden eine Chance bieten, sich als klare Alternative zur derzeitigen Politiklinie zu profilieren. Doch bleibt diese weitgehend ungenutzt.

Die schwarz-gelbe Koalition wirkt zur Zeit in vielem wie ein unbeausichtigter Kindergarten: CSU und NRW-CDU wollen den Sozialstaat wenigstens noch etwas am Leben halten, die FDP will auf großen Raubzug gehen. Die Kopfpauschale bedeutet das Ende der solidarischen Krankenversicherung. Die Pläne der Koalition für Steuersenkungen und einen Stufentarif sind wirtschaftlich völlig kontraproduktiv. Die Verfolgung von Steuerhinterziehern wird ganz nebenbei einmal faktisch außer Kraft gesetzt.

Die FDP ist ihrem Umfaller-Prinzip treu geblieben. Ob Überwachungsstaat, Bürgerrechte oder Netzpolitik: von ursprünglichen liberalen Forderungen ist inzwischen nicht mehr viel übriggeblieben. Beim Streit um den Vertriebenenbund könnte sich leider ebenfalls ein Umfallen ankündigen, falls man auf dessen maßlos anmaßende Forderungen eingeht. Nur beim Thema Steuern bleibt sie hart – doch die Einsicht der Union, derlei abenteuerliche Vorstellungen nicht auf Deutschland loslassen zu können, hat zu weiteren Verstimmungen innerhalb der Koalition geführt.

Die Enthüllungen über Kundus werden von mal zu mal schlimmer, für Afghanistan liegt weiterhin kein Konzept vor, und Dirk Niebel hat einen Fehlstart sondergleichen hingelegt. Aber auch die anderen Minister sind mit ihrem Ämtern oft völlig überfordert. Langsam scheint sich im Kabinett zudem ein Rotationsprinzip anzubahnen. Und die Kanzlerin betreibt weiterhin die Politik des “wenn ich mich rechtzeitig verdrücke, kann mir auch niemand was”. Wohin man auch schaut: es ist wohl nicht übertrieben, diesen Auftakt als rundum misslungen zu bezeichnen.

Doch die Opposition? In der SPD erweist sich, wie zu erwarten war, Frank-Walter Steinmeier als schwere Hypothek. Ob Kundus-Affäre, Hartz IV und die Agenda 2010 oder die Innenpolitik und die Bürgerrechte – überall scheint auf der SPD die Last der Agenda-Zeiten und der Großen Koalition zu liegen. Könnte sie sich von diesen Lasten befreien, wäre schon viel getan. Das Scheitern des Klimagipfels von Kopenhagen – warum haben die Grünen dies nicht genutzt, nicht explizit die Demonstrationen unterstützt, die fatalen “Ergebnisse” nicht als das dargestellt, was sie sind? Im wirtschafts- und sozialpolitischen Bereich machen sie sich gegenwärtig sehr rar. Die Linke ist zur Zeit leider v. a. dabei, sich gegenseitig zu zerfleischen. Dies kann ihr jedoch nur schaden, v. a., wenn es nicht um inhaltliche Fragen geht. Nicht Personalien, ihre Ideen und Konzepte sollten in den Vordergrund rücken.

Eine stärkere  Zusammenarbeit der Oppositionsparteien ist indes bisher leider größtenteils ausgeblieben. Warum? Gerade jetzt besteht die Chance, klarzumachen und dafür zu sorgen, dass diese Hornissenkoalition – von Anfang an – auf wackligen Beinen steht, und ihr die Konzepte der Oppositionsparteien entgegenzuhalten. Diese Konzepte sollten eine klare und gemeinsame Alternative zur Politik des Sozialabbaus, der Klientelpolitik zugunsten von Besserverdienenden und diversen Lobbys, der verantwortungslosen Finanzpolitik und des Abbaus der Bürgerrechte darstellen. Sie sollten es – und ich denke, dass sie es auch können.

Gerade im sozialpolitischen Bereich besteht die Chance, die Bürger und die Öffentlichkeit zu überzeugen. Die vollkommen unsoziale, unsolidarische und sinnlose Kopfpauschale wäre ein wichtiger Punkt, an dem die Opposition der Regierung das Konzept der Bürgerversicherung entgegenhalten könnte. Das Wachstumsbeschleunigungsgesetz von Schwarz-Gelb stellt v. a. eine Klientelpolitik dar und wird kaum Erfolge vorweisen können (mit Entlastungen für Hoteliers, die schon zugesichert haben, diese nicht an die Kunden weiterzugeben, eine Volkswirtschaft zu beleben, könnte vielleicht in Mallorca klappen. Hier aber sollte man, v. a. in der Wirtschaftspolitik, doch etwas mehr Nüchternheit bewahren). Die SPD hatte vor der Wahl mit dem Deutschlandplan ein durchaus sinnvolles Programm zur Bekämpfung von Arbeitslosigkeit und zur Belebung der Wirtschaft geliefert. Staatliche Beschäftigungsprogramme, hohe Lohnabschlüsse, Erhöhung der Sozialleistungen, das sind die Mittel, um die Nachfrage anzukurbeln und Beschäftigung zu schaffen. Der Finanzmarkt bräuchte entgegen der leeren Versprechungen auch eine tatsächliche Regulierung, und die Kreditvergabe an die Unternehmen muss erleichtert werden.

Die Opposition sollte außerdem das Bündnis suchen mit den Gewerkschaften, mit sozialen und mit Umweltgruppen, mit Bürgerrechtlern und Datenschützern. Wenn es einer vereinigten linken Kraft gelingt, der Regierungspolitik gemeinsame und konsistente Alternativen klar und konsequent entgegenzusetzen – und ich denke nicht, dass dem inhaltlich viele Punkte entgegenstehen würden – so könnte der schwarz-gelbe Spuk vielleicht spätestens im Jahr 2013 beendet sein.

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Die Kompromisse von Union und FDP zur Innenpolitik sind mit Vorsicht zu genießen

Bei der “Innen- und Sicherheitspolitik”, oder eher bei der Frage, ob/ wie man beim Aufbau des Überwachungsstaates und bei der Einschränkung der Bürgerrechte weiter verfahren will, haben sich Union und FDP nun in den Koalitionsverhandlungen geeinigt.

Zensursula: aufgeschoben ist nicht aufgehoben

Bei den Internetsperren müsste das Motto nicht, wie die Medienstream-Medien (diesmal will ich ihnen mal mangelnde Fachkenntnis und nicht Böswilligkeit vorwerfen) titeln “Löschen statt sperren”, sondern wohl leider nur “Löschen vor sperren” heißen. Denn das BKA soll “zunächst versuchen”, Kinderpornoseiten zu löschen, nach einem Jahr sollen dann “die Erfahrungen ausgewertet werden”. Es soll dazu laut ODEM.blog einen “Anwendungserlass” der Bundesregierung geben, dass das BKA keine Sperrlisten erstellen darf (gültig für das Gesetz und für die Verträge mit den Betreibern; das Gesetz bleibt in Kraft, wird aber nicht angewendet). Der Rechtsanwalt Thomas Stadler weist aber darauf hin, dass die Internetsperren nun mal leider vom Bundestag als Gesetz beschlossen wurden, und eine Aussetzung der Anwendung durch das BKA (die Erstellung von Sperrlisten) mittels eines Regierungserlasses also “rechtsstaatlich äußerst fragwürdig” ist.

Eine Aufschiebung ist keine Aufhebung. Es geht darum, dass keine Infrastruktur installiert werden darf, die eine künftige Internetzensur ermöglichen könnte. Die Aussetzung des Netzsperren-Gesetzes ist sicher schon mal ein Erfolg und mit Sicherheit auch auf die enorme Aktivität der Netzcommunity zurückzuführen. Nur leider glaube ich, dass die FDP sich deren Ziele nicht wirklich zu eigen gemacht hat, sondern sich eher bei ihr anbiedern möchte. Falls das Gesetz nach dem einen Jahr dann doch aufgehoben werden sollte, wäre dies natürlich das beste, was wir uns erhoffen könnten. Ich hoffe also, dass ich mich hier in der FDP täusche.

Vorratsdatenspeicherung: alles wie gehabt

Die Nutzung der Daten aus der Vorratsdatenspeicherung solle künftig auf schwere Gefahrensituationen beschränkt, wird als Kompromiss der künftigen Koalitionäre gemeldet. Das Bundesverfassungsgericht hat aber bereits eine Beschränkung auf schwere Straftaten einstweilig angeordnet! Zudem lassen derartige Formulierungen wie “schwere” oder “konkrete” Gefahrensituationen immer viele Deutungen und Anwendungmöglichkeiten offen. Sie bilden nicht selten außerdem den Ausgangspunkt für eine schrittweise Ausweitung.

Hier ist also im Endeffekt gar kein Fortschritt erzielt worden. Der einzige Fortschritt ist dem Bundesverfassungsgericht zu verdanken. Die Kommunikationsdaten aller Bundesbürger werden also auch zukünftig ohne jeden Verdacht gesammelt. Wäre die FDP eine Bürgerrechtspartei, hätte sie hier handeln müssen.

Online-Durchsuchungen: vom BKA zur Bundesanwaltschaft

Bei den Online-Durchsuchungen muss die Generalbundesanwaltschaft beim Bundesgerichtshof (statt das BKA beim Amtsgericht Wiesbaden) einen Antrag stellen, der Verfassungsschutz darf sie nicht vornehmen.

Fefe weißt zurecht darauf hin, dass die Bundesanwaltschaft, die ja nicht grade für einen besonderen Hang zu den Bürgerrechten bekannt ist (Heiligendamm), derartige Anträge voraussichtliche wohl auch nicht zurückhaltend stellen wird. Wenigstens hat das Bundesverfassungsgericht auch hier strenge Regeln vorgegeben.

Fortschritt für die Bürgerrechte oder bloß PR?

Insgesamt zeigen sich die gefundenen Kompromisse als weniger weitreichend, als es auf den ersten Blick scheinen könnte. Die Frage der Internetsperren wurde zunächst aufgeschoben, bei den Online-Durchsuchungen hat sich wenig, bei der Vorratsdatenspeicherung gar nicht verbessert. Es fanden geringe Verbesserungen statt, aber diese musste man von einer sich “liberal” nennenden Partei erwarten und sie sind für die Schäuble-Fraktion in der Union leider keine große Zumutung geworden. Die Mittel zur Etablierung des Zensur- und Überwachungsstaates stehen bereit, und dass das Innenministerium und das BKA bereit sind, sie zu nutzen, haben sie oft genug demonstriert.

Der Kompromiss und seine mediale Inszenierung stellt sich insgesamt eher als eine PR-Aktion der FDP dar. (Ein Hang zum Populismus zeigt sich auch etwa bei der Verlängerung der Jugendhöchststrafe von 10 auf 15 Jahren.) Euphorie wäre also trotz einiger Fortschritte nicht unbedingt angebracht, man sollte die Ergebnisse sehr viel vorsichtiger interpretieren.

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Die neue Bundesregierung: Wo wir auf die FDP hoffen müssen

Wirtschaft, Arbeit und Soziales: Hoffen auf die Union

Ich habe in letzter Zeit ziemlich negativ über die FDP geschrieben. In der Tat ist die FDP nicht unbedingt die Partei, die mir wirtschafts- und sozialpolitisch am nächsten steht. Ich sehe mich als Anhänger  einer nachfrageorientierten und keynesianischen Wirtschaftspolitik und eines starken Sozialstaates nach dem Vorbild des “skandinavischen” (auch: “sozialdemokratischen”) Modells, das eine starke umverteilende Komponente beinhaltet.  Die meisten wirtschafts-, arbeitsmarkt- und sozialpolitischen Konzepte der FDP lehne ich daher ab, und auch das “Bürgergeld”-Konzept ist in der Tat bloß Augenwischerei (Financial Times Deutschland) und eine Mogelpackung (heise Telepolis).

Dies ist daher auch das Gebiet, wo die Union meiner Meinung nach sozial ausgleichend tätig werden muss. Und die meisten Beobachter sind sich auch einig, dass diese aus wahltaktischen Gründen einen sozialpolitischen Kahlschlag verhindern und vielleicht sogar einige Beschlüsse der Großen Koalition (Mindestlöhne in bestimmten Branchen) nicht unangetastet lassen könnte. Dennoch ist mit Streichungen von sozialen Leistungen zweifelsohne zu rechnen, wodurch die sozial Schwächsten für die Kosten der Wirtschaftskrise aufkommen müssen.

Steuerpolitik: Absenkung des Mittelstandsbauchs

Gibt es aber dennoch Punkte, wo die FDP vielleicht sachlich sinnvolle Konzepte hat? Im Bereich der Steuerpolitik ist eine Senkung der Steuerlast sicher keine, v.a. in Zeiten einer Wirtschaftskrise, durchführbare Maßnahme. Und sie scheint auch ökonomisch wenig sinnvoll:

taz: Herr Fuest, Union und FDP begründen die geplanten Steuersenkungen damit, dass sie das Wirtschaftswachstum stimulieren müssten. Was halten Sie davon?
Clemens Fuest: Augenblicklich halte ich es für falsch, die Einkommensteuer zu senken. Denn ein großer Teil der Entlastung käme Privathaushalten zugute, die nicht unter Geldsorgen leiden. Diese würden die zusätzlichen Mittel überwiegend sparen, aber nicht in den Geschäften ausgeben. Wesentlich stärkere Nachfrage oder Impulse für das Wirtschaftswachstum kann die Bundesregierung so nicht auslösen.
(…)
taz: Union und FDP hoffen, dass niedrigere Steuern das Wachstum ankurbeln und später die Staatseinnahmen steigen. Darf man mit diesem Selbstfinanzierungseffekt rechnen?
Clemens Fuest: Die Auswirkungen niedrigerer Steuern auf das Wachstum sind schwer zu messen. Untersuchungen deuten aber darauf hin, dass der Staat nur darauf hoffen kann, maximal die Hälfte der Einnahmeverluste, die die Steuersenkung verursacht, durch höheres Wachstum und stärkere Einnahmen zu kompensieren.

(Quelle) (via: lowestfrequency)

Jedoch gibt es ein steuerpolitisches Konzept, das durchaus sinnvoll erscheint:  eine Absenkung/ Abflachung des Steuerbauchs („Mittelstandsbauch“). Dieser beschreibt das Phänomen, dass die Progression beim Steuersatz nicht immer genau linear verläuft, sondern niedrigere und mittlere Einkommen stärker belastet werden, da der Steuersatz zuerst (zwischen 7.834 Euro und 13.140) stärker, dann (zwischen 13.140 und 52.552 Euro) schwächer ansteigt (vgl. Grafik). Ein durchgehender und gleichmäßiger linearer Anstieg, der  kleine und mittlere Einkommen entlastet, wäre durchaus zu befürworten.
[Worauf ich persönlich mich auch einlassen könnte, wäre eine Anhebung der Anrechungsgrenze des bisherigen Spitzensteuersatzes (42%, ab 250.401 Euro für Ledige bzw. 500.802 Euro für Verheiratete 45%), dass er alo erst ab einem höheren Betrag als derzeit 52.552 Euro gilt (wenn der Steuersatz danach, bei höheren Einkommen als 52.552 Euro, weiter steigen würde – sagen wir z.B. bis zum Satz von 53%: dieser galt zum Ende der Kohl-Regierung). Dies liegt aber weit fernab der derzeitigen FDP-Politik und den Interessen ihrer Klientel.]

Historie_Einkommensteuer_D_Grenzsteuersatz
Quelle: http://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/c/cb/Historie_Einkommensteuer_D_Grenzsteuersatz.jpg

Abbau der Bürgerrechte und Aufbau des Überwachungsstaates: Hoffen auf die FDP

Hier liegt die größte Hoffnung auf der FDP: es muss Schluss sein mit dem unsäglichen Abbau der Bürgerrechte und mit der Etablierung eines immer weiter reichenden Überwachungsstaates. Diese Politik wurde nach dem 11.9.2001 unter Otto Schily begonnen und unter Wolfgang Schäuble stark verschärft. Gerade die Person Wolfgang Schäuble, der mit Vorschlägen wie denen, die Unschuldsvermutung für “Terrorverdächtige” aufzuheben  “Gefährder” zu internieren und anderen Überraschungen für Anhänger des Grundgesetzes, immer wieder die Grenzen der Demokratie, des Rechtsstaates und der Menschenrechte auszuloten versucht, kann eigentlich für eine liberale Partei als nicht tragbar erscheinen. Als ein Beispiel der paranoiden Innenpolitik sei hier nur die Vorratsdatenspeicherung, in der alle Telekommunikationsverbindungsdaten aller Deutschen für 6 Monate verdachtsunabhängig gespeichert werden, genannt (siehe dazu auch: Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung: “FDP muss Vorratsdatenspeicherung jetzt abschaffen!”).

Ein weiteres Thema ist die Etablierung einer Zensurinfrastruktur für das Internet, die unter dem Vorwand der Bekämpfung von Kinderpornografie beschlossen wurde. Falls die FDP es wirklich schaffen sollte, dieses völlig unsinnige, unwirksame und teilweise kontraproduktive Gesetz, welches weder einer hinreichenden rechtsstaatlichen Kontrolle unterliegt noch die Möglichkeit einer Ausweitung von Zensursulas Stopp-Schildern ausschließt, zu stoppen, wäre ihr in der Tat großer Respekt zu zollen.

Ein starker Einfluss der FDP im Innen- und Justizministerium liegt also eindeutig in unserem Interesse. In der FDP gibt es in diesem Bereich leider nur noch wenige Politiker wie etwa Sabine Leutheusser-Schnarrenberger und Max Stadler, mit einem ausgeprägten Profil, einem Schwerpunkt und großen Kompetenzen im Bereich der Bürgerrechte. Doch gerade hier hat die FDP wieder eine Chance, sich als etwas anderes als die reine “Steuersenkungspartei” zu zeigen und zu etablieren.

Gesellschaftspolitische Bereiche als Opfer des Koalitionspokers?

Es gibt auch noch andere politische Bereiche, in denen die Positionen der FDP sicherlich sehr viel wünschenswerter erscheinen als die der Union. Dazu würde es gehören, weg vom dem konservativen Bild in der Familienpolitik der Union zu einer offeneren und toleranteren Gesellschaft zu kommen. Auch im Bereich der Integration oder des Verhältnisses der Religionen vertritt die FDP sicherlich sehr viel offenere Standpunkte als viele doch eher rechtskonservative vorurteilsbehaftete Unions-Funktionäre und -Mitglieder. Die Abschaffung der Wehrpflicht wäre ein anderes Beispiel.

Leider ist dieser gesellschaftspolitische Bereich, ebenso wie der vorher skizzierte der Bürgerrechte, zusehend aus dem Fokus der FDP geraten. Den inhaltlichen Schwerpunkt bildet dort doch deutlich die Steuer- und Wirtschaftspolitik. Lobenswerte gesellschaftspolitische Positionen der FDP unterliegen so leider der Gefahr, Opfer des Koalitionspokers zu werden.

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Erste Ergebnisse der Bundestagswahl – eine kurze Analyse

18.28 Die ersten Prognosen für die Bundestagswahl sind raus. Die SPD hat das schlechteste Ergebnis aller Zeiten eingefahren. Schwarz-Gelb hat nach den bisherigen Ergebnissen auch ohne Überhangmandate eine Mehrheit

Was zeigt dieses Ergebnis? Deutschland zeigt sich gespalten. Als wichtigste Konfliktlinien dieser Lager würde ich v.a. wirtschafts- und sozialpolitische Ansichten ansehen, dazu kommen auch starke Unterschiede etwa im Bereich der Umweltpolitik. Der große Zuwachs der FDP ist sicherlich mit unzufriedenen, sehr stark marktorientierten Unionswählern, denen soziale Zugeständnisse, die die Union in der großen Koalition gemacht hat, zu weit gingen, sowie ihren (unrealistischen) Steuersenkungsversprechen zu deuten. Das Anwachsen der Linken und der Grünen kann klar mit einer Unzufriedenheit über die Politik der SPD der letzten Jahre erklärt werden.

Die Politik der Agenda 2010, des Sozialabbau, der heimlichen Beteiligung am Irak-Krieg und des Mitmachens bei den Überwachungsstaats-Phantasien der Union hat abgewirtschaftet. Nur eine SPD, die sich auf ihre sozialen Werte besinnt, die eine nachfrageorientierte Wirtschaftspolitik verfolgt, die die Finanzmärkte nicht unreguliert lässt, die eine Friedens- und Umweltpolitik betreibt, hat die Aussicht, der drohenden Politik des ungezügelten Sozialabbaus eine wirkungsvolle Alternative entgegenzusetzen.

Denn was CDU und FDP vorhaben, haben sie klargemacht. Ein Fortsetzung der Vorherrschaft der Finanzmärkte, eine angebotsorientierte Wirtschaftspolitik, starke Einschnitte in soziale Errungenschaften und Arbeitnehmerschutz, den Ausstieg aus dem Atomausstieg, den Abbau der Förderung von Kimaschutz und der Förderung alternativer Energien. Und die FDP hat sich auch schon bereitwillig gezeigt, die Politik von Überwachung und Einschränkung der Bürgerrechte fortzusetzen. Die wenigen verbliebenen Vertreter eines sozialeren Arbeitnehmerflügels der Union werden weiter geschwächt werden, ebenso die Bürgerrechtsliberalen in der FDP.

Für eine starke linke Alternative in der Opposition ist ein klares Bündnis der SPD mit den Grünen notwendig, aber auch mit der Linken. In Brandenburg hat man die Möglichkeit, eine rot-rote Koalition zu bilden. Diese Chance zur Einleitung eine Neuanfangs muss wahrgenommen werden.

18:50 Ein Neuanfang ohne einen personellen Neubeginn ist schwer vorstellbar.

1924: Ach ja, und verfolgt auch mal den Wahlsonntag-Thread beim Spiegelfechter.

19:31: Gysi zeigt sich bereit für Linksbündnis… jetzt kommt es auf die SPD an.

19:43: Auch wenn Steinmeier, Müntefering und Struck sich dagegen wehren: Die SPD braucht jetzt einen strukturellen Erneuerungsprozess.

20:41: Berliner Runde: Es wird klar, dass eine starke gemeinsame linke Opposition nötig und auch möglich ist, wenn man dazu bereit ist. Merkel schweigt sich zu Inhalten und Programmen der kommenden Regierung aus.

20:47: Bei Netzpolitik gibt es einen Kommentar dazu, was man in den Bereichen Netzpolitik und Überwachungsgesetze von einer schwarz-gelben Regierung erwarten kann.

22:33: Anne Will hatte auch schon mal Gäste, deren politische Aktivitäten aktueller waren. Nach der Jubelberichterstattung im zdf allerdings mal relativ ausgewogen.

22:40: Volker Pispers: Die Wahllogik der Deutschen

http://www.youtube.com/watch?v=5C3xkezHEd8

22:53: Spreeblick zur Bundestagswahl

23:06: Der Kommentar des Oeffinger Freidenkers

00:38: So, zum Abschluss des Wahlabends noch das ZDF-Nachtstudio. Dann reicht’s aber.

01:06: ZDF-Nachtstudio übt sich in billig-oberflächlicher Linken-Dämonisierung, pro-FDP-Wahlkampf und “sozialdemokratische CDU”-Märchen (Wenn der Welt-Typ meint, dass die CDU eine sozialdemokratische Partei wär, warum gründet die Spinger-Presse dann nicht ne eigene rechtskonservativ-neoliberale Partei?). Außer Florian Schröder (“Der BWL-Bachelor ist definitiv nicht die Lösung”) sehr enttäuschend. Jetzt meint der Welt-Typ, die Linke wäre totalitär (sic!). Das würde wohl so wohl nicht mal jemand aus der CDU oder FDP sagen. Was soll man vom ZDF auch erwarten…?

1:35: Wenn man ne Sendung zur Wahl macht –  wieso lädt man dann nur Leute ein, denen die CDU komplett und die FDP  teilweise zu links sind (und einen Kaberettisten)?! Beende mit einem größeren Unbehagen gegen unsere Journaille als gegen die Wahlsieger diesen Wahlabend …

2:04: Ok, zum Abschluss verweise ich noch auf zwei Beiträge zur Zukunft der SPD: Völliger Realitätsverlust bei Frank-Walter Steinmeier und Franz Müntefering (FIXMBR) und Rücktritt! (WEISSGARNIX). Jetzt reicht’s aber für heute …

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Die TV-Spots zur Bundestagswahl – welche Partei blamiert sich am meisten?

Wenn man ohne Fernseher ist, verpasst man ja ganz die besten Seiten des Wahlkampfes: die TV-Spots. Naja, mittels dieses „Internets“ werde ich mir die dann doch mal ankucken. Also, dann mal los!

CDU: Der erste Spot… Boah, ist das ekelhaft pathetisch! Und die Inhalte??? Fällt schwer, das schon beim ersten Spot zu sagen, aber so etwas hat nicht mal die CDU verdient! Der zweiten Spot der CDU dreht sich auch nicht um Inhalte, sondern ausschließlich um die Bundes-Angie. Man wirbt mit der Einheit. Auch schon etwas her. „Bildung und Forschung voranbringen“? Bitte, liebe CDU, ihr könnt ja gerne mit aus eurer Sicht Erfolgen werben. Aber damit? Ist das Zynismus? Wenigstens wissen wir etwas, was Merkel gerlernt hat, nämlich: „wie wichtig eine Frisur sein kann“. Und jetzt Merkels Jubelbilder von der WM 2006? Das muss doch Satire sein! Spot lässt einen ratlos. Echt? Oder doch ne Verarschung der Titanic?

SPD: Zum Deutschlandplan. Recht professionell gemacht. Gut, blaue Schrift auf blauem Hintergrund muss nicht sein. Neben der Süddeutschen werden Zitate von Spon, Handelsblatt, Financial Times Deutschland und Focus Online gebracht. Kann mir ein Schmunzeln nicht vergreifen, wenn ich mir vorstelle, wie die sich ärgern werden, dass die SPD mit ihnen Werbung macht.

FDP: Inhaltsleer wie der erste CDU-Spot. Nur alles in gelb. „Deutschland kann anpacken“: Yuppie kann Blätterstapel kleiner machen, indem er auf ihn zeigt. Magie im Spiel? „Manager-Typen“ spielen offensichtlich während der Arbeitszeit im Büro Basketball. So wird es mit Deutschland nicht vorangehen! „Deutschland kann stolz sein“. Oh Mann. Dann sagt es doch, wie ihr es sagen wollt. wenn ihr auf Stimmenfang gehen wollt! Naja, wenigstens wird während des Spots nicht gesprochen. Oh, ne, jetzt doch! Und wer wohl? Na?

Bündnis 90/ Die Grünen: Gehe aufgrund der letzten Grünen-Wahlspots mit hohen Erwartungen in diesen Clip… Hm… Zusammengeschnittene Statements. Sieht aus wie ein Zurschaulaufen der Özdemirs und Co.s, die bei Jamaika an was anderes als die klassischen Grünen denken. Spot in der Form nicht mehr von anderen Parteien unterscheidbar. Das konntet ihr mal besser!

Die LINKE.: Stimmen aus dem Hintergrund zu Aufnahmen von Hochhäusern und Die Linke-Fahnen… Wer spricht da? Jetzt sieht man ein paar… Wer ist das? Und bei der Musik geht aber auch noch ein bisschen was…

CSU: (Vermutlich echter) Biergarten mit gestellten Gesprächen zwischen Seehofer und n paar Leuten. Jetzt ist man in Berlin. Und wieder in Bayern. Was ist denn überhaupt „unser Land“ ständig? Verwirrung vorherrschend. Wenn das Deutschland ist, warum kann man Euch dann nur in Bayern wählen? Achso, „was unser Land jetzt braucht, ist ein starkes Bayern in Berlin“. Jetzt auch noch Expansionsgelüste?

Piratenpartei: Der erste Spot ist zu gestellt. Der hier und der hier (eine Variante von “Du bist Terrorist”) sind die besten Spots bisher. Wirklich gut gemacht!

Freie Wähler Deutschland: Wütende Hausfrau aus der Laien-Theater-Truppe. Vorsicht mit dem Bügeleisen! Huch! Was ist denn das jetzt? Naja, schon vorbei.

ödp: Erstaunlich professionell im Vergleich zu den anderen Kleinparteien. Dass diese sich v. a. über die Abgrenzung zu den „etablierten Parteien“ definieren, ist ja bekannt. Naja, aber orange sind doch heute einige Parteien, wenn ich das richtig sehe.

Tierschutzpartei: Die da oben! Die versprechen alles und halten sich nie daran! „Die noch keine Stimme haben“? So wird es wohl bei dieser Partei auch nach der Wahl sein. „Bitte wach werden“. Ok, der Spot ist ja gleich rum.

NPD: Fremdenhass und schlechter Populismus. Solche Menschen wie Voigt können offensichtlich sich nicht mal für so einen Spot auf freundlich verstellen. Nur das hassverzerrtes Gesicht des Rechtsextremismus. „Heimreise statt Einreise“ wird sich auch der normale NPD-Pöbel noch merken können. Aber die Rechtsextremen treten ja zur Bundestagswahl wieder getrennt an…

DVU: „Vor 60 Jahren haben unsere Großmütter dieses Land aus den Trümmern wieder aufgebaut“? Wer hat denn die Trümmer verursacht? „Unser Großväter waren keine Verbrecher!“ Und dann zeigt man ein total übertriebenes Idealbild der Nachkriegszeit? Wenn ihr jetzt einen auf bürgerlich macht, nimmt euch das eh keiner ab. Ah, jetzt kommt der Ausländer- und Islamhass. Anti-Gloablisierung, „Abtreibung ist Mord“, „Rückkehrpremie“. „All dies sind ganz normale Forderungen“. Zum Glück seit nun 64 Jahren nicht mehr.

MLPD: Professionelle, nicht-lispelnde Sprecher sind doch gar nicht soo teuer! Jetzt kommen sie mit merkwürdigen Wirtschaftsdaten. „Die MLPD steht für die revolutionäre Alternative. Das ist der echte Sozialismus.“ Muhaha!

Partei für Soziale Gleichheit: Sektion der Vierten Internationale. Größter Feind ist für sie die Linkspartei? Und man will eine „unabhängige Mobilisierung der Arbeiter“ unter der Abhängigkeit von der PSG? Ein bisschen widersprüchlich alles. Aber merkt ihr selber, ne?

Rentnerinnen- und Rentner-Partei: Uh, die hat so ein lustiges Fahrgerät wie Kevin James in diesem Film da. Der Kaufhaus-Cop oder so. Will ich auch! Wie heißt das? Wo gibt’s das? … Hm, war sonst noch was außer Phrasen und Sprichwörtern?

Rentner-Partei-Deutschland: Baha! Die haben echt wieder den Europawahl-Spot ausgepackt mit der 90er-Elektro-Trash-Konserve (was die alten Leute sich heute unter „kuhler Techno-Musik“ oder so vorstellen) und der Rentner-Partei-Deutschland-Baseballkappe! Aufhören! Ich kann nicht mehr!

Allianz der Mitte: Nie gehört bisher. Wird man wohl auch nie wieder von hören. Kind fragt am Ende des Spots genervt „können wir jetzt endlich weiterfahren?!“ Ich glaube ja, das war echt und nicht so geplant.

Volksabstimmung: Mein Gott! Hat sich der alte Mann vor die Kamera verirrt? Kann ihm nicht jemand helfen? Und er beginnt ein Dutzend Sachen, die er machen will, mit „wir werden…“ Wahrscheinlich glaubt er echt dran.

Familienpartei: Ist das nicht wieder mal der selbe wie zur Europawahl? Was soll das sein? Debilität als Wahlprogramm? Zwitscher zwitscher.

Bayernpartei: Einer der besseren Kleinparteien-Spots. Was das aber alles mit Bayern zu tun haben soll, wird nicht klar.

Zentrum: „In diesem Land werden bald die Lichter ausgehen!“ Die älteste Partei Deutschland muss es wissen. War die nicht am Untergang der letzten deutschen Demokratie zumindest teilweise beteiligt?

Partei Bibeltreuer Christen: Kinder. Aha. Und sonst? Klimper klimper.

Christliche Mitte: Wieder ein recycleter Europawahl-Spot. Spießertum, „nein zur Abreibung“, Homosexuellen- und Islamhass, EU-Feindschaft und Nationalismus. Die christliche Rechte.

Bürgerrechtsbewegung Solidarität: Mein Gott! Das ist doch jetzt nicht wahr, oder? Was für ein Scheiß! Wir werden alle sterben! Jetzt zeigt sie Proteste gegen Obamas Gesundheitsreform und redet von ganz was anderem. “Die Unregierbarkeit droht!” Oh ne, jetzt nicht echt! „Das ist mein Patentrezept!“ Ist das nicht so ein Wort, das man sonst nur mit einem „kein“ davor benutzt?

Die Violetten: Für spirituelle Politik… So so. Was wollen die denn so? Bedingungsloses Grundeinkommen? Ich will Homöopathie und Wünschelruten, Geister und Außerirdische! So reißt ihr niemanden vom Hocker. Zweite Frau kuckt unsicher hilfesuchend, kriegt aber den auswendig gerlenten Text mit etwas Stocken dann doch noch hin. Oh, jetzt. Freie Wahl geben, zu “entscheiden zwischen Schulmedizin, alternativer Medizin, Naturmedizin und sogar Energiemedizin“? Warum nicht „entscheiden zwischen Medizin, Paramedizin, Scharlatanerie und sogar Quacksalverei“?

… Und schließlich? Was bleibt festzhalten? Gerade die Spots der kleinen Parteien wirken mit wenigen Ausnahmen oft so, als ob sie mit zwei Leuten an einem Nachmittag abgedreht wurden. Schlechte Texte, schlechte Sprecher, schlechte Musik, schlechte Bilder. Bei den großen Parteien fehlen oft inhaltliche Aussagen zu Gunsten des Aufbaus von bestimmten Gefühlen und Stimmungen. Die kleinen Parteien ziehen diese oft aus einer Ablehung von “denen da oben”, die ja eh nur machen, was sie wollen etc.

Die besten Spots sind für mich die der Piratenpartei, der SPD und der ödp. Die schlechtesten? Schwer… So viele so unfassbar schlechte… Inhaltlich am schlechtesten sind sicher die von NPD und DVU. Von der Machart her würde ich sagen die der Christlichen Mitte und der Rentner-Partei-Deutschland (und vielleicht noch der PBC).

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