Die Entwicklungspolitik der Parteien – Ignoranz bei der CDU, Desinteresse bei der FDP

Die Studie Sie haben die Wahl! Entwicklungspolitische Positionen der Parteien zur Bundestagswahl 2oo9 von VENRO und Deine Stimme gegen Armut untersucht die entwicklungspoltischen Positionen von CDU/CSU, SPD, Grüne, FDP und Die Linke.

In relativ vielen Punkte stimmen die Parteien dabei sogar überein. Angesichts sehr vieler sinnvoller Konzepte und Ideen scheint es sinnvoll, sich ein paar problematische oder sogar schädliche anzusehen:

Die CDU lehnt die Agrarsubventionen der Industrieländer für ihre Landwirtschaft nicht ab und betont sogar, dass sie „verstärkt Exportmärkte für die deutsche Land- und Ernährungswirtschaft erschließen und die Exportoffensive fortsetzen“ will.

Jährlich geben die Industrieländer  für Importzölle und Exportsubventionen auf Agrar- und Textilprodukte mit 350 Milliarden Dollar das Siebenfache ihrer Entwicklungshilfe aus. Durch Exportsubventionen werden die hohen Preise auf oder unter das Weltmarktpreisniveau gesenkt, sogar bis um mehr als ein Drittel unter den Produktionskosten. Die  Zollschranken der Industrieländer  für Exporte aus Entwicklungsländern sind 4 mal höher als für Exporte aus anderen Industrieländern. Der Protektionismus der Industrieländer kostet die Entwicklungsländer nach IWF- und Weltbankschätzungen mit 100 Milliarden Euro doppelt so viel, wie sie an Entwicklungshilfe von ihnen erhalten.

Die CDU setzt sich ebenfalls für weiterhin strenge Patentregelung ein.

Die Entwicklungshilfe will die CDU an Good Governance-Kriterien und die Einhaltung der Menschenrechte knüpfen. Dies erscheint v.a. im Bereich der Budgethilfe sinnvoll, aber: CDU und FDP sind eher gegen die Budgethilfe.

CDU und SPD wollen eine starke Rolle der G-8 bei der Steuerung der Globalisierung behalten.

Die Zusage, 0,7 Prozent des BNE für Entwicklungszusammenarbeit bereitzustellen, findet sich überall, bei CDU, FDP und Linke fehlt jedoch das (bereits zugesagte) Zieljahr 2015. Besonders bei der FDP wird mit der Aussage, die „Wirksamkeit der Entwicklungszusammenarbeit stärker in den Mittelpunkt stellen zu wollen als die Höhe der Gelder“ deutlich, dass eine Erhöhung der Entwicklungshilfe wohl nicht zu erwarten wäre.

Die FDP lehnt innovative Finanzierungsinstrumente für Entwicklungshilfe ab, die CDU äußert sich dazu nicht.

Die Erlöse aus dem Emissionshandel will die FDP nicht in den Klimaschutz und die Entwicklungszusammenarbeit investieren, sondern mit ihnen die Senkung der Stromsteuer finanzieren.

Außerdem ist die FDP als einzige Partei für die Abschaffung des Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung.

Die Linke will regionale Märkte in Entwicklungsländer stärken. Für einige Länder kann dies der richtige Weg sein. Empirische Untersuchungen zeigen jedoch, dass offene und weltmarktorientierte Entwicklungsländer höhere Wachstumsraten des Pro-Kopf-Einkommens haben als geschlossene.

Vergleicht man die Positionen der Parteien zu denen, die seitens der Wissenschaft und seitens der Zivilgesellschaft, wie etwa durch Nichtregierungsorganisiationen wie VENRO zum Ausdruck gebracht werden, so ergibt sich, dass die CDU aus entwicklungspolitischer Sicht nicht wählbar ist. Gerade die Existenz hoher Agrarsubventionen des Nordens ist zweifelsohne ein gravierende Entwicklungshemmnis für den Süden, und nur die CDU besteht aus Klientelinteressen darauf.

Die FDP unterstreicht dadurch, dass sie das BMZ abschaffen und nicht mehr Gelder bereitstellen will, dass die Entwicklungspolitik keine ihrer Prioritäten darstellt, auch sie erscheint hinsichtlich ihrer entwicklungspolitischen Vorstellungen kaum wählbar.

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Die Entwicklungspolitik der Spitzenkandidaten (außer Merkel)

Die Spitzenkandidaten570px-Africa_satellite_plane Steinmeier, Trittin, Gysi und Westerwelle haben sich, im Gegensatz zu Angela Merkel, die Zeit genommen, 12 Fragen der Entwicklungshilfeorganisation One zu Afrika zu beantworten. In vielen Punkten gibt es Gemeinsamkeiten, doch auch ein paar Unterschiede. Ich möchte hier zwei Punkte aufzeigen, zu denen, hier examplarisch an den Parteien, verschiedene Konzepte bestehen. Erstens: soll Entwicklungspolitik (in erster Linie) eigenstaatlichen Interessen dienen? Und zweitens: wie soll man mit verbrecherischen Regimen umgehen?

[Im Blog von One werden die Fragebögen erst nach und nach veröffentlicht, weshalb ich mich hier erstmal v.a. auf den Artikel in der Süddeutschen Zeitung und die dort veröffentlichten Fragen und Antworten stütze.]

Egoismus versus Altruismus

Dass Guido Westerwelle hervorhebt, dass Entwicklungszusammenarbeit auch dem Eigennutz dient

Das falscheste Vorurteil über Entwicklungszusammenarbeit ist, …

Guido Westerwelle (FDP): “… dass wir keinerlei eigenes Interesse an der Hilfe hätten. Mehr Wohlstand und mehr Stabilität bei unseren Nachbarn nutzt auch uns.”

gehört wohl zur Ideologie. Warum etwas tun, wenn es einem nicht selbst nutzt? Wenn jeder egoistische handelt, geht es wie von Zauberhand (oder zumindest durch die unsichtbare des Marktes) allen am besten. Kennt man ja alles. Immerhin sind die Liberalen nicht dafür, die Entwicklungshilfe komplett abzuschaffen. Muss man ja heute schon froh sein.

Gregor Gysi greift dieses Thema auch auf, jedoch von der anderen Seite,

Gregor Gysi (Linke): “… dass sie völlig selbstlos und ohne Eigeninteresse der Geberländer geleistet wird. Es stehen meistens die Interessen der reichen Industriestaaten im Vordergrund, wenn es um die konkrete Gestaltung der Zusammenarbeit geht. Ein Vielfaches dessen, was als Hilfe von Nord nach Süd fließt, kommt zurück: über Zinstilgungen, Kapitalflucht, ungerechte Handelsbeziehungen, die den Süden strukturell benachteiligen. Seit Jahrhunderten wird Umverteilung zugunsten des Nordens organisiert. Daran ist viel Entwicklung im Süden gescheitert.”

Sicher zieht Deutschland auch einen Nutzen aus seiner Entwicklungspolitik. Es ist aber auch richtig, einen Egoismus anzuprangern, der  in der Weltwirtschaft eben dazu führt, dass der Reichtum vom Süden zum Norden hin fließt, dass Ausbeutung weltweit fortgesetzt wird.

Wie behandelt man Schurken?

Anderseits kann ein Punkt der Liberalen, nämlich gute Regierungsführung und die Einhaltung der Menschenrechte –  “Good Governance”-Kriterien – bei der Vergabe von Entwicklungshilfe stärker in den Vordergrund zu stellen, in vielen Fällen sinnvoll sein.

Good Governance ist „The manner in which power is exercised in the Management of country’s economic and social resources for development” (Weltbank). Good Governance, eine gute Regierungsführung, stellt eine Form der Herrschaft da, die den Kriterien Partizipation der Bevölkerung bei der Auswahl der Regierenden, Rechtsbindung der Politik sowie Schutz der Menschenrechte entspricht. Sie steht für eine effiziente Staatsführung, die in verantwortlicher Weise der Sorgfaltspflicht von Regierungen und Behörden bei ihren Tätigkeiten sowie beim Umgang mit ihnen anvertrauten wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Ressourcen nachkommt. Maßstäbe zur Ausübung von Good Governance sind z.B. die Steigerung der Kapazität und Effizienz im Management des öffentlichen Sektors, Verantwortlichkeit der Regierung, Rechtssicherheit oder Transparenz im öffentlichen Sektor. Eine wichtige Rolle spielt der Aufbau und die Teilhabe einer funktionierenden Zivilgesellschaft.

Robert Mugabe (http://en.wikipedia.org/wiki/File:Mugabecloseup2008.jpg)
Simbabwes Machthaber Robert Mugabe (Author: Tech. Sgt. Jeremy Lock, (USAF), public domain, http://en.wikipedia.org/wiki/File:Mugabecloseup2008.jpg) "Let me be a Hitler ten-fold"

Den krassesten Gegenpunkt dazu stellt etwa die wirtschaftliche Zusammenarbeit Chinas mit Staaten in Afrika dar, die mit Hinweis auf die Nichteinmischung in die inneren Angelegenheiten anderer Staaten (womit ja immer auch Kritik an den Menschenrechtsverletzungen in China gekontert wird) und völlig ohne jegliche moralische Skrupel z.B. Waffen an den Sudan oder Simbabwe liefern, die sicherlich zu den furchtbarsten und menschenverachtendsten Regimen der Welt gehören.

Ein Problem aber ist, dass in der von den neoliberalen Ideen des Washington Konsensus beherrschten Vergangenheit von Weltbank und IWF an die Entwicklungsländer für den Erhalt finanzieller Hilfen Bedingungen gestellt wurden, die jedoch fast ausschließlich wirtschaftliche Liberalisierungsmaßnahmen, Privatisierung von Staatsbetrieben und den massiven Abbau von Sozialleistungen (die v.a. die ärmsten Bevölkerungsschichten betrafen) beinhalteten. Diese erzeugten oft gerade neue große Armut. Ziel war die Schaffung eines attraktiven Investitionsklimas für auslädische Investoren, nicht die Bekämpfung von Hunger, keine sozialen, Gesundheits- oder Umweltstandards (diese mussten meist als Investitionshindernisse sogar noch weiter gesenkt werden). Das Good Governance-Konzept wurde vor 20 Jahren entwickelt (Post Washington Consensus/ Stiglitz), erhielt aber erst in den letzten Jahren mehr Einfluss, gegen den Widerstand der neoliberalen Kräfte. Man kann sich wohl, ohne der FDP Böses zu wollen, vorstellen, dass auch sie wirtschaftliche “Anpassungsmaßnahmen” (wieder) stärker zur Bedingung für die Vergaben von Entwicklungshilfe machen will.

2000px-African_continent-de.svgTeilweise problematisch erscheint aber auch der Standpunkt der Linken. Selbstverwaltung der Gelder durch die empfangenden Staaten, bei denen das Geberland keine “Vorschriften” für deren Verwendung macht, “ownership”, ist sicher bei den meisten Staaten ein Konzept, das man anwenden sollte. In manchen Fällen kann dies aber eben unterdrückende Regierungen oder korrupte Eliten weiter unterstützen, die Finanzmittel kommen nicht der Bevölkerung zu Gute.

Demokratie und Menschenrechte sollten bei der Entwicklungszusammenarbeit gefördert werden – wenn auch nicht mittels paternalistischer Bevormundung. Eine Miteinbeziehung von gesellschaftlichen Gruppen, wie sie Steinmeier anspricht, erscheint hier durchaus sinnvoll. Den in Armut lebenden Menschen helfen, Zivilgesellschaft und demokratische Kräfte eines Landes zu stärken ohne die Unterdrücker und Ausbeuter ungewollt zu fördern – hier liegt eine Schwierigkeit in der Entwicklungspolitik, zu deren Lösung es immer noch guter Konzepte bedarf.

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Linken-Bashing – wie es geht

Ein sehr schöner Artikel über die übliche unreflektierte Stammtisch-Propaganda, die gegen Die Linke benutzt wird, gibt es in Form einer Anleitung:  “Wie man DIE LINKE erfolgreich bekämpft – ein Leitfaden für Aufsteiger” (Readers Edition)

Und Telepolis berichtet unter Erzengel und Belzebub. Lafontaine und die groteske Kampagne der Medien” darüber, wie eben diese Medienkampagne, auf die jetzt auch die Frankfurter Rundschau (nach dem ZDF) mit aufgeprungen ist, funktioniert.

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Die Kampagne der Medien gegen SPD-Linke und Die Linke. Teil 2

Peter Frey hat offenbar Gefallen am Linken-Bashing gefunden. Nach dem Sommerinterview mit Oskar Lafontaine (1) entdeckt Berlin Direkt (natürlich ausgerechnet bei der Linken) auf einmal seine investigative Seite. (Grundsätzlich ist es ja zu begrüßen, dass man anfängt, endlich einmal die Aussagen von Politikern etwas genauer unter die Lupe nehmen.) Auf http://berlindirekt.zdf.de/ZDFde/inhalt/23/0,1872,7605655,00.html möchte er mittels gründlicher Recherche „die Behauptungen des Oskar Lafontaine“ überprüfen.

Offensichtlich soll hier beim Publikum der Eindruck erweckt werden, diese Linken hielten es nicht so genau mit der Wahrheit. Dass tatsächlich dann aber statt falscher Behauptungen eher schlecht formulierte oder nicht ganz differenzierte Aussagen Lafontaines folgen, spricht zwar nicht unbedingt für Lafontaine, aber auf nicht für Frey.

Er habe “25 Jahre Verantwortung getragen, also nie hingeschmissen – viel länger als jeder andere aktive Politiker” erwidert Lafontaine auf die während des Sommerinterviews mehrmals wiederholte Frage nach dem „Hinschmeißen“ 1999.

Dies sei in der Tat lange. Aber andere Politiker hätten ebenfalls eine lange oder sogar noch längere Tätigkeiten vorzuweisen, meint Frey, muss dann aber zugeben: „Auch wenn sie nicht auf “25 Jahre im Amt” zurückblicken können…“. Ja gut, könnte man sich da denken, vielleicht etwas unglücklich formuliert von Lafontaine, aber irgendwie hat er dann ja wohl doch Recht. Auf diesen möglichen Einwand muss man dann natürlich reagieren, wenn schon nicht sachlich, dann wenigstens so:

… haben sie dem Druck bundespolitischer Funktionen Stand gehalten, auch den Streit mit der eigenen Partei ertragen. Keiner hat so überstürzt seine Funktion verlassen wie Lafontaine im März 1999 – ohne den Schreibtisch aufzuräumen, drei Tage nicht erreichbar, um sich dann von der Dachterrasse aus zu erklären.“

Man kann richtig erkennen, wie genüsslich diese Zeilen geschrieben worden sind. Klasse, dass „Hinschmeißen“-Argument wirkt auch nach 10 Jahren noch!

Nächster Punkt: Lafontaine spricht von einer “hohen Zustimmung” für seine Person an der Saar. Doch die Umfragen könnte man auch anders interpretieren. Na so was!

Kommen wir einmal kurz zu einem wirklichen politischen Thema abseits der Person Lafontaine: die Renten. Dass sich nicht nur Die Linke, sondern durch die Rentengarantie inzwischen auch die Große Koalition gegen Rentenkürzungen ausspricht, ist richtig. Leider auch, dass dies große Probleme mit sich bringen kann. Aber dass die Maßnahme aus den selben Beweggründen getroffen wurde, wie die Linke sie vertritt, darf ja nebenbei bezweifelt werden. Man kann wohl eher wahltaktische Manöver vermuten.

Zurück zur Person Lafontaine (wir wollen ja nicht zu viel über die politischen Vorstellungen schreiben, am Ende kommen die noch sympathisch rüber):

Auf die Frage, ob er Frank-Walter Steinmeier das Kanzleramt zutraue, antwortete Lafontaine, er sei mit ihm “gut zurecht gekommen, als er Chef des Kanzleramts war”. Eine für Lafontaines Verhältnisse fast schmeichelnde Aussage, aber nicht korrekt. Steinmeier wurde nämlich, als Nachfolger von Bodo Hombach, erst am 7. Juli 1999 Chef des Kanzleramts. Da war Lafontaine schon fast vier Monate aus dem Finanzministerium ausgeschieden.“

Alles richtig. Aber ist das denn ein zwingender Widerspruch? Wieso kann Lafontaine nicht auch mit Steinmeier „gut zurecht gekommen sein“, als Steinmeier Chef des Kanzleramtes war und Lafontaine nicht mehr Finanzminister? Nett auch noch die kleine Stichelei „ Eine für Lafontaines Verhältnisse fast schmeichelnde Aussage“. Auch wenn sie nichts zu Sache tut.

Schließlich zum Thema „Mindestlohn“. Lafontaine weist darauf hin, dass in Luxemburg der Facharbeiter-Mindestlohn fast 12 Euro betrage. Frey fügt nun seinerseits hinzu „Der Mindestlohn für qualifizierte (Fach-) Arbeiter liegt tatsächlich bei 11,67 Euro. Unqualifizierte Arbeitnehmer können aber nur mit 9,72 Euro rechnen.“ Ok, aber Lafonaine sagt ja schließlich „Facharbeiter“. Weiterhin erwähne Lafontaine nicht die Unterschiede zwischen Deutschland und Luxemburg (Fläche, BIP/ Kopf, Arbeitslosigkeit, regionale Differenzierung). Luxemburg ist in der Tat ein schlechtes Beispiel. Allerdings hätte Lafontaine auch Staaten erwähnen können, die man besser mit Deutschland vergleichen kann: Frankreich oder Großbritannien oder 18 weitere EU-Länder. Alle mit einem gesetzlichen Mindestlohn.

Die Welt ist oft differenzierter als Lafontaine behauptet.“

Sicher ist die Welt komplizierter, als das in einem 15-minütigen Fernseh-Interview im Wahlkampf dargestellt werden kann. Aber auch komplizierter als das ZDF sie darstellt.

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Über die Kampagne der Medien gegen SPD-Linke und Die Linke. …

… gibt es einen schönen aktuellen Kommentar bei den NachDenkSeiten.

(Anlass ist das Sommerinterview des zdf mit Oskar Lafontaine. Ich find den Lafontaine persönlich ja auch nicht sympathisch, und die Art, wie er aufgetreten ist, auch nicht toll. Aber dass er, wie der Moderator “behandelt wird wie alle anderen Parteivorsitzenden” ist ein Witz. Und die Ankündigung des Interviews auf der zdf-Seite ist in der Tat keine neutrale Ankündigung, sondern  ganz klare Propaganda).

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