Jugend 2010: Die opportunistische Generation Biedermeier

Sich über “die Jugend von heute” zu beschweren, ist seit je her sehr beliebt (sehr beliebt ist es aber auch, darauf mit einem falschen Sokrates-Zitat zu antworten). Die neue Shell-Jugend-Studie aber führt diesmal zu einer ganz anderen Situation: Von den Autoren wie auch in den deutschen Mainstream-Medien wird die heutige junge Generation nun fast schon überschwänglich gelobt.

Kein Wunder, schaut man sich einige Ergebnisse der Studie an. Kaum eine Generation erscheint für das neoliberale System passender als diese. Die “heutige Jugend” ist wie keine vorangegangene grenzenlos von sich selbst überzeugt, egomanisch und oppurtunistisch-pragmatisch eingestellt. Sie ergibt sich dem Konkurrenz- und Statusdenken, der “Leistungsorientierung”, den Werten und Erfordernissen des ungezügelten Kapitalismus. Eine Generation, die ohne jedes Zögern zwischen dem Job bei Greenpeace und dem bei Shell wechseln könnte – man kann ja auch online eine Petition gegen Atomkraft unterzeichnen, das reicht. Überzeugungen und Werte werden den Zwängen des System untergeordnet. Persönlicher Erfolg in der Leistungs- und Konsumgesellschaft ist für sie das Wichtigste. (more…)

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Sarrazin, mein Held!

Thilo Sarrazin und seine rassistischen und sozialdarwinistischen Äußerungen bleiben nicht wirkungslos auf die öffentliche Meinungsbildung. Er hat es bereits geschafft, dass einige (rechts-)konservative Journalisten und Rechtsintellektuelle sich nun aus ihren Löchern trauen, um ihrer ganzen Menschenverachtung endlich freien Lauf zu lassen. Verteidiger Sarrazins finden sich etwa bei der Springerpresse, der Rheinischen Post, der Süddeutschen oder bei Deutschlandradio Kultur.

Dort gibt es im “Politischen Feuilleton” einen Kommentar von Cora Stephan (Text, MP3), der glatt als  Liebeserklärung an Thilo Sarrazin durchgehen, dabei aber auch mit den Hetztiraden von Fox News oder Politically Incorrect mithalten könnte. Jede Zeile trieft vom Hass auf (folgendes bitte in Anführungszeichen denken) das linke Gutmenschenpack, die schmarotzenden Ausländer, Multikulti und die political correctness – und von der Verachtung von Menschlichkeit. Sarrazin mit seiner Sammlung unwissenschaftlichen Blödsinns wird konsequent als Darsteller von objektiven Zahlen und Statistiken, gar von Fakten stilisiert. Es ließe sich nicht leugnen, dass, so im besten Rechtsaußenjargon, sich ein Teil der Ausländer nicht integrieren wollte und die deutsche Kultur verachte. Und der Türke sei nun beleidigt, weil man diese “Wahrheiten” ausspreche. (more…)

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Sarrassismus

Zu Sarrazin wurde dieser Tage schon sehr viel gesagt und geschrieben. Ich möchte aber hier dieses nicht wiederholen, sondern nur kurz ein paar Punkte ansprechen, die mir zusätzlich noch erwähnenswert erscheinen. Dabei geht es insbesondere um die Wirkung Sarrazins auf die öffentliche Meinungsbildung und um die Nähe seiner Auffassungen zum Sozialdarwinismus und zur Eugenik.

Sarrazin sage doch nur das, was der kleine Mann auf der Straße denke, hört man oft. Wie so oft wird “der kleine Mann” bemüht, wird von “Denkverboten” gesprochen, wenn man eine Ansicht verbreiten will, für die es keine Belege gibt (“Gefühlt hat er doch Recht!”). Der hier vorgestellte “kleine Mann” aber ist extrem anfällig für politische und mediale Meinungsmache, wie die NachDenkSeiten Tag für Tag eindringlich demonstrieren. Die Presselandschaft in Deutschland ist zweifelsohne neoliberal und eher konservativ geprägt, doch in Fragen der Ausländer- und Intergrationspolitik konnte man, bis auf einige Gossenpostillen, in den letzten Jahrzehnten doch eine eher liberalere, tolerantere Linie erkennen. Doch diese bröckelt immer mehr. Erstmals seit 65 Jahren gibt es dieser Tage auch in der deutschen Presse wieder Veröffentlichungen (wenn auch eher wenige), die offenen Rassismus und Sozialdarwinismus (denn offener, als es Sarrazin macht, geht es in der Tat kaum) beschwichtigen und beschönigen (etwa: der Stil sei nicht angemessen, aber inhaltlich stimme da doch vieles), wenn nicht gar teilweise wieder salonfähig machen wollen. Wenigstens zeigen nun einige ihr wahres Gesicht: Die deutschen Rechtsintellektuellen, wie etwa Broder oder Baring zeigen, dass sie keinesfalls nur, wie sie immer betonen, konservative, liberale oder gar linke Werte verkörpern. In den letzten Tage wurde dann der Öffentlichkeit von vielen Medien eingeredet, dass etwa die Bundesbank Sarrazin nicht rausschmeißen könne – oder solle, und es gab gar die abenteuerliche Behauptung, dass  angeblich große Teile der SPD-Basis auf Sarrazins Seite stünden. Aber selbst wenn sich die Bundesbank doch von Sarrazin trennen sollte, selbst wenn er aus der SPD ausgeschlossen wird: Das Gift, dass er in die Welt gesetzt hat, wird bleiben. (more…)

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Thilos willfährige Apologeten

Von Frank Benedikt

“Unangenehme Wahrheiten …”, “Die Linke vermeidet eine notwendige Diskussion …”, “… aber er hat doch recht!” Nicht der Sozialrassist und Populist Thilo Sarrazin ist das eigentlich Entsetzliche an der momentanen Debatte, sondern die Masse der Apologeten, die seine “Argumente” unkritisch aufgreifen und ihn gegen Kritik zu verteidigen suchen.

Egal, welche Ausfälle sich Sarrazin leistet, ob er nun von “Kopftuchmädchen” oder einem Judengen schwadroniert, ob er ALG-II-Empfängern Ernährungs- und Energiespartips erteilt oder Horrorszenarien von der drohenden Verdummung Deutschlands durch Migration und Demographie entwirft – stets findet sich eine buntscheckige Posse von Claqueuren. Die Spannbreite reicht dabei von den üblichen Verdächtigen wie der NPD und pro Deutschland, über Teile der Presse wie bspw. der Spiegel und BILD, die sich nicht genierten, via Vorabdrucken für Sarrazins Buch die Werbetrommel zu rühren, bis hin zum Mann auf der Straße, dessen Vorurteile bestens bedient werden. (more…)

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Muss man Sarrazin wahrnehmen?

Von Frank Benedikt

Thilo Sarrazin hat ein Buch geschrieben. Das ist nichts Besonderes, das machen abgehalfterte Politiker nach dem Ende ihrer Karriere schon mal gern, so eben auch “Pöbel-Thilo”. Tagtäglich kommen in Deutschland über 200 Neuerscheinungen auf den Markt und Sarrazins Buch “Deutschland schafft sich ab” ist nur eine davon – muß man es und ihn also wahrnehmen? Ich meine ja.

In seinem aktuellen Beitrag “Der Wahnsinnige am Bohrer” schreibt Michael Spreng beim Sprengsatz, man solle Sarrazin doch die Aufmerksamkeit – und somit den medialen Boden – entziehen, eine Meinung, die ich dieser Tage auch  von verschiedenen Kolleginnen und Kollegen vertreten fand. Schließlich nähre diese Aufmerksamkeit nur seinen zweifelhaften Erfolg als Populist und befördere nun sein Buch bereits vorab zu einem Bestseller, der schon jetzt bei Amazon auf Platz 1 der Sachbuch-Bestsellerliste steht. Die “Lösung” könnte zielführend sein, wenn es sich bei Sarrazin um ein isoliertes Phänomen handeln würde, jedoch ist der Sachverhalt durchaus komplexer.

Der vormalige Berliner Finanzsenator und jetzige Bundesbanker versteht es hervorragend, die Ressentiments und Xenophobien von Millionen Bundesbürgern zu bedienen, ist dabei aber nicht alleine, sondern Teil eines Trends. Auch andere Personen des öffentlichen Lebens wie bspw. die Herren Buschkowsky, Heinsohn oder Sloterdijk haben diesen Trend wohl erkannt und greifen ihn – ähnlich einem Geert Wilders in den Niederlanden – zunehmend auf. Insofern ist “Pöbel-Thilo” nicht ein Einzelfall, sondern eher als symptomatisch anzusehen für eine Gesellschaft, die immer weiter nach rechts rückt und wachsend Vorurteile wie auch soziale Kälte entwickelt. (more…)

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“Meine Brieftasche gehört mir!”

Die heutige Frauenbewegung handelt den eigentlichen Intentionen des Feminismus zuwider. Sie hat sich längst mit dem herrschenden kapitalistisch und hierarchisch organisierten System verbündet. Ihre Forderungen laufen dabei sogar auf eine Ausbreitung von bestimmten – durch die geschichtliche Entwicklung als männlich charakterisierten – Eigenschaften und Verhaltensweisen (wie Härte, Aggressivität, Egoismus, Konkurrenz- und Karrieredenken) hinaus und erstrecken sich auf alle Frauen. Das Ziel einer wirklich emanzipatorischen Bewegung sollte jedoch in deren Überwindung liegen.

Es war in der Tat vorhersehbar: Nachdem das Bundesverfassungsgericht sein Urteil zu den Rechten unverheirateter Väter verkündete, kam der erwartbare Protest der üblichen Verdächtigen (via Zeitgeist Blog). Die Argumentation: die meisten Männer müssten erst einmal beweisen, dass sie überhaupt etwas mit dem Sorgerecht anfangen können und es nicht nur aus Machtinstinkten wollen. Falls auch manche Frauen ihre Kinder vernachlässigen, ist das nicht so schlimm wie bei Männern, da Frauen ja in der Vergangenheit die Kindererziehung übernommen hatten. Und nicht zuletzt: ein Vater, der nicht genügend Unterhalt zahlen kann, ist kein guter Vater.

Ich benutze den Ausdruck “die üblichen Verdächtigen” nicht gerne, aber er gibt es nun einmal wieder: Wenn heutzutage Feministinnen in den Medien zu Wort kommen, sind es fast immer die einer einzigen, bestimmten Sichtweise. Diese sogenannten Feministinnen sind diejenigen, die Feminismus in erster Linie in einer Weise verstanden wissen wollen, die letztendlich darauf hinausläuft, dass sich Frauen immer mehr dem annähern, was heute zumeist als männlich bezeichnet wird. Fangen wir aber am besten an mit den Gemeinsamkeiten, die diese sich so bezeichnenden Feministinnen und ich (und ich stütze mich in der Folge vor allem auf Gedanken von Herbert Marcuse) haben. In der Vergangenheit der Menschheitsgeschichte haben in erster Linie Männer eine herrschende Rolle inne gehabt. Die gesellschaftlichen Machtstrukturen waren in erster Linie ihnen vorbehalten. Ebenso waren sie in der Arbeitswelt übermäßig vertreten, die Frauen auf Kindererziehung und Hausarbeit reduziert, und sie wurden nicht selten auch direkt unterdrückt. So weit sind wir uns in jedem Fall einig. (more…)

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Mit allen Mitteln gegen links

Das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts, das die Überwachung der Partei Die Linke wie auch einzelner Mitglieder und sogar Abgeordneter dieser zulässt, reiht sich ein in eine Reihe von vielen Vorgängen, mit der die rechtskonservativen und neoliberalen Kräfte v.a. seit der letzten Bundestagswahl mit allen Mittel die Möglichkeit einer Regierungsbeteiligung der Linken auf Bundesebene verhindern wollen. (Und damit noch einmal detaillierter zu einem Thema, das im vorherigen Artikel über den Vorwurf der Verfassungsfeindlichkeit als politischen Totschlagargument etwas zu kurz kam).


Seit dem Jahr 2008 ist das neoliberale, finanzmarktgetriebene kapitalistische Regime unter zunehmende Kritik von verschiedensten Seiten geraten. Auch von einstigen bedingungslosen Apologeten dieses Systems gab es nicht nur kleinlaute Zugeständnisse, dass die eigene Ideologie vielleicht doch nicht ganz so unfehlbar sei, sondern teils sogar direkte Rufe nach einer Umkehr, nach einer Dämmung der immer potentiell instabilen bis zerstörerischen Kräfte weltweit ungezügelt marodierenden Finanzkapitals. Erfolgt ist wenig. Selbst die allernotwendigsten Vorkehrungen wurden nach großer Anlaufzeit nur in Ansätzen angegangen. Bei der nächsten Finanzkrise wird man vielleicht ein winziges Quantum mehr gewappnet sein, unwahrscheinlicher ist diese indes kaum geworden. Das meiste waren Alibi-Maßnahmen, der Kern des Systems blieb unangetastet, nur an der ganz äußeren Hülle gab es ein paar kosmetische Veränderungen. (more…)

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Der Vorwurf der Verfassungsfeindlichkeit als Totschlagargument

In der Diskussion zum vorherigen Artikel zu den vergangenen Volksabstimmungen kamen Argumente auf, dass deren Ergebnisse verfassungswidrig seien. Das dreigliedrige Schulsystem sei etwa verfassungswidrig, da Kinder von der Bildung ausgeschlossen würden, das Nichtraucherschutzgesetz in Bayern, da die freie Entfaltung der Persönlichkeit eingeschränkt würde, ohne dass dies durch den Schutz von Anderen ausreichend begründet würde.

Ich halte diese Argumente für nicht sehr tragfähig, und v.a. unter demokratietheoretischen Gesichtspunkten für nicht zielführend oder angemessen. Man kann Entscheidungen auch politisch ablehnen, ohne ihnen zwanghaft eine Verfassungswidrigkeit andichten zu müssen. Die politische Linke täte gut daran, den Vorwurf der Verfassungswidrgkeit nicht als allgegenwärtiges Totschlagargument zu benutzen – wie es von rechts häufig genug getan wird, wie heute mit dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichtes, dass die Partei Die Linke weiter vom Verfassungsschutz beobachtet werden darf. (more…)

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Die deutsche Bildungspolitik als ein Mittel zur Sicherung von Egoismus, Konkurrenzdenken und gesellschaftlicher Ungleichheit

In Hamburg ist die Schulreform, mit der eine sechsjährige Primarschule ermöglicht werden sollte, gescheitert. Obwohl es eine breite Unterstützung der politischen Parteien, von der Linken bis zur CDU, gab, wurde sie in einem Volksentscheid abgelehnt. Wie kann man dies erklären und deuten? Ein sehr guter Ansatz bietet sich bei Telepolis: Niederlage für eine solidarische Gesellschaft

Das ist eine Absage an eine Schulpolitik, die davon ausgeht, dass die “stärkeren” Schüler die “schwächeren” beim Lernen unterstützen können und alle davon profitieren. Zur Bildung gehört nach dieser Lesart auch das Ausbilden von sozialen Kompetenzen, wie Solidarität und gegenseitige Unterstützung. Zu Zeiten der Bildungskämpfe der siebziger Jahre waren solche Werte in großen Teilen der Gesellschaft verbreitet. Das ist aktuell nicht mehr der Fall. So liegt das Hamburger Ergebnis ganz im Trend einer Gesellschaft, in der das Prinzip “Jeder ist seines Glückes Schmied” und “Der Schwache ist selber schuld und soll den anderen nicht zur Last fallen” zum Dogma erhoben wurde . Im Umgang mit Flüchtlingen und Migranten drückt sich diese Politik ebenso aus, wie in den Maßnahmen gegen Hartz IV-Empfänger und eben jetzt auch in der Bildungspolitik.

In einer Gesellschaft, in der es als normal gilt, wenn jeder mit jedem in Konkurrenz liegt, sorgen die Eltern dafür, dass damit schon im Schulalter angefangen wird. Ein solidarisches Lernen wird als Konkurrenznachteil für die eigenen Kinder empfunden […]

Dass “Volkes Stimme” wie in Hamburg gegen eine ganz große Parteienkoalition von Union, SPD, Grünen und Linkspartei, die sich für die Primärschule aussprachen, stimmte, kann nur verwundern, wer noch immer noch meint, dass “die da unten” oder auch “der kleine Mann” sozialer abstimmen als die politischen Parteien. Eine solche Vorstellung verkennt, wie stark die Idee der Ungleichheit und des Konkurrenzgedanken in großen Teilen der Bevölkerung Konsens sind.

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Schon irgendwie links

Nach einer weltweiten Studie denken besser Gebildete oft, sie stünden politisch links, vertreten aber in Wahrheit politisch rechte (konservative und neoliberale) Positionen (etwa zur Einkommensungleichheit).

Wer besser gebildet ist, ordnet sich eher dem linken Spektrum zu, neigt aber gleichzeitig dazu, größere Einkommensunterschiede zu befürworten, also glaubt vermutlich, dass er zu Recht ein überdurchschnittliches Einkommen bezieht oder zumindest ein solches “verdient” zu haben. (…)

Studenten sind keineswegs links, sondern ideologisch im Mainstream.

Wer heute studiert, kennt dies garantiert: diese Vorreiter der Generation der selbstverliebten Egomanen, wie eine andere Studie sie seit den letzten 30 Jahren diagnostiziert. (more…)

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