Schon irgendwie links

Nach einer weltweiten Studie denken besser Gebildete oft, sie stünden politisch links, vertreten aber in Wahrheit politisch rechte (konservative und neoliberale) Positionen (etwa zur Einkommensungleichheit).

Wer besser gebildet ist, ordnet sich eher dem linken Spektrum zu, neigt aber gleichzeitig dazu, größere Einkommensunterschiede zu befürworten, also glaubt vermutlich, dass er zu Recht ein überdurchschnittliches Einkommen bezieht oder zumindest ein solches “verdient” zu haben. (…)

Studenten sind keineswegs links, sondern ideologisch im Mainstream.

Wer heute studiert, kennt dies garantiert: diese Vorreiter der Generation der selbstverliebten Egomanen, wie eine andere Studie sie seit den letzten 30 Jahren diagnostiziert.

Die Psychologen kommen zum Ergebnis, dass die heutigen Studenten weniger Empathie haben als diejenigen in den 1980er und 1990er Jahren. Einen besonders großen Rückgang soll es nach 2000 gegeben haben, wobei es seitdem weiter nach unten ging (…) Tatsächlich sprechen zahlreiche Forscher von einem wachsenden Narzissmus und Individualismus sowie einem Anstieg der Selbstbezogenheit und der Selbsteinschätzung. Die jetzige Studentengeneration, so Konrath, gelte als “Generation Me” und werden von vielen als Generation, die bislang am stärksten “selbstzentriert, narzisstisch, konkurrierend, selbstsicher und individualistisch” sei: “Es überrascht nicht, dass diese wachsende Selbstwertschätzung von einer entsprechenden Abwertung der Anderen begleitet wird.”

Diejenigen, die  “Hartz IV” als Standard-Schimpfwort und als Ausdruck für alles, auf das man mit einem herablassenden Lächeln herabblicken kann, benutzen. Hartz IVler, diese sebstverschuldeten Verlierer, faul, dumm, nicht leistungswillig: das Gegenteil von dem, als das man sich selbst sieht. Sie vertreten in sozialpolitischer Sicht meist knallhart neoliberale Positionen, huldigen der Leistungsideologie, der sozialen Ungleichheit: es hätten ja alle die selben Chancen gehabt.

Aber sie denken oft,  sie wären irgendwie (mitte) links – weil sie auch nicht rechts sind in dem Sinne, dass sie nicht nationalistisch, ausländer- oder frauenfeindlich sind, dass sie eben gesellschaftspolitisch durchaus nicht konservativ sind, wobei sie natürlich die zur politischen Orientierung gehörende sozialpolitische Seite vergessen. Nein, sie sind sie sind ja sogar für die SPD, so lange da “die Vernünftigen” das Sagen haben (Schröder, Steinmeier, Kahrs) und die “Reformpolitik” weiter geht. Und sie trinken ja auch, wenn nicht ne Latte, dann ne Bionade (meist aber v.a., weil sie so schick teuer ist, und wegen des Szene-Lifestyle-Touchs). Sie nennen Prinzipienlosigkeit Pragmatismus, ihren Narzissmus “gesundes Selbstbewusstsein”, verstecken hinter ihrer immer und überall dargebotenen Ironie, dass es letztlich nichts Relevantes für sie gibt außer ihnen selbst, und verbergen ihre Oberflächlichkeit hinter dem Schein schicker neuer Apple-Produkte.

Bei beinahe jedem Studiengang fragen sie mit einem abfällig-mitleidigem Ton, was man denn “damit mal machen” wolle. Nach dem Studium möchten sie ihrerseits einen Job bekommen, der sich erstens durch gute Bezahlung, zweitens durch einen hohen Lohn und drch drittens viel Geld auszeichnet. Bei Alumni-Treffen ist die erste und einzige Frage, was die Absolventen des Studienganges denn jetzt so verdienen (dann natürlich immer in der Form “drei fünf”, um eine gewisse Lässigkeit im Umgang mit solchen Zahlen auszudrücken – Menschen, die mit 350 statt 3500 Euro im Monat auskommen müssen, haben sich ja schließlich nicht genug angestrengt). Nach dem Studium wird man für diejenigen arbeiten, die einem das meiste Geld bezahlen, egal wo: man muss ja schließlich auch “seine Hypotheken abbezahlen”.

Aber man ist ja schon irgendwie links.

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15 thoughts on “Schon irgendwie links

  1. Guter Artikel. Die “modisch” Linken. Zentriert in der Mitte, die in Ihrer Gesamtheit nach rechts gerauscht ist. Eben dadurch. Da haben wir einen merkwürdigen Zustand erreicht. Ultralinke Sytemtechnokraten, müssen mit alten Sozen die es geblieben sind, in Ihrer Minderheit gegen mehrheitlich moderne Linke (incl. moderne Grüne) der rechten Mitte bestehen. Und alle wissen was richtig ist. Wo soll das noch hinführen? Schön, das hier wenigstens mal jemand nur schreibt was falsch ist.
    Das letztendlich hilft wirklich weiter.

  2. Und morgen werden wir sie wohl sehen, wenn sie sich fröhlich auf die Schultern klopfen, in Hamburg, weil sie erreicht haben, daß die Kinder der Armen auch weiterhin nicht auf ihre Schulen gehen dürfen.

  3. “Hartz IVler, diese sebstverschuldeten Verlierer, faul, dumm, nicht leistungswillig: das Gegenteil von dem, als das man sich selbst sieht.”
    Dieser Satz erinnert mich zwangsläufig an die Sklaven-Moral bei Nietzsche (studiere nebenbei auch dessen Schriften): Man suche sich ein Gegenüber, den man als “böse” und als den “Feind” ausmacht und leite daraus für seinesgleichen den Begriff alles “guten” ab.

    Man gewinnt zwar den Eindruck, dass hier eher der Fall der Herren-Moral vorliegt, da sich die oben Beschriebenen als etwas besseres definieren, also in “gut”- und “schlecht”-Kategorien denken würden. Aber schaut man genauer hin, haben diese Menschen keine Definition von sich selbst.
    (siehe einen älteren taz-Artikel über eine junge, zielorientierte Generation, die keinen Plan hat, was sie im Leben mal machen will). Denn die “Herren” bestimmen ihr Selbst…selbst, und leiten es nicht wie die “Sklaven” aus einem externen “bösen” ab.

    Diese andere “neue Linke” ist vielleicht ein Produkt der geschickt verborgenen neoliberalen Agenda, da ja (wie Albrecht Müller zu betonen nicht müde wird), es als “normal” angesehen wird, wenn die altbekannten Parolen und Meinungen aus verschiedenen Ecken kommen.
    “Nein, sie sind sie sind ja sogar für die SPD, so lange da “die Vernünftigen” das Sagen haben (Schröder, Steinmeier, Kahrs) und die “Reformpolitik” weiter geht” -> als vernünftig gelten alle die diese Eigenschaft eben nicht verkörpern, ihren Willen durchsetzen, die Macht um jeden Preis erlangen/halten und “unpopuläre” Entscheidungen im Sinne einer “schweigenden Mehrheit” treffen.

    Das Bild von antiferengi finde ich sehr treffend. Diese “Mitte” ist ein interessanter Ort. Jeder der ihn anstrebt, verrät seine Ideale. Ausgenommen die rechts-konservativen Parteien, da sie die “Mitte” nach rechts geholt haben, womit sie alle möchtegern-Linken (SPD, Grüne) in die Falle gelockt haben. Diese Parteien sind auf die Finte der Union hervoraragend hereingefallen. Da sie das “Ideal der Mitte” als “Konsensfähigkeit” und “demokratische Vernunft” ausgeben, werden alle programmatischen Ecken, Kanten und die Ideale gleich mit auf dem Altar des Opportunismus geopfert. Danach wird unter diabolisch lächelnder Führung durch die Union die nächsten Dekaden lang das Spiel um den Sitz nebem dem Thron gespielt, für den die Schwarze Pest eine Dauerkarte bestellt hat.

  4. @ antiferengi, m4rc
    Den Begriff “Neue Linke” würde ich aber hier nicht verwenden, da er ja schon besetzt ist für eine ganz andere Richtung, und auch “Moderne Linke” passt nicht wirklich, da diese Leute ja tatsächlich fast nirgendwo linke Positionen vertreten. “Modisch Linke” passt da schon besser. Muss man noch was Griffigeres finden. Late-machiatto-“Linke”? Bionade-“Ökos”?

    @m4rc:
    Liest du Nietzsche freiwillig? Ansonsten mein Beileid 😉

    Diese Generation ist ganz sicher auch geistig ein Kind des seit 3 Jahren dominierenden Neoliberalismus, und seit der Agenda 2010 ist es noch stärker geworden. Und auch dieser Geist der Alternativlosigkeit hat sich tief eingebrannt, so dass es ihnen, viel mehr noch als früher, nur noch utopisch scheint, in irgendwelchen anderen Kategorien als denen des bestehende System, des Status quo, zu denken.

    Zur “Mitte”: Ich denke aber auch, dass die rechts-konserativen Parteien ihre Werte verraten haben. Neben wir doch mal die CDU. Diese vertritt kaum mehr die konservativen Einstellungen, die viele ihrer Wähler und Mitglieder noch haben (zu Familie, Kirche, Nation, Ausländerpolitik usw.). Das kann man zwar als durchaus begrüßenswert ansehen, aber es ist schon ein gewisser Verrat ihrer Überzeugungen. Aber wenn man auf die wirtschafts- und sozialpolitischen Standpunkte fast aller Parteien schaut, gab es in diesem Gebiet in der Tat einen massiven Trend zum Wirstchaftsliberalismus. Und der ist ja alternativlos und vernünftig, wie die Leute, in dem es in dem Artikel geht, glauben. Und so etwas ist nun wirklich alles andere als links.

  5. Also bleibt festzuhalten, dass der Neoliberalismus alle bisher bekannten politischen Spektren aufweicht und daher als eine Art ideologischer (gemeint ist “Lehre von den Ideen”) Melting Pot wirkt. Es ist der Götze auf der höchsten aller Säulen und zwingt daher jeden seine bisherigen Ideale aufzugeben und ihm zu folgen.
    (off-topic: arbeite seit einiger Zeit an einer Arbeit über Nietzsche und behandle dort auch die Überlegung des Neo-Mammons, also des Geldes und des Kapitalismus als neue Gottheit, wobei ich den wahren Gott in dieser neuen Religion noch nicht ausmachen konnte. Mal sind es “die Märkte”, mal das Geld, mal das kapitalistische Ausbeutungssystem itself…)

    Und mit den Schubladen ist das so eine Sache. Es scheint mir, dass sich noch kein richtig passendes Etikett für solche lebenden Stereotypen finden lassen konnte… “Ellenbogen-Systemsoldaten” mal als mein Einwurf. 😉

  6. Neoliberalismus bedeutet v.a. einen auf ein Spektrum, das sozio-ökonomische, verkürzten und ins Extrem geführten Liberalismus (also als purer Wirtschaftsliberalismus oder auch Marktradikalismus).

    Mal sind es “die Märkte”, mal das Geld, mal das kapitalistische Ausbeutungssystem itself…

    Wenn man das mal aus marxistischer Perspektive betrachtet, beruhen diese Phänomene ja alle auf den Eigenarten des kapitalistischen Systems. Dieses ist aufgebaut auf der Warenform, in der voneinander unabhängige private Produzenten auf Märkten Waren auf Basis handeln, auf Bais deren Tauschwertes. Das Mittel des Tauschwertes ist das Geld. Ausbeutung bedeutet, dass die Besitzer der Produktionsmittel einen Teil des durch die Arbeiter erschaffenen Werts (des Mehrwerts) einbehalten (und damit Kapital bilden und dadurch zu Kapitalisten werden können).


  7. Pingback: Mein Politikblog
  8. Eher die Marxsche Perspektive als die marxistische (Lesekreise sind schon was tolles) 😉
    Ich fand auch die Definierung von Chomsky für Neoliberalismus gut in seinem Buch “Profit Over People”.

  9. Ich zitiere aus den ersten Seiten des Buches “Profit over People” von Noam Chomsky:
    “Der Neoliberalismus ist das vorherrschende Paradigma der politischen Ökonomie unserer Zeit – es bezieht sich auf die Politik und die Prozesse, mittels derer es einer relativ kleinen Gruppe von Kapitaleignern gelingt, zum Zwecke der persönlichen Profitmaximierung möglichst weite Bereiche des gesellschaftlichen Lebens zu kontrollieren. Urpsünglich galten Reagan und Thatcher als die Hauptvertreter [..] doch seit zwei Jahrzehnten ist der Neoliberalismus weltweit auf dem Vormarsch, und seine Prinzipien sind von Parteien der Mitte ebenso übernommen worden, wie von denen der traditionellen Linken und Rechten. Diese Parteien vertreten mit ihrer Politik die Interessen von kapitalkräftigen Investoren und knapp eintausend Großkonzernen dieser Welt.

    [..]

    Letzlich geht es den Neoliberalen nicht um die empirische Begründung ihrer Politik, sondern um einen durchaus religiös zu nennenden Glauben an die Unfehlbarkeit des unregulierten Marktes.

    [..]

    Er ist tatsächlich ein >>Kapitalismus ohne Maske<<, repräsentiert er doch eine Epoche, in der die Wirtschaftsmächte stärker und aggressiver sind und auf weniger organisierten Wiederstand treffen, als je zuvor.

    [..]

    Der Neoliberalismus dagegen funktioniert am besten in der formellen parlamentarischen Demokratie, in der die Bevölkerung zugleich systematisch davon abgehalten wird, sich an Entscheidungsprozessen sinnvoll beteiligen zu können."

  10. Ach, die schwäbischen Yuppie-Studenten, mit ihrer Süddeutschen Zeitung. Die glauben tatsächlich die Zeitung und sie selbst wären links.

    Bestes Beispiel was ich während meiner Uni-Zeit mal erleben durfte: in einem Seminar wurde über das demografische Problem Deutschlands diskutiert. Im Laufe des Seminars meinte eine Studentin, sie würde keinen Hartz4-Typen als Partner haben wollen. Völlig egal, ob er Herz, Verstand oder Lebenserfahrung gehabt hätte. Hartz4´ler kamen ihr nicht in die Tüte.

    Solch ein Habitus ist wirklich links, oder? 😉

  11. @ m4rc

    Der Neoliberalismus dagegen funktioniert am besten in der formellen parlamentarischen Demokratie, in der die Bevölkerung zugleich systematisch davon abgehalten wird, sich an Entscheidungsprozessen sinnvoll beteiligen zu können.

    Dazu bin ich heute (über http://www.freitag.de/community/blogs/nbo/direkte-demokratie-als-hamburger-klassenkampf-von-oben ) auf diesen Artikel gestoßen: http://www.freitag.de/politik/0926-demokratie-partizipation-wahlrecht. These: dem konservativ-elitären Teil der Republik geht es um die plebiszitäre Absicherung der Elitenherrschaft. Würde ich nicht unbedingt bedingungslos zustimmen, aber interessanter Gedanke.

    @ epikur:
    Ja, ganz genau solche Leute mein ich!

  12. @guardian:
    im grunde könnte man das zitat nochmal beim Oeffinger posten, der ja auch zur Hamburg-Sache geblogt hat.

    @epikur/guardian:
    Sind das dann “situationsabhängige Möchtegern-Linke”?

  13. @ m4rc:
    Vielleicht eher politikfeldabhängig. In manchen Gebieten wie gesagt sind sie schon eher links bzw. liberaler (Familienpolitik, keine Ausländer-, Frauen- oder Homosexuellenfeindlichkeit z.B.), abersonst sind sie eindeutig nicht links. Deshalb auch oft die Süddeutsche Zeitung. Gesellschaftspolitisch durchaus gute Positionen, aber gnadenlos wirtschaftsliberal.

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