In Deutschland muss niemand hungern! Oder doch?

Ein Bündnis für das Existenzminimum

In Deutschland ist es tatsächlich so weit gekommen, dass ein Bündnis von Politikern (von SPD, Grünen und der Linken sowie auch Heiner Geißler), Gewerkschaften und verschiedenen Initiativen fordern muss, dass gegen Bezieher des Arbeitslosengeldes II bei Versäumnissen gegen Forderungen der Jobcenter keine Sanktionen verhängt werden dürfen, die ihr Existenzminimum bedrohen. Darunter versteht man die Mittel, die zur Befriedigung der materiellen Bedürfnisse notwendig sind, um physisch zu überleben; dies sind vor allem Nahrung, Kleidung, Wohnung und eine medizinische  Notfallversorgung (wikipedia).

Regeln und Strafen

So kann, wer etwa eine  “zumutbare” (also so gut wie jede) Arbeit oder einen Ein-Euro-Job ablehnt oder wer ein Bewerbungstraining schwänzt, mit einer Leistungskürzung um 30% für 3 Monate bestraft werden, bei Wiederholung bis zu 100%. Erwachsenen unter 25 Jahren wird häufig schon bei der ersten “Pflichtverletzung” der Regelsatz komplett gestrichen, beim zweiten mal die Unterkunftskosten (2008 gab es das 97000 mal). Diese Maßnahmen wurden 2007 im Zuge der sogenannten Hartz IV-Gesetze eingeführt. Die legale Rechtmäßigkeit der Sanktionen darf unterdessen angezweifelt werden: 41% der Widersprüche und 65% der Klagen vor Gericht waren ganz oder zumindest teilweise erfolgreich. Und: die Bundesagentur für Arbeit weiß selbst auch noch nicht einmal, wieviel Geld der Staat durch Sanktionen gegen Arbeitslose einsparen kann.

Wer nicht arbeitet, soll auch nicht essen!

Workfare in Reinkultur: wer nicht “arbeitswillig” erscheit, dem soll das Leben so schwer und so unangenehm wie möglich gemacht werden. Oder auch: “Wer nicht arbeitet, soll auch nicht essen”. Erwerbsloseninitiativen stellen fest, dass sich die Ernährungs- und Gesundheitslage der Betroffenen durch die Sanktionen noch einmal verschlechtert. So müssen von diesen betroffene Hartz-IV-Bezieher zwischen hungern oder Miete nicht bezahlen abwägen.

50 Prozent haben nichts

Währenddessen geht die Umverteilung von unten nach oben in Deutschland immer weiter. Die Lohnquote sank von 2000 vis 2007 von 72,2% auf 64,6%. (Statistisches Bundeamt, VGR). Deutschland hat den zweithöchsten Zuwachs an Einkommensarmut aller OECD-Länder (OECD 2008). Bei der Vermögensverteilung sieht es sogar noch drastischer aus:

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(BpB nach dem DIW-Wochenbericht Nr. 4/2009)

Während die ärmsten 50% der Menschen in Deutschland im Durchschnitt 0 (in Worten: null) Prozent des Nettovermögens besitzen, konnten die reichsten 10% diesen Anteil von 2002 bis 2007 von 57,9 auf jetzt 61,1% erhöhen. (90 Prozent aller Deutschen profitierten nicht von dem Wirtschaftsaufschwung in dieser Zeit oder verloren gar Vermögen, der gesamte Vermögenszuwachs von über 1 Billionen Euro kam außschließlich den reichsten 10% zu Gute.)

Georg Schramm hatte das in Neues aus der Anstalt auch noch einmal schön erläutert:

http://www.youtube.com/watch?v=tFUio-DRWpc

http://www.youtube.com/watch?v=sOgQbx9Ry9s

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  1. Im Gespräch: Polit-Blogger Albrecht Müller. Eine perfekte Meinungsmaschine http://bit.ly/Gd2X8

  2. Zwei Drittel des gesamten Einkommenszuwachses erhielt in den Bush-Jahren zwischen 2002 und 2007 das reichste Ein-Prozent der Bevölkerung.

  3. George W. Bush hat es geschafft: USA: Einkommensungleichheit größer denn je http://www.heise.de/tp/r4/a…

  4. @horatiorama: Naja, besser als Chelsea…

  5. @frakturfreak: Ja, Thüringer ist immer mit Darm

  6. @frakturfreak: Thüringer ist wirklich am besten! Wurst ohne Darm kommt mir aber sehr komisch vor (kenn ich auch nicht)

  7. Hartz-IV-Bezieher müssenzwischen hungern oder Miete nicht bezahlen abwägen. http://bit.ly/4hmykS

  8. Das gesamte Wahlprogramm der CDU in einem Song! http://bit.ly/16JnlI

  9. Bachelor/ Master: kleine Korrekturen helfen nicht http://ur1.ca/9eli

  10. Dümmster Text über das Internet: http://bit.ly/vbD9l (via @martinhaase)

  11. Ah, genau: @Sixtus vs. @Lobo: Counter-Strike http://bit.ly/QN2zC

  12. Musste mal gesagt werden! Sagt ja keiner sonst

  13. Wir müssen was für DEN kleinen frühaufstehenden Handwerker, für DIE hart arbeitende frühaufstehende Krankenschwester tun!

  14. Oh, Tweet Nummer 500

  15. RT @timpritlove: Neuer Podcast: CRE135 Mut zur Freiheit http://chaosradio.ccc.de/cr… (mit Juli Zeh und Ilija Trojanow)

  16. Merkel braucht keine Strategiepapiere, “Wachstum schafft Arbeit. Das ist die Philosophie.” reicht ihr. http://bit.ly/BGte1

  17. Einzige Erkenntnis aus Anne Will: Wulff übertreibt es mit Fußballvergleichen, Steinbrück wirft mit Zitaten um sich.

  18. @afrikablog: Die Entwicklungspolitik der Spitzenkandidaten (außer Merkel) http://bit.ly/aUESF

  19. Die Entwicklungspolitik der Spitzenkandidaten (außer Merkel) http://bit.ly/aUESF

  20. Piratenpartei kämpft für Bärtewandel (BILDblog) http://bit.ly/zYHtB

  21. RT @spreeblick: Der Sonntagstipp für Unentschlossene: Vielleichtathletik.

  22. Afrika? Merkel hat andere Prioritäten http://bit.ly/HAeSh

  23. @Doener: Bei den Episoden kannst du auch “watch in english” einstellen…

  24. Merkel hat Prioritäten?

  25. Spitzenkandidaten beantworten Fragen zu Afrika und Entwicklungspolitik, aber Merkel hat “andere Prioritäten” http://bit.ly/xLR6R

  26. @martinhaase: Hm, falscher Link (Welt)?

  27. BA weiß selbst nicht einmal, wieviel Geld der Staat durch Sanktionen gegen Arbeitslose einspart http://bit.ly/GI9rT workfare halt…

  28. @Doener: http://daserste.ndr.de/pano…

  29. Guttenbergs geheime Agenda: neoliberale Märchenstunde http://ur1.ca/9917

  30. 1. Trierer #BlogBier -Treffen (ein kurzes Resümee) http://bit.ly/I6Rwt

  31. @frakturfreak: Was sind denn Grumpeln?

  32. Männer sind, und Frauen auch, überleg dir das mal!

  33. Deutsche Post wil bis Ende 2011 bundesweit alle noch selbst betriebenen 475 Filialen aufgeben. http://bit.ly/1PWQlv

  34. Kaufland #Trier Irgendson Abziehbild von nem BWLer-Schnösel will mir nen Volksfreund andrehen. Der yellowstrom-Typ versucht’s erst gar nicht

  35. RT: @fidepus: Die Twitter-Frühstück-Umfrage. http://twtpoll.com/d5xv6t

  36. Guttenbergs neoliberaler Geheimplan http://bit.ly/c5hSJ http://bit.ly/S3tXr

  37. @Doener: Nur: bei ntv hätte man es nicht anders erwartet …

  38. RT @tauss: Abendblatt verliert völlig die Fassung http://u.nu/6vfv #zensursula

  39. RT @bevision: RT @futurezone_ Bayrischer Innenminister und BpB-Präsident fordern Ausweitung von Netzsperren http://awe.sm/16g6 #zensursula

  40. Beim #Stern geht der schwarz-gelbe Wahlkampf in die nächste Runde: “Das Obamameter: Merkel gegen Steinmeier 5:1” http://bit.ly/iNBgf

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Bachelor/ Master: kleine Korrekturen helfen nicht

Die NachDenkSeiten beschäftigen sich mit den Hintergründen und Problemen des Bologna-Prozesses. Ein paar Thesen, die dort aufgestellt werden:

  • Die Lissabon-Strategie überlagert in Deutschland den Bologna-Prozess. Folge: das Studium stellt nur noch eine private Investition in das persönliche Humankapital dar statt ein öffentliches Gut, soziale Dimensionen des Studiums werden durch Wettbewerbsprinzip verdrängt, “Wettbewerb um die besten Köpfe” statt optimale und breite Ausschöpfung des Bildungspotentials steht im Vordergrund
  • Parallelen zu den Hartz-Reformen: Druck und Kontrolle statt positiver Anreize
  • Die Neukonzeption der Studiengänge wurde von oben aufoktroyiert und erfolgte ohne breitere Diskussion
  • Verschulung der Universitäten, Einpauken von Prüfungswissen statt Wissenschaft und Kreativität
  • Folgen sind: überlastete Studierende, erhöhte Abbrecherquoten, sinkende Studienqualität, weniger Auslandsaufenthalte
  • Mit kleinen “Korrekturen” ist eine Verbesserung nicht möglich und nicht zu erwarten.
  • Notwendig wären z.B.: mehr Förderung von breiterem Wissen und eigenständigerem Studium, Studieren als Kompetenzerwerb zur selbständigen Lösung neuer Problem mit wissenschaftlichen Methoden verstehen, zusammenhängende Lernergebnisse,  stärkere Rolle der Hochschulen
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Guttenbergs geheime Agenda: neoliberale Märchenstunde

Oh nein, da ist doch tatsächlich Guttenbergs Geheimplan aufgetaucht. Besonders lustig dabei ist, dass sein Sprecher den Entwurf nach Bekanntwerden scheinbar verzweifelt als veraltet und obsolet bezeichnet hat, obwohl er vom 3. Juli 2009 stammt, von seinen Staatssekretären geschrieben wurde und viel zu umfassend und detailliert, als das man ihm das abkaufen könnte. Bei dem Papier handelt es sich mal wieder um die Neocon-Agendaliste der Industrieverbände und ihres PR-Vollstreckers “INSM” (Fefe). Ein neoliberaler Gegenentwurf zum Deutschlandplan Steinmeiers. Der Markt wird alles richten, der Staat soll nur die Wettbewerbsfähigkeit der Industrie stärken.

Staatliche Beschäftigungsprogramme soll es natürlich nich geben, dafür eine “Korrigierung” (sprich Abschaffung) der Mindestlohngesetze. Unternehmes- und Einkommenssteuersenkungen will man durch Abschaffung der ermäßigten Mehrwertsteuersätze (die u.a. für Lebensmittel gelten) erreichen, was fast ausschließlich auf Kosten der Niedrigverdiener, die eben fast ihr gesamtes Geld für den Konsum ausgeben müssen, gehen würde: die ärmsten 50% der Bevölkerung haben im Schnitt gar kein individuelles Nettovermögen (Aufrechnen der Vermögen und Schulden, vgl.  Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung, Wochenbericht Nr. 4/ 2009, S. 59). Die Befristungen der Beschäftigung sollen “erleichtert” werden. Noch mehr erleichtert? 2002 waren noch 12,2% aller Arbeitnehmer befristet beschäftigt, 2007 waren es 14,6%.

Klimaauflagen für Betriebe will man streichen, die Steuern für die Öl und Gas senken und Firmen, die beim Emissionszertifikate-Handel mitmachen sogar ganz von Energiesteuern befreien. Erinnert sich noch jemand, wie Angela Merkel am Anfang ihrer Regierungszeit als Klimakanzlerin galt? Im Zuge der Finanzkrise wurde dann aber klar, wo die Priorität des Klimaschutzes bei der Union liegt – ganz weit unten.

Die von Wolfgang Clement, der jetzt für eine Zeitarbeitsfirma arbeitet, stark liberalisierte Zeitarbeit (in der Folge stieg der Anteil der Zeitarbeitnehmer an den sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten von 1,22% im Jahr 2002 auf 2,7% im Jahr 2007) wird als “Brücke in die reguläre Beschäftigung” angepriesen. Dies ist jedoch wissenschaftlich nicht haltbar. Nur 21% der Zeitarbeitnehmer werden in reguläre Beschäftigung übernommen (12-15% direkt im Entleihbetrieb). 26% bleiben in der Zeitarbeit, 34% werden arbeitslos, 19% werden Nichterwerbspersonen (IAB-Betriebspanel). Fast 80% aller Zeitarbeitnehmer sind in diese prekäre Beschäftigungsform von vorher regulärer Beschäftigung oder nur kurzer Arbeitslosigkeit gewechselt. Selbst der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, dem außer Peter Bofinger nur Anhänger der neoklassischen Ökonomie angehören, stellt in seinem Jahresgutachten 2008/ 2009 fest, dass in Deutschland “vormals arbeitslose Leiharbeitnehmer zwar eine höhere Wahrscheinlichkeit haben, binnen vier Jahren wieder bei einem Verleihunternehmen zu arbeiten, sich aber nicht von Arbeitslosen in der Wahrscheinlichkeit unterscheiden, einer regulären Beschäftigung nachzugehen oder wieder arbeitslos zu sein”.  Kommen wir zum wahren Kern der Sache: Zeitarbeitnehmern werden (je nach Beruf) nur 49 bis 73% des Lohns der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten in dem selben Beruf bezahlt (Sozio-oekonomisches Panel 2006). Die Brückenfunktion in reguläre Beschäftigung ist nichts als ein Märchen der neoliberalen Wirtschaftslobby, um billige und kaum abgesicherte Arbeitskräfte zu erhalten.

Steuern senken, prekäre Beschäftigungsformen ausweiten, Klimaschutzmaßnahmen abbauen – die neoliberale Politik der letzten 25 Jahre also, die hier vertreten wird. Gut, dies war kaum anders zu erwarten.

Gut­ten­berg will — noch viel mehr als es aktu­ell schon der Fall ist — das Geld von unten nach oben ver­tei­len (…) Karl-Theodor zu Gut­ten­berg wird nach der Wahl wei­ter für sei­nes­glei­chen sor­gen, auf Kos­ten der Men­schen, der All­ge­mein­heit. (F!XMBRE).

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Die Internetversteher von CDU und FDP

Der Artikel “Online-Wahlkampf: Die Parteien werfen ihre Netze aus” auf FAZ.net zeugt zwar nicht von wirklich großer Sachkenntnis (und egal was man z.B. von der Piratenpartei hält, in so einem Artikel sollte diese wohl – allein aus journalistischem Interesse – wenigstens mal erwähnt werden).

Interessant fand ich dann aber doch folgende Anekdoten zum Online-Wahlkampf von CDU und FDP (muhaha, die  scheinen das Internet verstanden zu haben!):

Die Mitglieder des „teAM Deutschland” der CDU können im Wahlkampf Punkte sammeln. Daraus berechnet sich ein “Aktionsindex”, und die “Fleißigsten” dürfen dann zum Wahlabend nach Berlin. So gibt es für einen in einer Zeitung veröffentlichten Leserbrief 200 Pukte, und für einen (!) Tweet (Twitter-Beitrag, FAZ) 50 Punkte. 4 mal einen höchtsens 140-Zeichen-Beitrag zu schreiben zeigt also soviel “Fleiß” wie einen Leserbrief zu verfassen, der ja (in den meisten Zeitungen :P) meistens dann doch schon ein wenig fundiert sein sollte, um veröffentlicht zu werden.  Wenn ich da bei denen mitmachen würde, würde ich ja ständig nur “#CDU+”-Beiträge twittern, bis es weh tut. Allein um zu so nem exklusiven Wahlabend zu kommen (Reise wird doch aber bezahlt, oder?).

Und laut Ronald Pofalla will sich die CDU auch eher auf die im Netz aktiven älteren Wähler konzentrieren. Schuster, bleib bei deinen Leisten, oder wie hieß das?

Die CSU hat übrigens als einzige keine offene Untestützerplattform. “CSUnity” ist nur für Parteimitglieder …

Die Unterstützer der FDP Schuhe_18_Prozent_fcmwährenddessen können in der „mit mach arena“ Punkte sammeln, um sie später im „my FDP Shop“ einzulösen.

Was soll es denn da geben?? Wahlkampf-Kulis und -Feuerzeuge? FDP-Poloshirts mit hochgestellten Hemdkragen?  Projekt 18-Schuhe? “Ich bremse auch für Hartz IVler”-Autoaufkleber?

Die wirtschaftsliberalen Parteien müssen also ihre Leistungsideologie und ihren Materialismus nun auch für die eigenen Leute im Wahlkampf einsetzen, damit diese sie unterstützen, oder wie? Wie war das noch mit ehrenamtlichem Engagement zum Wohle der Allgemeinheit? Naja gut,  stimmt, wir reden von Union und FDP.

Bildquelle:

Wikipedia (User: Frank C. Müller) / http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/deed.de

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Elite Schmelite

[…] habe ich heute mal “Gestatten: Elite” gelesen. Die wichtigste Erkenntnis für mich ist, dass an den vermeintlichen Elite-Bildungsstätten fast ausschliesslich intellektuelle Zwerge gezüchtet zu werden scheinen. Der weitaus überwiegende Teil diese Zwerge marschiert dann für viel Geld im Gleichschritt eines Systems, das er allefalls ansatzweise begreifen dürfte, scheint sich aber trotz mangelnder Erkenntnis für was Besseres zu halten und leitet ausgerechnet daraus auch noch den Anspruch ab, über das Leben aller Menschen bestimmen zu dürfen. Sozusagen reiche, realitätsferne, beschränkte Spiesser. […]

Holger Klein im You FM Nightline Blog

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Bachelor und Master – bildungspolitischer Ausdruck des neuen gesellschaftlichen Leitbildes

Bachelor/ Master – Wo sind die Gewinner?

„Mitten im Treffen hat uns die Ministerin schon vorgelesen, was sie später verkünden wird.” So eine studentische Teilnehmerin an dem „Runden Tisch“ mit Bundesbildungsministerin Annette Schavan, dass diese mit u. a. mit Vertretern der Studierenden führte (vgl. http://www.taz.de/1/politik/deutschland/artikel/1/studenten-enttaeuscht-von-schavan/).  So also möchte die Bundesregierung dem massiven Unmut, der sich in den verschiedenen Protestformen rund um den Bildungsstreik geäußert hat, begegnen. Die Kritik der Betroffenen an einer der weit reichendsten bildungspolitischen Entscheidungen der letzten Jahrzehnte scheint auf taube Ohren zu stoßen.

„Vielleicht hat es seit dem Ende der platonischen Akademie in Athen ein so einschneidendes Datum in der Geschichte der menschlichen Bildung nicht mehr gegeben“ schreibt die Süddeutsche Zeitung (http://www.sueddeutsche.de/jobkarriere/219/336068/text/print.html).

Dabei erscheint die Situation rund um die Bachelor-/ Master- Studiengänge in der Tat skurril. Studierende und Lehrende beschweren sich gleichermaßen über eine Verschulung der Universität, gestiegenen Leistungsdruck und ein bloßes Hinterherjagen hinter den „credit points“ . Und selbst die Wirtschaft scheint die neuen Bachelor-Absolventen in den allermeisten Berufen nicht gerade mit Kusshand entgegen zu nehmen. Es ist offensichtlich eine Lage in der deutschen Bildungspolitik entstanden, die kaum jemanden zufrieden stellt und die überwiegend Verlierer kennt.

Und auch bei anderen bildungspolitischen Maßnahmen sind sich die Experten selten einig: das dreigliedrige Schulsystem selektiert sozial, Studiengebühren schrecken vom Studium ab und verhindern den Zugang sozial schwacher Schichten an die Hochschulen.

Welche Interessen, welche Ideen und Ideologien, welches Leitbild steckt also hinter der aktuellen Bildungspolitik, das stärker ist als die Interessen der Betroffenen und die Meinungen der Wissenschaft?

Kürzeres Studium, billigere Arbeitskräfte

Das unmittelbare Interesse am Anfang der Entstehung des Bologna-Prozesses zunächst scheint gegen alle Bekundungen nicht eine stärkere Vergleichbarkeit der europäischen Studiengänge und leichtere Wechsel zwischen diesen (etwa durch Auslandsaufenthalte) gewesen zu sein. In diesem Bereich ist in der Tat im Vergleich zu den vorigen Studiengängen erstaunlich wenig geschehen. Meist ist es sogar schwerer als vorher, für sein Studium ins Ausland zu wechseln, u. a. durch die massive Mehrbelastung in kürzerer Zeit, die einen Auslandsaufenthalt unattraktiver erscheinen lässt, und immer noch nicht verschwundene bürokratische Hürden. Auch eine stärkere Vergleichbarkeit der Studiengänge oder eine erleichterte Anerkennungen von Studienleistungen ist selten erfolgt.

Vielmehr, so eine oft geäußerte Meinung, scheint das wirkliche Interesse hinter dem Bologna-Prozess die „Produktion“ von „Schmalspur-Studium“-Absolventen mit einem kürzeren Studium und daraus folgenden niedrigeren Lohnansprüchen zu sein. Besonders drastisch offenbare sich dieses Interesse in der vieler Orten anzutreffenden Regelung, dass nicht alle Bachelor-Absolventen den Master machen dürfen. Die kürzere Studiendauer dient also, wenn sie jemandem dient, den Interessen der Privatwirtschaft.

In deren Folge wir der zu vermittelnde Stoff komprimiert und „überarbeitet“, dadurch und durch Einschränkung der bisher realtiv freien Kombinationsmöglichkeiten mit dem neuen Studiensystem soll in erster Linie leicht und schnell wirtschaftlich verwertbares Wissen, frei von kritischem oder moralischem Balast, in den Vordergrund der Universitätsbildung gerückt werden. So schrieb etwa die Süddeutsche Zeitung:

„Diese drei Strukturprozesse – Verschulung des Studiums, Separierung von Forschung und Lehre, Außensteuerung statt Innensteuerung – haben alle Mächte des durchrationalisierten, auf anwendbares Wissen basierten Wirtschaftssystems auf ihrer Seite.“

Unkritische Stoffvermittlung, Disziplinierung, Entdemokratisierung

Die mit Bachelor/ Master einsetzende starke Verschulung des Studiums könnte als Motivation eine Verhinderung einer eventuellen Hinterfragung des und kritischen Auseinandersetzung mit dem Lehrstoff haben. Die Studenten sollen durch Anwesenheitspflichten, häufigere und strengere Leistungskontrollen diszipliniert werden.  (Schon das Schulsystem möchte ja die Prinzipien, Autoritäten, in diesem Fall die Lehrer, nicht in Frage zu stellen, sondern sich diesen gegenüber gehorsam und diszipliniert unterzuordnen, vermitteln.)

Denn das System von Modulen, Leistungspunkten, Studienzeiten, Prüfungen und praktischen Studienfächern, die Hierarchisierung und Bürokratisierung der Abläufe, das Zielgerichtete und Arbeitsmarktorientierte der neuen Studienmuster – all das bricht hier so radikal wie nirgendwo sonst mit den bisherigen Formen des Studiums … Studienzeiten und Studienkonten, Studienpunkte und Creditpoints, berufspraktische Übungen, Kontrollen und Vergleichbarkeitskriterien sorgen planmäßig dafür, dass Ungezwungenheit und Absichtslosigkeit aus dem Studium verbannt werden.“, so die Süddeutsche Zeitung.

Durch den gestiegenen Leistungsdruck entfällt die Zeit für außeruniversitäre Aktivitäten zu einem beträchtlichen Teil. Neben dem Studium zu arbeiten, um dieses zu finanzieren, wird schwerer möglich, die soziale Selektion des Bildungssystems wird verstärkt. Auch der Zeitraum für etwa politische oder soziale Aktivitäten oder die Tätigkeit in der studentischen Selbstverwaltung und den Gremien der Universität, wird knapper.

Zusammen mit der Bildungspolitik der konservativ/ liberal regierten Bundesländer Bayern und Baden-Württemberg, in der es keine Verfasste Studierendenschaft gibt, und Hessens, in der die Gelder für die Verfasste Studierendenschaft nur bei dem Erreichen einer Wahlbeteiligung von 25% gezahlt werden, könnte dies also (wiewohl möglicherweise auch als unbeabsichtigtes Nebenprodukt) eine weitere Maßnahme gegen eine grundlegende Demokratisierung des Hochschulbereichs darstellen, hinter der die Idee einer kompletten Demokratisierung der Gesellschaft  steht (und im Endeffekt auch der Wirtschaft,  was Konservative und Wirtschaftsliberale fürchten).

Bachelor/ Master, Studiengebühren, dreigliedriges Schulsystem – bildungspolitische Manifestation sozialer Ungleichheit

Die Umstellung auf die Bachelor/ Masterstudiengänge ist aber nur im Zusammenhang mit anderen bildungspolitischen Maßnahmen der letzten Jahre sinnvoll zu betrachten. Das dreigliedriges Schulsystem, die Einführung von Studiengebühren und die Schaffung von Eliteuniversitäten stellen eine institutionalisierte Manifestation von sozialer Ungleichheit dar.

Heute ist es eine kaum bestrittene Erkenntnis der Bildungsforschung, dass das dreigliedrige Schulsystem Entscheidungen über die Zukunft der Schüler oft nicht aufgrund ihrer Leistungen, sondern aufgrund ihrer sozio-ökonomischen Herkunft trifft, dass es die soziale Schwächeren auch in der Bildung schwächt.

Eine neue Untersuchung zu Studiengebühren kommt zu dem Ergebnis, dass sich zwei Drittel der Abiturienten vor den Kosten eines Studiums fürchten. Geldsorgen führten oft zu der Erwägung eines Studienverzichts beziehungsweise eines -abbruchs (vgl: http://www.heise.de/newsticker/Zwei-Drittel-der-Abiturienten-fuerchten-sich-vor-den-Kosten-eines-Studiums–/meldung/141298).

Als Erklärung, dass diese Bildungspolitik dennoch betrieben wird, kann man die These aufstellen, dass die Struktur der sozialen Unterschiede dadurch bewahrt bleiben und so das Herrschafts- und gesellschaftliche und soziale Hierarchiesystem des Kapitalismus perpetuiert werden soll.

Interpretation: Umfunktionierung der Bildung zur Reproduktion des neoliberales Leitbildes

All diese Maßnahmen erscheinen sich zu manifestieren als Ausdruck des im Laufe der letzten 25 Jahre immer stärker werdenden Leitbildes der „Leistungsgesellschaft“, in der eine breite Entsolidarisierung gefördert und gefordert wird. Im Bereich der Reproduktion dieses Leitbildes kommt der Bildung eine bedeutende Rolle zu. In der Schule, in der Ausbildung, in der Universität wird systematisch gelehrt, dass der Mensch für seine Arbeit lebt, dass es darauf ankommt, sich selbst so gut wie möglich zu vermarkten und zu verkaufen , um für sich selbst möglichst viel Geld zu verdienen.

In der Hochschulausbildung will man eine wissenschaftliche Elite schaffen, die leistungsbereit, aber zugleich unkritisch und entpolitisiert ist. Das Leitbild des neutralen Wissenschaftlers, der frei von jeglichem moralischem Urteil handelt und die Ergebnisse seiner Forschung per Marktmechanismen dem Höchstbietenden verkauft, stellt dabei das Idealbild dar.

Ausbreitung des Neoliberalismus verlangt Gegenbewegung – herrschaftsfreier Diskurs bei sozialer Gleichheit

Die neoliberale Gedankenlehre hat es geschafft, nach Wirtschaft, Medien und Politik sich auch auf den Bereich der Bildung auszuweiten. Dabei entsteht im Zuge dieser immer stärker werdenden Aneignung der Gedanken, der als „alternativlos“ dargestellten Logik immer währender Konkurrenz, laut der jeder Mensch ausschließlich nach seiner persönlichen Nutzenmaximierung trachtet und in der der Einzelne nur das wert ist, was er wirtschaftlich zu leisten vermag, gerade um so mehr der Bedarf nach einer Gegenbewegung, die sich eines umfassendenden und demokratischen Bildungsbegriffes bedienen muss.

Eine solche Bildung, die der Befreiung der Menschen dienen soll, darf keine sozialen Barrieren aufweisen, sie muss kritisches Denken fördern und auf einem herrschaftsfreien Diskurs beruhen. Zudem ist es unerlässlich, dass sie auch ethische und moralische Werte vertritt und übermittelt.

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