Nordkorea: der "Soprano State"

Bill Clinton hat also mit seinem Nordkorea-Besuch die Freilassung der beiden inhaftierten US-Journalistinnen erreicht. Nordkoreas Diktator Kim Jong Il sprach eine “Sonderbegnadigung” aus.

Ob nun Nordkorea durch deren Inhaftierung KimJongIlvon den USA Zugeständnisse im Streit über sein Atomprogramm erpressen wollte, oder ob nun vielmehr die Möglichkeit einer drastischen Wende und eine Rückkehr zu Verhandlungen erreicht wurde, wird sich noch zeigen. Es lohnt sich aber, einen Blick auf die Hintergründe des Besuchs Clintons zu werfen.

Der Zombie-Staat – Unterdrückung und der liebe Führer

Sicher ist der Besuch des ehemaligen US-Präsidenten und Ehemanns der Außenministerin ein Propagandaerfolg für das totalitäre nordkoreanische Regime, den die Staatsmedien ausnutzen werden, um dem Volk eine vermeintliche Macht und internationale Anerkennung des Regimes vorzugaukeln. Denn so skurril es scheint, Nordkorea wünscht sich kaum etwas so sehr wie die Anerkennung (als Atommacht) durch den Erzfeind USA. Schon den Besuchen des früheren Präsidenten Carter 1994 und der damaligen Außenministerin Albright 2000, bei dem Kim Jong-Il, falls er bereit zur Aufgabe seines Atomwaffenprogramms sei, ein Besuch des US-Präsidenten Clinton in Aussicht gestellt wurde, war eine große Bedeutung zugemessen worden.

Ich würde den Besuch Clintons nun nicht als sehr großen Preis bezeichnen, den die USA „zu zahlen haben“. Die Staatsideologie scheint derart in den Köpfen der meisten Nordkoreaner zementiert, dass jeglicher Aufstand gegen das Regime o. ä. sowieso als mehr als unwahrscheinlich einzuschätzen ist. Selbst in Zeiten größter Hungersnöte in den 90ern konnte keinerlei Rebellion oder auch nur Missmut gegen den „lieben Führer“ beobachtet werden. Und falls doch mal jemand auch nur aus Versehen auf eine Zeitung mit einem Bild von Kim Il-Sung oder Kim Jong-Il tritt, hat Nordkorea Arbeitslager zu bieten, im Vergleich zu denen ein Aufenthalt in Guantanamo wie ein Urlaub im Emirates Palace Hotel erscheint.

73481007_4f580f4c00In letzter Zeit andererseits scheint mehreren Berichten zufolge immer mehr Korruption das Land, stärker als bisher schon, zu prägen und die Herrschaft zu destabilisieren. V.a. wirtschaftlich aber pfeift der „Zombiestaat“ Nordkorea (Hanns W. Maull) schon seit langem auf dem letzten Loch. Was nicht zuletzt daran liegt, dass ein so großer Teil des Bruttoinlandsprodukts wie in keinem anderen Land der Welt in das Militär investiert wird.

Mit zwei Nukleartests und ungezählten Raketenstarts hat das Regime gezeigt, dass es seinen letzten Kampf um Aufmerksamkeit und Selbstbehauptung führt. Umgeben von prosperierenden Staaten, verharrt der archaische Herrscher in seiner Angststarre, und mit jedem Tag wächst die Gefahr des Kollapses von innen, gefolgt von einem Behauptungskampf rivalisierender Fraktionen. (Süddeutsche)

386px-Kim_Jong_il_2009_2Auch die Stellung Kim Jong-Ils in der Frage um seine Nachfolge gegenüber dem Militär könnte durch den Besuch gestärkt werden. Hier (wie bei allem, was Angelegenheiten innerhalb Nordkoreas angeht) kann man jedoch nur spekulieren. Nordkorea ist das am meisten von allem Äußeren abgeschottete Land der Welt, Einsichten in das Innere des Regimes sind rar wie nirgendwo anders.

Der Soprano-Staat – Geschäfte mit allem, was Geld bringt

kim_wein

Irgendwie muss dich die nordkoreanische Führungsschicht ihren Lebensstandard sichern. Kim Jong-Il etwa gilt als Liebhaber teuerster französischer Bordeaux-Weine und Cognacs. Zudem soll er der größte Privatkunde eines amerikanischen Videoverleihs sein.

Das Maß, in dem das totalitäre Regime Kim Jong-Ils auf Einnahmen aus illegalen Aktivitäten angewiesen ist – man spricht teilweise von bis zu 40 % der Exporteinnahmen – hat ihm schon den Namen „Soprano State“, nach der amerikanischen TV-Serie „The Sopranos“, eingetragen – in der es um eine Mafiafamilie geht. Zu den Geschäftsfeldern gehören Falschgeld, Drogen und Schmuggelware. Zudem wurden in den 70er und 80er Jahre japanische Bürger entführt. Und Nordkorea ist der weltweit größte Exporteur von Raketensystemen. Die Entstehung der Raketenprogramme Pakistans und Irans etwa war in hohem Maße von Nordkoreas Technologie und Expertise abhängig, auch bei Syrien, Libyen, Ägypten und vielleicht anderen Staaten hat Nordkorea diese zweifelhafte Art von Entwicklungshilfe geleistet. In den letzten Jahren kam die Atomtechnologie dazu. Zusammenarbeit mit Pakistan und Syrien gelten als sehr wahrscheinlich, v.a. auf dem Gebiet von Wissen, Erfahrungen und Technologien. Die mögliche Hilfe beim Aufbau eines Atomprogramms Burmas mag da nicht weiter verwundern. Und auch die Inhaftierungen der Journalistinnen wegen nicht näher ausgeführter „illegaler Aktivitäten“ passen hinein.

Korean_peninsula_at_nightFür Nordkoreas Regime bedeuten die extrem hohen Deviseneinnahmequellen durch diese Aktivitäten die vielleicht einzige ultimative Überlebensgarantie. Nordkorea verbleibt damit wohl einmalig in Geschichte und Gegenwart der Staatenwelt. Ein Staat, der sich gerade so am Leben hält, und dies mit Mitteln, die fast überall anders geächtet sind.

 

Share

Linken-Bashing – wie es geht

Ein sehr schöner Artikel über die übliche unreflektierte Stammtisch-Propaganda, die gegen Die Linke benutzt wird, gibt es in Form einer Anleitung:  “Wie man DIE LINKE erfolgreich bekämpft – ein Leitfaden für Aufsteiger” (Readers Edition)

Und Telepolis berichtet unter Erzengel und Belzebub. Lafontaine und die groteske Kampagne der Medien” darüber, wie eben diese Medienkampagne, auf die jetzt auch die Frankfurter Rundschau (nach dem ZDF) mit aufgeprungen ist, funktioniert.

Share

Zensursulas Kampf gegen das Internet: die nächste Runde wird eingeleutet

Das Internetzensurgesetz ist noch nicht einmal in Kraft getreten, da nehmen die Befürchtungen, die Infrastruktur, die mit diesem Gesetz geschaffen wird, könnte für andere Bereiche außer Kinderpornographie (für die sie ja offiziell ausschließlich errichtet wurde) angewendet werden, schon immer mehr reale Gestalt an.

Unter dem Titel „Kampf gegen Schmutz im Internet wird verschärft“ berichtet die Springer-Presse,  dass Zensursula nun gegen „weitere rechtswidrige Inhalte im Internet vorgehen“ will:

abendblatt.de: Sie argumentieren, Grundregeln unserer Gesellschaft müssten online wie offline gelten. Warum sperren Sie dann nicht auch Internetseiten, die Nazipropaganda verbreiten oder Gewalt gegen Frauen verherrlichen?

Von der Leyen: Mir geht es jetzt um den Kampf gegen die ungehinderte Verbreitung von Bildern vergewaltigter Kinder. Der Straftatbestand Kinderpornografie ist klar abgrenzbar. Doch wir werden weiter Diskussionen führen, wie wir Meinungsfreiheit, Demokratie und Menschenwürde im Internet im richtigen Maß erhalten. Sonst droht das großartige Internet ein rechtsfreier Chaosraum zu werden, in dem man hemmungslos mobben, beleidigen und betrügen kann. Wo die Würde eines anderen verletzt wird, endet die eigene Freiheit. Welche Schritte für den Schutz dieser Grenzen notwendig sind, ist Teil einer unverzichtbaren Debatte, um die die Gesellschaft nicht herumkommt.

Wie war das noch, was wurde stets beteuert, es soll nur und allein gegen Kinderpornographie im Internet vorgegangen werden? Wieviel von derartigen Beschwichtigungen zu halten ist, wird sich (spätestens nach der Bundestagswahl) zeigen: nichts!

Und von was für einer Debatte spricht sie? Von einer Debatte, in der falsche Fakten und erfundene Zahlen als Argumentationsgrundlage dienen, eine Debatte, in der auf die Argumente der Gegner weder eingegangen noch die größte Online-Petition in der Geschichte der Bundesrepublik irgendwie beachtet wird? Was nach so einer Debatte herauskommen wird, ist leicht absehbar: die Ausweitung der Zensurinfrastruktur auf eben die genannten Punkte, auf „mobben, beleidigen und betrügen“. Was immer man sich auch darunter vorstellen mag.

Nachtrag:

“Was mit dem Strafgesetzbuch nicht greifbar ist, aber trotzdem das Volksempfinden, repräsentiert durch Polizeikommissar Hinz und Staatsanwalt Kunz, stört, soll raus aus dem Internet. Oder jedenfalls nicht mehr sichtbar sein.”

(Udo Vetter im law blog: Meinungsfreiheit als Sondermüll)

zensursula-klein

P.S.: Ach ja, und ihren Spitznamen findet Zensursula jetzt nicht mehr „patent“, sondern „pfiffig“. Immerhin.

Share

Elite Schmelite

[…] habe ich heute mal “Gestatten: Elite” gelesen. Die wichtigste Erkenntnis für mich ist, dass an den vermeintlichen Elite-Bildungsstätten fast ausschliesslich intellektuelle Zwerge gezüchtet zu werden scheinen. Der weitaus überwiegende Teil diese Zwerge marschiert dann für viel Geld im Gleichschritt eines Systems, das er allefalls ansatzweise begreifen dürfte, scheint sich aber trotz mangelnder Erkenntnis für was Besseres zu halten und leitet ausgerechnet daraus auch noch den Anspruch ab, über das Leben aller Menschen bestimmen zu dürfen. Sozusagen reiche, realitätsferne, beschränkte Spiesser. […]

Holger Klein im You FM Nightline Blog

Share

Neues von Zensursula – patente Spitznamen, Millionen Unterstützer und Vertrauen in den Staat

Zunächst einmal: Frau von der Leyen hat nichts gegen ihren ja durchaus zweifelhaften Spitznamen „Zensursula“.

zensursula

Hat sie der Spitzname „Zensursula” getroffen?

von der Leyen (lacht) Nein. Das fand ich patent. Das gehört zur politischen Auseinandersetzung dazu. (Siehe)

oder gleich nochmal hier:

Welt am Sonntag: Und Ihren Spitznamen?

von der Leyen: Meinen Spitznamen finde ich patent. Viel Feind, viel Ehr’. Wir haben eine lebendige Debatte, da darf man nicht kleinlich sein.

Ja, richtig, sie findet ihn „patent“. Nicht „Patent“ (sich anbietende Wortwitze mit Bezugnahme auf die Urheberrechtsdebatte erspare ich mir), sondern „patent“. Als Adjektiv! Und sie fordert außerdem Benimmregeln für das Internet. Diese Frau scheint wirklich aus dem vorvorletzten Jahrhundert zu stammen… Und nebenbei: ich würde diesen Namen an ihrer Stelle ja nicht „patent“ finden, sondern ganz und gar furchtbar. Selbst wenn sie da anderer Meinung ist, muss ihr doch klar sein, dass sie (für nicht gerade wenige Menschen) für die Einführung einer Zensurinfrastruktur in Deutschland steht.

Ach ja, sie hat ja auch ein sehr, sagen wir, eigenwilliges Demokratieverständnis. So ist sie der Meinung, dass Millionen hinter ihr stehen. Der pantoffelpunk blog führt dagegen sehr schön aus, dass es vielleicht doch eher tausend sind.


Aber nicht nur Zensursula (so darf man sie dann inzwischen vollkommen guten Gewissens nennen) hat ihre Probleme mit demokratischen Instrumenten des Internets. Herr Schäuble meint doch tatsächlich auf dem zweiten Deutschland Online-Kongress, es sei „ein grobes Missverständnis und eine Fehlwahrnehmung, dem Staat im Internet Zensur- und Überwachungsabsichten zu unterstellen.“ Er bittet um Verständnis und Vertrauen! (Einen guten Kommentar dazu gibt es auf Netzpolitik ). Das meint er doch nicht im Ernst, oder? Glaubt er wirklich, dass politisches Taktieren und Schönfärben ausgerechtet dort angebracht ist? Oder glaubt er tatsächlich daran, dass der Staat uns schützen müsse? Vor uns selber? Vor der unmittelbaren terroristischen Bedrohung, die uns allen bevorsteht? Vielleicht auch noch vor der Schweinegrippe…? Vielleicht glaubt er das, dass er uns schützen muss – aber dies durch Überwachung. Denn:

„Oh – großer Lauschangriff, Vorratsdatenspeicherung, Zugangserschwerungsgesetz, Bundestrojaner, Flugpassagierdatenweitergabe an die USA, Überwachung von Konten und Überweisungen, verfassungswidrige Rasterfahndungen und und und, das haben wir uns nur ausgedacht?“

.

Die FDP währenddessen möchte gegen das Internetzensurgesetz nur dann vor das Bundesverfassungsgericht ziehen, wenn es nach der Bundestagswahl keine schwarz-gelbe Regierungskoalition geben wird (vgl.). Was mal wieder zeigt, wieviel für diese Partei wirklich die Freiheit bedeutet, wenn es um Machtinteressen geht. Aber das auch noch so eiskalt zuzugeben, da gehört schon eine ordentliche Portion Dreistigkeit dazu.


Und selbst von den Grünen sind sehr irritierende Töne zu hören. Nur ein paar Auszüge:

Die ignorante Argumentation gegen Internetsperren kommt von Menschen, die es sich in virtuellen Räumen bequem gemacht haben und übersieht die Opfer in der realen Welt.“

„Wer Ego-Shooter für Unterhaltung, Facebook für reales Leben, wer Twitter für reale Politik hält, scheint davon auszugehen, dass Gewalt keine Opfer in der Realwelt fordert. Anders kann die ignorante Argumentation gegen die Internetsperren gar nicht erklärt werden.“

„Da haben sich einige wohl das Hirn herausgetwittert.“

Eine Begründung, warum er diese Tirade veröffentlicht, liefert Matthias Güldner, seines Zeichens Fraktionsvorsitzender der Grünen in der Bremischen Bürgerschaft, wenigstens gleich selbst mit:

„Unser Umfeld kommt zu einem nicht unerheblichen Teil aus den erziehenden Berufen, ist selbst Mutter oder Vater. Die Internetsperren haben Umfragen zu Folge bei ihnen eine hohe Popularität.“

Aber ich frage mich wirklich, was in einem (grünen!) Politiker vorgehen muss, dass er eine derart hasserfüllte Polemik schreibt, dass der härteste Neokonservative eifersüchtig werden könnte.

Wenigstens hat die Bundespartei diese Stellungnahme recht schnell als „nicht erträglich“ und „abweichende Einzelmeinung“ bezeichnet – bei twitter.

Dennoch ist es erschreckend zu sehen, was für Meinungen offensichtlich in fast allen im Bundestag vertretenen Parteien anzutreffen sind.

Share

Urteil zum BND-Ausschuss – Ein Sieg für die Verfassung

Das Bundesverfassungsgericht hat heute festgestellt, dass die Bundesregierung mit ihren Beschränkungen der Aufklärungsarbeit im BND-Untersuchungsausschuss gegen das Grundgesetz verstoßen hat.

Einen schönen Kommentar dazu gibt es beim Stern. Ein kurzer Auszug:

Verfassungsgericht zum BND-Ausschuss: Ohrfeige für die Große Koalition

(…) Einmal mehr muss man dem Bundesverfassungsgericht dankbar sein. Einmal mehr hat es opportunistisch taktierende Politiker gemaßregelt und ihnen mitgeteilt, dass das Grundgesetz nicht aus machtpolitischen Gründen falsch ausgelegt werden darf. Auch dann nicht, wenn man sich in großer Nähe zum nächsten Wahlkampf befindet. (…)

Mal haben sie Beihilfe geleistet, wenn es darum ging, Menschen der Folter auszusetzen. Oder sie haben die deutsche Öffentlichkeit krass über die deutsche Helferrolle für die USA im Irak-Krieg getäuscht. Schwärzung von Akten und Maulkörbe für wichtige Zeugen waren dabei die regierungsamtlichen Waffen. (…)

800px-Voorzittershamer

Bildquelle:

Wikipedia (User: Anoko) / http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/deed.nl

Share

Politik, Medien und das Web 2.0

Das Internet bietet Möglichkeiten einer gesellschaftlichen Aufklärung und einer Partizipation der Gesellschaft, wie man sie sich so in der Vergangenheit kaum vorstellen konnte. Doch den politisch Verantwortlichen, den Parteien und den Mainstream-Medien scheint sich noch immer nicht die Tragweite erschlossen zu haben, in der das Netz dazu beitragen kann, sowohl Entscheidungsfindungen rationaler zu machen und zu verbessern als auch demokratische Elemente zu fördern.

Die Argumente der Gegner von der Einführung von Formen und Elementen direkter Demokratie wie die der fehlenden technischen Machbarkeit werden durch die neuen kommunikativen und vernetzenden Möglichkeiten immer mehr ad absurdum geführt. Neue Formen der Einbindung der Bevölkerung in die politische Diskussion, aber auch neue Formen der Bürgerbeteiligung an der Entscheidungsfindung wären heute so realistisch und einfach durchsetzbar wie sie es nie zuvor in der Geschichte waren. Jedoch bleiben entsprechende Maßnahmen in diesem Bereich aus, und wenn einmal ein umfassendes Konzept zu Web 2.0-Anwendungen in der Politik ausgearbeitet wird, dient es zur weiteren Manipulation des Volkes, zur „Anleitung für die politische Elite, wie sie in Zeiten der digitalen Revolution ihre Deutungs- und Gestaltungshoheit verteidigen kann“, wie der Spiegelfechter sehr schön darlegt . Er schreibt dort außerdem:

„…die Politik fängt langsam zu ahnen an, welche Gefährdung für sie im digitalen Orkus lauert. Das System der repräsentativen Parteiendemokratie, das in der alten Bundesrepublik durchaus als Erfolgsgeschichte gelten konnte, befindet sich in einer Sackgasse. Sei es der Mangel an glaubhaften Alternativen in der Politik, die Machtlosigkeit des Einzelnen in einem starren System oder die selbstreferenzielle Darstellung der Politik durch die politischen Eliten – der Bürger fühlt sich in einem immer stärker werdenden Maße nicht mehr von der Politik repräsentiert. Damit verliert die repräsentative Demokratie ihre Legitimation ihrer Herrschaft. Die offene Partizipation ist Kern der digitalen Revolution, und eine immer größer werdende Zahl aktiver „Netzbewohner“ will es nicht wahrhaben, dass es in der realen Politik keine realistische Möglichkeit der Mitbestimmung gibt.“

Viele Politiker jedoch wollen diese neuen Formen der Mitbestimmung nicht, sie fürchten, dass alt hergebrachte Eliten-, Macht-, und Herrschaftsstrukturen und -institutionen durch eine immer größer werdende Bürgerbeteiligung aufgelöst werden. Um in die entscheidungsfähigen Positionen in der Politik zu kommen, muss man meist zuvor eine langjährige Parteikarriere durchlaufen und sich in dieser eher durch Anpassungsfähigkeit und Flexibilität in Bezug auf politische Positionen sowie die Zugänglichkeit zu politischen „Deals“ ausgezeichnet haben. Keine Fähigkeiten, die bei einer idealer Weise auf Vernunft basierenden Entscheidungsfindung, bei der sich die besseren Argumente durchsetzen, dienlich wären. Die neuen Partizipationsmöglichkeiten bieten das Potential, das politische Geschehen wieder auf wirkliche Inhalte zu konzentrieren und die sachliche Debatte zu stärken zu Lasten von parteipolitischem Manövrieren, reiner Machtpolitik und dem allgegenwärtigen Postenschacher, die oft einen Großteil des heutigen „politischen Alltags“ ausmachen.

Mit der digitalen Revolution haben die alten Eliten ihre Deutungshoheit verloren. Für immer mehr Bürger wird das Netz mit all seinen interaktiven Kommunikationsplattformen zu einem virtuellen Raum, in dem man sich nicht nur informiert, sondern auch aktiv an der Diskussion teilnimmt. Die Zeiten, in denen sich das Volk mit der bloßen Empfängerrolle im Kommunikationsmodell zufrieden gab, sind ein für allemal vorüber. Wer heute die Deutungshoheit für sich beansprucht, muss sich der Diskussion stellen, in der diese Deutungshoheit nur allzu oft bis zur Bedeutungslosigkeit zerpflückt wird“, so der Spiegelfechter.

Die traditionellen Medien fürchten, dass ihr früheres Monopol als Nachrichtenvermittler und Nachrichtenmacher aufgelöst wird. Sie sehen die Chancen einer global und überaus schnell agierenden Wissensgemeinschaft nicht. Informationen können in Sekundenschnelle verbreitet, falsche Informationen korrigiert oder revidiert werden. Und sie sehen auch, wie immer öfter aufgedeckt wird, dass ihre selbst behauptete Neutralität und Objektivität oft bloße Fassade ist.

Was bleibt als Fazit? Die neuen Partizipationsmöglichkeiten durch das Netz sind vielleicht nicht aufzuhalten, werden aber wohl leider noch eine gewisse Zeit brauchen, um sich gegen die aufgezeigten Widerstände durchsetzen zu können. Doch am Ende werden sich Politik und auch Medien neuen Formen der Partizipation in der Demokratie nicht entziehen können.

Share

Die Kampagne der Medien gegen SPD-Linke und Die Linke. Teil 2

Peter Frey hat offenbar Gefallen am Linken-Bashing gefunden. Nach dem Sommerinterview mit Oskar Lafontaine (1) entdeckt Berlin Direkt (natürlich ausgerechnet bei der Linken) auf einmal seine investigative Seite. (Grundsätzlich ist es ja zu begrüßen, dass man anfängt, endlich einmal die Aussagen von Politikern etwas genauer unter die Lupe nehmen.) Auf http://berlindirekt.zdf.de/ZDFde/inhalt/23/0,1872,7605655,00.html möchte er mittels gründlicher Recherche „die Behauptungen des Oskar Lafontaine“ überprüfen.

Offensichtlich soll hier beim Publikum der Eindruck erweckt werden, diese Linken hielten es nicht so genau mit der Wahrheit. Dass tatsächlich dann aber statt falscher Behauptungen eher schlecht formulierte oder nicht ganz differenzierte Aussagen Lafontaines folgen, spricht zwar nicht unbedingt für Lafontaine, aber auf nicht für Frey.

Er habe “25 Jahre Verantwortung getragen, also nie hingeschmissen – viel länger als jeder andere aktive Politiker” erwidert Lafontaine auf die während des Sommerinterviews mehrmals wiederholte Frage nach dem „Hinschmeißen“ 1999.

Dies sei in der Tat lange. Aber andere Politiker hätten ebenfalls eine lange oder sogar noch längere Tätigkeiten vorzuweisen, meint Frey, muss dann aber zugeben: „Auch wenn sie nicht auf “25 Jahre im Amt” zurückblicken können…“. Ja gut, könnte man sich da denken, vielleicht etwas unglücklich formuliert von Lafontaine, aber irgendwie hat er dann ja wohl doch Recht. Auf diesen möglichen Einwand muss man dann natürlich reagieren, wenn schon nicht sachlich, dann wenigstens so:

… haben sie dem Druck bundespolitischer Funktionen Stand gehalten, auch den Streit mit der eigenen Partei ertragen. Keiner hat so überstürzt seine Funktion verlassen wie Lafontaine im März 1999 – ohne den Schreibtisch aufzuräumen, drei Tage nicht erreichbar, um sich dann von der Dachterrasse aus zu erklären.“

Man kann richtig erkennen, wie genüsslich diese Zeilen geschrieben worden sind. Klasse, dass „Hinschmeißen“-Argument wirkt auch nach 10 Jahren noch!

Nächster Punkt: Lafontaine spricht von einer “hohen Zustimmung” für seine Person an der Saar. Doch die Umfragen könnte man auch anders interpretieren. Na so was!

Kommen wir einmal kurz zu einem wirklichen politischen Thema abseits der Person Lafontaine: die Renten. Dass sich nicht nur Die Linke, sondern durch die Rentengarantie inzwischen auch die Große Koalition gegen Rentenkürzungen ausspricht, ist richtig. Leider auch, dass dies große Probleme mit sich bringen kann. Aber dass die Maßnahme aus den selben Beweggründen getroffen wurde, wie die Linke sie vertritt, darf ja nebenbei bezweifelt werden. Man kann wohl eher wahltaktische Manöver vermuten.

Zurück zur Person Lafontaine (wir wollen ja nicht zu viel über die politischen Vorstellungen schreiben, am Ende kommen die noch sympathisch rüber):

Auf die Frage, ob er Frank-Walter Steinmeier das Kanzleramt zutraue, antwortete Lafontaine, er sei mit ihm “gut zurecht gekommen, als er Chef des Kanzleramts war”. Eine für Lafontaines Verhältnisse fast schmeichelnde Aussage, aber nicht korrekt. Steinmeier wurde nämlich, als Nachfolger von Bodo Hombach, erst am 7. Juli 1999 Chef des Kanzleramts. Da war Lafontaine schon fast vier Monate aus dem Finanzministerium ausgeschieden.“

Alles richtig. Aber ist das denn ein zwingender Widerspruch? Wieso kann Lafontaine nicht auch mit Steinmeier „gut zurecht gekommen sein“, als Steinmeier Chef des Kanzleramtes war und Lafontaine nicht mehr Finanzminister? Nett auch noch die kleine Stichelei „ Eine für Lafontaines Verhältnisse fast schmeichelnde Aussage“. Auch wenn sie nichts zu Sache tut.

Schließlich zum Thema „Mindestlohn“. Lafontaine weist darauf hin, dass in Luxemburg der Facharbeiter-Mindestlohn fast 12 Euro betrage. Frey fügt nun seinerseits hinzu „Der Mindestlohn für qualifizierte (Fach-) Arbeiter liegt tatsächlich bei 11,67 Euro. Unqualifizierte Arbeitnehmer können aber nur mit 9,72 Euro rechnen.“ Ok, aber Lafonaine sagt ja schließlich „Facharbeiter“. Weiterhin erwähne Lafontaine nicht die Unterschiede zwischen Deutschland und Luxemburg (Fläche, BIP/ Kopf, Arbeitslosigkeit, regionale Differenzierung). Luxemburg ist in der Tat ein schlechtes Beispiel. Allerdings hätte Lafontaine auch Staaten erwähnen können, die man besser mit Deutschland vergleichen kann: Frankreich oder Großbritannien oder 18 weitere EU-Länder. Alle mit einem gesetzlichen Mindestlohn.

Die Welt ist oft differenzierter als Lafontaine behauptet.“

Sicher ist die Welt komplizierter, als das in einem 15-minütigen Fernseh-Interview im Wahlkampf dargestellt werden kann. Aber auch komplizierter als das ZDF sie darstellt.

Share