Elmar Altvater in Trier

Ein kurzer Hinweis für die Leute aus Trier, die hier lesen (und für die, die vielleicht mal kommen wollen 😉 ):

Morgen (Dienstag, 19. Januar) kommt Elmar Altvater an die Universität Trier. Er hält um 18 Uhr im Hörsaal 9 (E-Gebäude) einen Vortrag zum Thema “Ein ‘grüner New Deal’ – das Gelbe vom Ei oder eine schwarze Utopie?” im Rahmen der Vortragsreihe “Zur politischen Kritik der Ökonomie”.

Ich denke, über Altvater muss man nicht viel sagen, er ist derzeit vielleicht DER Kapitalismus- und Globalisierungskritiker in Deutschland. Ich kenne zwar bisher “nur” Aufsätze und einige Bücher von ihm und habe ihn noch nie direkt “live” gesehen, aber ich denke man kann ganz fest davon ausgehen, dass es sich lohnen wird, diese Veranstaltung zu besuchen.

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Marcuse, 1968 und heute

Die kritische Theorie der Gesellschaft besitzt keine Begriffe, die die Kluft zwischen dem Gegenwärtigen und seiner Zukunft überbrücken könnten; indem sie nichts verspricht und keinen Erfolg zeigt, bleibt sie negativ. (Herbert Marcuse: Der eindimensionale Mensch, S. 268.)

Herbert Marcuse lieferte mit “Der eindimsionale Mensch” eine umfassende Beschreibung der fortgeschrittenen kapitalistischen Gesellschaften, die jegliche Opposition ersticken – und dies schon im Denken der Menschen. Doch Opposition ist notwendig – eine neue, eine bessere Gesellschaft muss gewünscht, gedacht werden und es muss versucht werden, sie umzusetzen. Eine Gesellschaft, wie sie Marcuse sich vorstellt, kennt keine Herrschaft mehr, keine Klassen, keine Verschwendung und Irrationalität, keine Kriege,  sie befriedigt die menschlichen Bedürfnisse bei einem Minimu an harter Arbeit. Die Möglichkeiten dafür sieht er bereits in der bestehenden Gesellschaft, die Analyse dieser mache aber nur allzu klar, dass dafür eine Umwälzung notwendig sei.

Heute, im gedeihenden Kriegsführungs- und Wohlfahrtsstaat, scheinen die menschlichen Qualitäten des freien Daseins asozial und unpatriotisch – Qualitäten wie die Absage an alle Härte, Kumpanei und Brutalität; Ungehorsam gegenüber der Tyrannei der Mehrheit; das Eingeständnis von Angst und Schwäche (die vernünftigste Reaktion gegenüber dieser Gesellschaft!); eine empfindliche Intelligenz, die Ekel empfindet angesichts dessen, was verübt wird; der Einsatz für die schwächlichen und verhöhnten Aktionen des Protests und der Weigerung. (Marcuse: Der eindimensionale Mensch, S. 253.)

Die Akteure, die eine Veränderung möglich machen würden, sieht Marcuse sehr beschränkt, und im Eindimensionalen Menschen kommt er erst auf den letzten zwei Seiten auf sie zu sprechen . “Das Substrat der Geächteten und Außenseiter: die Ausgebeuteten und Verfolgten anderer Rassen und anderer Farben, die Arbeitslosen und die Arbeitsunfähigen”: ihre Opposition sei revolutionär, wenn auch nicht ihr Bewusstsein. Würden sie anfangen, sich zu weigern, das Spiel der bestehenden Gesellschaft mitzuspielen, schließlich sich zu Protest aufraffen, könnten sie “den Beginn des Endes einer Periode” makieren. Diese Chance bestünde, wenn sie als “ausgebeutetste Kraft” der Menschheit mit ihrem “fortgeschrittensten Bewußtsein” aufeinandertreffen würden. Im Zuge von 1968 sah er dieses Bewusstsein teilweise in den Studenten. Marcuse hatte großen Einfluss auf diese gehabt, gerade “Der eindimensionale Mensch” stellte mit seiner Analyse des repressiven Charakters der bestehenden Gesellschaft die Notwendigkeit ihrer Veränderung klar heraus.

Es hat sich wohl gezeigt, dass Herbert Marcuses früherer Pessimismus in Bezug auf die Möglichkeit gesellschaftlicher Änderung berechtigter war als sein späterer Optimismus, mit Sicht auf die Studentenproteste und die „68er“ Bewegung, in denen er, mehr als andere Vertreter der kritischen Theorie wie Adorno, Kräfte sah, die einen gesellschaftlichen Wandel herbeiführen konnten. Zwar gab es in der Tat Änderung hin zu größeren gesellschaftlichen Freiheiten, jedoch blieben großes sozialen Änderungen oder gar solche am „System“ aus. Der reaktionär-konservative Spießer-Muff, de die Bundesrepublik Deutschland 1968 in den weitesten Teilen beherrschte, wurde gebändigt. Dass das Ideal einer offenen, toleranten Gesellschaft stärker Fuß fassen konnte, haben wir ohne Zweifel den Protesten von 1968 zu verdanken. Das wirtschaftliche Syste blieb währenddessen nicht nur unangetastet. Nach einer Phase einer umfassenderen Sozialpolitik, einer keynsianischen Wirtschaftssteuerung und einer Ausweitung von Arbeitnehmer- und Mitbestimmungsrechten unter den Regierungen mit SPD-Beteiligung glitt Deutschland 1982 vollends in den Neoliberalismus nach dem Vorbild Reagans und Thatchers mit den gesitigen Vätern Hayek, Friedman und speziell für Deutschland Hayek ab. Rot-grün (nach einer 6-monatigen Verschnaufpause) und die große Koalition setzten die Politik des Sozialabbaus und des Marktradikalismus fort – und dies auch unter maßgebliche Beteilgung früherer “68er” und ehemaliger Linker. Und jetzt haben wir mit schwarz-gelber Kopfpauschale, Stufensteuer und Klientelgeschenken eine neue Stufe der Entsolidarisierung.

Dass eine eindimensionale Ideologie, die die Möglichkeiten einer Veränderung und Verbesserung des bestehenden negiert und als unrealistisch oder utopisch brandmarkt, die Ideologie der gegebenen Tatsachen, immer noch vorherrschend ist, sieht man z.B. in den politischen Argumentationen im Hinblick auf „Reformen, zu denen es keine Alternative gibt“ und ähnlichen immer wiederkehrenden Phrasen und Floskeln. Irrationalität, die nicht als solche wahrgenommen wird, besteht weiterhin. Indem man sich immer mehr von der sozialen Seite der Sozialen Marktwirtschaft entfernt und immer mehr Menschen die Nachteile erfahren, könnte sich vielleicht irgendwann Widerstand regen. Doch auch dies bleibt nich mehr als eine Möglichkeit.

Die freie Wahl des Herrn beseitigt nicht die Unterscheidung zwischen Herrn und Sklaven. (Marcuse: „Über das Ideologieproblem in der hochentwickelten Industriegesellschaft“)

Die ursprünglichen und grundlegenden Vorstellungen und Ideale marxistischer Theorie, die auf Abschaffung von Arbeit und Herrschaft gerichtet sind, sollten nicht vergessen werden. Die Gesellschaft, die wir heute haben, ist vielleicht eine der fortgeschrittensten, die historisch je erreicht wurde. Doch das heißt nicht, dass nicht auch hier positive Veränderungen möglich sind. „Das bessere ist der Feind des Guten“, sagte schon Voltaire.

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Eindimensionales Denken, eindimensionale Gesellschaft, eindimensionaler Mensch: Herbert Marcuses Ideologie- und Gesellschaftskritik

Nach der Beschreibung der Ideologiekritik von Karl Marx und Friedrich Engels möchte ich nun die Ideologiekritik von Herbert Marcuse*, einem Vertreter sehenden Kritischen Theorie (Frankfurter Schule), die sich in marxistischer Tradition seieht, diesen jedoch für erneuern und aktualisieren möchte, darstellen.

Stellenwert der Ideologiekritik und Verständnis von Ideologie in der Kritischen Theorie

Das Ideologieverständnis der Kritischen Theorie steht zwar in der Marxschen Tradition. Aber, so ihre Vertreter, die Totalität des Spätkapitalismus (oder der fortgeschrittenen Industriegesellschaft) besetze das Bewusstsein der Individuen so stark, dass die Differenz und Trennung von Basis/ gesellschaftlicher Realität und ideologischem Überbau (sowie von Individuum und Gesellschaft) des klassischen Marxismus zunehmend relativiert werde. Deshalb werde die Kritik des Überbaus in der Gesellschaftskritik wichtiger, der geistige Bereich  müsse von der drohenden Absorbierung durch die materielle Wirklichkeit gerettet werden und bisherige Kategorien des Marxismusreichten nicht mehr aus.

Ziel ist für die Kritische Theorie eine Gesellschaft, in der Sein und Bewusstsein nicht mehr getrennt sind. In dieser Gesellschaft gibt es außerdem eine „Nutzung der Ressourcen zur Befriedigung der Lebensbedürfnisse bei einem Minimum an harter Arbeit, die Umwandlung der Freizeit in freie Zeit, die Befriedung des ‘Kampfs ums Dasein'” (Marcuse: Der eindimensionale Mensch, S. 263). Gegensatz dazu ist ideologisches, „positives“ Denken – solches Denken, das Tatsachen einfach als gegeben akzeptiert und die Möglichkeit oder Notwendigkeit ihrer Veränderung nicht in Betracht zieht.

Eindimensionalität als Ideologie der Industriegesellschaften

Das Verhältnis zwischen Ideologie und Realität ist bei Marcuse eine historische Relation und also veränderbar. Dasein ist für ihn in seinen Frühwerken stets schon material und geistig, ökonomisch und ideologisch zugleich, ideales Sein, auf materialem fundiert (Überbau-Basis).

Der marxistische Bergriff des ideologischen als falschen Bewusstseins nun schiene, so Marcuse, auf die hoch entwickelte Industriegesellschaft nicht mehr anwendbar: diese habe ihre Ideologie in die Realität politischer Institutionen umgesetzt. Man könne nicht mehr von einer Bestimmung des Bewusstseins durch das Sein sprechen, das Bewusstsein werde vom gesellschaftlichen System absorbiert. Die fortgeschrittene Industriegesellschaft kann (dank Überflusses durch die Technologie) Konflikte dadurch vermeiden, dass sie all die assimiliert, die in früheren Gesellschaftsformen Kräfte des Nonkonformismus darstellten. Freiheit von Mangel wird zur Stütze der Herstellung von Abhängigkeit und der Verewigung von Herrschaft, der Konsum befriedigt materielle Bedürfnisse und stellt Identifikation mit dem bestehenden System her.

Unter dem Einfluß des technischen und wissenschaftlichen Fortschritts, der Größe und der Leistungsfähigkeit des Produktionsapparates und des steigenden Lebensstandards zerbricht die politische Opposition gegen die fundamentalen Institutionen der alten Gesellschaft und wird zur Opposition innerhalb der akzeptierten Bedingungen (…) Errungenschaften (…) und die Integration der Gegensätze (…) fördern die materielle und geistige Stabilisierung (…) Ergebnis ist nicht Anpassung, sondern Mimese: eine unmittelbare Identifizierung des einzelnen mit seiner Gesellschaft und dadurch mit der Gesellschaft als Ganzem“. (Marcuse: „Über das Ideologieproblem in der hochentwickelten Industriegesellschaft“, S. 321, 323, 334)

So entsteht ein Muster eindimensionalen Denkens und Verhaltens, worin Ideen, Bestrebungen und Ziele, die ihrem Inhalt nach das bestehende Universum von Sprache und Handeln transzendieren, entweder abgewehrt oder zu Begriffen dieses Universums herabgesetzt werden. (…) Der heutige Kampf gegen diese geschichtliche Alternative findet eine feste Massenbasis in der unterworfenen Bevölkerung und seine Ideologie in der strengen Orientierung von Denken und Verhalten am gegebenen Universum von Tatsachen.  (Marcuse: Der eindimensionale Mensch – Studien zur Ideologie der fortgeschrittenen Industriegesellschaft, S. 32, 36)

(…) in den fortgeschrittensten Bereichen der Industriegesellschaft ist heute sogar bei den ,Benachteiligten’ eine ,innere’ Identifizierung mit dem System vorhanden, ein positives Denken und Handeln (Marcuse: Ideologieproblem, S. 326)

Widersprucht erscheint dabei irrational und Widerstand unmöglich (vgl.: Marcuse: Der eindimensionale Mensch, S. 29). Sowohl materiell als auch ideologisch seien die Klassen, die einst die Negation des Kapitalismus darstellten, in das System integriert, weshalb das Proletariat sich nicht mehr qualitativ von anderen Klassen unterscheide und keine qualitativ andere Gesellschaft schaffen könne. Jedoch existierten immer noch Menschen, deren Opposition, wenn auch nicht ihr Bewusstsein, revolutionär sei. Denn ein von äußeren Umständen unterschiedliches individuelles Bewusstsein, schrumpfe, und der Verlust dieser inneren Dimension sei das ideologische Gegenstück zum materiellen Vorgang, in welchem die Industriegesellschaft Opposition eindämme. Ideologie, Herrschaft, Verwaltung, Wirtschaft, Technologie und Produktionsprozess sind miteinander verflochten und als verdinglichtes System Instrumente zur Beherrschung von Natur und Menschen. Die heutige Realität eines angeblichen Pluralismus sei ideologisch, da die herrschenden Mächte das gemeinsame Interesse der Bekämpfung historischer Alternativen (zu dieser heute bestehenden Gesellschaft) hätten.

Technologische Rationalität als Herrschaftsrationalität

Ausgeweitet zu einem ganzen System von Herrschaft und Gleichschaltung, bringt der technische Fortschritt Lebensformen (und solche der Macht) hervor, welche die Kräfte, die das System bekämpfen, zu besänftigen und allen Protest im Namen der historischen Aussichten auf Freiheit von schwerer Arbeit zu beseitigen oder zu widerlegen scheinen. Die gegenwärtige Gesellschaft scheint imstande, einen sozialen Wandel zu unterbinden. (Marcuse: Der eindimensionale Mensch, S. 14)

Die Ideologie der hoch entwickelten Industriekultur (die ideologischer als ihre Vorgänger sei) sei im Produktionsprozess selbst zu finden. Für Marcuse sind im Gegensatz zu Marx die Produktionsverhältnisse nicht die das gesellschaftliche Leben bestimmende Basis. War bei Marx die Kritik der Ideologie Kritik der Abhebung der Philosophie von der sozioökonomischen Realität, sieht Marcuse die Ideologie des herrschenden Bewusstseins im Denken in technologischer Rationalität und seiner Beschränkung auf die bestehende Welt.

Von Marx Unterscheidung der konketen und abstrakten Arbeit kommend, sagt Marcuse, wie in der abstrakte Arbeit Menschen nach quantifizierbaren Qualitäten verbunden werden (als Einheiten abstrakter Arbeitskraft), so hätten sich diese abstrakten Kategorien in wissenschaftliches und technisches Denken übertragen: Abstraktion von Konkretem, Quantifizierung der Qualitäten. Die heutige positivistische Wissenschaft befreie die Natur von allen Zwecken, die Materie von allen Qualitäten. Im Vordergrund stehen Operationalisierbarkeit, praktische Verwertbarkeit. Diese „wissenschaftliche Rationalität“ ist wertfrei, sie setzt keine Zwecke fest, ist ihnen gegenüber neutral. Die technologische Rationalität sieht Natur und Menschen nur noch als potentielles Mittel, als Stoff für Kontrolle und Organisation, als Mittel an sich und hat einen zutiefst instrumentalischen Charakter (“technologisches Apriori”). Die Beherrschung der Natur sei mit Beherrschung des Menschen verbunden; Mensch und Natur werden zu ersetzbaren Objekten. (Marcuse setzt hier eine Analogie zur formalen Rationalität Max Webers: Rationalität der angewendeten Mittel für beliebige Zwecke. Die technologische Rationalität sei zweckrationales Handeln.) Marcuse kritisiert, dass diese Art von Wissenschaft die Realität nicht mehr „transzendiere“: qualitativ andere Sichtweisen, neue Beziehungen Mensch-Mensch und Mensch-Natur werden nicht ins Auge gefasst, es herrscht eine Beschränkung der technologischen Rationalität auf Bestehendes.

Dadurch, dass die Technologie indifferent gegenüber jeglichen (Produktions-) Zwecken ist, wird die gesellschaftliche Produktionsweise bestimmend. Der Logos der Technik wird zum Logos der Herrschaft. Technologie erscheint selbst als Form sozialer Kontrolle und Herrschaft.  Die wissenschaftlich-technologische Entwicklung stabilisiert das gesellschaftliche System und legitimiert die Herrschaftsbeziehungen. Sie ist statisch und konservativ. Bürokratie und Technologie werden selbst zu Herrschaftsinstanzen, Herrschaft erweitert sich als Technologie. Die Organisation der Gesellschaft erfolgt nun unter den Erfordernissen der Beherrschung. Im Medium der Technik verschmelzen Kultur, Politik und Wirtschaft zu einem allgegenwärtigen und scheinbar objektiven, verdinglichteten System. Sprache, Libido, Wohlfahrt und Arbeit werden zu Instrumenten totaler Herrschaft (über die Natur und über Menschen). Unfreiheit erscheint als Unterwerfung unter technischen Apparat. Und der technologische Apparat legt sozial notwendige Bedürfnisse, Fähigkeiten und Haltungen fest und bilde Formern von sozialer Kontrolle und sozialem Zusammenhalt,. Er zwingt der materiellen und geistigen Kultur seine wirtschaftlichen und politischen Forderungen auf. Seine Produkte manipulierten, fördern ein falsches Bewusstsein und binden die Konsumenten an die Produzenten.

Seit je hat Aufklärung im umfassendsten Sinn fortschreitenden Denkens das Ziel verfolgt, von den Menschen die Furcht zu nehmen und sie als Herren einzusetzen. Aber die vollends aufgeklärte Erde strahlt im Zeichen triumphalen Unheils. (Max Horkheimer und Theodor W. Adorno: Dialektik der Aufklärung. Philosophische Fragmente, Frankfut am Main 1969, Seite 9.)

Horkheimer und Adorno entwicklen in der “Dialektik der Aufklärung”, einer der wichtigsten Schriften der Kritischen Theorie, eine ganz ähnliche Kritik der Rolle der technologischen Rationalität, einer Zweckrationalität, die keine Qualitäten, keine Zwecke und keine Ziele mehr kennt.

Darin aber, dass nicht erst die kapitalistische Anwendung der Technik Herrschaft, sondern Technik selbst Herrschaft sei, widerspricht die Kritische Theorie klar Marx: Wissenschaft und Technik können für diesen auch für andere als kapitalistische Zwecke verwendet werden, die Herrschaft des Kapitals über die Arbeit erst lässt diese zu Instrumenten der Ausbeutung und Herrschaft werden, sie seien an sich neutral.

Statt Entfremdung: die Menschen “identifizieren sich mit ihren Produkten”

Der Mechanismus, der das Individuum mit seiner Gesellschaft verbindet, habe sich verändert, da die soziale Kontrolle nun in den neuen Bedürfnissen, die sie hervorgebracht hat, verankert sei. Die Bedürfnisse (die im klassischen Marxismus Maßstab und nicht Gegenstand der Kritik waren) werden manipuliert, politisch-wirtschaftliche Bedürfnisse der Gesellschaft werden zu individuellen Bedürfnissen, repressive Bedürfnisse dienen der Erhaltung und Ausdehnung des Systems und der Verewigung des Kampfs ums Dasein.

Und der klassische Marxsche Begriff der Entfremdung erschiene fragwürdig, da die Menschen sich nun in ihren Gütern erkennen und mit ihrer Existenz identifizieren. Das entfremdete Subjekt werde von seiner entfremdeten Existenz „verschlungen“, und das Bewusstsein werde zum glücklichen Bewusstsein, dass auch Untaten der Gesellschaft mit dem Glauben an die Vernünftigkeit des Wirklichen hinnimmt – dies sei der produktive Überbau über der Basis der Gesellschaft. Die Subjekt-Objekt-Differenz ist aufgehoben oder irrelevant, die Differenz von gesellschaftlicher Basis und Überbau (im Medium der Machbarkeit) ausgelöscht und die Aussage Marxens, dass das gesellschaftlich-materielle Sein das Bewusstsein bestimmt, ist nicht länger sinnvoll.

Eindimensionalität in Sprache, Kultur und Philosophie

Die kritische Theorie hat sich als „Theorie des Überbaus“ gegen eine Sicht, die in Kultur und Philosophie nur einen passiven Reflex der ökonomisch-technischen Entwicklung, bloße Ideologie, sieht, gewandt. Die „affirmative Kultur“ der bürgerlichen Epoche habe dazu geführt, die geistig-seelische Welt als selbständiges Wertreich von der Zivilisation abzulösen und über sie zu erhöhen, die Kultur bejahe und verdecke die neuen gesellschaftlichen Lebensbedingungen; der Wandel sei durch den veränderten Charakter der Klassenverhältnisse verursacht.

In Sprache und Denken würde nur noch die empirische Dimension bestehen. Die transzendentale, über das Bestehendehinausgehende, die oppositionelle, “negative” Dimension wird ausgeblendet. Widerspruch gegen Bestehendes erscheint nun irrational, es entsteht eindimensionales Denken und Verhalten. Bei der „eindimensionale Kultur“, wurden deren transzendente Elemente, die Spannung zwischen Wirklichkeit und Möglichkeit, geschmälert und sie wurde kommerzialisiert. Es gäbe Wechselwirkungen zwischen wissenschaftlich-philosophischen und gesellschaftlichen Vorgängen, der soziale Kampf gegen historische Alternativen finde seine Ideologie in der Eindimensionalität, der starren Ausrichtung von Denken und Handeln an gegebenen Tatsachen und Möglichkeiten, der empiristischen Bewegung in den Sozialwissenschaften und dem Operationalismus in den Naturwissenschaften, die die transzendenten, negativen Elemente der Vernunft verneinen. Sie seien das akademische Gegenstück zum sozial notwendigen Verhalten und hätten ideologischen Charakter. Stärke der Philosophie zeigt sich bei Marcuse im Gegensatz zu Marx in ihrer Loslösung vom Konkreten und unmittelbar gegebenen und der Entgegensetzung des Reiches der Möglichkeit, sie ist also gewissermaßen „Utopie“. Sie wirke auch teilweise ideologisch, da abstrakt, spekulativ und von einer Position außerhalb der Gesellschaft.

Die kritische Theorie der Gesellschaft besitzt keine Begriffe, die die Kluft zwischen dem Gegenwärtigen und seiner Zukunft überbrücken könnten; indem sie nichts verspricht und keinen Erfolg zeigt, bleibt sie negativ. (Marcuse: Der Eindimensionale Mensch, S. 268.)

Zusammenfassung

Marcuse, der sich und die Kritische Theorie in der Marxschen Tradition versteht und diese für seine Zeit anwendbar machen wollte, benutzt viele von Marxens Gedanken und Begriffen, doch er passt sie an seine Zeit an. Daher gibt es Unterschiede zu Marx. Die Trennung von Basis und Überbau von Marx wird zunehmend nebensächlich, man kann nicht mehr von einer Bestimmung des Bewusstseins durch das Sein sprechen, da das Bewusstsein vom gesellschaftlichen System absorbiert werde. Marx kritisierte die Abgehobenheit der seinerzeitigen deutschen Philosophie von der Realität, aber aufgrund dieser geänderten Realität sieht Marcuse die Aufgabe der Philosophie, die bestehende Realität zu überschreiten, eine zweite, negative, utopische Dimension zu besetzen und die Eindimensionalität der gegnwärtigen Philosophie, der gegenwärtigen Wissenschaft, der gegenwärtigen Gesellschaft aufzuheben. Er sieht Eindimensionalität in Denken und Handeln als die Ideologie seiner Zeit.

Die Ideologie erscheint bei Marcuse ungemein totaler und umfassender als bei Marx. Die Menschen werden von einer totalen Technokratie im Interesse der Aufrechterhaltung von Herrschaft manipuliert, Opposition wird in das System integriert (so die Klassen, die einst die Negation des Kapitalismus darstellten). Ideologie, Verwaltung, Wirtschaft, Sprache, Technologie sind zusammenhängende Instrumente der Beherrschung. Menschen erkennen sich in ihren Gütern, der Entfremdungsbegriff ist so nicht mehr zeitgemäß. Bedürfnisse können manipuliert und müssen hinterfragt werden, sie können der Herrschaft dienen. Ein großer Unterschied zu Marx ist außerdem, dass Marcuse technologische Rationalität als Logik der Herrschaft sieht und die Ideologie im Produktionsprozess. Marx sah dagegen in den Produktionsverhältnissen die das gesellschaftliche und das geistige Leben bestimmende Basis,  und er betonte die Neutralität der Technik.

Marcuses Betrachtung der Industriegesellschaften und ihrer Ideologie wirkt sicher drastisch, verstörend, desillusionierend und seine Beschreibung ist sicherlich auch überzogen, griff jedoch damals existierende und meiner Meinung nach noch existierende Tendenzen auf und veranschaulichte ihre Gefahren. Sein Verdienst ist im Hinblick auf die Ideologiefrage besonders, gezeigt zu haben, wie die heutigen Gesellschaften frühere oppositionelle Kräfte integriert hat, die nun zu glühenden Verfechtern des Systems geworden sind, und wie die heutige Gesellschaft jegliche Kritik des bestehenden Systems und jegliche Konzeption von Alternativen als “unrealistisch”, “utopisch”, gar als “unmöglich” brandmarkt.

Quelle: www.marcuse.org/herbert/booksabout.htm (Marcuse family, represented by Harold Marcuse unter creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/)

*: Marcuse liefert diese v. a. in den folgenden Werken, aus denen auch die Zitate stammen:

Der eindimensionale Mensch – Studien zur Ideologie der fortgeschrittenen Industriegesellschaft (hier zitiert nach: Neuwied und Berlin 1967, Sonderausgabe der Sammlung Luchterhand, September 1970).

“Über das Ideologieproblem in der hochentwickelten Industriegesellschaft”, aus: Paper: Fifth World Congress of Sociology, Washington D. C. 1962, in: Lenk, Kurt (Hrsg.): Ideologie – Ideologiekritik und Wissenssoziologie, herausgegeben und eingeleitet von Kurt Lenk, Darmstadt und Neuwied 1978, S. 320 – 341.

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Das Sein bestimmt das Bewusstsein: die Ideologiekritik von Karl Marx und Friedrich Engels

„Nicht die Taten sind es, die die Menschen bewegen, sondern die Worte über die Taten.“ (Aristoteles zugeschrieben)

Ist unser Denken wirklich frei? Von wem ist es beeinflusst? Können wir unser Denken und uns selbst befreien? Diese Fragen sind grundlegende Fragen der menschlichen Existenz, doch auch und v. a. der gesellschaftlichen Realität, seit Karl Marx sagte, dass nicht das Bewusstsein das Sein, sondern das Sein das Bewusstsein bestimmt. Ist unsere “freiheitliche” Gesellschaft wirklich freiheitlich für alle Menschen? Warum wird eine andere Gesellschaftsform kaum diskutiert, geschweige denn gewünscht?

Dies sind ein paar grundsäzliche Fragen der Ideologiekritik, und ich möchte hier darstellen, was diese bedeutet anhand des Beispiels, wie Karl Marx als der Begründer der Ideologiekritik diese Fragen beantwortet hat.

(In einem folgenden Beitrag möchte ich dann betrachten, wie die Kritische Theorie, die den Marxismus erneuern will, so dass er für die heutigen Gesellschaften anwendbar ist, dies sieht und welche “Aktualisierungen” der klassischen Marxschen Theorie sie hier vorgenommen hat. Als Beispiel soll dann Herbert Marcuse mit seiner Kritik der Eindimensionalität dienen).

Ideologiekritik und Materialismus

Auf einer gewissen Stufe ihrer Entwicklung geraten die materiellen Produktivkräfte der Gesellschaft in Widerspruch mit den vorhandenen Produktionsverhältnissen oder, was nur ein juristischer Ausdruck dafür ist, mit den Eigentumsverhältnissen, innerhalb deren sie sich bisher bewegt hatten. Aus Entwicklungsformen der Produktivkräfte schlagen diese Verhältnisse in Fesseln derselben um: Es tritt dann eine Epoche sozialer Revolution ein. Mit der Veränderung der ökonomischen Grundlage wälzt sich der ganze ungeheure Überbau langsamer oder rascher um. In der Betrachtung solcher Umwälzungen muss man stets unterscheiden zwischen der materiellen, naturwissenschaftlich treu zu konstatierenden Umwälzung in den ökonomischen Produktionsbedingungen und den juristischen, politischen, religiösen, künstlerischen oder philosophischen, kurz, ideologischen Formen, worin sich die Menschen dieses Konflikts bewusst werden und ihn ausfechten.

In der gesellschaftlichen Produktion ihres Lebens gehen die Menschen bestimmte, notwendige, von ihrem Willen unabhängige Verhältnisse ein, Produktionsverhältnisse, die einer bestimmten Entwicklungsstufe ihrer materiellen Produktivkräfte entsprechen. Die Gesamtheit dieser Produktionsverhältnisse bildet die ökonomische Struktur der Gesellschaft, die reale Basis, worauf sich ein juristischer und politischer Oberbau erhebt und welcher bestimmte gesellschaftliche Bewußtseinsformen entsprechen. Die Produktionsweise des materiellen Lebens bedingt den sozialen, politischen und geistigen Lebensprozess überhaupt. Es ist nicht das Bewußtsein der Menschen, das ihr Sein, sondern umgekehrt ihr gesellschaftliches Sein, das ihr Bewußtsein bestimmt. (Karl Marx: Zur Kritik der Politischen Ökonomie, Vorwort, 1859, MEW 13, S. 7-11.)

Die Kritik des Bestehenden begann bei Karl Marx und Friedrich Engels als Kritik des Bewusstseins. Erst Marx und  Engels haben „Ideologie“ zu einer politischen Theorie ausgebaut, und diese durchzieht ihr Werk. Die Lehre von der Ideologie ist also auch eines der wichtigsten Elemente der materialistischen Geschichtsauffassung, die Erkenntnis der Widerspiegelung des gesellschaftlichen Seins der Menschen in ihrem Bewusstsein eine ihrer zentralen Aussagen. Auch wenn die Voraussagen des historischen Materialismus sich als falsch erwiesen haben, kann doch die Ideologiekritik als philosophische Idee durchaus weiter existieren.

Wurzeln des Ideologiebegriffs von Marx und Engels sind Kritik an Hegels  Philosophie, v. a. seiner Staatsphilosophie (die Hegelsche Vorstellung von Geschichte als Werk von Ideen ist für Marx Verkehrung im Bewusstsein der deutschen Ideologen als theoretischer Ausdruck der Verselbstständigung der Waren; Menschen sind für Marx der alleinige Träger der historischen Entwicklung), an Feuerbachs Anthropologie und an der klassischen Nationalökonomie (etwa Adam Smith oder David Ricardo). Die Geschichte der Philosophie habe sich laut Engels durch die Erkenntnisse von Marx und ihm weitgehend als Geschichte der Ideologie erwiesen.

Bewusstsein als gesellschaftliches Produkt

Das Bewusstsein des Menschen ist bei ihnen von vornherein gesellschaftliches Produkt. Ideologien sind falsches Bewusstsein im Sinne gesellschaftlich notwendigen Scheins, können nicht bewusst inszeniert werden und sind – da gesellschaftlich erzeugt -notwendiger Ausdruck wirtschaftlicher und politischer Verhältnisse.

Die Produktion der Ideen, Vorstellungen, des Bewusstseins ist zunächst unmittelbar verflochten in die materielle Tätigkeit der Menschen, Sprache des wirklichen Lebens. Das Vorstellen, Denken, der geistige Verkehr der Menschen erscheinen hier noch als direkter Ausfluß ihres materiellen Verhaltens. Von der geistigen Position, wie sie in der Sprache der Politik, der Gesetze, der Moral, der Religion, Metaphysik usw. eines Volkes sich darstellt, gilt dasselbe. Die Menschen sind die Produzenten ihrer Vorstellungen, Ideen pp, aber die wirklichen, wirkenden Menschen, wie sie bedingt sind durch eine bestimmte Entwicklung der Produktivkräfte (…) Das Bewußtsein kann nie etwas Andres sein als bewusste Sein, und das Sein der Menschen ist ihr wirklicher Lebensprozeß. Wenn in der ganzen Ideologie die Menschen und ihre Verhältnisse wie in einer Camera Obscura auf den Kopf gestellt erscheinen, so geht dies Phänomen ebenso sehr aus ihrem historischen Lebensprozeß hervor, wie die Umdrehung der Gegenstände der Netzhaut aus ihrem unmittelbar physischen“. (Karl Marx und Friedrich Engels: Die deutsche Ideologie – Kritik der neuesten deutschen Philosophie in ihren Repräsentanten, Feuerbach, B. Bauer und Stirner, und des deutschen Sozialismus in seinen verschiedenen Propheten, 1845-1846.)

Entfemdung, Verdinglichung und Warenfetischismus

Entfremdung ist eine für den Produzenten von Waren, den Arbeiter, als unterjochende Herrschaft der Waren, seiner vergegenständlichten Arbeit, fühl- und erfahrbare Erscheinung der kapitalistischen Produktionsverhältnisse und -bedingungen. Durch industrielle Produktion und Arbeitsteilung habe die Arbeit für den Proletarier jeden selbstständigen Charakter verloren, er werde „Zubehör der Maschine“, „Arbeitsinstrument“ und produziere eine ihm fremde, ihn aber beherrschende Macht.

Warenfetischismus als wesentliches Element der Entfremdung bedeutet eine Verzerrung von Subjekt und Objekt, die Herrschaft der Produkte über den Produzenten: gesellschaftliche Phänomene verselbstständigen sich von ihren Entstehungsbedingungen („Verdinglichung“, „Versachlichung“). Diese erscheinen als allgemeingültig. Die Produkte der menschlichen Arbeit werden nur noch im Tauschwert (der sich im Preis ausdrückt), nicht mehr im Gebrauchswert (der Nützlichkeit) der Dinge erfahren, und dies hat Auswirkungen auf das Bewusstsein. Arbeitsprodukte, Dinge erhalten als Waren eine gesellschaftliche Beschaffenheit. Die Ware spiegelt den Menschen die gesellschaftlichen Eigenschaften ihrer eigenen Arbeit als Eigenschaften des Arbeitsprodukts selber, als natürliche Eigenschaften dieser wider.

Ideologie als falsches Bewusstsein

Sozusagen Gegenstück zu der ökonomischen Entfremdung (als totales Fremdsein von sich selbst, Mitmenschen, Arbeit, Natur, Gesellschaft und Transzendenz) sind „ideologische Nebelbildungen“ scheinbar ewiger Ideen (die auch zu selbstständigen Mächten verdinglicht werden) und Prinzipien. Produkte des menschlichen Geistes scheinen mit eigenem Leben ausgestattete selbstständige Gestalten. Wirklichkeit wurde und wird bei  Marx und Engels (unbewusst) verzerrt widergespiegelt. Die Basis des Kapitalismus reproduziert sich, die Bewusstseinsprozesse überwinden den Rahmen der Gesellschaft nicht und werden bürgerliches Bewusstsein. Ideologie ist mit Lage und Interessen der herrschenden Klassen verknüpft, sie stützt deren Macht und lähmt die politische Kraft derer, die sie über ihre Lebensverhältnisse täuscht.

Ideologie ist ein Prozeß, der zwar mit Bewußtsein vom sogenannten Denker Vollzogen wird, aber mit einem falschen Bewußtsein. Die eigentlichen Triebkräfte, die ihn bewegen, bleiben ihm unbekannt; sonst wäre es eben kein ideologischer Prozeß. (Aus einem Brief von Friedrich Engels an Frank Mehring.)

Während in den Frühschriften von Marx Ideologien von aller Realität losgelöste metaphysische Gedanken sind, sind sie in den ökonomischen Schriften mit falschem, der (ökonomischen) Wirklichkeit nicht entsprechendem Bewusstsein identisch  (idealistisch-spekulatives als Grundzug bürgerlichen Denkens sei Ideologie). Im Historischen Materialismus hat ideologisches Bewusstsein eine Tendenz, gegenüber dem materiellen Unterbau selbstständig zu werden und durch einen Rückkopplungsprozess das gesellschaftliche Sein wiederum zu bestimmen.

… es kommt aber darauf an, sie zu verändern

Die Philosophen haben die Welt nur verschieden interpretiert; es kommt darauf an, sie zu verändern. (Karl Marx: Thesen über Feuerbach., 1845, MEW 3, S. 7.)

Die (ideologischen) Philosophen der Vergangenheit hatten die materiale Basis ihrer Ideologie nicht erkannt. Es soll dagegen bei der  Ideologiekritik von Marx und Engels nicht nur bei Erkenntnis des falschen Bewusstseins bleiben – die gesellschaftlichen Ursachen sollen angetastet werden. Ideologiekritik und Basis-Überbau-Konstruktion sind in ein politisches Programm eingebunden.

Über Stärken und Schwächen dieses politischen Programms zu sprechen, ist ein anderes Thema. Fest steht, dass  Karl Marx und Friedrich Engels mit dem historischen Materialismus und seiner Aussage, dass das Sein das Bewusstsein bestimt, die Philosophie revolutioniert haben. Um das zuzugestehen, muss man kein orthodoxer Marxist sein.

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Die Kritische Theorie der Frankfurter Schule: Marx für heute

Der so genannte „real existierende Sozialismus“ machte offensichtlich, dass die Marxsche Theorie nicht wirklich in die Realität umgesetzt wurde, aber auch, dass viele ihrer Annahmen und v. a. ihrer Prognosen falsch waren. Doch muss damit nicht die ganze Theorie falsch und ablehnenswert sein. Aber sie braucht eine Aktualisierung. Die klassische Marxsche Theorie ist nicht für alle Seiten gültig, sie ist geschichtlich eingebettet, was ja ihre Schöpfer auch nie bestritten haben.

Die Kritische Theorie, auch bekannt als Frankfurter Schule – zu ihren bekanntesten Vertretern gehören etwa Theodor W. Adorno, Max Horkheimer, Herbert Marcuse, Erich Fromm, Walter Benjamin, Jürgen Habermas oder Axel Honneth – versteht sich als Marxismus. Der orthodoxe Marxismus aber war für die  Vertreter der Kritischen Theorie zu unbeweglich, mechanistisch und überholt. Er sei als „Theorie des 19. Jahrhunderts“ nur in diesem Kontext verständlich – und brauche daher eine geistige Erneuerung für das 20. Jahrhundert. Denn mit den historischen Bedingungen als Grundlagen der  Kritik müsse sich auch die Theorie ändern. Durch eine Erneuerung würde Marxismus so nicht auf einem spekulativen oder ideologischem Boden stehen. Die Kritische Theorie versucht also, den Marxismus also auf die heutige Zeit anzupassen, aber auch, Lücken und Schwierigkeiten aufzuheben.

Was sind nun die Wandlungen, die die marxistische Theorie quasi aktualisierungsbedürftig machen? Marx habe die technisch fortgeschrittene Gesellschaft nicht vorausgesehen. Klassengegensätze wurden in dieser sekundär. U.a. der Wohlfahrtsstaat hat Gegensätze vereinigt und klassische marxistische Klassenkampfdoktrinen unbrauchbar gemacht. Die früher evidente Irrationalität der durch die kapitalistische Produktionsweise geprägten Gesellschaft, wie etwa Kinderarbeit, unwürdige Arbeitsbedingungen, Armut, hohe Sterblichkeit und extreme soziale Ungleichheit sei heute nicht mehr offensichtlich. Die Verelendungstheorie hat sich nicht bewahrheitet.  Trotzdem gibt es aber noch weiterhin Ausbeutung (eine Aneignung des Mehrwerts der Arbeit durch das Kapital). Aber die klassische Marxsche Annahme, dass nur die Arbeit Mehrwert bilden könne, kann als überholt angesehen werden: Maschinen bestimmen immer mehr die Produktivität. Auch die Marxsche Entfremdungstheorie scheint so nicht mehr zu stimmen – die Menschen erkennen sich immer mehr in ihren Gütern. Insgesat hat die kapitalistische Gesellschaft eine Totalität entwickelt und ist derart in Denken, Sprechen und Handeln dermaßen großer Bevölkerungsteile eingedrungen, die sich mit dem System, dass sie ausbeutet und in Herrschaftsstrukturen gefangen hält, nun vollends identifizieren, wie es Marx und Engels im 19. Jahrhundert kaum vorausgesehen haben. Von dieser Konstellation kann kaum ein Klassenbewusstsein ausgehen, geschweige denn eine Revolution oder eine sonstige Umwälzung der bestehenden Gesellschaft.

Nach Ansicht der Kritischen Theorie müsse marxistische Theorie im Zuge der Veränderungen im kapitalistischen System veraltete Kategorien modernisieren.  Marx Gesellschaftskritik war für das 19. Jahrhundert zutreffend und bietet auch heute noch viele gute Ansatzmöglichkeiten. Man kann Marx heutztage etwa nicht mehr als Ratgeber für  wirtschaftswissenschaftliche Fragen heranziehen – hier ist ein Scheitern vorprogrammiert. Die Kritische Theorie sagt, es bestünde zwar immer noch ein kapitalistisches Wirtschaftssystem mit privatem Aneignungsbedürfnis als Triebfeder, dieses führe aber durch den enormen technischen Fortschritt zu einer Annäherung der Klassengegensätze und -interessen, zur Abnahme unmittelbaren Elends, zu mehr gesellschaftlichem Reichtum, auch für untere Schichten. Außerdem gehe der klassische Kapitalismus teilweise in einen organisierten Monopolkapitalismus über. Da der Proletarier als Klasse verschwunden ist, müsse sich Bewusstseinsbildung zur Emanzipation in der Gesamtgesellschaft bilden.

Außerdem hat die Kritische Theorie auch Ideen und Ansätze von anderen Denkern außerhalb des Marxismus aufgenomen – von Hegel etwa (die Dialektik, die freilich schon Marx übernommen hatte- wenn auch in etwas anderer,Form als Hegel …), von Max Weber, oder von Sigmund Freud, dessen Psychoanalyse eine bedeutende Rolle spielt.

Den sogenannten “real existierenden Sozialimus” sah die Kritische Theorie übrigens genauso negativ wie den Kapitalismus. Herbert Marcuse etwa sieht Eindimensionalität (in Denken, Sprechen, Verhalten) als das Kennzeichen der Ideologie aller hoch entwickelten Industriegesellschaften, auch der Sowjetunion. In den kommunistisch regierten Ländern werde die Gesellschaft wie im Kapitalismus von einer totalen Technokratie und Verwaltung manipuliert und jede Opposition erstickt oder integriert. Beide Gesellschaftsformen kämpften gegen die Auflösung der Grundlage von Herrschaft. Die Sowjetregierung habe sich die Herrschaftsstrukturen und die Produktions- und Verwaltungsrationalität des Industriezeitalters zu eigen gemacht (Verstaatlichung ist für Marcuse mehr ein Wechsel der Herrschaftsweise, als eine Voraussetzung, die Herrschaft abzuschaffen und das Verschwinden des Staates zu erreichen) mit parallelem Ergebnis zu den westlichen Staaten. Unterwerfung und Unterordnung sowie deren Reproduktion kennzeichneten (alle) Industriegesellschaften.

Ich werde das Verhältnis vom klassischen Marxismus zur Kritischen Theorie in den nächsten Tagen an zwei Beispielen untersuchen: der Ideologiekritik von Karl Marx und Friedrich Engels (“Das Sein bestimmt das Bewußtsein”) und der Ideologiekritik (der Kritik der Eindimensionalität fortgeschrittener Industriegesellschaften) von Herbert Marcuse.

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Der Jesuitenschüler und die Baroness

Die Staats- und Regierungschefs der Mitgliedsstaaten der EU haben in gewohnt intransparenter Weise hinter verschlossenen Türen die durch den Vertrag von Lissabon geschaffenen neuen Posten ausgeschachert, mit zwei durchaus überraschenden Besetzungen.

Der belgische Premierminister Hermann Van Rompuy wird der erste Präsident des Europäischen Rates. Der als “tiefgläubiger Christ” beschriebene ehemalige Jesuitenschüler und Absolvent einer katholischen Universität stellt dabei den Vertreter der konservativen Parteien. Aufgrund eines üblichen Proporzes  hätte eigentlich ein Vertreter der linken das zweite Amt übernehmen sollen. Doch Hohe Vertreterin für Außen- und Sicherheitspolitik soll die britische Baroness und Mitglied auf Lebenszeit des House of Lords Catherine Ashton  übernehmen. Sie als Mitglied der Labour Party als Sozialistin zu bezeichnen kann aber nur als mäßig gelungener Scherz betrachtet werden. Schließlich hat New Labour mit der konsequenten Fortsetzung der Wirtschafts- und Sozialpolitik Thatchers mit Maßnahmen wie grenzenlosen Privatisierungen, einem gnadenlosen Aufbau von Workfare-Politiken oder der Einführung von Studiengebühren eine am treffendsten als neoliberal zu charakterisierende Politik betrieben, die sich schließlich auch im Programm der Partei mit einem Abschied vom Ziel der sozialen Gerechtigkeit und eines umverteilenden Sozialstaates ausdrückte. Und mit dem Aufbau eines umfassenden Überwachungsstaates hat Labour eine Innenpolitik zu verantworten, wie sie etwa eine CSU nie durchführen würde. Nein, die Labour Party hat außer ihrer Mitgliedschaft in der Sozialdemokratischen Partei Europas kaum noch Gemeinsamkeiten zu einer sozialdemokratischen oder demokratisch sozialistischen Politik. Ein etablierter Außenpolitiker einer linken Partei wie bspw. Massimo D’Alema war offensichtlich vielen in Europa zu gefährlich.

Konservatismus und Neoliberalismus, Katholizismus und Adel, mit diesen beiden Personen wird nur die Politik fortgesetzt, die auch für die Entstehung des Lissabonvertrages kennzeichnend gewesen ist. Denn dieser Vertrag kann als ein Projekt der konservativen Eliten Europas charakterisiert werden. Er sorgt nicht für eine Beseitigung der demokratischen Defizite der EU (und schafft neue, z.B. dadurch, dass nur die Bürger Irlands über diese umbenannte EU-Verfassung abstimmen durften), er schafft Machtkonzentrationen, schreibt eine marktradikale  Wirtschafts- und Sozialpolitik mit weiteren Privatisierungen und Deregulierungen sowie eine Militarisierung und Aufrüstung fest und, schränkt Bürgerrechte ein.

Beide Personen haben aber noch etwas gemeinsam: sie gelten als weitgehend unbekannte und wenig profilierte Gesichter. Ashton hat zudem – auch nach eigener Bekundung – kaum Erfahrung auf dem Gebiet der Außenpolitik. Es kommt also die Frage auf, inwiefern sie sich gegen gestandene und einflussreiche Vertreter der EU-Staaten durchsetzen könnten. Tatsächlich wird es auch offen geäußert, dass die beiden sozusagen der kleinste gemeinsame Nenner und die Kandidaten waren, die am wenigsten Konflikte zwischen den Regierungschefs auslösten. Man scheint Kandidaten gesucht zu haben, die den Vertretern der Nationalstaaten nicht die Show stehlen.

Jedoch muss dies aber – nun kommt die Überraschung – keinesfalls negativ gesehen werden. Den beiden neu geschaffenen Posten mangelt es an demokratischer politischer Legitimität. Die Bürger Europas haben auf sie und ihre Politik so gut wie keinen Einfluss, und auch die Parlamente haben diesen nicht. Ein einziges Treffen der Regierungschefs soll die Legitimation für deutlich umfassendere Kompetenzen und Machtressourcen als bisher darstellen? Dazu kommt, dass die Kompetenzen deutlich in nationale Politiken eingreifen, wie gesagt ohne dafür genügend demokratisch legitimiert zu sein. Die Ausweitung des Mehrheitsprinzips in der EU wird dazu führen, dass wenige vorwiegend konservative Politiker eine Macht über die Bürger und die demokratischen Institutionen sowohl der EU als auch ihrer Mitgliedsstaaten erhalten werden. Insofern sind zwei schwache Vetreter auf den beiden neu geschaffenen Posten das beste, was man sich wünschen kann. Eine Ausweitung der europäischen Integration auf weitere Politikfelder und eine handlungsfähigere Europäische Union sind durchaus wünschenswert – aber nicht, wenn diese derart undemokratisch und intransparent gestaltet ist wie im Vertrag von Lissabon.

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Zum Gerechtigkeitsbild der Liberalen

Indem sie Konzepte wie einen Stufensteuertarif und die Kopfpauschale mit dem Attribut “gerecht” versehen, verdeutlichen die Vertreter von Union und FDP wieder, wie unterschiedlich Gerechtigkeitsvorstellungen sein können. Und wenn dabei auch noch “einfach” gegen “gerecht” ausgespielt wird, kann nur einer verlieren: der Sozialstaat.

 

Einfach, niedrig, gerecht? Ein neues Steuersystem und die Kopfpauschale

Das progressive Steuersystem hatte in Deutschland lange mit dem Konsens aller Bundestagsparteien bestand. Ein System, dass die Steuerlast an die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit anpasste, entsprach und entspricht noch dem Gerechtigkeitsempfinden der Mehrheit der Deutschen. 2005 kostete der “Professor aus Heidelberg” der Union mit seinem Flattax-Konzept fast den Wahlsieg. Seitdem war es ruhig darum, und auch die Unionsparteien und die FDP ließen im Wahlkampf nichts davon hören. Wie also nun die Menschen von einem Konzept überzeugen, dass den Weg in die Richtung einer Flattax ebnen soll (und zudem unter wirtschaftspolitischen Gesichtspunkten als keineswegs sinnvoll betrachtet werden kann), den Stufentarif – und ihnen zudem die äußerst unpopuläre und von einer überwältigenden Mehrheit als ungerecht empfundene Kopfpauschale verkaufen? Wie üblich: mit der durch die Massenmedien völlig unreflektiert aufgegriffenen und immer wieder wiederholten Parole “einfach, niedrig und gerecht!”.

Niedrigere Steuern kommen immer gut an. Auch wenn sie in einer Lage der Wirtschaftskrise, einer noch nie dagewesenen Neuverschuldung und der selbst von Wirtschaftsliberalen eingesehenen Notwendigkeit von Konjunkturprogrammen kommen sollen. Die Kopfpauschale dagegen bedeutet mit den geplanten 105 Euro nur für Besserverdiener eine Entlastung – dort aber eine massive (die absoluten Spitzenverdiener hatten diese natürlich auch vorher durch die Beitragsbemessungsgrenze, die festgesetzte absolute Oberhöhe von Zahlungen an die Krankenversicherung – ein Konzept, dass ausschließlich in der Bundesrepublik existierte und ausschließlich dazu diente, die Reichsten der Reichen zu entlasten).

Kommen wir zu “einfach”. Es ist klar, was  immer mit diesem “einfacher” beabsichtigt wird: “der Stammtisch” soll überzeugt werden, die zu wählen und die Politiken zu unterstützen, “die er auch versteht”. Eine Flattax ist ja auch viel einfacher zu verstehen als eine progressive Steuer, ein einheitlicher Betrag zur Gesundheitsversicherung einfacher als ein einkommensabhängiger. [He, und wo wir schon bei der Kopfpauschale sind: wie wäre es mit einer Pauschalsteuer, einer Einheitssteuer nicht in der Form eines einheitlichen Prozentsatzes, sondern eines einheitliches Betrags? 1.000 Euro Steuer für jeden, das wäre doch eben ganz einfach. Und für die “Leistungsträger” ist es auch niedrig. Und darum gerecht.] Aber im Ernst: Einfachheit allein kann kein politisches Konzert sein, und dann um so mehr nicht, wenn sie in Konflikt zur Gerechtigkeit steht.

 

Die Stufensteuer: wirtschaftlich sinnlos UND ungerecht

Kommen wir zu dieser, kommen wir zur Gerechtigkeit. Die FDP hatte gefordert, den Mittelstandsbauch abzubauen. Dieser bedeutet, dass im deutschen Steuersystem zur Zeit Niedrigverdiener und der Mittelstand höher belastet werden als die Spitzenverdiener, da die Progression zunächst steiler verläuft, dann abflacht. Mit einem Stufentarif würden jedoch quasi so viele Bäuche wie Stufen entstehen und das Problem damit noch potentiert. Mehr Gerechtigkeit bedeutet dies also in keinem Fall, egal, von welchem Gerechtigkeitsverständnis wir sprechen (aber dazu kommen wir später). Auch das in letzter Zeit immer wieder gern genannte Argument der “kalten Progression” ließe sich nur bedingt mit einem Stufentarif beseitigen, da eben an der Grenze zu einer höheren Steuerstufe ein großer Sprung stattfindet (statt eines immer gleichmäßigen Anstiegs), also diesmal wirklich ein bedeutenderer Teil eines hinzuverdienten Euros wieder verschwindet. Für bestimmte Gruppen, deren Einkommen an diesen Schwellen liegen, bedeutet dieses System also einen Verlust an “gerechter” Besteuerung und auch eine Art der Willkür. Ein gleichmäßig ansteigendes Steuersystem ist sehr viel rationaler und wohl unter Gerechtigkeitsgesichtspunkten nicht zu überbieten.

Auch den größtenteils Juristen, die bei den Regierungsparteien für die Wirtschafts- und Steuerpolitik verantwortlich sind, dürften diese Punkte nicht entgangen sein. [Auch wenn ich den Eindruck habe, dass man vielen von deren Anhängern noch mal den Unterschied zwischen Grenz- und Durchschnittssteuersatz erklären sollte (was wenigstens einige von ihren Äußerungen erklären könnte)]. Ein Stufentarif ist nicht viel einfacher als ein progressiver, und er ist nicht gerechter. Und dies trifft noch viel mehr auf die Kopfpauschale zu.

 

Die Kopfpauschale: warum die Gesundheit eines Menschen nicht das selbe wie ein Auto ist

Der neue Gesundheitsminister Rösler meint, die Kopfpauschale entlaste nicht nur den “Faktor Arbeit”, sondern dürfe ja auch gar nicht als “unfair” bezeichnet werden: über die Gesundheitsversicherung könne sowieo keine Umverteilung erfolgen, diese könne nur über das Steuersystem geschehen. Mal davon abgesehen, dass ich den Wirtschaftsliberalen glaube ich hier kein Unrecht tun, wenn ich festhalte, dass diese sowieso gegen den “Umverteilungsstaat” eintreten, ist die Aussage auch in anderer Hinsicht falsch. Die Gesundheitsversicherung ist in einem breiten politischen Konsens als Versicherung entwickelt worden, in der 1. jeder nach seiner Leistungsfähigkeit einzahlt und 2. jeder bei Bedarfsfall die Leistungen erhält, die er benötigt.

Zum 1.: Das eine einkommensunabhängige Kopfpauschale das Gegenteil dieses Prinzips darstellt, ist offensichtlich und bedarf wohl keiner eingehenderen Erläuterung. Und solche Äußerungen wie “wir zeigen durch eine Kopfpauschale, dass uns die Gesundheit jedes Bürgers gleich viel wert ist”, machen nur Sinn, wenn man die Gesundheitsversicherung sagen wir wie eine KFZ-Haftpflichtversicherung betrachtet, wenn man die Gesundheit zur Ware macht. Jeder zahlt einen gleichen Betrag, oder besser noch: “Risikogruppen” zahlen in der Gesundheit wie Umweltschädlinge bei den Autos höhere Beträge. Hier liegt aber ein gewaltiger Unterschied: die Gesundheit eines Menschen zu bewahren und ihm die Hilfe, die er benötigt, zukommen zu lassen, ist ein Grundpfeiler einer menschlichen Gesellschaftsform. Die Gesundheit ist außerdem nicht etwas, was man sich aussucht, wie etwa ein Auto, und für ihre Beibehaltung und Wiederherstellung sind auch nicht einigermaßen gleiche und vorhersehbare Kosten notwendig, wie bei einem Auto. Und diese Sicht, die Gesundheit nur als Ware zu betrachten, die auf Märkten gehandelt wird, wirkt sich auch auf das 2. Prinzip aus, die 2-Klassen-Medizin, die in Deutschland immer mehr entstanden ist. Die “Reformen”, die im Gesundheitssystem geplant sind, gehen noch mehr in diese Richtung: nur noch eine Basis-Grundversorgung für die Niedrigverdiener, mit “flexibel wählbaren” Erweiterungen. Je mehr Geld, gegen desto mehr Risiken kann man sich absichern, eine desto bessere Behandlung bekommt man. Im Extremfall kann der Geldbeutel über Leben und Tod entscheiden. Und dies tut er schon viel zu häufig.

NACHTRAG: Der Spiegelfechter: Spitze Ellenbogen statt starker Schultern. Schwarz-Gelb beerdigt die paritätische Finanzierung des Gesundheitssystems

 

Wenn der Mensch nur das zählt, was er leisten kann

Und doch kommt diese Haltung nicht von ungefähr. Sie rührt aus der in den letzten 3 Jahrzehnten zur Vorherrschaft gelangten neoliberalen Ideologie, in der der Einzelne nur so viel zählt, wie er wirtschaftlich zu leisten im Stande ist. In dieser ist dann für viele für Altruismus ebenso wenig Platz wie für als “Schwäche” angesehene physische oder psychische Krankheiten. Da gibt es keine Entschuldigung, jeder Mensch muss Leistung bringen – immer! In dieser harten Leistungsgesellschaft setzt sich nur der Starke durch. Eine überaus ekelerregende und pervertierte Erscheinung dieser Denkweise ist es vielleicht auch, wenn (glücklicherweise – noch? – in wenigen Einzelfällen) Ökonomen sich in als Studien getarnten Angriffen auf das humanistische Menschenbild und die Menschenwürde dazu herablassen, das Wert eines Menschenlebens daran zu bemessen, wie viel dieser für seine Gesundheit auszugeben in der Lage und bereit ist und so allen Ernstes zu dem Schluss kommen, man solle nur für die Gesundheit der Menschen in den reichen Ländern sorgen, weil die Menschen dort mehr dafür ausgeben können. Wer kein Geld hat, soll halt sterben. Oder Geld verdienen. Wie gesagt, diese menschenverachtenden Pamphlete sind zum Glück selten, und ich möchte auf keinen Fall sagen, dass solch widerliche Ansichten aus liberalen Überzeugungen folgen müssen. Aber in gewisser Weise treiben sie die Ansicht der Gesundheit als Ware – wie gesagt, pervertiert – auf die Spitze. Eine Entwicklung, die ein Warnsignal sein muss an alle, die daran glauben, dass jedes Menschenleben gleich viel zählt – seien es Liberale, Konservative oder Linke.

 

Gerechtigkeit und Menschenbild: Wenn der Mensch ausschließlich egoistisch ist

Die Gerechtigkeitsvorstellungen einer politischen oder philosophischen Richtung hängt nicht zuletzt mit deren Menschenbild zusammen. Der Mensch der liberalen und der konservativen Ideologie ist der Mensch, den die Großbürger Hobbes und Locke im England der frühen Neuzeit erfunden haben. Vorher war es kaum möglich gewesen, den Bürger als völlig herausgelöst aus der Gesellschaft zu betrachten. Die früheren Grundsteinleger des Liberalismus (Locke) und des Konservatismus (Hobbes) verstiegen sich nun aber dazu, den Bürger, den sie in der City of London sahen, als den Menschen schlechthin zu konzipieren, den ursprünglichen  Menschen des Naturzustandes. Dieser Mensch, so ihre Vorstellung, steht isoliert dar und handelt ausschließlich egoistisch unter einem auf die Verfolgung des eigenen Nutzens beschränkten Rationalitätsbegriff. Gewiss gibt es egoistisch nutzenmaximierend handelnde Menschen. Doch das Menschenbild, das Liberale und Konservative als das einzig mögliche ansehen, ist ebenso ein Ausdruck seiner Zeit wie das des politischen Mensch des antiken Griechenlands. Konkret ist es das Produkt des aufkommenden Kapitalismus in England zur Zeit des 17./ 18. Jahrhunderts.

Doch dieses Menschenbild ist das, was in der liberalen Lehre und in den liberalen Wirtschaftswissenschaften bis heute vorherrscht. Auch wenn soziologische Studien zeigen, dass die Gesellschaft eine viel größere Rolle spielt, dass der Mensch sich erst durch die Gemeinschaft als Individuum entfalten kann, stört das die Vertreter dieses Menschenbildes nicht sehr. Sie können und sie wollen sich nicht vorstellen, das Menschen auch altruistisch handeln können. Und so etwas ist keine Wissenschaft. So etwas ist Ideologie.

Wenn sich eine Ideologie auf dieses Menschenbild gründet, kennt sie höchstes die Konzepte “Leistungsgerechtigkeit” und “Chancengerechtigkeit”. Je mehr man leistet, um so mehr soll man davon haben, und jeder soll die gleichen Startchancen habe. “Soziale Gerechtigkeit” oder “Verteilungsgerechtigkeit” sucht man dort vergebens. Diese sind ur-sozialdemokratische Konzepte (und die “Sozialdemokraten”, die, v.a. in der Schröder-Müntefering-Steinmeier-Ära versucht haben, soziale Gerechtigkeit durch Chancengerechtigkeit zu ersetzen, haben damit nur versucht, den mageren Abklatsch des sozialdemokratischen Originals dort einzuschleusen. Die ehemals sozialdemokratische Labour-Party hat – nicht nur nach meiner, sondern auch nach der Meinung vieler Wissenschaftler – mit der Abkehr von der sozialen und Hinwendung zur Chancengerechtigkeit endgültig den Wandel von der sozialdemokratischen zur wirtschaftsliberalen Partei vollzogen).

 

Liberal versus Neoliberal

Während die klassischen Liberalen also noch ein paar Gerechtigkeitsbegriffe haben, wollen die härtesten Vertreter des Neoliberalismus davon nichts hören und lehnen auch diese Begriffe ab. Um ein Beispiel zu nennen: der klassische Liberale würde hohe Managergehälter z.B. dadurch rechtfertigen, dass diese viel arbeiten und eine hohe Verantwortung und hohe Risiken zu tragen haben. Eine Argumentation, die man nicht teilen muss, aber immerhin eine nachvollziehbare und in sich schlüssige Argumentation, denke ich. Der Neoliberale Hayek dagegen würde sagen: diese verdienen so viel, weil sie sich auf dem Markt durchgesetzt haben. Weil es so ist. Gerechtigkeit gibt es nicht, es kann sie (und es soll sie) nicht geben. Als “gerecht” könnte man dann höchstens noch die Marktergebnisse bezeichnen, egal wie sie ausfallen, eben: weil sie so ausfallen.Und an den Marktergebnissen etwas zu ändern, sei ein Eingriff in die menschliche Freiheit – allein die Erhebung von Steuern betrachtet er als eine im Prinzip genauso große Freiheitsberaubung und ebenso ein Eingriff in die Menschenwürde (!) wie etwa Gefängnis oder Folter.

 

Wir sehen also, Vorstellungen von Gerechtigkeit könne sehr verschieden und vielfältig sein – aber kaum so vielfältig wie die verschiedenen politischen Vorschläge, die immerzu reflexhaft als “gerecht” gegen jede Kritik immunisiert werden. Mal sehen, ob Regierung und Medien es schaffen, auch die Kopfpauschale und ein Stufenssteuersystem der Öffentlichkeit als “gerecht” zu verkaufen. Zumindest bei Letzterer sieht es ja ganz gut für sie aus.

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Wir müssen die Welt verändern, wenn wir wollen, dass sie bleibt

Zu welchem Ende betreiben wir Kapitalismuskritik? Wir betreiben sie in praktischer Absicht, weil wir die Welt verändern müssen, wenn wir wollen, dass sie bleibt. Die Geschichte ist nicht am Ende. Es gibt Alternativen. Es ist notwendig, sie zu erdenken, zu entwickeln und sich für die Realisierung in gesellschaftlicher, das heißt heute global vernetzter Praxis einzusetzen. Theoretisch im Studium, und praktisch in der Politik.

Elmar Altvater: “Was heißt und zu welchem Ende betreiben wir Kapitalismuskritik”, in: Blätter für deutsche und internationale Politik, 4/2006, S. 467 f.

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3 Wege aus dem Kapitalismus?

Der Soziologe Johannes Berger stellt in einem Aufsatz zur Kapitalismuskritik* die These auf, eine Welt jenseits der kapitalistischen Produktionsweise würde wahrscheinlicher, wenn man drei “Stellschrauben” dieses Systems verändern könnte, wozu er auch drei konkrete politische Maßnahmen als Beispiele nennt:

Ein bedingungsloses, existenzsicherndes Grundeinkommen für alle (erwachsenen) Staatsbürger würde den Arbeitszwang wegfallen lassen, der für den Kapitalismus konstitutiv ist.

Eine Unternehmenslenkung durch die Beschäftigten würde die Unterordnung unter das “Kommando des Kapitals” verschwinden lassen. Dabei könnte es durch die Beschäftigten einen Tausch geben: weniger Lohn gegen mehr Herrschaftsfreiheit. Arbeit ist nach Max Weber erst materiell (und nicht nur formal) frei, wenn die Gestaltung der Arbeitsbedingungen in die Kompetenz der Beschäftigten selbst fällt.

Eine Gewinnbeteiligung der Arbeitnehmer (neben einem festen Grundlohn) schließlich würde die Arbeitnehmer am Erfolg des Unternehmens partizipieren lassen und durch die Minderung des Lohnes als Einkommensschema die Trennung unterschiedlicher Einkommensarten  zumindest partiell aufheben.

Um Berger nicht Unrecht zu tun, muss betont werden, dass er in seinem Aufsatz die Schlussfolgerung zieht, der kapitalistischen Organisationsform der Wirtschaft gehöre wohl auf absehbare Zeit die Zukunft und er die drei von ihm selbst dargestellten Maßnahmen relativ harsch abtut.

Ein existenzsicherndes Grundeinkommen würde die Steuerbelastung an- und die Arbeitsmotivation absteigen lassen und sei mit der “Ethik der Arbeitsgesellschaft” (arbeitsfähige Personen, die nicht arbeiten, sollten nicht am Sozialprodukt partizipieren dürfen) nicht vereinbar. Der Rückgang der Arbeitsmotivation wird aber von ihm nur vermutet. Um diesen zu verhindern, wäre eben gerade eine Abkehr von dem anderen Kritikpunkt, der liberalen Leistungs”ethik”, notwendig, wodurch man andererseits sogar positive und motivierende Effekte erwarten könnte. Zur Selbstorganisation durch die Beschäftigten sagt er nur: “Aber ‘Selbstherrschaft’ kann ungleich anstrengender sein als das milde Diktat einer zeitlich, sachlich und sozial beschränkten Herrschaftsausübung”. Hier wird wieder einfach nur vermutet, dass die Beschäftigten Freiheit nicht wollten, da diese zu “anstrengend” sei. Woher diese Einschätzung stammt, bleibt unklar. Außerdem denke ich persönlich, dass eine wirklich freie Gesellschaft erst jenseits des Konzeptes Herrschaft überhaupt denkbar ist.

Zu der Gewinnbeteiligung (aber auch zu den beiden anderen Punkten) sagt er, es sei unklar, wer daran ein Interesse haben könnte. Schaut man sich eine größer werdende Unterstützung für das Konzept des Bedingungslosen Grundeinkommens oder von verschiedenen Seiten (sowohl von Arbeitnehmern als auch von Arbeitgebern) immer wieder eingebrachten Vorschlägen für und Umsetzungen von Gewinnbeteiligungsmodellen an, scheint es aber doch durchaus Gruppen in der Gesellschaft mit einem Interesse an diesen Maßnahmen zu geben. Und dass die Unternehmensmitbestimmung in einem breiten politischen und gesellschaftlichen Konsens eingeführt wurde, dürfte ihm auch nicht entgangen sein.

Auch wenn Berger also diesen von ihm genannten und dargestellten Konzepten eher kritisch gegenüber steht, hat er doch Recht damit, dass diese Möglichkeiten eines Ausstiegs aus der derzeitigen Form kapitalistischer Produktionsweisen darstellen könnten. Die Aufhebung des Arbeitszwanges und die Beteiligung der Beschäftigten an der Lenkung des Unternehmens würden dabei den Vorteil haben, den Markt als äußert effizienten Verteilungsmechanismus nicht aufzuheben und auch die Defizite einer zentralen, autoritär und bürokratisch geplanten Wirtschaftslenkung durch den Staat zu vermeiden. Die Identifikation der Beschäftigten mit dem Unternehmen sind durch eine Ausweitung der Beteiligungsrechte stark zu erwarten und folglich eine größere Motivation. Selbst mit liberalen Ideen kann man dies vereinbaren, da die Beschäftigten bei Erfolgen des Unternehmen stärker honoriert werden und sich Leistung wirklich wieder lohnt. Zudem sind diese drei Maßnahmen jenseits utopischer Träumereien: Gewinnbeteiligungsmodelle existieren bereits in einigen Unternehmen, eine Beteiligung an der Unternehmenslenkung könnte durch eine Ausweitung der Mitbestimmung erreicht werden und für das Grundeinkommen liegen ausgearbeitete Konzepte vor.

Kommen wir zu den Problemen: eine erfolgsabhängige Komponente des Arbeitseinkommens der Beschäftigten kann durchaus im Interesse der Unternehmer liegen, stellt sie doch ein Mehr an Flexibilität (gerade auch für in ihrer Existenz bedrohte Unternehmen) dar. Über diesen Weg, der Beteiligung am Unternehmen, ließe sich auch eine Mitbestimmung über die Unternehmenspolitik rechtfertigen. Aber klar ist, dass gerade in einer autoritär geprägten Gesellschaft wie der Bundesrepublik Widerstände gegen mehr Herrschaftsfreiheit der Beschäftigten zu erwarten sind, auch wenn die hierarchischen Autoritätsbeziehungen in Unternehmen viele Probleme mit sich bringen und fortschrittshemmend wirken können. Politik, Wirtschaft und Medien würden gegen das existenzsichernde Grundeinkommen natürlich Kampagnen wie seinerzeit gegen die Sozialhilfeempfänger (“Florida-Rolf”) fahren. Die Finanzierbarkeit des Grundeinkommens indes ist eine politische Frage. Nicht zuletzt die Gelder für die Bankenrettung zeigen, dass es nur eine Frage der Prioritäten ist, auch sehr große Geldsummen zu mobilisieren (und ein Grundeinkommen würde deutlich weniger kosten und hätte zudem positive Effekte für die Binnennachfrage).

Bis vor kurzer Zeit zweifelte kaum jemand daran, dass unser Kapitalismus sich immer mehr in Richtung des angelsächsischen Finanzmarktkapitalismus transformieren würde. Die Finanzkrise zeigte nun für alle deutlich dessen Anfälligkeit und Krisenhaftigkeit auf. Seit den 90er Jahren (verstärkt seit 1999) war der Weg in den Finanzmarktkapitalismus gezielt von der Politik beschritten worden. Wenn die Politik wieder die Interessen der Mehrheit der Bürger vertreten würde, wäre der Weg in die andere Richtung kaum weniger möglich. Eine freiere, solidarischere und gerechtere Gesellschaft wäre möglich – sie muss nur politisch gewollt sein.

*: Johannes Berger: “Kapitalismusanalyse und Kapitalismuskritik”, in: Maurer, Andrea (Hrsg.): Handbuch der Wirtschaftssoziologie, Wiesbaden 2008, S. 363-381.

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Entwicklungspolitik ohne Entwicklungsministerium?

Bei den Koalitionsverhandlung zur neuen deutschen Bundesregierung steht neben dem Abbau von Steuern, Sozialstaat und Bürgerrechten leider noch ein Punkt auf der Agenda: die FDP fordert die Auflösung des Ministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ). Seine Aufgaben soll fortan das Außenministerium mit übernehmen.

Diese Forderung geht durchaus konkruent mit dem neoliberalen Gedankengut und den Äußerungen Westerwelles zur Entwicklungspolitik, dass diese in erster Linie eigenen (in diesem Fall deutschen) Interessen dienen solle. Auch wurde die Auflösung des Entwicklungsministeriums von der FDP vor der Wahl explizit gefordert.

Eine Auflösung des BMZ und eine “Eingliederung” in ein von einem Neoliberalen geführtes Außenministerium wäre aber nicht nur ein falsches Signal, sondern auch politisch ein falscher Schritt. Bei der Außenpolitik geht es in der Tat in erster Linie um nationalstaatliche Interessen. Bei der Entwicklungspolitik sollte das jedoch anders sein. Auch in den Jahren, in denen dass  BMZ von Unions-Ministern geführt wurde, verfolgte es zum Glück nie eine dermaßen egoistische Poltik, wie die Neoliberalen dies sich vorstellen und wünschen. Entwicklungspolitik entspringt aus einer Einsicht für soziale Verantwortung, auch weltweit, für die Bekämpfung von Armut und Hunger, und nicht nur aus dem Interesse, möglichst wenige Flüchtlinge aus Entwicklungsländern zu haben und diese ungestört ausbeuten zu können.

Ein weiterer Punkt: Nicht umsonst trägt das Ministerium “wirtschaftliche Zusammenarbeit” im Titel. Diese macht einen wichtigen Teil der Arbeit aus, wirtschafts- und finanzpolitischer Sachverstand sind gefordert (und ob da die doch eher auf diplomatischem Gebiet liegenden Qualitäten im Auswärtigen Amt ausreichen, möchte ich eher bezweifeln). Gerade eine Verknüpfung von Diplomatie, wirtschaftlichem und technischem Sachverstand stellte jedoch immer eine Stärke des BMZ dar. Die (eigenständige) Struktur des BMZ bietet praktisch gesehen große Vorteile.

Das BMZ muss als eigenständiges Ressort erhalten bleiben. Es ist kein Wunder,  dass Entwicklungspolitik-Experten von CDU, CSU und SPD, der Linken und der Grünen, Entwicklungsorganisationen und Hilfswerke wie VENRO, Misereor, “Brot für die Welt” und der Evangelische Entwicklungsdienst oder die Kirchen in einer Abschaffung verherrende Wirkungen sehen. Und mehr noch: Deutschland muss endlich seine internationale Zusage einhalten, 0.7% des BIP für die Entwicklungspolitik zur Verfügung zu stellen. Für die Besetzung müssen wir in diesem Politikfeld wohl auf einen Unions-Politiker hoffen, und zwar einen mit einem ausgeprägten sozialen Profil – auch wenn es davon immer weniger gibt. Der FDP wäre gut geraten, diesen Politikbereich, der weder ihren Interessen- noch in ihrem Kompetenzschwerpunkt bildet der Union zu überlassen, und sich mehr auf wahre liberale Stärken zu besinnen: den Stop der unsäglichen Überwachungsstaatsmaßnahmen der Union.

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