Die Staats- und Regierungschefs der Mitgliedsstaaten der EU haben in gewohnt intransparenter Weise hinter verschlossenen Türen die durch den Vertrag von Lissabon geschaffenen neuen Posten ausgeschachert, mit zwei durchaus überraschenden Besetzungen.
Der belgische Premierminister Hermann Van Rompuy wird der erste Präsident des Europäischen Rates. Der als “tiefgläubiger Christ” beschriebene ehemalige Jesuitenschüler und Absolvent einer katholischen Universität stellt dabei den Vertreter der konservativen Parteien. Aufgrund eines üblichen Proporzes hätte eigentlich ein Vertreter der linken das zweite Amt übernehmen sollen. Doch Hohe Vertreterin für Außen- und Sicherheitspolitik soll die britische Baroness und Mitglied auf Lebenszeit des House of Lords Catherine Ashton übernehmen. Sie als Mitglied der Labour Party als Sozialistin zu bezeichnen kann aber nur als mäßig gelungener Scherz betrachtet werden. Schließlich hat New Labour mit der konsequenten Fortsetzung der Wirtschafts- und Sozialpolitik Thatchers mit Maßnahmen wie grenzenlosen Privatisierungen, einem gnadenlosen Aufbau von Workfare-Politiken oder der Einführung von Studiengebühren eine am treffendsten als neoliberal zu charakterisierende Politik betrieben, die sich schließlich auch im Programm der Partei mit einem Abschied vom Ziel der sozialen Gerechtigkeit und eines umverteilenden Sozialstaates ausdrückte. Und mit dem Aufbau eines umfassenden Überwachungsstaates hat Labour eine Innenpolitik zu verantworten, wie sie etwa eine CSU nie durchführen würde. Nein, die Labour Party hat außer ihrer Mitgliedschaft in der Sozialdemokratischen Partei Europas kaum noch Gemeinsamkeiten zu einer sozialdemokratischen oder demokratisch sozialistischen Politik. Ein etablierter Außenpolitiker einer linken Partei wie bspw. Massimo D’Alema war offensichtlich vielen in Europa zu gefährlich.
Konservatismus und Neoliberalismus, Katholizismus und Adel, mit diesen beiden Personen wird nur die Politik fortgesetzt, die auch für die Entstehung des Lissabonvertrages kennzeichnend gewesen ist. Denn dieser Vertrag kann als ein Projekt der konservativen Eliten Europas charakterisiert werden. Er sorgt nicht für eine Beseitigung der demokratischen Defizite der EU (und schafft neue, z.B. dadurch, dass nur die Bürger Irlands über diese umbenannte EU-Verfassung abstimmen durften), er schafft Machtkonzentrationen, schreibt eine marktradikale Wirtschafts- und Sozialpolitik mit weiteren Privatisierungen und Deregulierungen sowie eine Militarisierung und Aufrüstung fest und, schränkt Bürgerrechte ein.
Beide Personen haben aber noch etwas gemeinsam: sie gelten als weitgehend unbekannte und wenig profilierte Gesichter. Ashton hat zudem – auch nach eigener Bekundung – kaum Erfahrung auf dem Gebiet der Außenpolitik. Es kommt also die Frage auf, inwiefern sie sich gegen gestandene und einflussreiche Vertreter der EU-Staaten durchsetzen könnten. Tatsächlich wird es auch offen geäußert, dass die beiden sozusagen der kleinste gemeinsame Nenner und die Kandidaten waren, die am wenigsten Konflikte zwischen den Regierungschefs auslösten. Man scheint Kandidaten gesucht zu haben, die den Vertretern der Nationalstaaten nicht die Show stehlen.
Jedoch muss dies aber – nun kommt die Überraschung – keinesfalls negativ gesehen werden. Den beiden neu geschaffenen Posten mangelt es an demokratischer politischer Legitimität. Die Bürger Europas haben auf sie und ihre Politik so gut wie keinen Einfluss, und auch die Parlamente haben diesen nicht. Ein einziges Treffen der Regierungschefs soll die Legitimation für deutlich umfassendere Kompetenzen und Machtressourcen als bisher darstellen? Dazu kommt, dass die Kompetenzen deutlich in nationale Politiken eingreifen, wie gesagt ohne dafür genügend demokratisch legitimiert zu sein. Die Ausweitung des Mehrheitsprinzips in der EU wird dazu führen, dass wenige vorwiegend konservative Politiker eine Macht über die Bürger und die demokratischen Institutionen sowohl der EU als auch ihrer Mitgliedsstaaten erhalten werden. Insofern sind zwei schwache Vetreter auf den beiden neu geschaffenen Posten das beste, was man sich wünschen kann. Eine Ausweitung der europäischen Integration auf weitere Politikfelder und eine handlungsfähigere Europäische Union sind durchaus wünschenswert – aber nicht, wenn diese derart undemokratisch und intransparent gestaltet ist wie im Vertrag von Lissabon.
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