Neusprech im Überwachungsstaat

Falls es jemand noch nicht kennt, dem sei der Vortrag “Neusprech im Überwachungsstaat. Politikersprache zwischen Orwell und Online” von Martin Haase stärkstens empfohlen:

http://video.google.de/videoplay?docid=-343934689018248257

Das Video gibt es auch beim Chaos Computer Club. Paper und Folien zu dem Vortrag und einen CRE-Podcast (“Neusprech im Schnüffelstaat. Eine linguistische Analyse der Sprache von Politikern”) kann man ebenfalls beim CCC finden.

Außerdem zu dem Thema: Innenministerdeutsch – Des Schäubles kleines Wörterbuch

Wie lassen sich Einschränkungen der Bürgerfreiheit als Gewinn für alle verkaufen? Indem man sie sprachlich vernebelt. Ein Katalog des Neusprech zur Inneren Sicherheit

Share

Neues von Zensursula – patente Spitznamen, Millionen Unterstützer und Vertrauen in den Staat

Zunächst einmal: Frau von der Leyen hat nichts gegen ihren ja durchaus zweifelhaften Spitznamen „Zensursula“.

zensursula

Hat sie der Spitzname „Zensursula” getroffen?

von der Leyen (lacht) Nein. Das fand ich patent. Das gehört zur politischen Auseinandersetzung dazu. (Siehe)

oder gleich nochmal hier:

Welt am Sonntag: Und Ihren Spitznamen?

von der Leyen: Meinen Spitznamen finde ich patent. Viel Feind, viel Ehr’. Wir haben eine lebendige Debatte, da darf man nicht kleinlich sein.

Ja, richtig, sie findet ihn „patent“. Nicht „Patent“ (sich anbietende Wortwitze mit Bezugnahme auf die Urheberrechtsdebatte erspare ich mir), sondern „patent“. Als Adjektiv! Und sie fordert außerdem Benimmregeln für das Internet. Diese Frau scheint wirklich aus dem vorvorletzten Jahrhundert zu stammen… Und nebenbei: ich würde diesen Namen an ihrer Stelle ja nicht „patent“ finden, sondern ganz und gar furchtbar. Selbst wenn sie da anderer Meinung ist, muss ihr doch klar sein, dass sie (für nicht gerade wenige Menschen) für die Einführung einer Zensurinfrastruktur in Deutschland steht.

Ach ja, sie hat ja auch ein sehr, sagen wir, eigenwilliges Demokratieverständnis. So ist sie der Meinung, dass Millionen hinter ihr stehen. Der pantoffelpunk blog führt dagegen sehr schön aus, dass es vielleicht doch eher tausend sind.


Aber nicht nur Zensursula (so darf man sie dann inzwischen vollkommen guten Gewissens nennen) hat ihre Probleme mit demokratischen Instrumenten des Internets. Herr Schäuble meint doch tatsächlich auf dem zweiten Deutschland Online-Kongress, es sei „ein grobes Missverständnis und eine Fehlwahrnehmung, dem Staat im Internet Zensur- und Überwachungsabsichten zu unterstellen.“ Er bittet um Verständnis und Vertrauen! (Einen guten Kommentar dazu gibt es auf Netzpolitik ). Das meint er doch nicht im Ernst, oder? Glaubt er wirklich, dass politisches Taktieren und Schönfärben ausgerechtet dort angebracht ist? Oder glaubt er tatsächlich daran, dass der Staat uns schützen müsse? Vor uns selber? Vor der unmittelbaren terroristischen Bedrohung, die uns allen bevorsteht? Vielleicht auch noch vor der Schweinegrippe…? Vielleicht glaubt er das, dass er uns schützen muss – aber dies durch Überwachung. Denn:

„Oh – großer Lauschangriff, Vorratsdatenspeicherung, Zugangserschwerungsgesetz, Bundestrojaner, Flugpassagierdatenweitergabe an die USA, Überwachung von Konten und Überweisungen, verfassungswidrige Rasterfahndungen und und und, das haben wir uns nur ausgedacht?“

.

Die FDP währenddessen möchte gegen das Internetzensurgesetz nur dann vor das Bundesverfassungsgericht ziehen, wenn es nach der Bundestagswahl keine schwarz-gelbe Regierungskoalition geben wird (vgl.). Was mal wieder zeigt, wieviel für diese Partei wirklich die Freiheit bedeutet, wenn es um Machtinteressen geht. Aber das auch noch so eiskalt zuzugeben, da gehört schon eine ordentliche Portion Dreistigkeit dazu.


Und selbst von den Grünen sind sehr irritierende Töne zu hören. Nur ein paar Auszüge:

Die ignorante Argumentation gegen Internetsperren kommt von Menschen, die es sich in virtuellen Räumen bequem gemacht haben und übersieht die Opfer in der realen Welt.“

„Wer Ego-Shooter für Unterhaltung, Facebook für reales Leben, wer Twitter für reale Politik hält, scheint davon auszugehen, dass Gewalt keine Opfer in der Realwelt fordert. Anders kann die ignorante Argumentation gegen die Internetsperren gar nicht erklärt werden.“

„Da haben sich einige wohl das Hirn herausgetwittert.“

Eine Begründung, warum er diese Tirade veröffentlicht, liefert Matthias Güldner, seines Zeichens Fraktionsvorsitzender der Grünen in der Bremischen Bürgerschaft, wenigstens gleich selbst mit:

„Unser Umfeld kommt zu einem nicht unerheblichen Teil aus den erziehenden Berufen, ist selbst Mutter oder Vater. Die Internetsperren haben Umfragen zu Folge bei ihnen eine hohe Popularität.“

Aber ich frage mich wirklich, was in einem (grünen!) Politiker vorgehen muss, dass er eine derart hasserfüllte Polemik schreibt, dass der härteste Neokonservative eifersüchtig werden könnte.

Wenigstens hat die Bundespartei diese Stellungnahme recht schnell als „nicht erträglich“ und „abweichende Einzelmeinung“ bezeichnet – bei twitter.

Dennoch ist es erschreckend zu sehen, was für Meinungen offensichtlich in fast allen im Bundestag vertretenen Parteien anzutreffen sind.

Share

CDU beschließt Wahlprogramm – ohne Parteitag

Was wird in denn der CDU überhaupt noch abgestimmt (wenn schon nicht das Wahlprogramm)?Es wurde beschlossen, wurde es überhaupt abgestimmt? Es gab jedenfalls keinen Parteitag.

Und auch nach der Wahl soll es auch keinen Parteitag geben.  Weder für das Programm noch für mögliche Koalitionen wird innerparteiliche Demokratie wohl als notwendig erachtet. Und was ist eigentlich mit den einfachen Mitgliedern (gut, das betrifft noch mehr Parteien…)

Und was steht nun in dem Wahlprogramm?

–  Steuern senken – und mit welchem Geld? Gut, es gab ja auch den Vorschlag, die ermäßigten Mehrwertsteuersätze auf Nahrungsmittel u.a. massiv zu erhöhen – was zu einer überproportionalen Belastung der unteren Einkommensgruppen führen würde. Also weiterhin eine Umverteilung von unten nach oben wie in den letzten 25 Jahren. Aber der übliche Stammtisch-CDU-Wähler wird wieder drauf anspringen.

– Abbau der Bürgerrechte und Ausbau des Überwachungsstaates

– Zensur des Internets, stärkerer  Kampf gegen die “Internetkriminalität”. Das Stufenmodell Großbritanniens und Frankreichs, nach dem nach 3 Urheberrechtssverstößen der Internetzugang gesperrt wird, ist zwar aus dem offiziellen Wahlprogramm verschwunden, darauf, dass der Plan tatsächlich fallen gelassen wurde, deutet jedoch wenig hin.

– und eine klare Aussage zu Gunsten der FDP – wenigstens etwas.

Was davon außer dem Überwachungsstaat, wo man ja im Moment dabei ist,  sie nun tatsächlich umsetzen will (und wie), bleibt unklar.

Was sonst noch? Die SPD will die Koalition nicht riskieren, auch wenn das Bundesverfassungsgericht sagt, dass das jetzige Wahlrecht verfassungswidrig ist. Nunja.

Share