Wie China seinen Hunger nach Öl stillt

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Ein Gastbeitrag von Daniel Leiders

Öl ist unbestritten einer der wichtigsten Rohstoffe unserer Zeit, vielleicht sogar der wichtigste. Seitdem wir wissen, welche Möglichkeiten in diesem fossilen Energieträger stecken, stieg der jährliche globale Ölverbrauch immer weiter an. 2008 lag der gesamte Ölverbrauch bei 84 Millionen Barrel pro Tag, bzw. 3,9 Mrd. Tonnen im Jahr. Gleichzeitig jedoch wird das Auffinden neuer Ölvorkommen schwieriger und teurer und die Zahlen für die globalen Ölvorkommen werden kleiner.

Die heutigen wichtigsten Produzenten von Erdöl sind die Länder des Nahen Ostens und Teile Südamerikas. Doch gerade in diesen Gebieten werden kaum noch neue Erdölfelder entdeckt und die älteren Felder werden zusehends leerer. Da wundert es nicht, wenn Staaten und Energiefirmen versuchen, sich über langfristige Verträge für die Zukunft abzusichern; denn ohne Öl dürfte wohl keine Wirtschaft Bestand haben. Obgleich es bereits Ansätze gibt, auf alternative Energien zurückzugreifen, wird es noch eine Weile dauern, bis diese Technologien vollends ausgereift sind. Hinzu kommt, dass diese neuen Technologien aufgrund der hohen Startkosten vorerst nur in den großen Industrienationen, zur Anwendung kommen werden. Die neuen aufstrebenden Nationen werden noch längerfristig vom Öl abhängig sein.

Karikatur: Jenni Energietechnik AG / Orlando Eisenmann (2)

Unter diesen Entwicklungsländern ist die Volksrepublik China das Land mit dem höchsten Ölverbrauch. Tatsächlich liegt es  schon auf Platz zwei der Weltliste der Ölverbraucher – einzig die USA verbrauchen mehr. Und so geistert in der Presse seit einiger Zeit das Bild vom Drachen auf der Jagd nach Öl herum. An diesem Bild ist zumindest insofern was dran, dass China in den letzten beiden Jahrzehnten tatsächlich überall auf der Welt versuchte, Verträge über die Lieferung von Öl oder die Ausbeutung von Ölfeldern abzuschließen. Welche Risiken und Möglichkeiten ergeben sich aus der  Suche nach neuen Ölquellen für China?

Chinas interne Energiesituation und Energiepolitik

Chinas Wirtschaft wächst. Zwar ist auch an China die Wirtschaftskrise nicht spurlos vorbeigegangen, verglichen mit den westlichen Industriestaaten aber noch relativ glimpflich – und die Tendenz geht wieder zum Wirtschaftswachstum. Um dieses am Laufen zu halten, bedarf es Unmengen an Energie. Diese gewinnt China zu knapp 76,6% aus Kohle, da dieser Energieträger in großen Mengen auf dem chinesischen Staatsgebiet zu finden ist (mit 114 Mrd. Tonnen an gesicherten Vorkommen liegt China an dritte Stelle weltweit). Erdöl als Energieträger macht knapp 11,3% aus, Gas 3,9% und alternative Energien (Solar-, Hydro- und Windenergie sowie Atomkraft) nur 8,2%, wobei gerade mal etwas mehr als 1% davon Atomenergie ist. Zwar treibt China den Ausbau erneuerbarer Energien voran, doch wie an den Zahlen zu erkennen ist, steht China hier noch am Anfang dieser Entwicklung.

Hauptenergieverbraucher der chinesischen Wirtschaft ist vor allem der Industriesektor, jedoch hat sich ein weiterer großer Konsument etabliert, welcher zudem noch großes Wachstumspotential beinhaltet: Das Transportwesen. Dieser Bereich erlebte von 1990 bis 2007 einen Anstieg um das Vier- bis Fünffache beim Energieverbrauch, der Industriesektor jedoch nur einen Anstieg um etwas weniger als das Dreifache.

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Der Energiehunger Chinas steigt stärker als seine Wirtschaftsquote. Ein wesentlicher Grund ist mit Sicherheit der steigende Wohlstand. Immer mehr Menschen steigen in die Mittelschicht Chinas auf und werden dabei nicht zuletzt auch Eigentümer eines eigenen Autos. Dieser Vorgang wird zudem von der chinesischen Regierung gefördert, da China die Automobilsparte als einen wichtigen strategischen Eckpfeiler der eigenen Wirtschaft betrachtet. Für 2020 rechnet man damit, dass 158 Mio. private Autos auf den Straßen unterwegs sein werden, 2002 lag die Zahl noch bei 16 Mio. Selbst 158 Mio. entsprächen immer noch nur einer Verteilung von einem Auto pro 10 Chinesen; es würde sich auch hier weiteres Wachstumspotential befinden. Nicht mit eingerechnet sind die 100 Millionen Motorräder und Mopeds (2007), welche aber ebenfalls Benzin verbrauchen.  Es wundert also nicht, wenn im selben Jahr der Verbrauch von Benzin im Bereich Transport fast schon auf gleicher Höhe mit dem Verbrauch im Bereich Industrie lag.

Chinas strategische Ölreserven (4)

Ein weiterer Faktor, der den Ölbedarf Chinas weiter ansteigen lässt, ist die allmähliche Umstellung der Industrie, von einer Schwerindustrie hin zu einer Leicht- bzw. Hightech-Industrie. Vor allem im letzteren Industriezweig stellt Öl ein wichtiges Zwischenprodukt da, wie z.B. bei der Herstellung von Pharmazeutika und Kunststoffen. Ebenfalls wichtig, zumindest für die kommenden Jahre, ist das Vorhaben, ein eigenes System strategischer Ölreserven anzulegen, wie es in den Industriestaaten schon länger existiert. Als letzter Punkt bleibt natürlich die Tatsache, das Öl auch weiterhin für die Gewinnung von Strom in Kraftwerken gebraucht wird, auch wenn China versucht, die Kohleproduktion weiter zu erhöhen und den Atomstrom weiter ausbauen will.

Die Nachfrage nach Öl kann schon länger nicht allein durch die heimische Produktion gedeckt werden. China verfügt zwar über eigene Ölvorkommen und war bis Anfang der 90er Jahre sogar noch ein Exporteur von Erdöl. Mit zunehmendem Wirtschaftswachstum reichte die eigene Produktion jedoch nicht mehr aus. Heute sind die Vorkommen zu einem Großteil ausgebeutet, neuere Ölfelder werden kaum gefunden oder sind wegen ihrer Lage schwer zu erschließen. Neben den sich an Land befindenden Vorkommen existieren noch maritime Erdöl- und Erdgaslager, jedoch verfügt China nur in begrenztem Maße über das technische Wissen, diese Lagerstätten auszubeuten und Offshoreplattformen zu bauen. Außerdem bestehen noch immer Gebietsstreitigkeiten mit Anrainerstaaten um die Abbaurechte.

Für 2008 geht man davon aus, dass China nicht mehr als 2,5 Mrd. Tonnen an gesicherten Erdölvorkommen besaß, was einen Anteil am Gesamterdölvorkommen von 1,2% entspricht. Der chinesische Ölmarkt wird von drei großen Unternehmen dominiert: Der China National Petroleum Cooperation (CNPC), der China National Petrochemical Cooperation (SINOPEC) und der China National Offshore Oil Corporation (CNOOC). Diese Konzerne gehören immer noch zu mehr als 50% dem Staat.


Chinas Suche nach neuen Ölquellen

China muss also, will es seine Wirtschaft ausreichend mit Öl versorgen, sich dieses auch von außerhalb holen. Schon jetzt muss China knapp 50% seines Gesamtölbedarfs importieren, für 2020 wird erwartet, dass dieser Wert sogar auf 70% ansteigen wird. Dabei stehen China und seinen Ölkonzernen zwei Wege offen, ihren Ölhunger zu stillen. Der eine ist, dass Öl auf dem Weltmarkt zu kaufen und gegen andere Bieter wie Firmen und auch Staaten anzutreten. Die andere Möglichkeit besteht in der Absicherung durch Lieferverträge und den Erwerb eigener Ölquellen. China hat dabei eher den zweiten Weg gewählt als den ersten.

Bei der Suche nach neuen Versorgungsmöglichkeiten gibt es mehrere Leitlinien: Eine ergibt sich aus dem Wunsch der chinesischen Regierung nach kompletter Unabhängigkeit von anderen Staaten und dem Prinzip der Selbstversorgung. Man will nicht nur Verträge über die Lieferung von Öl bzw. Ölprodukten wie Benzin abschließen, sondern auch die direkte Kontrolle über Ölfelder erlangen. Vor allem durch die seit 2004 ausgegebene „Going-Out Strategy“ versucht China bei immer mehr ausländischen Ölproduzenten Fuß zu fassen, um so an der Ausbeutung von Ölfeldern beteiligt zu sein, oder sich aber neues technisches Wissen aneignen zu können. Neben dem Erwerb von Ölförderrechten und (Anteilen an) Ölkonzernen versucht China sich über langfristige Lieferverträge abzusichern.

Vor allem die Strategie des Erwerbs eigener Erdölvorkommen, erweist sich als recht schwierig. Zum einen ergibt sich für China das Problem, dass es als recht „junger“ Erdölimporteur viel später auf den globalen und regionalen Ölmärkten auftrat, als dieser schon von den stark etablierten großen westlichen Ölkonzernen beherrscht wurde. Zum anderen gehen immer mehr Staaten dazu über, ihr Rohöl direkt über den globalen Markt zu handeln oder es erst in ihren eigenen Raffinerien zu verarbeiten um es dann weiter zu verkaufen. Der Vorteil dieses Weges liegt darin, dass man in Zeiten, in denen der Ölpreis stark ansteigt, natürlich eine viel größere Gewinnspanne erzielen kann, als wenn man einzelne Ölfelder an Firmen verkauft bzw. langfristige Verträge abschließt, bei denen ein Preis pro Barrel festgelegt wird, der sich eventuell überhaupt nicht an den aktuellen Weltmarktpreisen orientiert. So ist es nicht weiter verwunderlich, dass 85% Prozent des weltweit gehandelten Öls direkt von den Förderländern verkauft wird. Eine Situation die es für China nicht unbedingt leichter macht, sich seinen Anteil am Öl zu sichern.

Die Suche im asiatischen Raum

Der asiatische Raum ist das Gebiet mit den weltweit geringsten Vorkommen an Öllagerstätten, wenn man die großen Teile Sibiriens und Kasachstan nicht mitrechnet. China nutzt den asiatischen Raum v.a., um dort sein Öl weiterverarbeiten zu lassen, er verliert als Chinas Öllieferant aber immer mehr an Wichtigkeit. Stammten noch 1992 59% aller Ölimporten Chinas aus der asiatischen Region, lag dieser Wert 2004 dann bei nur noch 12%. Im selben Zeitraum stieg der Anteil von Ölimporten aus dem Nahen Osten von 37% auf 45%.

Wladimir Putin und der chinesische Außenminister Tang Jiaxuan (5)

Trotz dieser Entwicklung bleiben Kasachstan und Russland wichtige Öllieferanten für China. Doch gerade bei Russland ergeben sich Probleme, welche die Ausschöpfung des eigentlichen Potentials dieser Handelsbeziehungen verhindern. So gibt es z.B. bis heute kein funktionierendes Pipelinenetz zwischen Russland und China, so dass Öltransporte noch immer mit der Bahn angeliefert werden müssen, eine kostenintensive und kapazitätsbegrenzte Vorgehensweise.

Wladimir Putin und der chinesische Präsident Jiang Zemin (6)

Nun soll eine geplante Pipeline von 4700 km Länge mit einer Jahreskapazität von 15 Mio. Tonnen diesem Problem entgegenwirken. Deren Bau wäre auch ein wichtiger Sieg für China über seinen Konkurrenten Japan, welche bis zuletzt versucht hat, den Weg der Pipeline an China vorbei zu führen. Generell stehen Japan, das weit mehr als 80% seines Ölbedarfs importieren muss, und China sich als Konkurrenten gegenüber. In letzter Zeit jedoch scheinen die Regierungen beider Länder zu dem Schluss gekommen zu sein, dass Kooperation produktiver ist als Konkurrenz. So einigten sie sich über die gemeinsame Ausbeutung eines Gasfeldes im ostchinesischen Meer. Auch schon vorher hatte China mit einem Abkommen zur Zusammenarbeit bei der Energiesicherheit mit Indien gezeigt, dass es vermehrt auf Kooperation setzen will.

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Zwischen China und Kasachstan besteht eine Pipelineverbindung, welche 2005 fertig gestellt wurde. Aufgrund der Struktur der Ölkonzerne in Russland und Kasachstan aber kann China sein Leitziel, selbst Ölquellen zu besitzen, gar nicht oder nur mit starken Einschränkungen umsetzen. Hinzu kommt, dass zumindest teilweise an der Verlässlichkeit des russischen Partners gezweifelt werden darf, was sich etwa an der Zerschlagung des russischen Ölkonzerns Yukos zeigte, einen der Hauptlieferanten von russischem Öl nach China. In Kasachstan dagegen hat China auch mit dem Einfluss anderer internationaler Ölkonzerne zu kämpfen.

Insgesamt aber kommen aufgrund der geringen Erdölquellen der größte Vorteil Asiens nur teilweise zum Tragen: Die kurzen und meist über Land geführten Pipelines geben China vor allem mit Blick auf die Seestreitkräfte der USA und das Nadelöhr Straße von Malakka einen gewisse Sicherheit. Dieses Bedürfnis nach Sicherheit führt auch dazu, dass China Abkommen mit Staaten schließt, welche der Westen meidet oder sanktioniert. So plant China eine Pipeline vom Hafen Kyaukryu an der Westküste Myanmars bis nach China zu bauen, um so Myanmar als Ölumschlagplatz für Tanker aus Afrika oder dem Nahen Osten zu nutzen und damit die Straße von Malakka zum Teil zu ersetzen.


Die Suche im Nahen Osten

Der Nahe Osten ist mit einem Anteil von knapp 60% am weltweiten Ölvorkommen unangefochten auf Platz Eins. Dabei wird die Bedeutung dieser Region, zusammen mit Nordafrika, auch in Zukunft weiter zunehmen und 2030 voraussichtlich einen Anteil von 44% an der globalen Ölproduktion haben. Und so verwundert es auch nicht, wenn China versucht, in dieser Region Fuß zu fassen. Dabei sind die wichtigsten Handelspartner Chinas der Iran und Saudi-Arabien (allein beide Staaten zusammen halten 33% der weltweiten Ölreserven).

Schon 1999 schlossen China und Saudi-Arabien eine „Ölpartnerschaft“, welche chinesischen Ölkonzernen Investitionen (wenn auch nur geringe) in der saudischen Ölförderung ermöglicht, was darin mündete, dass SINOPEC eine der ersten ausländischen Firmen seit 25 Jahren war, die im Rub-al-Khali Gasfeld investieren durfte. Im Gegenzug investierten arabische Ölfirmen im chinesischen ölverarbeitende Prozess und trugen somit zu einer Hebung des chinesischen Wissenstandes bei der Ölverarbeitung bei. Wegen grundlegender technischer Problem mit dem Öl aus diesem Gebiet verfolgt China nämlich eine Strategie der „Two imports and one export“, wobei neben Öl auch das technische Wissen der Ölstaaten ins eigene Land gebracht werden soll. Dass China und Saudi-Arabien sich so gut verstehen, ist nicht verwunderlich. Beide Staaten verbindet eine Abneigung gegenüber westlichen Regierungen, welche immer wieder gesellschaftliche Reformen im jeweiligen Land fordern, was Saudi-Arabien genau wie China als „Einmischung in seine inneren Angelegenheiten“ auffasst. Zudem ergänzen sich beide Staaten darin, dass Saudi-Arabien auf seine Ölexporte angewiesen ist, um seinen Wohlstand zu erhalten, genauso wie China aus dem gleichen Grund auf seine Ölimporte angewiesen ist.

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Ein ähnliches Bild ergibt sich bei der Betrachtung der Beziehungen zwischen China und dem Iran. Hier kommt noch erschwerend hinzu, dass der Iran aufgrund seiner Atompolitik von den meisten westlichen Staaten gemieden wird und immer wieder Sanktionen durch die UN erfährt. Außerdem betreibt China auch Ölhandel mit Kuwait, Oman, dem Jemen, Syrien und dem Irak. Vor allem im Irak versucht China wieder Fuß zu fassen, war es doch vor dem Irakkrieg einer der größten Käufer von Öl beim „Oil for food Programm“ der UN. Jetzt, nach dem Krieg, bauen die Hoffnungen Chnas vor allem auf den kurdischen Norden des Irak. Nicht zuletzt die Tatsache, dass es dort kaum Reglementierungen für die Vergabe von Ölkonzessionen gibt, würde es ermöglichen, dort eigene Ölproduktion zu betreiben.

Nichtsdestotrotz bleibt der Nahe Osten eine der großen Krisenregionen unsere Zeit und China ist sich der Gefahr durchaus bewusst, dass dieses „Pulverfass“ jederzeit hochgehen kann. Was dies für die chinesischen Ölinteressen bedeuten könnte, hat China schon zu Beginn des Irakkrieges gelernt, der unter anderem dazu führte, dass Förderpläne von 400000 Barrel täglich im Irak scheiterten. Ein interessanter Nebeneffekt dieser Situation war bzw. ist es, dass China immer weiter von seinen Öl-für-Waffen-Deals abrückt, da man durch einen solchen Handel, im Falle eines ausbrechenden Konflikts, nur sich selbst und seinen Investitionen schaden würde. Damit nimmt China auch den USA  einen der wichtigsten Kritikpunkte an der chinesischen Ölsuche, nämlich, dass diese die Konflikte aufgrund von Waffendeals nur weiter anheizen würde. Die Präsenz der USA ist es auch, die den Nahen Osten als Öllieferant zumindest teilweise risikoreich erscheinen lassen, da fast das gesamte Öl von dort nach China über den Seeweg, welchen die USA kontrollieren, transportiert werden muss. Sollten jedoch Chinas Pläne an einer Beteiligung der Neka Pipeline (vom Iran ans Kaspische Meer) aufgehen und eine kurze Verlängerung der Pipeline gebaut werden, so gäbe es eine direkte Landverbindung zum Transport von Öl vom Iran nach China.

Die Suche in Südamerika

Venezuelas Präsident Hugo Chavez mit Chinas Vizepräsident Xi Jinping (9)

Südamerika kennt nur zwei große Ölproduzenten: Brasilien und Venezuela. Vor allem mit Venezuela und seinem staatlichen Ölkonzern Petróleos de Venezuela tätigt China Geschäfte. 2004 gab es einen Besuch des chinesischen Staatspräsidenten Hu Jintao in Südamerika, bei dem es zu Abschlüssen mit Brasilien, Argentinien und Venezuela über Investitionen in Pipelines, Offshore-Bohrprojekte und Energieinfrastruktur in einem Gesamtwert von 12 Mrd. Dollar kam; zudem wurden auch die Beteiligungen chinesischer Ölfirmen in Ecuador ausgeweitet.

Als großer Nachteil Südamerikas ist für China die große Nähe zu den USA ein beunruhigender Faktor, der dadurch noch genährt wird, dass alle Öltransporte von Brasilien und Venezuela nach China durch den Panamakanal laufen, da es bislang noch kein Pipelinenetz von diesen Staaten an die Westküste Südamerikas gibt. Zweitens bestehen schon Ölabkommen zwischen den USA und Venezuela, welche den Spielraum für chinesische Investitionen einengen. Die Verstaatlichung der Ölkonzerne macht es darüber hinaus für China unmöglich, seine Leitlinie vom Besitz eigener Ölquellen zu erfüllen. Somit dürfte Südamerika wohl auch in Zukunft der am wenigsten wichtige Bezugsort von Öl für China sein.

Der spezielle Fall Afrikas in Chinas Ölsuche

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Was Afrika für China so interessant macht, ist die Tatsache, dass es der Kontinent mit dem größten Wachstum an vermuteten Ölreserven ist. Von 1996 bis 2006 stieg der Wert vermuteter Ölfelder um 56%, wogegen dieser Wert in den anderen Regionen  geringer ist oder gar stagniert. Für 2010 geht man davon aus, dass jedes dritte produzierte Ölfass aus Westafrika kommt. Diese Steigerungsraten sind zum Teil auch nur deshalb möglich, da Afrika lange Zeit von den großen internationalen Ölfirmen gar nicht beachtet wurde. Für den Späteinsteiger China auf dem Ölmarkt war hier die große Gelegenheit.

China ist ohnehin der zweitgrößte Handelspartner für Afrika – auch wenn dies vorwiegend aus Rohstoffexporten (Holz, Kupfer, Diamanten, Öl) resultiert. Auch umgekehrt nimmt China mit Platz Drei bei den größten Investoren eine Schlüsselposition auf dem afrikanischen Kontinent ein. Dabei stehen die afrikanischen Staaten China meist positiver gegenüber als anderen westlichen Nationen, nicht zuletzt weil China sich so gut wie gar nicht um Menschenrechtsverletzungen oder Korruption kümmert. Im Jahr 2000 erließ China außerdem den afrikanischen Staaten Schulden im Wert von 1,2 Mrd. Dollar, was dem Land neue Sympathien einbrachte.

Die Tatsache, dass China auch Kontakte zu so genannten „Schurkenstaaten“ unterhält, wird vor allem von den USA häufig kritisiert, da so verhängte Sanktionen unterlaufen werden. Ein weiterer großer Kritikpunkt ist die Vergabe von zinsgünstigen Krediten, die oftmals ohne Vorbedingungen vergeben werden. Westliche Politiker fürchten, dass somit die Vergabekondition in Hinblick auf Korruption und Transparenz bei Krediten des IWF dazu führen, dass afrikanische Staaten sich nur noch Geld von China leihen, um somit diese Vorgaben zu umgehen. Dabei sind die Kredite, welche China vergibt, keineswegs uneigennützig, sondern meist an Ölkonzessionen oder Großaufträge für chinesische Firmen beim Ausbau der Infrastruktur gekoppelt, so dass ein gewisser Teil der chinesischen Investitionen wieder nach China zurückfließt.

Bis heute streiten Experten darüber, ob diese Vergabepraxis für Afrika Segen oder Fluch ist. So gibt es laut den einen Belege, wonach ein Großteil der für Projekte eingesetzter Arbeiter aus China kommt, andere Quellen berichten, dass von China angestoßene Projekte hauptsächlich heimische Arbeiter beschäftigen und somit den Wohlstand in Afrika erhöhen. Es kann jedoch nicht von der Hand gewiesen werden, dass mit Chinas Hilfe in den entsprechenden Staaten die Infrastruktur zugenommen hat. Dass der Westen diese Kreditvergabe zum Teil so scharf kritisiert, mag auch daran liegen, dass sie die bisherige Vorgehensweise bei der Entwicklungspolitik in Frage stellen. Die meisten afrikanischen Staaten jedenfalls sehen die Investitionen und Geschenke (wie den Schuldenerlass) sehr positiv und nehmen China zu einem gewissen Grad auch als Vorbild eines Entwicklungslandes war (Beijing Consensus).

Das Beispiel Angola

Karikatur: Jenni Energietechnik AG / Orlando Eisenmann (2)

Wann immer der Westen Kritik an Chinas Engagement in Afrika übt, wird man früher oder später auf die Nennung von Angola und vom Sudan stoßen. Dabei wird der Sudan oftmals als Beispiel für Chinas skrupelloses Vorgehen bei der Sicherung von Ölquellen genannt und Angola als Beispiel dafür angebracht, dass Chinas Strategie der Vergabe von zinsgünstigen Krediten die Anstrengungen des IWF unterlaufen, mehr Transparenz in die afrikanische Wirtschaft, vor allem beim Verkauf von Öl, zu bringen. Diese beiden Staaten sind Chinas wichtigste Handelspartner in Afrika in Punkto Öl. Inwieweit die westliche Kritik zutreffend ist, soll nun geklärt werden.

Wirkliche Bedeutung als Öl produzierendes Land erlangte Angola erst ab den 90er Jahren. Chinas Auftritt im Ölsektor Angolas begann im Jahr 2004. Schon 2006 stammten 15% aller chinesischen Ölimporte aus Angola, bis heute nimmt Angola Platz 2 bei den Exporteuren von Öl nach China ein und hatte zeitweise sogar Saudi-Arabien als größten Lieferanten abgelöst. Mit dem Einstieg Chinas in den Ölsektor Angolas kam auch der erste große Niedrigzinskredit in Höhe von 2 Mrd. Dollar, an den China als einzige Bedingung knüpfte, dass 70% des Geldes für Arbeiten an der Infrastruktur Angolas ausgeben werden müssen, welche von chinesischen Firmen verrichtet werden sollten. Zeitgleich brach Angola aller Verhandlungen mit dem IWF über die Vergabe von Entwicklungskrediten ab.

Den Vorwurf, China würde staatliche Kredite dazu verwenden, seine Ölfirmen zu fördern, handelte sich China mit der Tatsache ein, dass die Lizenz des Ölkonzern Total auf Wunsch der angolanischen Regierung an SINOPEC vergeben wurde. Auch bei einem Deal, bei dem Shell seinen 50%-Anteil an einem Ölfeld an eine indische Ölfirma verkaufen wollte, erhielt am Ende ein Jointventure aus SINOPEC und Sonagol den Zuschlag. Obwohl nie ein Zusammenhang von dem 2-Mrd.-Dollar-Kredit und der Vergabe der Konzessionen bestätigt wurde, liegt der Verdacht nahe. Bis zum Jahr 2007 stieg das Gesamtvolumen der von China an Angola vergebenen Kredite auf 12 Mrd.  Dollar an. Fast im gleichen Zeitraum gelang es SINOPEC, Förderlizenzen im Wert von 2,2 Mrd. USD zu erlangen.

Bei aller berechtigter Kritik von Seiten des Westens, dass Chinas Kredite die Bemühungen des IWF unterlaufen, mehr Transparenz in die Ölgeschäfte Angolas zu bringen, muss man auch die positiven Effekte dieser Art des Handels betrachten. So hat Chinas Engagement im Angola zum Start eine Vielzahl von Projekten in Bereichen Bildung, Gesundheit, Wasser und Telekommunikation geführt. Diese Art des „Spill-Over“ Effekts trat und tritt beim Engagement westlicher Ölfirmen in Afrika gar nicht oder nur in wenigen Ausnahmefällen auf. Inwieweit dies eine Alternative bzw. eine Ergänzung zu der sonst üblichen Entwicklungspolitik der westlichen Nationen ist, ist auch heute noch Gegenstand von Debatten.

Das Beispiel Sudan

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Wenn es so etwas wie den chinesischen Sündenfall bei seiner Ölpolitik gibt, dann ist es mit Sicherheit der vom Bürgerkrieg gebeutelte Sudan. Für kein Engagement in einem Land hat China so viel internationale Kritik einstecken müssen. Nachdem  der Bürgerkrieg in den 80er Jahren immer heftiger wurde, verkaufte der seit 1974 im Sudan tätige US-amerikanische Ölkonzern Chevron seine Anteile an eine kanadische Firma. China trat dann 1992 zum ersten Mal im Sudan zum Vorschein und erwarb 1997  einen 40% Anteil der von Chevron verkauften Rechte. Im gleichen Zeitraum zogen sich die USA dann komplett aus dem Sudan zurück und verhängten umfassende Sanktionen, wodurch westlichen Firmen der Zugang zum Sudan versperrt wurde. Im Zusammenhang mit dem andauernden Bürgerkrieg führte dies zu einer immensen Steigerung der Staatsschulden des Sudan, die sich auf dem höchsten Punkt auf 250% des BIP beliefen. Da kam China als neuer Investor gerade recht.

Wie wichtig dem Sudan Chinas Engagement ist, lässt sich unter anderem daran erkennen, dass keine Steuern auf chinesische Ölexporte vom Sudan aus erhoben werden. China schaffte es in nur 10 Jahren, die Produktion von 0 auf 365.000 Barrel pro Tag zu steigern, und machte den Sudan zu Chinas größtem ausländischem Produktionsstandort für chinesisches Öl. All dies kann aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass China in einem Krisengebiet produziert und, auch wenn die Regierung Chinas immer wieder auf das Prinzip der Nichteinmischung hinwies, eine tiefere Verwicklung in den Konflikt unvermeidbar war.

Die großen Ölfelder befinden sich im Süden des Sudan und zu Zeiten des Bürgerkriegs annektierte die Regierung in Khartum diese Felder. Aus Angst vor Übergriffen von Seiten der Rebellen jedoch baute man die dazugehörige Raffinerie 1000 km weiter weg. China finanzierte den Bau einer Pipeline von den Ölfeldern bis zur Raffinerie, welche es ebenfalls mitfinanzierte, und einem Verladeterminal am Roten Meer. Da die Raffinerie nicht nur Öl für China lieferte, sondern auch vom Militär des Nordens genutzt wurde, wurde sie zum Ziel von Angriffen von Rebellen. Man sah sich nun mit der Tatsache konfrontiert, dass die dort beschäftigten chinesischen Bürger den Angriffen zum Opfer fallen könnten. China konnte nun entweder den Sudan verlassen und den Verlust aller bisher getätigten Investitionen akzeptieren; oder es würde eigenes Sicherheitspersonal zur Bewachung der Raffinerie abstellen; oder es würde die sudanesische Armee mit Waffen und Material versorgen, um so einen Schutz der Raffinerie zu gewährleisten. Auch wenn es dafür keine eindeutigen Beweise gibt, entschloss sich Beijing vermutlich für eine Kombination aus der zweiten und dritten Option. Nicht zuletzt aufgrund dieser Ereignisse, wird China immer wieder verdächtigt, Waffen-für-Öl-Programme durchzuführen.

Soldaten der Sudanesische Volksbefreiungsarmee, die eine Autonomie des Südsudans fordert (12)

Infolge des Friedensschlusses im Jahr 2005 sieht  sich China nun einer neuen Situation gegenüber. Die vergangen Jahre hatten die staatlichen Ölkonzerne nur mit der Regierung in Khartum zu tun, nun aber müssen sie auch mit dem Südsudan verhandeln und haben hier aufgrund der Geschehnisse der Vergangenheit große Probleme. Besonders brisant: Sollte es zu einem unabhängigen Südsudan kommen, ist fraglich, inwieweit dieser bestehende Ölverträge zwischen China und der sudanesischen Regierung akzeptiert. China hat dieses Problem bereits erkannt und versucht unter anderem mit dem Bau einer Pipeline, welche dem Süden mehr Unabhängigkeit gegenüber dem Norden gewähren würde, seine Beziehungen zum Südsudan zu verbessern.

Neben den nun beendeten Bürgerkrieg ist es vor allem der noch andauernde Konflikt in Darfur, der China immer wieder ins Zentrum der internationalen Kritik bringt. Unter anderem wirft man China vor, es würde durch die Unterstützung der sudanesischen Regierung indirekt die in Darfur wütenden Dschandschawid-Milizen unterstützen und jeden Versuch von Seiten des Westens, Druck durch Sanktionen aufzubauen, unterminieren. Tatsächlich lies China 2005 eine UN-Resolution zu, welche es erlaubte, Verantwortliche für die Morde in Darfur vor ein internationales Strafgericht zu bringen. Darüber hinaus billigte es auch leichte Sanktionen wie z.B. Reiseverbote. Stärkere Sanktionen, welche wahrscheinlich eine weitaus erhebliche Wirkung zeigen würden, wie z.B. ein Ölembargo, lehnt es jedoch strikt ab.

China ist sich dabei jedoch bewusst, welchen Schaden seine Reputation nimmt, verteidigt aber sein Engagement im Sudan unter anderem damit, dass man aufgrund der engen Wirtschaftsbeziehungen Druck auf die Regierung ausüben kann und zudem mit Investitionen Wohlstand schaffe, welche die Armut beseitigten, die aus Chinas Sicht einer der Hauptgründe für den Konflikt in Darfur ist. Inwieweit China tatsächlich Druck auf den Sudan ausübt, um den Konflikt zu beenden, lässt sich bis heute nicht genau sagen. Zwar ernannten China einen eigenen Gesandten für den Sudan, die Tatsache aber, dass der Konflikt noch immer anhält, spricht für sich selbst. Der Sudan bleibt ein berechtigter Kritikpunkt an der chinesischen Ölpolitik.


Abschließende Bemerkungen

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Chinas eigenes Potential an Ölproduktion ist so gut wie ausgeschöpft und somit bleibt China keine andere Möglichkeit, als sich auf den Weltmärkten umzuschauen. Dabei bemüht sich China, aus sicherheitspolitischen Bedenken, seine Bezugsquellen für Öl möglichst zu streuen und diese dabei auch selbst über die eigenen Staatskonzerne zu besitzen. Zumindest im ersten Punkt ist China durchaus erfolgreich. Dabei ergeben sich jedoch, je nach Region, völlig unterschiedliche Möglichkeiten und Risiken. Und als Späteinsteiger auf dem internationalen Ölmarkt kann China nicht gerade wählerisch sein, was seine Bezugsquellen angeht.

Global gesehen, müssen die westlichen Staaten damit rechnen, dass sich das Rennen um Öl immer weiter verschärfen wird, nicht nur wegen China, sondern auch wegen des Booms Indiens. Tatsächlich wird durch Chinas Engagement in Teilen der Welt, in denen große Ölkonzerne nicht investieren können oder wollen, der Ölmarkt eher entlastet als verschärft. Hinzu kommt, dass China einen Großteil seines Ölbedarfs wohl auch in Zukunft nur dadurch decken kann, dass es Öl vom internationalen Markt kauft. Ein Drache der sich weltweit auf die Jagd nach Öl macht, wie China manchmal in westlichen (vor allem amerikanischen) Karikaturen dargestellt wird, ist das Land nicht. Vielmehr ist es einfach nur ein weiterer globaler Akteur auf dem Ölmarkt, mit dem der Westen lernen muss umzugehen.


Bilder:

(1) Flickr (Fábio Pinheiro) / http://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/2.0/deed.de
(2) Jenni Energietechnik AG / Orlando Eisenmann
(3)
Flickr (SmokingPermitted) / http://creativecommons.org/licenses/by/2.0/deed.de
(4) Picasa (lowem) / http://creativecommons.org/licenses/by-nd/3.0/
(5) Wikipedia (Quelle: www.kremlin.ru) / http://creativecommons.org/licenses/by/3.0/deed.en
(6) Wikipedia (Quelle: www.kremlin.ru) / http://creativecommons.org/licenses/by/3.0/
(7) Wikipedia (Quelle: www.kremlin.ru) / http://creativecommons.org/licenses/by/3.0/deed.en
(8) Flickr (Nour-e Azadi) / http://creativecommons.org/licenses/by-nc-sa/2.0/deed.en
(9) Picasa (Hugo) / http://creativecommons.org/licenses/by/3.0/
(10) Flickr (jdruschke) / http://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/2.0/deed.de
(11) Flickr (mike.benedetti) / http://creativecommons.org/licenses/by/2.0/deed.de
(12) Flickr (United Nations Photo) / http://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/2.0/deed.de
(13) C. Frank Starmer / http://creativecommons.org/licenses/by-nc-sa/3.0/


Text: Daniel Leiders
Bearbeitung: Markus Weber

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5 thoughts on “Wie China seinen Hunger nach Öl stillt

  1. Gerade aktuell noch zum Thema:

    China plant eine Steuer in Höhe von etwa fünf Prozent auf in China aus dem Boden geförderte Energierohstoffe (Öl, Gas und Kohle). Damit sollen die Profite von Energiekonzerne wie Sinopec oder PetroChina umverteilt werden. Damit könnte ebenfalls der rasche Anstieg des Verbrauchs fossiler Energieträger etwas gedrosselt werden. Das geld soll vor allem den eher strukturschwachen Regionen (v.a. im Westen), in denen aber gerade viel Öl und Ergas gefördert wird, zu Gute kommen
    http://www.heise.de/tp/blogs/2/148002

    Behält man im Auge, dass die Energiekonzerne zu über 50% dem Staat gehören und in letzter Zeit hohe Gewinne machten, ist es nur um so konsequenter, diese der Bevölkerung und gerade dort, wo es benötigt wird und effektiv mehr bewirken kann, zu Gute kommen zu lassen, und nicht nur einigen Privatleuten Gewinne zu ermöglichen.

    P.S.: Grad mal flattr-Einbindung für Kommentare ausprobiert. Klappt tatsächlich.

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