Vetternregierung

Nach noch nicht einmal einem Jahr Regierungszeit denkt man, die schwarz-gelbe Bundesregierung habe bereits fast alle Klientelinteressen bedient. Doch sie hat noch viele Vettern, deren Taschen gefüllt werden wollen. Jetzt ist die Versicherungswirtschaft dran: Schwarz-Gelb ist im Augenblick dabei, die Renten-, Kranken- und Lebensversicherung auf private Kapitaldeckung umzustellen und den privaten Versicherungen Gelder zuzuschanzen.

Die Bundesregierung plant, die Lebensversicherer in Deutschland steuerlich zu entlasten. Diese können ihren Kunden zur Zeit weniger Zinsen zahlen als versprochen. Dies ist natürlich ein Offenbarungseid, dass die seit Jahren laufende, von vielen Medien unterstützte Kampagne gegen die gesetzliche Rente und für private Zusatzversorgung von Anfang an ein zum Scheitern verurteiltes Projekt war. Es diente nie der besseren Versorgung im Alter, sondern nur dem kurzfristigen Verdienen von extrem hohen Geldsummen im privaten Versicherungssektor. Nun, da die wirtschaftlichen Realitäten diesen einholen, werden wieder öffentliche Gelder investiert,  um der Finanzwirtschaft weiterhin Gewinne zu ermöglichen.

Auf den Weg weg von der staatlichen hin zur privaten Vorsorge will die Regierung auch andere Versicherungen bringen: So soll die Pflegeversicherung auf private Kapitaldeckung umgestellt werden. Zur Zeit wird sie paritätisch von Arbeitnehmern und Arbeitgebern bezahlt, künftig will man gesetzlich die Bildung eines Kapitalstocks zur Absicherung künftiger Pflegerisiken einführen. Dies bedeutet nicht nur steigende Beiträge, sondern eine Art Kopfpauschale bei der Pflegeversicherung. Wie gut man im Falle eines Falle gepflegt werden wird, wird so vom vorherigen Einkommen abhängen.

Und dies will die Regierung auch im Falle von Krankheiten – eine Zwei-Klassen-Medizin. Das wichtigste Mittel dazu ist natürlich die Kopfpauschale. Der Arbeitgeberanteil zu den Krankenversicherungsbeiträgen wurde auf 7,3%  begrenzt, Kostensteigerungen müssen zukünftig allein von den Arbeitnehmern,  und zwar unabhängig von ihrem Einkommen, in Form einer Kopfpauschale bezahlt werden. Diese Regelung kann aber nur als vorrübergehend gelten, plant die Regierung doch einen grundlegenden Systemwechsel auf einkommensunabhängige Beiträge und das komplette Aus für die solidarische Krankenversicherung.

Dabei will sie außerdem die gesetzlichen Krankenkassen so unattraktiv wie möglich gestalten – und dabei gleichzeitig ihren Kompagnons von den privaten Krankenversicherungen unter die Arme greifen. Als Mittel dafür hat sie nun vor, eine Regelung  zu treffen, dass gesetzliche Krankenkassen ihren Versicherten weniger die eigenen (finanziell lukrativen) Zusatzversicherungen anbieten, sondern ihnen die Angebote von privaten Versicherungen vermitteln sollen.  Ebenfalls soll es größere Einschränkungen bei den Wahltarifen geben. Außerdem wurden  noch andere Regelungen (unter anderem Verkürzung der Bindungsfrist an eine Kasse) beschlossen, die genau dem gleichen Ziel dienen sollen: für die gesetzlichen Krankenkassen eigentlich profitable Bereiche unprofitabel zu machen und ihnen Versicherte abzunehmen, die zu den privaten Krankenkassen wechseln.

Die FDP hatte sogar gefordert, den gesetzlichen Krankenkassen die Zusatzversicherungen ganz zu verbieten, die Regierung nahm aber davon – nach eigenen Angaben “vorerst” –  Abstand. Eine derart unverhohlene Klientelpolitik wäre selbst für Schwarz-Gelb ein äußerst dreistes Vorgehen gewesen; und seit den Entlastungen für Hoteliers weiß man, dass auch die Hofpresse der Regierung einen Punkt hat, an dem es selbst für sie zu viel wird, die Heuchelei der Regierung zu unterstützen. Schon die jetzt beschlossene Regelung ist aber ein so offensichtlicher Versuch, die Lage der gesetzlichen Krankenkassen gezielt zu verschlechtern und den privaten Krankenkassen direkt zu mehr Gewinnen zu verhelfen, dass dies sogar die Springer-Presse bemerkt und nicht schönzureden versucht.

Und auch sonst wird nichts geändert, der unverdeckte Nepotismus wird nicht angetastet: Die Subventionen für Hoteliers bleiben erhalten, den Atomausstieg versucht man am Bundesrat vorbeizumogeln. Mag man der Regierung auch vorwerfen, insgesamt eher wenig tatkräftig zu sein: Wenn es um die Erfüllung der Interessen ihrer Förderer und Gönner geht, ist sie auf voller Betriebstemperatur. Die Klüngel und Hinterzimmerbünde rund um Schwarz-Gelb werden großzügig mit Geschenken aus der öffentlichen Kasse bedacht. Dürfen’s noch ein paar Euro mehr sein? Gerne! Gespart wird bei Hartz-IV-Beziehern, beim Elterngeld, bei der Förderung erneuerbarer Energie oder der Entwicklungshilfe.

Wir sollten aber nicht denken, dass jetzt Schluss ist mit der Vetternwirtschaft.  Es gibt noch genug Gruppen, die man berücksichtigen muss. Was ist zum Beispiel mit, sagen wir, der Rüstungsindustrie, der Gen-Food-Branche, der Content-Mafia, …? Sollen die etwa kein Stück vom Kuchen abbekommen? Das kann doch nicht sein! Und können nicht noch ein paar mehr Bereiche der Infrastruktur und der öffentlichen Daseinsfürsorge in private Hände überführt werden? Wie wäre es mit der Feuerwehr? In den USA klappt das doch auch! Und gibt es nicht immer noch zu viele staatliche Wasserversorger, Krankenhäuser, Schulen? Da muss dringend noch was getan werden! Man muss schließlich unbedingt die Eigenverantwortung der Bürger stärken!

Mit ihrer Politik vergrößern CDU, CDU und FDP die soziale Ungleichheit in Deutschland und lassen neue Spaltungstendenzen entstehen: Die Oberschicht wird protegiert, entlastet und subventioniert, und die Kosten dafür tragen vor allem die ohnehin Armen. Vorhandene Abstiegsängste werden kanalisiert gegen Randgruppen, gegen Zuwanderer, die sich nicht integrieren wollten, gegen Muslime, gegen die als “Loser” Abgestempelten, denen die alleinige Vernatwortung für ihre soziale Lage zugeschoben wird. Diese, so die Ideologie der Neoliberalen, gilt es zu disziplinieren und zu bestrafen für ihre angeblich fehlende “Leistungsbereitschaft”, durch sie, durch die “Leistungsträger“. Eliten und Prekariat, Leistungswillige und Sozialparasiten. Nur die ersteren werden sich die teuren privaten Versicherungen leisten können, nur sie haben Renten, Pflege und Gesundheit “verdient”. Sie sind die Herren der Welt – der Rest ist Abschaum.

Bildquelle: Flickr (x0801) / CC-BY-NC-SA 2.0

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8 thoughts on “Vetternregierung

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  4. diese schwachmaten, lassen aber auch nichts aus, die haben einen stab von mitarbeitern ( besser gesagt, zuarbeitern ) aus der lobbyszene zur verfügung, die ihnen die drecksarbeit machen, sie brauchen dann nur noch, den müll als gesetzesvorlage ein zu bringen, anscheinend, sind sie selbst zu blöd, um zu denken, unsere politiker beweisen ja auch immer wieder ihren schwachsinn in höchster potenz, da stellt sich die berechtigte frage, brauchen wir denn diese nutzlosen blendgranaten?, mit nichten, auf die können wir getrost verzichten, denn würden sie, das machen, wofür sie vom volk gewählt wurden, stimmt ja nicht, sie wurden ja von ihren parteien aufgestellt, hätten sie keine zeit, ihren diversen nebenjob’s nach zu gehen und noch dazu, den steuerzahler für nicht getane arbeit, ihre horrordiäten abverlangen, nicht die kleinen leute auf der strasse, nein sie sind die wahren sozialschmarotzer, die, wenn es um geld geht, jeden, der kleinen leute, schamlos, immer tiefer in die tasche greifen, dieses verbrecherische verhalten, mutet an, als wollten sie das gemeine volk, langsam und allmählich, aushungern, wer aber schafft dann für das bruttosozialprodukt, zahlt die steuern, nährt euch nichtsnutzigen, nichtskönnern, wer finanziert euch dann den wohlstand, ihr selbst?, wohl kaum, da ihr mit eueren fetten hinterteilen, an eueren sesseln klebt, und nicht nur, zwei linke hände habt, sondern keine, ihr habt eueren kopf eh nur zum essen und haare schneiden, ansonsten, ist da ein luftleerer raum, wir brauchen euch nicht, aber ihr hirnlosen, seid auf uns angewiesen, bloss, ob ihr das jemals begreift, sei dahin gestellt.

  5. Dabei gibt es ja das verborgen gehaltene Paradox, dass man “weniger Staat!” nie komplett durchsetzen kann, weil man ja die Staatsgewalt braucht, um die Knechte der Gesellschaft und die Hungernden unter Kontrolle zu halten.

    Ist mir gerade mal aufgefallen.

    Bahnprivatisierung kann dann ja auch wieder voran getrieben werden (Krise ist ja bekanntlich vorbei!).
    Die restlichen Mittel der letzten öffentlichen Unis kann man dann auch einsparen.
    Und aus den USA lernen, indem man Konzernen erlaubt als Repräsentanten im Parlament zu sitzen. Kann ja nicht angehn, dass Demokratie ein staatliches Monopol bleibt!

  6. @ m4rc

    Dabei gibt es ja das verborgen gehaltene Paradox, dass man “weniger Staat!” nie komplett durchsetzen kann, weil man ja die Staatsgewalt braucht, um die Knechte der Gesellschaft und die Hungernden unter Kontrolle zu halten.

    Ja, wo die Neokonservativen noch einen starken Staat wollen, ist bei der Polizei und dem Militär, um möglichen Protest niederschlagen zu können. Äh, ich meine, die Demokratie zu beschützen. Oder das, was sie darunter verstehen. Wie in Stuttgart…

    Kann ja nicht angehn, dass Demokratie ein staatliches Monopol bleibt!

    Eben, auch die Demokratie muss endlich wirklich für den privaten Wettbewerb geöffnet werden! 😀

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