StuPa-Wahl an der Uni Trier: Die Programme der Hochschulgruppen

Vom 7. bis 9. Dezember wird an der Universität Trier das  neue Studierendenparlament gewählt (weitere Informationen gibt es hier).

Dankenswerterweise haben die an der Wahl teilnehmenden Hochschulgruppen dieses Jahr ihre Programme in die Form von 10 knackigen Forderungen gebracht. Da dürfte wirklich für jeden was dabei sein!

Homepage des StuPas


RCDS (Ring Christlich-Demokratischer Studenten)

  1. Zugangstests für die Uni, in form von Mensuren!

  2. Tägliches Verpflichtendes absingen, aller drei Strofen des Deutschlandliedes vor Uni Beginn!
  3. Ich hab nichts zu verbergen: Flächendeckende Videoüberwachung Vorratsdatenspeicherung und Abhören des gesamten Campus gegen die  Bedrohung durch Islamistischen und Linksextremistischen Terror!
  4. Schliessung des Uni Döners wegen der islamistischen Gefährdung!
  5. Demokratie ist nichts für Unternehmen und auch nichts für Hochschulen: Abschaffung aller Gremien der universitären Mitbestimmung, und studentischen Selbstverwaltung!
  6. Umgestaltung des Hochschulrates in einen Vorstand. Besetzt zu mindestens 51% Mit mitgliedern aus der freien Wirtschaft!
  7. Exmatrikulation aller Teilnehmer am Bildungstreik!
  8. In den Cafeterien soll als einziges Getränk Deutsches Bier verkauft werden!
  9. Reinhard-Marx-Universität stadt Karl-Marx-Universität Trier!
  10. RCDS: Denn Gott Will es!
Homepage des RCDS



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Kampf und Krampf der Linken Liste

Ein Gastbeitrag von Simon Stratmann zur Wahl des Studierendenparlamentes an der Universität Trier. Simon Stratmann ist Doktorand an der Universität Trier, Mitglied der SPD sowie ehemaliger Senator und ehemaliger AStA-Referent für Hochschulpolitik.

Marx wurde 1818 in Trier geboren und starb 1883 im fernen London. Lang ist es her und vergessen allemal, so denkt wahrscheinlich die Mehrheit der hiesigen Studierenden. Weit gefehlt: Marx ist nicht tot – jedenfalls nicht in Trier. Dem Ziel, den Marxismus wenigstens organisatorisch am Leben zu erhalten (oder erneut zu gebären?), hat sich an der Uni Trier die Linke Liste (LiLi) verschrieben. Die Gralshüter der Orthodoxie haben auch in diesem Jahr ihre inhaltliche Ausrichtung in ein „Wahlkampfprogramm“ gegossen, wobei die Betonung nach der Lektüre eindeutig nicht auf „Wahl“ und „Programm“ liegen kann.

Man vermisst als geübter Leser der LiLi-Schriften direkt das eigentlich obligatorische Zitat geheiligter Männer zu Beginn (mal Hegel, mal Brecht, falls einem nix einfällt halt Marx; bloß nicht Bakunin oder Trotzki). Aber die ersten Absätze lassen einen dann beruhigt in den altbekannten Flausch des marxistischen Ohrensessels hinabsinken. Runde Tische, Konsensfindung, Interessensvertretung, Kapitalismus/Kapital: böse! Klassenauseinandersetzungen, Systemabschaffung, Arbeiterkinder: gut! (more…)

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Ein Jahr Schwarz-Gelb – eine Bilanz

Die schwarz-gelbe Bundesregierung ist heute auf den Tag ein Jahr im Amt. Wie fällt ihre Bilanz aus?  Hier sollen ein paar der wichtigsten Programme und Maßnahmen der letzten zwölf Monate, Positives und Negatives, zusammengestellt werden, geordnet nach dem Ressort (Ministerium).

Eine Benotung der Kabinettsmitglieder darf bei so etwas natürlich auch nicht fehlen. Einmal habe ich eine, natürlich rein subjektive, Bewertung abgegeben, in umgekehrter Schulnotenform (1 Punkt = Note 6, 6 Punkte = Note 1). Aber natürlich können auch die Leser ihre Stimme abgeben (auf die jeweilige Anzahl Sterne und dann noch auf “Submit” klicken!). Ich bin mal gespannt, wie ihr die Leistung der einzelnen Regierungsmitglieder seht!


Bundeskanzlerin

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Negatives: Ideale, Ziele oder politische Ideen hatte  Angela Merkel sowieso noch nie. Ziel ist nur, so lange wie möglich an der Macht zu bleiben. Merkel turnte ein wenig auf internationalen, und vor allem auf europäischen Konferenzen rum. Dort hat sie aber, unter anderem durch ihr Zögern bei der Griechenlandkrise, riesigen Schaden angerichtet. Sie tut alles, damit sich Europa auf eine ausschließlich wirtschaftsliberale Linie festlegt. Im Innern bestimmen eh andere die Leitlinien der Politik. Worauf es ihr ankommt, ist ihre hierhin-dorthin-Politik irgendwie zu verkaufen. Doch auch das gelingt ihr immer weniger.

Positives: In vielen Bereichen ist es ihr gelungen, die völlig abwegigen Vorstellungen der FDP zu verhindern und mäßigend zu wirken. Auch die (rechts-, national-) konservativen Flügel der Unionsparteien konnte sie eindämmen.

Bewertung (Guardian of the Blind):

2 von 6

Bewertung (Leser):

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RCDS versus Terminator

Der Ring Christlich-Demokratischer Studenten (RCDS, üblicherweise ausgesprochen und betont wie Mercedes ohne M [eːɐ̯ ‘t͡seːdɛs]) gilt gemeinhin als Hort langweiliger Spießer, die neben dem von Daddy finanzierten Jura- oder BWL-Studium ein bisschen die künftige Parteikarriere in der Union vorbereiten und Seilschaften knüpfen wollen in einem Verein, in dem Roland Koch noch als Linksliberaler gelten würde. Auf den Treffen singen sie in Holzfällerhemden und Burschenschaftsbändern das komplette Lied der Deutschen ab, und bringen ansonsten nicht viel zu Stande außer ASten abschaffen zu wollen und gelegentlich bei Wahlen mit Tarngruppen anzutreten, so die verbreitete Vorstellung jedenfalls. Doch diese ist grundlegend falsch! Denn der RCDS macht uns auf ein leider viel zu wenig beachtetes Thema aufmerksam, von dem allerdings noch erhebliche Gefahren ausgehen könnten. Dazu ein Zitat aus dem Grundsatzprogramm des RCDS (“Der Zukunft offen begegnen”, Seite 8):

Der Schnittstelle zwischen Mensch und Technik wird in den nächsten Jahren eine große Bedeutung zukommen. Maschinen können in Zukunft vermehrt selbst zum Teil des menschlichen Körpers werden. Da der biologische Körper ein wesensbestimmendes Merkmal des Menschen ist, lehnt der RCDS es ab, auf eine Ersetzung des biologischen Körpers durch synthetische Organe und Komplexe hinzuarbeiten. Dabei befürworten wir die Bemühungen der Prothetik und Medizin, beschädigte Körperteile durch möglichst ausgereifte Prothesen zu ersetzen. Der Ersatz eines unbeschädigten Teils des Körpers durch eine vermeintlich funktionell bessere Prothese kann und darf aber nicht Ziel dieser Bemühungen sein.

(1) RCDS-Mitglied oder Cyborg? Oder gar beides?

Der RCDS ist also gegen Cyborgs. Richtig gehört! Ja, der RCDS kümmert sich um die wirklich wichtigsten und vordringlichsten Probleme unserer Gesellschaft: Natürlich die, dass sich Leute ihre kerngesunden Körperteile abschneiden, um sie durch Maschinenteile zu ersetzen! Was sonst? Und er hat auch allen Grund dazu, wissen wir doch, was für einen Schaden die Cyborgs in Zukunft anrichten werden: Ohne Zweifel werden diese seelenlosen Robotermenschen bald die ganze Welt unterwerfen und in in eine kalte Technikdystopie verwandeln. Wo früher fruchtbare Äcker waren, wird kahle Ödnis herrschen, und statt Bäumen werden nur noch rauchende Schlote in den Himmel ragen! Eine Maschinenwelt, in der patroullierende Drohnen Jagd auf die letzten verbliebenen Menschen machen.

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Die deutsche Bildungspolitik als ein Mittel zur Sicherung von Egoismus, Konkurrenzdenken und gesellschaftlicher Ungleichheit

In Hamburg ist die Schulreform, mit der eine sechsjährige Primarschule ermöglicht werden sollte, gescheitert. Obwohl es eine breite Unterstützung der politischen Parteien, von der Linken bis zur CDU, gab, wurde sie in einem Volksentscheid abgelehnt. Wie kann man dies erklären und deuten? Ein sehr guter Ansatz bietet sich bei Telepolis: Niederlage für eine solidarische Gesellschaft

Das ist eine Absage an eine Schulpolitik, die davon ausgeht, dass die “stärkeren” Schüler die “schwächeren” beim Lernen unterstützen können und alle davon profitieren. Zur Bildung gehört nach dieser Lesart auch das Ausbilden von sozialen Kompetenzen, wie Solidarität und gegenseitige Unterstützung. Zu Zeiten der Bildungskämpfe der siebziger Jahre waren solche Werte in großen Teilen der Gesellschaft verbreitet. Das ist aktuell nicht mehr der Fall. So liegt das Hamburger Ergebnis ganz im Trend einer Gesellschaft, in der das Prinzip “Jeder ist seines Glückes Schmied” und “Der Schwache ist selber schuld und soll den anderen nicht zur Last fallen” zum Dogma erhoben wurde . Im Umgang mit Flüchtlingen und Migranten drückt sich diese Politik ebenso aus, wie in den Maßnahmen gegen Hartz IV-Empfänger und eben jetzt auch in der Bildungspolitik.

In einer Gesellschaft, in der es als normal gilt, wenn jeder mit jedem in Konkurrenz liegt, sorgen die Eltern dafür, dass damit schon im Schulalter angefangen wird. Ein solidarisches Lernen wird als Konkurrenznachteil für die eigenen Kinder empfunden […]

Dass “Volkes Stimme” wie in Hamburg gegen eine ganz große Parteienkoalition von Union, SPD, Grünen und Linkspartei, die sich für die Primärschule aussprachen, stimmte, kann nur verwundern, wer noch immer noch meint, dass “die da unten” oder auch “der kleine Mann” sozialer abstimmen als die politischen Parteien. Eine solche Vorstellung verkennt, wie stark die Idee der Ungleichheit und des Konkurrenzgedanken in großen Teilen der Bevölkerung Konsens sind.

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Elitenförderung statt BAföG-Erhöhung: Zementierung der sozialen Spaltung

Der Bundesrat hat heute wirklich das denkbar schlechtest mögliche getan und dem Stipendienprogramm der Bundesregierung zugestimmt, die geplante BAföG-Erhöhung aber abgelehnt. Manchmal fällt es tatsächlich schwer, bei bestimmten Vorgängen noch bei einer nüchternen und sachlichen Argumentation zu bleiben, und man möchte den Beteiligten nur noch die übelsten Schimpfwörter an den Kopf werfen. Doch das hilft ja nicht weiter.

Schauen wir uns also einmal an, was das konkret bedeutet. 160.000 der  “leistungsstärksten” Studenten sollen zukünftig mit 300 Euro pro Monat, unabhängig von ihrem Einkommen und dem ihrer Eltern, gefördert werden. Die Hälfte der 300 Millionen Euro Kosten soll aus der Privatwirtschaft eingesammelt werden, die auch über die Verteilung der Mittel mitentscheidet. Die Zustimmung der Länder zu dem Gesetz hat nun ermöglicht, dass der Bund nun die für die Länder vorgesehenen Kosten (bis auf Verwaltungsaufgaben) tragen wird. Für die geplante BAföG-Erhöhung um 2% (die damit sogar noch unter der Inflationsrate gelegen hätte), um durchschnittlich 13 Euro mehr pro BAföG-Empfänger, will man nun kein Geld mehr ausgeben: sie wurde wegen finanzieller Vorbehalte gestoppt. (more…)

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Elitenförderung statt Bildungsrepublik

Freitag letzter Woche hat der Bundestag einige Änderungen am Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG) und die Einführung eines neuen Stipendienmodells beschlossen. Nicht nur bei der Opposition, auch bei den meisten bildungspolitischen Akteuren stoßen diese Maßnahmen jedoch mindestens auf starke Skepsis, bis hin zu klarer Ablehnung – und dies selbst bei bspw. Stipendiantenguppen. Das deutsche Bildungssystem braucht in Wahrheit ganz andere Veränderungen als die von Union und FDP beschlossenen.


BAföG-Erhöhung: nicht einmal die Inflation ausgeglichen

Ab 1. Oktober sollen die BAföG-Sätze um 2%, die Elternfreibeträge um 3% steigen. Außerdem erfolgen eine Verschiebung der Altershöchstgrenze von 30 auf 35 Jahre und ein paar andere Änderungen (die durchaus zu begrüßen sind). Laut Bildungsministerin Schavan sollen so zukünftig 50.000 bis 60.000 mehr Studierende BAföG erhalten. Der Höchstsatz  steigt auf 670 Euro (einschließlich Krankenversicherungszuschuss). Dies wird insgesamt im Durchschnitt 13 Euro im Monat mehr pro BAföG-Empfänger bedeuten.

Nun ist es immer recht populär, Sätze wie “solche Beträge bewirken ja gar nichts!” zu gebrauchen.  Gerne wird dies natürlich von denen getan, denen 13 Euro pro Monat in der Tat egal sein können – kommt man aber gerade so über die Runden, sind 13 Euro mehr im Monat nun einmal 13 Euro mehr. Und natürlich bedeutet der Gesamtbetrag durchaus einen Fortschritt, wie klein er auch sein mag, und insgesamt sind auch positive wirtschaftliche Aspekte wie die Steigerung der Binnenachfrage (da der Großteil direkt wieder in den Konsum gehen wird) zu erwarten.

Alles gut also? Durchaus nicht. Die BAföG-Erhöhungen erfolgten bisher in einem so niedrigen Bereich, dass die deutschen Studenten in den letzten Jahren in Wahrheit immer weniger Kaufkraft besaßen (vgl. auch den BAföG-Bericht der Bundesregierung, z.B. S. 44) – und diesmal ist es nicht anders, denn man muss die Erhöhung natürlich im Rahmen der Inflation sehen. Tut man dies, merkt man, dass sich die angebliche Erhöhung schnell als Täuschung entpuppt. Schon bei der letzten, längst überfälligen Steigerung des BAföGs 2008 (davor 2001!) wurde noch nicht einmal die Inflation ausgeglichen – und es hatte durch die “kalte Progression” auch noch ein zunehmender Anteil von Studierenden den BAföG-Anspruch verloren (siehe DIW).  Auch die jetzt geplante Erhöhung kann nicht einmal mit der Inflationsrate mithalten . Real gab es also sogar eine Senkung der BAföG-Beträge – nur jetzt wieder etwas weniger stark.

Die GEW hält eine Erhöhung der Bedarfssätze und Freibeträge um zehn Prozent für notwendig, um gestiegene Lebenshaltungskosten auszugleichen und den Anteil der BAföG-Empfänger zu steigern. Dass die tatsächliche Erhöhung aber deutlich niedriger ausfällt kann aber nur bedeuten, dass die Bundesregierung dieses Ziel nicht teilt.

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Dies zeigt wieder einmal, dass eine Kopplung des BAföGs  an die Preissteigerung (Verbraucherpreise) unbedingt notwendig wäre. Zudem verharren die Bildungsausgaben insgesamt immer noch auf einem international sehr niedrigem Niveau. Zu Recht mahnt etwa die OECD immer wieder an, dass Deutschland seine Mittel für diesen Bereich dringend drastisch erhöhen müsse, allein schon, um den Anteil der Abiturienten und Studenten auf das durchschnittliche Niveau der Industriestaaten zu heben.


Stipendien für Reiche statt Bildung für alle?

Außerdem wurde letzten Freitag die Einführung eines nationalen Stipendiensystems beschlossen. Bis zu 160.000 der “leistungsstärksten Studenten” sollen dabei gefördert werden. So will die Bundesregierung eine Erhöhung der Zahl der Studierenden mit Stipendien um 8%  (von 2% auf 10%) erreichen. Besonders diese Maßnahme ist heftig umstritten.

Denn die Stipendien sollen einkommensunabängig vergeben werden – auch Kinder von Millionären oder Milliardären werden also künftig von der Gesellschaft 300 Euro monatlich erhalten. Nicht umsonst stehen solche Programme bei Bildungswissenschaftler in keinem guten Ruf. Sie schaffen die soziale Selektivität des deutschen Hochschulsystems nicht ab, nein, sie verstärken sie sogar eher. Das Geld der Steuerzahler wird wenig sinnvoll verwendet und kommt nicht dort an, wo es den meisten Nutzen stiften könnte.

Eine derartige “Elitenförderung”  ist außerdem nicht das, was Deutschland brauche – breite Bildungschancen für alle, eine deutlich höhere Akademikerquote sind vielmehr notwendig. In keinem anderen OECD-Land hängt der Bildungserfolg derart stark vom sozialen Hintergrund des Elternhauses ab.  Das sozial äußerst selektive deutsche Schulsystem führt dazu, dass kaum Kinder aus Arbeiterfamilien die Universität besuchen. Wer erfolgreich aus diesem Schulsystem hervorgeht und damit für ein Stipendium in Frage kommt, stammt meist aus gesellschaftlichen Schichten, die keine weitere finanzielle Förderung mehr benötigen.

Wir brauchen nicht mehr Elite-Studenten und nicht größere Unterschiede der Qualifikationen, wir brauchen mehr Studierende, und dabei vor allem mehr aus sozial weniger privilegierten Schichten. Diese müssen viel stärker als bisher gefördert werden, will Deutschland nicht endgültig im Bildungsbereich zur Zwei-Klassen-Gesellschaft werden. Selbst Bundesbildungsministerin Schavan gesteht zu, dass der Anteil von Studenten aus einkommensschwachen Familien zu gering sei. Mit diesem Stipediensystem wird dies jedoch kaum verändert werden. Die herrschenden gesellschaftlichen Schichten, die sich gerne als Elite betrachten, bleiben unter sich und nehmen die 300 Euro mehr pro Monat auch gerne noch an – benötigt würde das Geld an ganz anderen Stellen.

Selbst bei Stipendianten-Gruppen stößt dieses Modell auf massive Kritik und führte gar zu Demonstrationen vor dem Bundestag. Das Geld wäre besser für eine weitere BAföG-Erhöhung verwendet worden, hieß es von dieser Seie, da es dort auch bei den Studenten, die es wirklich brauchen, ankäme.


Bildung: staatliche Aufgabe oder durch der Privatunternehmen Gnaden?

Die Stipendien sollen zudem zwar von den Hochschulen vergeben, aber zu gleichen Teilen mit öffentlichen und privaten Mitteln finanziert werden. Die Hauptlast der Ausgaben werden aber freilich die Universitäten tragen, wenn man die Verwaltungsausgaben mit einbezieht. Zudem wird befürchtet, dass so gerade kleinere und mittelgroße Universitäten Nachteile haben werden, die sich kaum extra Personal leisten können.

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Das Hauptproblem ist aber, dass dadurch die Privatwirtschaft noch mehr Einfluss auf die Universitäten, auch auf Lehrpersonal und -inhalte ,haben wird, als sie jetzt schon besitzt. Die Verwertungsaspekte werden noch mehr in den Vordergrund rücken, Bildung wird noch mehr zur Ware werden. Vor allem werden natürlich solche Fächer gefördert werden, die unmittelbar den Gewinninteressen privater Konzerne zu Gute kommen. Die Universitäten werden sich weiter der Privatwirtschaft anbiedern, der Erwerb kritischen Wissens wird erschwert werden und soziale Fragen werden in den Hintergrund gedrängt. Man wird überall bedacht sein, nicht allzu kritisch mit den milden Gönnern umzugehen – und vor allem die Dominanz des Kapitals und die herrschende Gesellschaft nicht in Frage zu stellen. Man beißt schließlich nicht die Hand, die einen füttert.

Dem von einem Privatunternehmen geförderten Studierenden wird die Antwort auf die Frage nicht schwer fallen, ob er eine unabhängige Wissenschaft oder das Geschäft seines Mäzen betreibt. Das Humboldtsche Bildungsideal erscheint ihm so nur noch als bemittleidenswerte Anekdote aus früheren Tagen. Schon die Umstellung auf Bachelor/ Master war ein Ausdruck der gesellschaftlichen Dominanz neoliberaler und neokonservativer Gruppen. Mit dieser Maßnahme will die Bundesregierung  und der Freiheit von Forschung und Lehre nun offenbar den Todesstoß versetzen.


Verantwortungsloser Bundesrat – Sparen an der falschen Stelle

Im Bundesrat stehen die beschlossenen Gesetze derweil unter starkem Finanzierungsvorbehalt und sind daher heftig umstritten. Man befürchtet, allein für die BAföG-Erhöhung 530 Millionen Euro bezahlen zu müssen. Der Finanzausschusses des Bundesrats hat nun beschossen, den Vermittlungsausschuss anzurufen.

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Hier zeigen sich die Defizite des fatalen deutschen Bildungsföderalismus. Die Bildungsausgaben werden hier zum Spielball des Geschachers von karriereversessenen Machtpolitikern. Vor allem die Unions-Ministerpräsidenten, allen voran Koch, wollen den von weltweit führenden Ökonomen scharf kritisierten Sparkurs Deutschlands selbst noch auf dem Gebiet fahren, wo er am meisten Schaden anrichten kann – bei der Bildung. Ein solches Verhalten ist selten verantwortungslos.

Der Vorschlag,vorerst die Stipendien-Programm auf Eis zu legen (diese sind wohl auch der – durchaus nachzuvollziehende – Grund, weshalb sich auch bei der SPD eine Ablehnung abzeichnet), wäre dabei durchaus eher zu verschmerzen. Die Kopplung beider Maßnahmen durch die Bundesregierung mag zwar taktisch geschickt sein, doch wäre es auch kein gutes Zeichen, auf eine BAföG-Erhöhung verzichten zu müssen, weil sie auf ihren Elitenförderungswünschen beharrt. Zudem wird die Union unter ihrer Anhängerschaft durch diese wohl auch wenig an Zustimmung erwarten können – nicht mehr Geld für Bildung bereit stellen zu wollen, kommt jedoch in allen Lagern wenig an.


Die Bildungspolitik von Schwarz-Gelb: Ein paar Nebelkerzen und viel Dogmatismus

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Die beschlossenen Maßnahmen lassen das Gerede der Bundeskanzlerin von der Bildungsrepublik wieder einmal als bloße Show und billiges Blendwerk erscheinen, mit dem man sich ein paar nette Schlagzeilen in der Haus- und Hofpresse verschaffen kann, ohne viel dafür tun zu müssen. Das Thema ist sowieso schnell aus der Aufmerksamkeitsspanne der Medien verschwunden, und selbst eine BAföG-Erhöhung unterhalb der Inflationsrate wird von den Jubelpersern der Bundesregierung als Erfolg dieser verkauft.

Am Ende bleiben nur Phrasen wie “Bildung ist unsere Zukunft” oder “Wir haben doch nichts außer der Bildung”  – und sie verhallen schnell in überfüllten Hörsälen und zerbröckelnden Klassenzimmern. Studierenden, die nicht in ein Seminar kommen und deshalb die erbarmungslosen Vorgaben ihres Bachelor-Studienganges nicht einhalten können, werden die 300 Euro für eine kleine Gruppe Privilegierter im Jura- oder BWLer-Trakt nicht viel nutzen.

Wie schon in Folge des Bildungsstreiks und nach den sogenannten Bildungsgipfeln versucht die schwarz-gelbe Bundesregierung, ein paar Beruhigungspillen (wie jetzt die BAföG-Erhöhung) zu verteilen, anstatt die wirklichen Defizite im deutschen Bildungssystem anzugehen. Und sie lenken davon ab, dass in der deutschen Schulpolitik wie der Hochschulpolitik auf eine elitäre, unsolidarische und schädliche Politik gesetzt wird, die auf eine Ausgrenzung der Masse der Gesellschaft von Bildungschancen setzt und die sozialen Unterschiede veschärft, statt Bildung als ein öffentliches Gut, das für alle gleichermaßen zugänglich sein muss, zu etablieren. Die jetzigen Maßnahmen zu den Stipendiensystemen zeigen so wieder einmal, wie sehr in der Bundesregierung eine dominierende neoliberale Ideologie sachgerechte Lösungen unmöglich macht.

Bilder:

(1) Flickr (Björn  Rohles) / http://creativecommons.org/licenses/by-nc/2.0/deed.de

(2) Flickr (Björn Kietzmann) / http://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/2.0/deed.de

(3) Flickr (chris 9773) / http://creativecommons.org/licenses/by-nc/2.0/deed.de

(4) Flickr (Merkelizer) / http://creativecommons.org/licenses/by-nc-sa/2.0/deed.de

Update:

Am Freitag Nachmittag haben zwei Ausschüsse des Bundesrates gegen das Stipendien-Programm gestimmt. Der Bundesrat insgesamt muss aber noch abstimmen. Und dann steht noch der Vermittlungsausschuss offen. Vor diesen kommt eventuell auch die BAföG-Erhöhung.

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Wozu eigentlich Bildung?

Ein Gastbeitrag von Matthias Bohlen

Ja, wozu eigentlich? Nicht, dass es nicht schön wäre, mal was zu wissen, aber der Hessen-Koch kommt doch auch ohne aus. Keine Ahnung, was das mit Zukunftssicherheit zu tun haben soll, aber wenn man schon an Grundfesten rüttelt, warum nicht mal darüber nachdenken, warum die Bildung eigentlich so wichtig ist? Ja, warum brauchen wir eigentlich Bildung?

Klar, für den Einzelnen ist Bildung wichtig, wenn Aufstiegschancen erworben werden sollen. Aber warum muss der Staat für Bildung sorgen? Sicher nicht, weil das Konstrukt aller Bürger so explizit menschenfreundlich ist – ob es das ist, liegt schließlich an den Mitgliedern. Doch ist es für den deutschen oder jeglichen Industriestaat damit getan, Bildung zu fördern, um die bisherige Vormachtstellung und den technischen Vorsprung zu halten? Sind es lediglich ökonomische Gründe?

Das Problem der gegenwärtigen Bildung ist, dass keiner weiß, sich darüber auch nur ansatzweise im Klaren ist, warum sie wichtig ist – und genau das entwertet sie. Bildung ist nicht wichtig um ihrer selbst willen. Bildung bietet die Fähigkeit zum Problemlösen. Deshalb brauchen wir eine kreative Bildung. Keine Schmalspur-Wissenschaft, sondern breit ausgebildete Akademiker, die über den Tellerrand schauen, die ihre Potentiale in Gänze nutzen.

Karl PopperNatürlich könnte man heute sagen, wir hätten doch alles wichtige, mehr bräuchte man nicht, warum also noch Bildung? Genießen wir das, was wir haben, genießen wir das Leben und gut ist. Doch diese Möglichkeit besteht, vor allem für die jüngere Generation nicht. Sie sieht sich mit Problemen konfrontiert, die den Zusammenhalt der Welt in Frage stellen. „Alles Leben ist Problemlösen“, so der Titel eines Buches des Philosophen Karl Popper, und die Bildung ist das Werkzeug dazu. Die Bildung muss, unter Anderem, als Werkzeug begriffen werden. Doch wie jedermann weiß, ist ein Zimmermann ein schlechter Handwerker, wenn er nur den Hammer bedienen kann, ohne zu wissen, wo er vielleicht Hilfe von Anderen benötigt. Nicht zuletzt braucht es Kreativität. Und die bekommt man nicht durch Schmoren im eigenen Saft, mit streng parametrisierten Ausflügen in fremde Fachgebiete, die bestenfalls ein unscharfes Zerrbild vermitteln können.

Diese streng modularisierten Ausflüge in andere Fächer bringen nichts. Für den einen, der nur schnell durchkommen will, den Fachidioten in spe mag es noch ein wenig nerven, wenn man sich über ein Semester lang mit irgendeiner Vorlesung befassen muss, die auf unterstem Niveau andere Fachrichtungen erklären und repräsentieren soll. Für den, der wirklich Umwege macht, und machen will, bedeutet dass, dass er sich um einen Haufen Prüfungen kümmern muss, die alle nicht zusammenpassen, von Fächern die wild aus sog. Elementen zu Modulen zusammengewürfelt wurden. Ein tieferes Einsteigen in andere Fachgebiete wird nicht geschätzt oder als sinnvolle Erweiterung des Horizontes gesehen, sondern lediglich als zeitlicher Mehraufwand ohne Mehrwert. Im Gegenteil, die neuen Studiengänge sollten ja gerade die „employability“, also gewissermaßen die „Berufsbefähigung“ erhöhen, geradezu zum goldenen Kalb machen. Aber ist es nicht so, dass 2 Jahre mehr, die man in seine Persönlickeitsbildung investiert hat, auch diese Berufsbefähigung erhöht? Eine intensive Beschäftigung mit anderen Themen, als dem Hauptstudiengebiet lässt zudem eine neue geistige Elite heranwachsen, und wo sollte ein geistiger Eliteanspruch sein, wenn nicht an den Universitäten, weil diese Zusammenhänge zwischen den Fachrichtungen erkennen können. So können von vornherein Fehler und Irrtümer, die auf Unverständnis, auf Inkompatibilität der einzelnen Menschen in einer Gruppe, sei es zur Arbeit oder auch nur eine andere soziale Gruppe, vermieden werden. Das zweite goldene Kalb ist aber die Fixierung auf ein schnelles Studium. Das vermittelt aber nur stark verdichtetes Wissen über die Problemlösung von Spezialfällen, nicht aber die Fähigkeit, mit neuartigen Problemen umzugehen. Grundlegende Forschungsprinzipien werden nicht oder nur am Rande thematisiert. Hier wäre also eine grundlegende Umgestaltung nötig, weg vom Turbo-Studium, hin zum Twainschen Bild des Bummelstudenten, der seinerzeit nach Deutschland kam und die Universitäten bewunderte – man ging einfach hin und studierte, was man wollte. Es wurde niemand schief angeschaut, nur weil er ein bisschen durcheinander studierte. Wohlgemerkt war das im 19. Jahrhundert. Wer wollte behaupten, wir könnten uns das heute nicht erlauben? Von einem derartigen Bildungsideal sind wir heute leider weit entfernt.

Betrachtet man das gegenwärtig die Universitäten, sieht man ein Bild erstarrter Systeme, die studentisches Lernen in engen Bahnen hält, fachlich stark abgeschottet und streng an vorgegebenen modulierten Arbeitsaufwand orientiert. Unter dem Vorwand, Vergleichbarkeit und Flexibilität zu schaffen, wurde jeglicher Anflug von Flexibilität unterminiert, die Vergleichbarkeit ist ebenfalls nur scheinbar gegeben. Wie also zu einer Bildung finden, die dem Namen gerecht wird, dem Begriff eines Mittels zum Zweck des Fortbestandes der Menschheit in einer Welt, die besser ist als heute, die mehr Menschen ein Leben nach eigenen Vorstellungen ermöglicht. Wie kann eine derartige Bildung aussehen?

Nochmal: Eine Bildung, die nur um ihrer selbst Willen betrieben wird, läuft sich tot. Es füllt weder die zu bildenden aus, noch bringt es ein Verständnis mit sich für die Sinnhaftigkeit, die dieser Bildung innewohnt. Mir schwebt eine Bildung vor, die ein tieferes Verständnis fördert. Sei es in der Physik (meinem persönlichen Studiengebiet) und anderen Naturwissenschaften, in ökonomischen Studien, in Geisteswissenschaften oder Künsten. Es ist gerade das Gegenteil der Bildung, die existiert und weiter in Richtung Verwertbarkeit getrieben wird – wir können es uns nicht leisten, in gewohnten Bahnen zu bleiben und diese nutzen zu wollen. Wir brauchen ein neues, verrücktes Denken, Grundlagenforschung, kritische Überprüfung von Althergebrachtem, die stetige Erneuerung des Wissens durch ständiges Hinterfragen, was wir wissen.  Wie heißt es so schlicht wie flapsig? „Wissen ist nur der Stand des letzten Irrtums!“ Was hochtrabend philosophisch als Suche nach dem Wahren bezeichnet wird, ist die beste Chance auf Fortschritt, auf Erkenntnis. Wenn Probleme nicht mit dem aktuellen Wissen gelöst werden können, oder es große Einbußen an Komfort bedeuten würde, dann sollte man vielleicht anfangen, über ganz neue Dinge nachzudenken.

Humboldt-Universität zu Berlin
Humboldt-Universität zu Berlin. http://www.flickr.com/photos/zug55/4042967469/ unter http://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/2.0/deed.de

Mit all dem vorhergegangenen meine ich auch ausdrücklich die Kunst. Wenngleich Musik die Erderwärmung nicht stoppen wird, ein Bild nicht mehr Wasser aus dem Wüstenboden holt und eine Skulptur keine Hungersnöte beendet, so ist der Mensch doch ein ästhetisch veranlagtes Wesen. Warum ein Nachkommen dieser Veranlagung, dieses natürlichen Triebes sinnvoll ist? Ganz ehrlich, ich weiß es nicht. Es rührt an den Sinn des Lebens, den ich ebenso wie alle anderen Menschen dieser Erde nicht kenne. Aber jeder wird wohl anerkennen müssen, dass auch Künste Völker verbinden können, Gräben überwinden, oder einfach nur das Leben schöner machen. Schon die griechische Philosophie teilte sich in die Grundströmungen des Wahren, des Guten und des Schönen auf, Logik, Ethik und Ästhetik. Über Logik und Ästhetik habe ich mich bereits ausgelassen, doch wie steht es mit dem Guten? Wo findet man an einer Universität das Gute? Nur in den philosophischen Fakultäten. Doch die werden von anderen Fachrichtungen häufig kritisch beäugt, bringt doch ihre Wissenschaft keine direkt verwertbaren Erkenntnisse. Speziell die Ethik bringt Sätze hervor, die beginnen mit „Du sollst…“, was heute einen negativen Beiklang hat. Es klingt nach Hilflosigkeit der Politik. Dass es kaum einen anderen Weg gibt, um Menschen von einer bestimmten Denkrichtung hinsichtlich eines weltlichen Problems gibt, als ihnen zu erklären, warum sie es sollten, wird in meinen Augen in den allermeisten Fällen vollkommen verkannt. Dass die Philosophie sich derartigen Anfeindungen stellen muss, ist teilweise auch selbstverschuldet. Es gibt viele hübsch verklausulierte Sätze, die Bildung heucheln, meist von schlechten Philosophen, auf die dann Journalisten hereinfallen, wenn sie nicht selbst das Philosophieren gelernt haben (wobei im Bezug auf das Philosophie treiben das Wort „lernen“ nicht mit dem ein Einklang zu bringen ist, was aktuell als Lernen bezeichnet wird). Es mag auch viele gute Philosophen an den Unis geben. Tatsache ist doch, dass diese sich wieder vermehrt selbstbewusst an die Oberfläche trauen müssen. Wenn jemand sagt, er studiere Philosophie, dann haben wir erst dann einen Schritt in die richtige Richtung getan, wenn die Antwort ist: „wow“, und nicht mehr „Und davon kann man leben?“ oder „Und was macht man damit?“

In Verbindung damit steht auch das Humboldtsche Bildungsideal, das  sich auf eine ganzheitliche Ausbildung fixierte. Das heißt nicht, dass jeder alles können muss, Gott bewahre, das wäre von ausnahmslos jedem Menschen zu viel verlangt. Doch es wäre eine Hinwendung zu einer Bildung, die Verständnis um die Zusammenhänge liefern soll, zum Fachgebiet, das eigentlich hauptsächlich behandelt wird. Darüber hinaus muss die Universität die Aufgabe übernehmen, Vordenker zu entwickeln. Wo sonst sollten sich Menschen Gedanken machen, und diese Aufgabe, diese stetige Suche, die Idee eines Nachdenkens über die eigene Bezugsgruppe hinaus, wo sonst sollte diese Idee weitergegeben werden? Sicher, es gibt auch kluge, nicht studierte Leute. Doch diese werden gern geschnitten, ob ihres Mangels an akademischen Graden und es sind bei weitem doch nicht genug, um später die Geschicke eines Landes als Vordenker, eben als geistige Elite zu gestalten. Sie müssen als Mittler dienen zwischen Politik, die die Wünsche der Menschen umsetzen soll und den Menschen selbst, die zwischen den Denkrichtungen wählen sollen, denen aber auch diese verschiedenen Richtungen erklärt werden müssen. Nicht jeder hat die Fähigkeit, selbst derart tiefgreifende Gedankengänge zu verstehen, wie es in der akademisch-philosophischen Ausbildung notwendig wäre. Dennoch haben auch diese Menschen eine Stimme und diese weniger wertzuschätzen als die eines Akademikers wäre mindestens eine gewisse Geringschätzung des demokratischen Gedankens.

Doch nach all diesen idealistischen Begründungen gibt es auch ganz profane Aspekte, die eine deutliche Umstrukturierung der Bildung notwendig machen.Es müssen mehr junge Menschen an die Unis. Es wird immer weniger Arbeitsplätze im produzierenden Gewerbe geben und nicht zuletzt ist jedem ersichtlich, dass andere Länder billiger produzieren können, was also entweder dauerhafte Subventionen erfordert oder andere Arbeitsplätze. Diese ganz profanen Gründe leuchten ein, doch das wichtigste Grund, viel mehr in Bildung zu investieren, ist schlicht der Fortbestand einer Erde, die eine ausreichende Lebensgrundlage für die Menschen bietet. Wenn wir es heute schon nicht schaffen, alle Menschen zu ernähren, obwohl die Erde es eigentlich hergibt, wie sollen wir es in Zukunft schaffen, wenn nicht durch mehr Forschung und dafür auch durch mehr Bildung? Das schließt natürlich die Schulen mit ein. Um mehr Kinder und Jugendliche auf die Universitäten vorzubereiten, muss ein Studium einen Anreiz darstellen. Wenn heute beim Arbeitsamt erzählt wird, man sollte mit einem Abitur ohne 1 vorne durchaus eine Ausbildung in Betracht ziehen, ausdrücklich auch bei Natur- und Ingenieurwissenschaften, halte ich das für fatal. Gerade da gibt es viel zu wenige Bewerber, um den Bedarf zu decken. Möchte man die Forschung weiter ausbauen, bräuchte es also noch viel mehr Anfänger. Doch auch in anderen Bereichen, beispielsweise beim Lehramt, ist der Bedarf riesig. Dazu muss aber eine Schule zum Lernen motivieren. Einzelbetreuung darf kein Fremdwort bleiben – doch genau das wird es bleiben, wenn die Klassen immer noch mit 30 oder mehr Kindern und Jugendlichen besetzt sind. Die unterdurchschnittlich Begabten werden abgehängt, kommen kaum mit und sind demoralisiert, weil sie jeden Tag im Unterricht und auch in Form von Noten mitbekommen: Egal, wie ich mich anstrenge, ich komme nicht gut weg. Und die überdurchschnittlich Begabten? Tja, die werden künstlich klein gehalten, obwohl diese viel schneller lernen könnten. Im Sinne des Frontalunterrichts, der bei derartigen Klassenstärken nahezu die einzige Möglichkeit bleibt, langweilen sie sich und erfahren Lernen nicht mehr als etwas anstrebenswertes. Ich habe selbst erlebt, wie Kreativität rigoros unterdrückt wurde, Selbstdenken bestraft wurde, selbst der viel zitierte Einsatz für die Leistungsschwächeren sanktioniert wurde, weil ja „auch sie dem Unterricht folgen müssen“, der offensichtlich für sie in etwa so fordernd ist wie das Aufeinanderstapeln dreier Duplo-Bausteine. Sie haben genauso wenig Erfolgserlebnisse, wenn nicht die Eltern oder einzelne Bezugspersonen (wie z.B. ein einzelner ausnehmend guter Lehrer, der zudem noch Zeit und Kraft für diese persönliche Förderung hat) viel Zeit und, nicht zu vergessen, Geld dort einsetzen (natürlich vorbehaltlich der bloßen Möglichkeit).

Die konkrete Ausgestaltung von Früherziehung, Schulbildung und Akademischen Einrichtungen zu diskutieren, würde an dieser Stelle zu weit führen. Wichtig ist nur: Bildung ist wichtig. Lebenswichtig. Für die Welt: Überlebenswichtig. Wenn wir nicht weiter forschen, und wir brauchen schließlich Bildung, um bisher gewonnenes Wissen weiterzugeben, handeln wir nicht nur einem natürlichen Trieb zum Trotz, wie verbauen die Möglichkeit, die Welt zu gestalten, so dass sie für alle Menschen besser wird. Und für jeden Einzelnen.

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Die Beschlüsse der Kultusministerkonferenz: nichts als ein paar Beruhigungspillen

Die Bildungsminister der Bundesländer haben gestern mit den deutschen Hochschulrektoren als Reaktion auf die seit Wochen unter dem Begriff “Bildungsstreik” laufenden Studentenproteste einige wenige kleine Verbesserungen an den Bachelor-Studiengängen zugesagt, die restlichen Forderung nach Aufhebung der vielen Defizite im deutschen Bildungssystem aber unangetastet gelassen.

Dauer des Bachelor-Studiums: Ein Bachelor-Studium darf zukünftig anstatt höchstens sechs  nun bis zu acht Semester dauern. Eigentlich eine gute Sache. Der Witz an dieser Sache aber, der diese mindestens als eine Mogelpackung offenbart (in anderen Bereichen würde man wohl von arglistiger Täuschung sprechen) ist aber, dass Bachelor und Master weiterhin auf eine Dauer von höchstens zehn Semestern beschränkt bleiben. Der Master müsste also bei einem achtsemestrigen Bachelor in zwei Semestern gemacht werden, womit alle Vorteile, die man sich auf den ersten Blick erhofft hat, schnell verpufft sind und sich ins Gegenteil verkehrt haben. So viel Dreistigkeit muss man erstmal haben, dies als Erfolg zu verkaufen. Aber die haben sich unsere für die Bildungspolitik zuständigen Politiker ja in jahrelangen Parteikarrieren antrainiert.

Weiterhin Beschränkung des Masters: Der Zugang zum Masterstudium soll auch weiterhin nicht für alle Bachelor-Absolventen möglich sein. Den einzelnen Hochschulen bleibt es  selbst überlassen, ob sie dort Hürden konstruieren. Denn der Bologna-Prozess wird in seinem Wesen nicht angetastet, und Ziel des Bologna-Prozesses ist nun einmal, viele billige Schmalspustudiumsabsolventen mit einem auf die Verwertbarkeit für die Privatwirtschaft zugeschnittenen Studium einerseits und einige wenige “Eliten” andererseits zu produzieren.

Reduzierung der Arbeitsbelastung und der Prüfungslast: Die Arbeitsbelastungen des Studiums, die in den Bachelor-Master-Studiengängen penibel zugeteilt ist (die “Leistungsgesellschaft” duldet nun mal keine “Bummelstudenten”) soll von derzeit 40 Wochenstunden und 46 Wochen pro Jahr auf 32-39 Wochenstunden in 46 Wochen pro Jahr reduziert werden. Diese Arbeitsbelastung, die durchschnittlich berechnet und mit zweifelhaften Methoden geschätzt wird, sei “als Richtschnur” nun “vertretbar”. Zu großzügig! Und nicht mehr wie bisher nach jeder einzelnen Veranstaltung wird nun zwingend eine Prüfung geschrieben (an alle, die noch in den Genuss eines Magister- oder Diplom-Studiums kamen oder kommen: das ist kein Scherz!), sondern “nur noch” nach jedem Modul (in disen sind oft 2 oder 3 Veranstaltungen zusammengefasst). “Überzählige Prüfungen” sollen so abgeschafft werden. Ja, richtig gehört, es brauchte wirklich erst Proteste, um überflüssige, also unnötige und nur mehr Arbeitsaufwand für Studierende wie Lehrende produzierende Prüfungen abzuschaffen.

Leichtere Anerkennbarkeit von Leistungen: Der einzige wirkliche Fortschritt ist wohl, dass bei einem Hochschulwechsel (an andere Unis, in andere Bundesländer und ins Ausland) die Püfungsleistungen endlich leichter anerkannt werden. Diese größere Internationalisierbarkeit des Studiums war der vorgeschobene Grund für den Bologna-Prozess, und nicht einmal unsere Bildungspolitiker wären so unklug, nicht wenigstens diese Fassade vor den wahren Interessen hinter diesem Prozess nicht zerfallen zu lassen.

Das war alles. Wirklich. Alles. Das. Alle anderen Forderungen der zehntausenden protestierenden und streikenden Schülern und Studierenden, die Forderungen der Lehrenden, die von Gewerkschaften (wie z.B. der GEW) und politischen Gruppierungen wurden mit keinem Deut bedacht.

Weiterhin soziale Selektivität, weiterhin Unterfinanzierung: Die zahlreichen gezielt gesetzten sozialen Selektionsmechanismen des deutschen Bildungssystems sollen nach dem Willen der Kultusminister weiterhin Bestand haben. Die Frage der Studiengebühren und der Erhöhung des BAföG-Satzes wurden nicht angesprochen.  Und es  steht keine Aufhebung der Unterfinanzierung des deutschen Bildungssstems  in Aussicht. (Der Anteil der Bildungsausgaben ist im letzten Jahr noch gesunken, und Deutschland steht hier  in der OECD auf dem drittletzten Platz  – ebenso bei der Anzahl von Hochschul-Zugängern, bei den Absolventen steht es auf dem viertletzten.) Das Geld wird ja jetzt für die Hoteliers gebraucht.

Für die Privatwirtschaft, wie die Privatwirtschaft: Die Demokratisierung der Hochschule wird nicht vorangetrieben, im Gegenteil: die an vielen Hochschulen begonnene Umwandlung zu einer autoritären und hierarchischen “Führung” nach dem Vorbild der Privatwirtschaft geht weiter, ebenso die stärkere Orientierung der Hoschulen an den Gewinninteressen der Privatwirtschaft. Der Bologna-Prozess wird bedingungslos befürwortet.

Keine Verbesserung für die Schulen: Die deutschen Schulen verbleiben in der selben Lage wie vorher. Forderungen wie die einer Abschaffung des dreigliedrigen Schulsystems und des Abiturs nach 12 Jahren finden, wie es zu erwarten war, noch nicht einmal eine Erwähnung, geschweige denn eine Unterstützung.

Nur eine Beruhigungspille: Insgesamt muss man sagen, dass das Papier der Kultusminister mit den zugesagten Verbesserungen nicht viel mehr als eine Beruhigungspille, die aus dem Arzneischrank der Kultusminister gezaubert wurde, wie der Freitag schreibt, darstellt. Schaufensterpolitik, Schaumschlägerei, es gibt viele Begriffe dafür. Nur ein paar kleine Verbesserungen auschließlich am Bachelor-Studiengang, die den Bologna-Prozess  insgesamt unangetastet lassen und alle anderen Probleme der Bildungspolitik ausblenden, zeugen mindestens von einer grotesken Kurzsichtigkeit. Man könnte auch unterstellen, dass weitere Veränderungen gar nicht gewollt sind. Wie viel davon und wie schnell das ganze überhaupt umgesetzt wird, bleibt überdies in vielen Fällen unklar. Schließlich, so der baden-württembergische Wissenschaftsminister Frankenberg, funktioniere die Umsetzung solcher Beschlüsse auch “nicht in allen Fällen von heute auf morgen”.

“Jetzt ist doch auch mal gut!”: So kann man der medialen Öffentlichkeit ein angebliches Eingehen auf viele Forderungen der Schüler und Studenten vorgaukeln, ohne in Wahrheit allzu viel zu ändern. “Jetzt muss aber endlich mal Schluss sein mit diesen Protesten!!” ist die Reaktion, die erzeugt werden soll (und ja auch von KMK und HRK geäußert wurde). Mit diesen Maßnahmen wird Deutschland nicht die propagierte Bildungsrepublik, sondern weiterhin den anderen Industriestaaten hinterherhinken. Und ein weiteres Absinken ist wohl vorprogrammiert.

Die Proteste müssen weitergehen: Der Blick der Protestierenden nun muss klar sein, um zu erkennen, was ihnen da verkauft wird – und dass man sich damit, mit nur ein paar Beruhigunspillen, nicht abspeisen lassen kann. Eine echte Veränderung des deutschen Bildungssystems bleibt genauso so notwendig wie sie es vorher war.

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Hintergründe zur deutschen Bildungspolitik

Ein paar interessante und lesenwerte Artikel und Kommentare zu aktuellen Entwicklungen und zu den Hintergründen des deutschen Bildungssystems:

Geldsorgen halten Abiturienten vom Studium ab (SPON)

Chaos an den Unis, marode Gebäude – doch die Studenten studieren so gern wie nie zuvor, behaupten Bildungspolitiker. Das stimmt nicht: Einer neuen Studie zufolge fängt ein Drittel der potentiellen Studenten kein Studium an, weil es ihnen am Geld fehlt und Studiengebühren sie abschrecken.

Bundespräsident zur Bologna-Reform:  Köhler rechnet mit Hochschulpolitik ab (Stern.de)

Bundespräsident Horst Köhler geht mit den Verantwortlichen für die deutschen Unis scharf ins Gericht: Der Hochschulbereich leide an einer “chronischen Unterfinanzierung”, an “schlechten Betreuungsquoten, maroden Gebäuden und mangelnder Infrastruktur”.

Marodes deutsches Bildungssystem erzeugt 2,8 Billionen Euro Folgekosten (TELEPOLIS)

Die Bertelsmann Stiftung hat die Folgekosten der unzureichenden Bildung ausgerechnet und fordert Chancengleichheit. Aber warum macht sie das?

Doch die Bertelsmann Stiftung ist flexibel, wenn es um ideologische Vorgaben geht. Dem Autor ihrer aktuellen Studie [extern] geht es vor allem darum, dass am Ende “die Rendite stimmt” und das System der freien Marktwirtschaft von einer möglichst großen Bevölkerungsgruppe akzeptiert wird. Zu diesem Zweck sollen die Startchancen für den Einzelnen optimiert und bildungspolitische Bestandsgarantien – etwa für das dreigliedrige Schulsystem – notfalls veräußert werden, so dass die während der laufenden Studentenproteste vielfach geäußerte Systemfrage gar nicht erst gestellt werden muss.

Die Bertelsmann-Hochschule (Lowestfrequency)

Bevor man haarsträubende Fehlinformationen hört bezüglich des „Hochschulfreiheitsgesetzes“, das ja die Universitäten unglaublich frei macht (an dieser Stelle mal die Kantsche Frage: Freiheit für was, oder Freiheit von was?)… Grund genug, sich ein bisschen mit den Bertelsmann’schen Visionen zu befassen.

Hochschulreform: Nieder mit Bologna (Die Zeit)

Eine sogenannte Reform hat die deutschen Universitäten zerstört. Sie können nur gerettet werden, wenn der kontrollierte Student wieder Bummelstudent werden darf.

Es gab, mit anderen Worten, an den Universitäten einen Grad an Eigensinn, an Unordnung und an verrauchter Unspießigkeit, der den unternehmensberaterisch geschulten Reformer, der in den späten neunziger Jahren verbreitet aufkam und der sich um die Wettbewerbsfähigkeit der Deutschen sorgte, nur heillos empören konnte.

Bachelor- und Masterstudiengänge: Ende einer Lebensform (Sueddeutsche.de)

Von Humboldt zu Bologna: Der atemberaubende Untergang der deutschen Universität. In diesen Jahren spielt sich ein Drama ab, dessen Tragweite in der Öffentlichkeit kaum begriffen wird. Es handelt sich um den Untergang der deutschen Universität, wie sie vor allem von Wilhelm von Humboldt vor 200 Jahren konzipiert wurde. 2010, zum Jubiläum der 1810 gegründeten Berliner Universität, wird dieser Untergang besiegelt sein. Denn dann soll der “Bologna-Prozess” auch in Deutschland abgeschlossen werden, der schon jetzt keinen Stein auf dem anderen lässt in den höheren Bildungsanstalten.

Der kranke Mann Deutschlands – Deutschlands Bildungssystem (Oeffinger Freidenker)

Teil 1: Auftakt

Teil 2: Wurzeln

Teil 3: Schulformen

Teil 4: Infrastruktur

Teil 5: Lehrerbildung

Die Freie Universität vor dem Börsengang? – Bemerkungen zur Ökonomisierung der Wissenschaft (NachDenkSeiten)

Eine Universität, die sich als Gemeinwesen versteht, wird sich einem öffentlichen Auftrag verpflichtet fühlen und sich über den Inhalt des öffentlichen Auftrags intern streiten. Eine Universität nach dem Modell des Privatunternehmens wird sich umdefinieren zur Unterordnung all ihrer Tätigkeiten unter das oberste Prinzip, auf dem Markt erfolgreich zu sein. Dieses Modell der unternehmerischen Universität nimmt vollständig Abschied von der Idee und der Tradition der Universität nicht nur als Gruppenuniversität sondern überhaupt als Gemeinwesen. Gibt es Hoffnung, dass die „unternehmerische Universität“ nicht das Ende der Universitätsgeschichte ist?

Geschäftsziel ist die Produktion von Waren, die privat nutzbar und auf dem Markt veräußerbar sind, statt von Kollektivgütern: Also werden die Studierenden zu Kunden umdefiniert, die verwendbare Qualifikationen und entsprechende Zertifikate nachfragen und auch mit Studiengebühren bezahlen. (…)

Innerhalb der unternehmerischen Universität geht es um die optimale Verbindung von Hierarchie und Konkurrenz. Das bedeutet auf jeden Fall die Aufhebung, mindestens aber das Leerlaufenlassen aller Formen von Demokratie und Mitbestimmung. (…)

Studierende, die als Käufer und Kunden von Wissenschaft bzw. Ausbildung auftreten, werden auf schlechte Lehre, für die sie nun auch noch bezahlen müssen, vielleicht mit mehr Wut als bisher reagieren.

George Carlin darüber, warum eine gute Bildung für die Massen von Politik und Wirtschaft gar nicht gewollt ist

http://www.youtube.com/watch?v=r7dL-lGCVEg

(Für die beiden letzten Links danke an willi!)

NACHTRAG: Solidaritätserklärung des Wissenschaftlichen Beirats von Attac Deutschland mit dem Bildungsstreik der Studierenden (PDF)

Solidaritätserklärung und einige empirische Daten und Untersuchungsergebnisse zur deutschen Bildungspolitik

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