Hexenjagd bei den Bad Hersfelder Festspielen

Bad Hersfelder Festspiele 2016 HexenjagdVerfolgung und Wahn, Lügen und Gerüchte, Rückgratlosigkeit und Opportunismus – darum geht es bei Arthur Millers „Hexenjagd“. Eine Neuinszenierung durch Intendant Dieter Wedel bildete den Auftakt der diesjährigen Bad Hersfelder Festspiele. Die Neuauflage überzeugt als handwerklich hervorragend gemachte, aber eher zeitlose als moderne Inszenierung.

Fotos und Kritik

(erschienen im Monatsmagazin printzip, Ausgabe 7/2016)

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Buchbesprechung: Stéphane Hessel – Empört Euch!

Das Büchlein “Empört Euch!” von Stéphane Hessel (auszugsweise bei der FAZ zu lesen) hat in Frankreich wie international große Aufmerksamkeit erregt und wird als wegweisende politische Streitschrift gefeiert. Der Autor prangert darin aktuelle globale Missstände, vom Abbau der Sozialsysteme und der Dominanz der Finanzmärkte über Fälle von Fremdenfeindlichkeit bis hin zu Umweltzerstörung, an und appelliert an die heutigen, vor allem die jüngeren Generationen, diesen gegenüber nicht gleichgültig zu sein, sondern sich zu empören.

So ehrenhaft und richtig die Intentionen des Verfassers sind, liefert der Text jedoch wenig Neues – und wenig Konkretes. Es handelt sich eher um eine wenig strukturierte Gedankensammlung. In dieser sind die Beschreibungen der heutigen Probleme wenig detailliert ausfallen und die Appelle zum Widerstand gegen diese ziemlich allgemein gehalten. Auch ist Hessels zentrale These, dass nur die Empörung zu politischer Aktivität führen kann und man sich heute Gründe zur Empörung suchen solle, schon recht fraglich. Kann ein solches Engagement nicht auch aus nüchterner Erkenntnis von schweren Fehlern der aktuellen Gesellschaft und der Einsicht in die (sachliche und moralische) Notwendigkeit aktiven Entgegenhaltens entspringen?

Zentraler Inhalt und die Ursache seiner Kritikpunkte ist letztendlich die neoliberale Ausgestaltung der Politik in den letzten Jahrzehnten. Hessel erläutert dabei aber nur kurz, welche Folgen die neoliberale Politik – vor allem in Frankreich – hatte und dass die, wie er sich ausdrückt, „internationale Diktatur der Finanzmärkte“ schädlich ist. Hier hätte man deutlich mehr leisten können. Er benennt zwar recht viele weitere Probleme, beispielsweise den Abbau des Sozialstaats, die Zunahme der internationalen Ungleichheit, die Kriege der USA, wachsende Ausländerfeindlichkeit, die gefährdete Unabhängigkeit der Presse, Rückschritte beim Klimaschutz – und versäumt es auch nicht, auch Erfolge der letzten Jahre zu benennen – er liefert jedoch keine genaueren Erklärungen oder gar Analysen, zeigt wenig Zusammenhänge auf.

Zwar führt er aus, dass die heutige Welt komplex sei, es nicht immer leicht sei, “Schuldige auszumachen”, neigt aber in seinen wenigen Ausführungen zu gesellschaftlichen Ursachen der kritisierten Probleme dann doch zu Personalisierung (egoistische Banker) statt zu strukturellen Analysen. Auch wenn seine Kritik an Egoismus und an der übergroßen Macht bestimmter Schichten und Akteure über Wirtschaft, Politik und Medien zweifelsohne Richtiges trifft – die Gefahr, sich in seiner Empörung einen einfachen Sündenbock zu suchen, ist vorprogrammiert. Nur kurz reißt er etwa Themen wie den Wachstumszwang des Kapitalismus an oder mahnt, dass der Abbau des Sozialstaates keineswegs alternativlos ist.

Als wichtigste heutige Aufgaben der Menschheit sieht er das Eintreten gegen Armut und für internationale Gerechtigkeit, die Menschenrechte und den Zustand der Erde an. Er bietet aber darüber hinaus kein weiteres Gegenprogramm – und nennt auch nicht solche, die die Probleme der Gegenwart angemessen erfassen und zu deren Lösung beitragen könnten. Seine häufige Berufung auf das Regierungsprogramm der französischen Résistance von 1944 – in dem auch zahlreiche soziale Rechte begründet wurden, die er heute gebrochen sieht – und auf die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte der Vereinten Nationen wirken leider recht allgemein und zudem, auch wenn sicher nicht so vorgesehen, etwas legalistisch. Freilich ist es auch schon ein großes Verdienst, Probleme aufzuzeigen, Aufmerksamkeit zu schaffen, und man kann sicher nicht erwarten, auf 19 Seiten das Rad neu zu erfinden – auch wenn manches was er schreibt – wie, dass es schlecht ist, wenn heute Menschen verhungern und unterdrückt werden – wohl auch ein Neoliberaler unterschreiben würde. (Die Richtung der Schrift ist aber klar links, und als progressiv einzuordnen.) (more…)

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Der Kongress bloggt

Bloggerkonferenzen? Ist das nicht so was, wo irgendwas-mit-Medien-Typen ungeheuer viel Geld hinlegen, um sich irgendwo im Prenzl Berg o.ä. bei einem Latte Machiatto vor ihren Macs die immer gleichen selbstreferentiellen Metamediendiskussionen anzutun, die niemanden außerhalb interessieren, wenn sie nicht gerade mal wieder versuchen, die Urfrage zu erkunden, nämlich wie man mit dem Internet denn nun endlich mal ordentlich Schotter verdienen kann? Ja, das ist es wohl meistens. Muss es aber nicht.

In Köln trifft sich vom 11. bis zum 13. Februar 2011 die politische Blogosphäre: (RE)Evolution. Der Kongress bloggt. Krise muss nicht traurig sein. Ok, das Motto find ich jetzt auch nicht überragend (und die Musik hätte durchaus etwas mehr Abwechslung vertragen). Aber sonst sieht alles sehr viel versprechend aus: das Programm, der Ort, das Drumherum, alles top. Die ganze politsche Blognachbarschaft ist versammelt: Wolfgang Lieb von den NachDenkSeiten, Jens Berger vom Spiegelfechter, Roberto de Lapuente von ad sinistram, Duke Erdmann von Feynsinn, Stefan Sichermann vom Postillon und Frank Benedikt vom binsenbrenner. Dazu jede Menge Musiker, Kaberettisten, Künstler, Journalisten, Whistleblower (dies ist ein Schwerpunkt der Veranstaltung). Es gibt Vorträge, Diskussionen, aber auch viele verschiedene Künstler-Performances, Musik, Party und eigentlich alles, was man in so eine Veranstaltung rein packen kann. Außerdem läuft noch im Vorfeld ein “Blog-Karneval”, in der sich verschiedene Blogs ihre Gedanken zum Thema “Krise” machen (auch hier wird in den nächsten Tagen ein Beitrag dazu erscheinen).

Aber das wichtigste ist natürlich, dass dieser Kongress auch möglichst viele Leute erreicht. Wer kommen möchte, sollte sich beeilen: aus gut unterrichteten Kreisen zwitschert es, dass die Karten rar sind – daher schaut am besten gleich mal hier beim Vorverkauf vorbei. Also, ich würde mich freuen, vielleicht einige Leser in Köln zu treffen!

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