Matschielanti – Totengräber der SPD?

Der Parteivorstand der thüringischen SPD hat beschlossen, Koalitionsverhandlungen mit der CDU statt mit der Linken und den Grünen zu führen.

Die Argumentation dabei erscheint so hanebüchen, dass sie wohl ernsthaft kaum jemand glauben kann: man habe 80% Übereinstimmung mit der CDU (was schon absurd genug ist), und v.a.: die Linke sei nicht vertrauenswürdig gewesen. Erinnern wir uns: obwohl sie einen höheren Stimmenanteil als die SPD hatte, war die Linke bereit, auf das Amt des Ministerpräsidenten von Thüringen zu verzichten. Wenn jemand nicht vertrauenswürdig ist, dann ist es die thüringische SPD, die für einen Politikwechsel angetreten war und nun Geburtshelfer einer weiteren CDU-geführte Regierung werden will.

Der Freitag vermutet derweil andere Gründe als die offiziell angeführten:

Der Sozialdemokrat [Matschie] hat die Sondierungsgespräche mit Linken und Grünen nicht wegen politischer Differenzen scheitern lassen, sondern aus Karrierismus. Matschie hätte in einem rot-rot-grünen Bündnis nie die Rolle spielen können, die er für sich in Anspruch nimmt. Die Tatsache, dass er den Erfurter Oberbürgermeister Andreas Bausewein offenbar bereits darum gebeten hatte, als Kandidat für das Ministerpräsidentenamt zur Verfügung zu stehen – dann aber nicht einmal die Antwort abwartete, spricht Bände. Hier hat ein Sozialdemokrat seine Partei hinters Licht geführt. Und die Wähler, denen er einen Politikwechsel versprochen hatte.

Und er hofft weiter auf die Basis der SPD Thüringen:

Christoph Matschie hat nichts begriffen. Wenn die Thüringer Sozialdemokraten überleben wollen, müssen sie die CDU-Pläne ihres Landesvorstands stoppen…

Angesichts solcher Positionen kann man daran leider wohl mit einiger Begründung zweifeln:

Kritisch äußerte sich auch Thüringens Juso-Chef Peter Metz – er gehörte zu den 6 der 24 Vorstandsmitglieder, die für Rot-Rot-Grün stimmten. Er sei nach wie vor davon überzeugt, dass die sozialdemokratischen Interessen in einer solchen Koalition besser umgesetzt werden könnten. Metz warnte trotz seiner Vorbehalte vor Schnellschüssen wie Sonderparteitagen, um das Ergebnis zu kippen. “Wir müssen jetzt die Koalitionsverhandlungen abwarten und sehen, wie viel von unserer Programmatik wir dort umsetzen können.” (Spon: Regierungsbildung in Thüringen: Matschies Schwarz-Schwenk entfacht Zorn der SPD)

Wenn nicht jetzt die Zeit gekommen ist, demokratische Mitentscheidung der Parteimitglieder einzuführen, die Hinterzimmer-Geschacher-Politik durch offene Diskussionen und Entscheidungsfindungen zu ersetzen und die Karrieristen und die Agenda-Totengräber der SPD, in deren erster Reihe sich nun Matschie einreiht, zu stoppen, wann dann? Es stimmt:

die Parteibasis hat immer noch alle Werkzeuge zur Hand, eine schwarz-rote Koalition abzulehnen; nutzt sie diese Möglichkeit nicht, ist die Partei in Gesamthaftung zu nehmen. (Spiegelfechter)

Die Thüringer, demnächst die Brandenburger und die Bundes-SPD müssen sich entscheiden, wo sie stehen: für eine baisdemokratische, durch ihre Mitglieder lebende Alternative im Bündnis mit Grünen und Linken – oder für einen opportunistischen Juniorpartner der CDU, von der man ab und zu mal gönnerhaft ein paar Pöstchen zugeworfen bekommt.

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5 thoughts on “Matschielanti – Totengräber der SPD?

  1. Muss dir absolut zustimmen. Ich halte Matschie seit Jahren für einen erschreckend unfähigen und dummen Politiker. Deswegen kann ich mir sogar vorstellen, dass er den durch die Bundestagswahlschlappe angezeigten Richtungswechsel in Berlin gar nicht für voll genommen hat und der Meinung war, dass er sogar Lob bekäme, wenn er die eigenen Sachpositionen verraten würde, um nicht mit an oberer Stelle schlecht-gelittenen Oskar-Partei zusammenzuarbeiten…

  2. @ Horatiorama:

    Hehe, der Spiegelfechter hatte ja auch vor ein paar Wochen gefragt “Ist Matschie der dümmste SPD-Politiker Deutschlands?
    Lob kriegt er ja leider schon von manchen Teilen der Medien. Er will halt, glaube ich, auf jeden Fall eine Linkswende und einen Neuanfang der SPD verhindern, in dem auch Karriere- und Machtpolitiker wie er nicht mehr die dominierende Rolle spielen würden.

    @ romanmoeller:

    18 Leute aus dem Parteivorstand. Und in Parteivorständen sind halt leider meistens sehr viele Leute, die sich sowohl durch eher autoritäre Eigenschaften als auch durch Karrierefixiertheit und Opportunismus auszeichnen.

  3. Albrecht Müller hat kürzlich einen Kommentar auf den NachDenkSeiten veröffentlicht, der sich mit möglicher Fremdbestimmung in der SPD befasste. Ich habe das zunächst als Ausfluss einer Verschwörungstheorie aufgefasst, bin mir aber inzwischen nicht mehr sicher. Tatsache ist, dass seit der ersten Wahl von Schröder sich eine masslos neoliberale Politik in der SPD breit gemacht hat, die der Partei ja zweifelsfrei ihr verheerendes Erscheinungsbild und reihenweise verlorene Wahlen eingebracht haben. Zu dieser neoliberalen Kamarilla zähle ich Schröder, Müntefering, “The Stones”, Clemens (hat sich ja inzwischen hinreichend geoutet), Asmussen, Riester, Eichel, Seeheimer Kreis, Netzwerker (habe ich noch jemand vergessen? Es sind so viele, da verliert man leicht den Überblick). Auffällig ist, dass alle aus politischen Funktionen ausgeschiedene “Genossen” plötzlich auf lukrativen Industrieposten sitzen oder fürstliche Honorare einstreichen von Firmen, denen sie durch entsprechende Gesetze den Weg geöffnet haben. Einige Beispiele: Schröder hat gesetzlich den Weg freigemacht für den Bau der Ostseepipeline duch Gazprom und sitzt jetzt bei der Gazpromtochter, die die Pipeline baut, im Vorstand. Die vielgerühmte Riesterrente, die eigentlich ein Betrug an fast allen ist, die sie in Anspruch nehmen, hält lukrative Vorträge für die Versicherungswirtschaft. Clemens hat die Gesetze durchgepeitscht, die Zeitarbeit und Niedriglohnjobs erleichtern, er sitzt im Vorstand einer Zeitarbeitsfirma usw, usw. Man sollte sehr genau aufpassen, wo Steinbrück und Asmussen demnächst auftauchen, schliesslich haben sie den Grossbetrügern von der Finanzwirtschaft Tür und Tor geöffnet.
    Nun, auch Matschie und Teile der thüringischen SPD benehmen sich so, als ob sie fremdbestimmt wären. Man greift sicher zu kurz, wenn man ihr Verhalten
    als Sehnsucht nach dem politischen Tod oder persönliche Dummheit abtut, ich glaube vielmehr inzwischen, dass dahinter, wie auch in der Gesamt-SPD, eine von aussen gesteuerte Strategie steht. Wer genau dahinter steht, vermag ich nicht zu sagen. Ich glaube aber eher nicht der politische Gegner der SPD. Zwar gibt es darunter schon einige, denen ich ein solches undemokratisches Verhalten zutrauen würde, aber ich glaube nicht, dass sie Leute, an die ich denke, die intellektuellen Fähigkeiten zu einem solchen Coup haben. Ich denke eher an neoliberale Think Tanks wie INSM, Bertelsmann sowie deren mediale Unterstützer. Wer glaubt, dass so etwas nicht möglich sei, der sei an einen Vorgang Während der sozialliberalen Ära erinnert: Weil die FDP jener Zeit vielen zu offen, sozial und liberal (in der besten Bedeutung dieses Wortes und nicht dem, was heute daraus geworden ist) erschienen ist, sind massenweise Leute aus dem rechtsliberalen, heute heisst es neoliberalen, Umfeld in die FDP eingetreten und haben sie erfolgreich wieder auf neoliberalen Kurs gebracht.

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