Die Beschlüsse der Kultusministerkonferenz: nichts als ein paar Beruhigungspillen

Die Bildungsminister der Bundesländer haben gestern mit den deutschen Hochschulrektoren als Reaktion auf die seit Wochen unter dem Begriff “Bildungsstreik” laufenden Studentenproteste einige wenige kleine Verbesserungen an den Bachelor-Studiengängen zugesagt, die restlichen Forderung nach Aufhebung der vielen Defizite im deutschen Bildungssystem aber unangetastet gelassen.

Dauer des Bachelor-Studiums: Ein Bachelor-Studium darf zukünftig anstatt höchstens sechs  nun bis zu acht Semester dauern. Eigentlich eine gute Sache. Der Witz an dieser Sache aber, der diese mindestens als eine Mogelpackung offenbart (in anderen Bereichen würde man wohl von arglistiger Täuschung sprechen) ist aber, dass Bachelor und Master weiterhin auf eine Dauer von höchstens zehn Semestern beschränkt bleiben. Der Master müsste also bei einem achtsemestrigen Bachelor in zwei Semestern gemacht werden, womit alle Vorteile, die man sich auf den ersten Blick erhofft hat, schnell verpufft sind und sich ins Gegenteil verkehrt haben. So viel Dreistigkeit muss man erstmal haben, dies als Erfolg zu verkaufen. Aber die haben sich unsere für die Bildungspolitik zuständigen Politiker ja in jahrelangen Parteikarrieren antrainiert.

Weiterhin Beschränkung des Masters: Der Zugang zum Masterstudium soll auch weiterhin nicht für alle Bachelor-Absolventen möglich sein. Den einzelnen Hochschulen bleibt es  selbst überlassen, ob sie dort Hürden konstruieren. Denn der Bologna-Prozess wird in seinem Wesen nicht angetastet, und Ziel des Bologna-Prozesses ist nun einmal, viele billige Schmalspustudiumsabsolventen mit einem auf die Verwertbarkeit für die Privatwirtschaft zugeschnittenen Studium einerseits und einige wenige “Eliten” andererseits zu produzieren.

Reduzierung der Arbeitsbelastung und der Prüfungslast: Die Arbeitsbelastungen des Studiums, die in den Bachelor-Master-Studiengängen penibel zugeteilt ist (die “Leistungsgesellschaft” duldet nun mal keine “Bummelstudenten”) soll von derzeit 40 Wochenstunden und 46 Wochen pro Jahr auf 32-39 Wochenstunden in 46 Wochen pro Jahr reduziert werden. Diese Arbeitsbelastung, die durchschnittlich berechnet und mit zweifelhaften Methoden geschätzt wird, sei “als Richtschnur” nun “vertretbar”. Zu großzügig! Und nicht mehr wie bisher nach jeder einzelnen Veranstaltung wird nun zwingend eine Prüfung geschrieben (an alle, die noch in den Genuss eines Magister- oder Diplom-Studiums kamen oder kommen: das ist kein Scherz!), sondern “nur noch” nach jedem Modul (in disen sind oft 2 oder 3 Veranstaltungen zusammengefasst). “Überzählige Prüfungen” sollen so abgeschafft werden. Ja, richtig gehört, es brauchte wirklich erst Proteste, um überflüssige, also unnötige und nur mehr Arbeitsaufwand für Studierende wie Lehrende produzierende Prüfungen abzuschaffen.

Leichtere Anerkennbarkeit von Leistungen: Der einzige wirkliche Fortschritt ist wohl, dass bei einem Hochschulwechsel (an andere Unis, in andere Bundesländer und ins Ausland) die Püfungsleistungen endlich leichter anerkannt werden. Diese größere Internationalisierbarkeit des Studiums war der vorgeschobene Grund für den Bologna-Prozess, und nicht einmal unsere Bildungspolitiker wären so unklug, nicht wenigstens diese Fassade vor den wahren Interessen hinter diesem Prozess nicht zerfallen zu lassen.

Das war alles. Wirklich. Alles. Das. Alle anderen Forderungen der zehntausenden protestierenden und streikenden Schülern und Studierenden, die Forderungen der Lehrenden, die von Gewerkschaften (wie z.B. der GEW) und politischen Gruppierungen wurden mit keinem Deut bedacht.

Weiterhin soziale Selektivität, weiterhin Unterfinanzierung: Die zahlreichen gezielt gesetzten sozialen Selektionsmechanismen des deutschen Bildungssystems sollen nach dem Willen der Kultusminister weiterhin Bestand haben. Die Frage der Studiengebühren und der Erhöhung des BAföG-Satzes wurden nicht angesprochen.  Und es  steht keine Aufhebung der Unterfinanzierung des deutschen Bildungssstems  in Aussicht. (Der Anteil der Bildungsausgaben ist im letzten Jahr noch gesunken, und Deutschland steht hier  in der OECD auf dem drittletzten Platz  – ebenso bei der Anzahl von Hochschul-Zugängern, bei den Absolventen steht es auf dem viertletzten.) Das Geld wird ja jetzt für die Hoteliers gebraucht.

Für die Privatwirtschaft, wie die Privatwirtschaft: Die Demokratisierung der Hochschule wird nicht vorangetrieben, im Gegenteil: die an vielen Hochschulen begonnene Umwandlung zu einer autoritären und hierarchischen “Führung” nach dem Vorbild der Privatwirtschaft geht weiter, ebenso die stärkere Orientierung der Hoschulen an den Gewinninteressen der Privatwirtschaft. Der Bologna-Prozess wird bedingungslos befürwortet.

Keine Verbesserung für die Schulen: Die deutschen Schulen verbleiben in der selben Lage wie vorher. Forderungen wie die einer Abschaffung des dreigliedrigen Schulsystems und des Abiturs nach 12 Jahren finden, wie es zu erwarten war, noch nicht einmal eine Erwähnung, geschweige denn eine Unterstützung.

Nur eine Beruhigungspille: Insgesamt muss man sagen, dass das Papier der Kultusminister mit den zugesagten Verbesserungen nicht viel mehr als eine Beruhigungspille, die aus dem Arzneischrank der Kultusminister gezaubert wurde, wie der Freitag schreibt, darstellt. Schaufensterpolitik, Schaumschlägerei, es gibt viele Begriffe dafür. Nur ein paar kleine Verbesserungen auschließlich am Bachelor-Studiengang, die den Bologna-Prozess  insgesamt unangetastet lassen und alle anderen Probleme der Bildungspolitik ausblenden, zeugen mindestens von einer grotesken Kurzsichtigkeit. Man könnte auch unterstellen, dass weitere Veränderungen gar nicht gewollt sind. Wie viel davon und wie schnell das ganze überhaupt umgesetzt wird, bleibt überdies in vielen Fällen unklar. Schließlich, so der baden-württembergische Wissenschaftsminister Frankenberg, funktioniere die Umsetzung solcher Beschlüsse auch “nicht in allen Fällen von heute auf morgen”.

“Jetzt ist doch auch mal gut!”: So kann man der medialen Öffentlichkeit ein angebliches Eingehen auf viele Forderungen der Schüler und Studenten vorgaukeln, ohne in Wahrheit allzu viel zu ändern. “Jetzt muss aber endlich mal Schluss sein mit diesen Protesten!!” ist die Reaktion, die erzeugt werden soll (und ja auch von KMK und HRK geäußert wurde). Mit diesen Maßnahmen wird Deutschland nicht die propagierte Bildungsrepublik, sondern weiterhin den anderen Industriestaaten hinterherhinken. Und ein weiteres Absinken ist wohl vorprogrammiert.

Die Proteste müssen weitergehen: Der Blick der Protestierenden nun muss klar sein, um zu erkennen, was ihnen da verkauft wird – und dass man sich damit, mit nur ein paar Beruhigunspillen, nicht abspeisen lassen kann. Eine echte Veränderung des deutschen Bildungssystems bleibt genauso so notwendig wie sie es vorher war.

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10 thoughts on “Die Beschlüsse der Kultusministerkonferenz: nichts als ein paar Beruhigungspillen

  1. Studenten-„Proteste“ – faulenzendes Rumgelungere im Zeichen der Weltrevolution

    http://freidemzen.wordpress.com/2010/01/07/studenten-%E2%80%9Eproteste%E2%80%9C-%E2%80%93-faulenzendes-rumgelungere-im-zeichen-der-weltrevolution/

    Stoppt die „Spaß-Protestler!“. Die Protestierenden fordern immerzu eine sinnvolle Verwendung ihrer Gebühren, nun werden sie benötigt um die „Sauerei“ zu bereinigen, welche der marodierende Haufen – in den Unis – hinterließ!

    Die „jungen Aktiven“ von heute sind „Protest-Nomaden“! Heute skandieren sie gegen „Umweltverbrechen“, morgen gegen die Globalisierung und übermorgen? – Da muss abgewartet werden welches „Problem“ auch immer Konjunktur haben wird.

    Es sind aber auch immer wieder die Gleichen! Die an allen Fronten kämpfen! Immer vorne mit dabei! „Spaß-Demonstrating“ im „multitasking“ Verfahren – just for fun! Denn Protest ist ihr Hobby! Und je mehr man macht, desto schöner ist’s auch! Und so tuns dann alle brav und schreien und demonstrieren fleißig, nur zum Nachdenken kommt leider keiner – viel zu beschäftigt mit dem Protestieren sind ja alle.

  2. Ich fände es ja schön, wenn es wirklich so viele Protestierende gäbe, die für sinnvolle Anliegen wie den Kampf gegen den Klimawandel oder für eine gerechte Globalisierung auf die Straße gehen würden (wann gab es eigentlich denn das letzte mal einen Protest für die Weltrevolution? :-D). Aber es gibt noch zu wenige. Und wenn man dabei noch Spaß hat, dann ist doch nichts dagegen einzuwenden.

    Ich weiß, dass es euch nicht gefällt, dass man die Möglichkeit hat, für sein Anliegen auf die Straße zu gehen, um nicht nur dem neoliberalen Konglomerat aus Karriepolitikern, Privatwirtschaft und Medien die Entscheidung zu lassen. Dies jedoch stellt einen Grundpfeiler einer freiheitlichen Demokratie dar.

    Und zu dem verlinkten Geschreibsel:
    “Denn dieser Mob hat keinerlei Ziele oder Bestrebungen”
    ” Solche „Banausen“-Aufstände planen gar keine Lösungen oder wirklichen Vorschläge ein”

    Die Beleidigungen wie Mob, Faulenzer usw. übergehen ich mal. Ein beliebtes Mittel von rechts, anstand zu argumentieren. Die Ausdrucksweise (oder auch die ständigen Ausrufezeichen) lassen ja schon darauf schließen, mit welchem von Hass verzerrten Gesicht, mit Schaum vor dem Mund, der Urheber seine Wut in die Tasten hämmerte!!1! 🙂
    Aber keine Ziele, Bestrebungen und Vorschläge? Nun, dem Bildungsstreik liegen durchaus ganz konkrete Ziele zu Grunde, und es gibt auch gute Lösungsvorschläge, die auch nicht alle nur links sind. Siehe z.B. http://guardianoftheblind.de/blog/2009/11/22/der-bildungsstreik-2009-und-das-deutsche-bildungssystem/ oder auch http://guardianoftheblind.de/blog/2009/12/10/hintergruende-zur-deutschen-bildungspolitik/

  3. @ Nikita Bondarew:

    Welche “braune Keule”? “Die Rechten” verwende ich nicht im Sinne von “die Rechtsextremen/ die Nazis” (das würde ich dann so schreiben), sondern für die “politische Rechte”. Ich differenziere da schon, auch wenn, gerade z.B. auf Hetzplattformen wie P.I. die Grenzen ja teilweise zu verschwimmen scheinen oder man sich gerne ins Gewand der “Meinungsfreiheit” kleidet, womrunter man nur die Freiheit versteht, Hass verbreiten zu dürfen. Meine Meinung dazu findet sich auch unter http://guardianoftheblind.de/blog/2009/10/19/wir-duerfen-den-rechten-apologeten-nicht-die-meinungshoheit-ueberlassen/:

    “Deutschland im Oktober 2009: Rassistische und sozialdarwinistische Hetze ist Zivilcourage, Lügen „sprechen endlich lang verschwiegene Wahrheiten aus“ und erfahren Unterstützung bis in Teile des „bürgerlichen Lagers“. Die Springer-Presse agiert mal wieder an vorderster Front: Araber und Türken, Multikulti, die politische Korrektheit, Sozialromantiker und natürlich die Gutmenschen sind unser aller Untergang, die „linksextremistischen Fratzen des Terrors“ und „linke Chaoten“ die größte Bedrohung für unser Land. Sie verbreitet homophobe Ressentiments und Diskriminierungen (siehe dazu auch den Kommentar von Stefan Niggemeier: Die Schwulen sollen wieder verschwinden). Günter Wallraff verdeutlicht, wie tief in unsere Gesellschaft immer noch rassistische Vorurteile und teils blanker Hass verbreitet sind.

    Heute zeigt es sich um so mehr: wir dürfen nicht vergessen, dass unsere Freiheit immer verteidigt werden muss – gegen die Feinde der Freiheit. Denn die Feinde einer freien, offenen, toleranten Gesellschaft erfahren wieder mehr Aufwind. Einer Gesellschaft, die Menschen nicht wegen ihrer Ethnie, Herkunft, Religion, sozialen Schicht oder sexuellen Orientierung vorverurteilt und sie nicht diskriminiert. Die Generation der 68er hat für diese offene Gesellschaft, gegen den Muff des autoritären Spießbürgertums, gekämpft. Dass sie in diesem Gebiet Erfolg hatten, können die Rechten nicht ertragen. Diese Prediger des Hasses wollen die Diskriminierung. Sie hassen Menschen aufgrund ihrer Zugehörigkeit zu einer Gruppe, seien es Muslime, Ausländer, „Gutmenschen“, Linke oder Schwule.

    Die Sache dabei ist, dass unsere Gesellschaft ihnen das zugesteht, was sie uns keinesfalls zugestehen würden: die Freiheit, auch eine Meinung, die man nicht teilt, zu äußern (wenn wir von den schlimmsten Ausartungen wie Volksverhetzung absehen). Die „Denkverbote“, die sie sich immer herbeistilisieren, existieren nicht. Deshalb muss unser Kampf ein argumentativer sein. Vielleicht ist es utopisch, alle Vertreter dieser Richtung überzeugen zu wollen, so wie es utopisch ist, einen überzeugten Nazi zum Menschenfreund zu machen. Aber wir müssen klar machen, dass diese Menschen sich mit ihrem Hass, ihrer Verachtung, ihrer Gewalt, an den Rand der Gesellschaft stellen. Und wir müssen gegen die immer noch in viel zu großen Teilen unserer Gesellschaft verwurzelten Vorurteile angehen. Vorurteile, die kontinuierlich und gezielt bestärkt werden, durch Berichte über Ausländer, die sich nicht integrieren wollen und alle faul und kriminell sind, über die Linken, die die DDR wieder aufbauen wollen, über die Gleichung Muslim = Terrorist. Dadurch entstehen Ängste, entsteht Ausgrenzung, entsteht Hass. Wir dürfen den rechten Apologeten nicht die Meinungshoheit überlassen.”

    Und welches “Meinungsmonopol”? Das wirtschaftsliberale etwa?

    P.S.: Aber die Seite ist doch Satire, oder? Mal ehrlich, komm!

  4. Natürlich ist die Seite Satire! Das ist doch offensichtlich…

    Es geht nur darum das oftmals eine bestimmte Meinung in den Medien vorherrscht und das ist keinesfalls die der “wirtschaftsliberalen” sondern eben der pseudo-toleranten und aufgeschlossenen von weit links – oder hörst du irgendwo !echte! Kritik der Unibesetzungen oder als Obama noch der “Hoffnungsträger” war wurde er ebenso nie kritisiert…

    Konservative Meinungen sind in den Medien eher rar

  5. Also, wir müssen erstmal zwei Unterscheidungen treffen: es gibt in der Politik eine wirtschaftspolitische und eine gesellschaftspolitische Dimension (vgl. z.B. http://www.politicalcompass.org/analysis2 )

    In der ökonomischen Dimension ist in der Mehrheit der Mainstream-Medien ja wohl zweifelsohne einer wirtschaftsliberale (neoliberale) Linie vertreten.

    Wir sprechen hier aber wohl von der gesellschaftspolitischen (Autoritarismus versus Liberalismus). Ich gestehe dir da sogar zu, dass dort ich sage mal rechtskonservative Positionen, z.B. zur Ausländer- oder Familienpolitik, zur Rolle von Kirchen und “Nation” nicht mehr so stark vertreten sind wie vielleicht vor 42 Jahren. Aber: diese Positionen werden doch durchaus noch in den Medien vertreten. Schlag nur einmal z.B. die Bild oder die Welt auf.

    Zu den Berichten über die Studentenproteste: sicher wurde von der Presse für die Ziele viel Verständnis geäußert (was ja ihre Notwendigkeit verdeutlicht). Und wenn jemand die Forderungen der Studenten nicht teilt, bin ich gerne bereit, darüber zu diskutieren. Wenn man sich aber die Berichte zu den Räumungen anschaut, wird doch ganz klar, dass dort (teilweise auch unberechtigte) Kritik an den Protesten doch nicht zurückgehalten wird. Und zu Obama: nun, bei den Alternativen vor der Wahl wäre es selbst etwa für die Springer-Presse schwer gewesen, eine (fundierte) Kritik zu liefern.

    Und, wie ich es im verlinkten Artikel beschrieben habe: ich glaube schon, dass wir als Linke durchaus bereit sind, andere Meinungen zu tolerieren – nur werden wir versuchen, sie auf argumentativem Wege zu bekämpfen.

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