Südkoreas entwicklungslenkender Staat: ein Erfolgsmodell?

Von den neoliberalen Ökonomie wird es oft als bewiesene Tatsache hingestellt, dass nur eine streng marktliberale Politik wirtschaftliche Erfolge zeigen kann. Belege werden meist nicht gegeben – kein Wunder, sind sie doch schwieriger zu finden als inhaltliche Aussagen auf einem FDP-Wahlplakat. Gegenbeispiele jedoch sind ungleich leichter zu finden. V.a. Staaten Ostasiens haben  enorme wirtschaftliche Erfolge durch Strategien vorweise können (wie auch immer man diese Strategien und die Staaten allgemein auch politisch beurteilen mag), bei denen der Staat sich keineswegs aus der Wirtschaft zurückhielt. Japan, Südkorea, Taiwan, in gewisser Weise auch China sind dafür die besten Beispiele.

Südkorea hat fast beispiellose wirtschaftliche Erfolge vorzuweisen. 1960 war es eines der ärmsten Länder der Welt, sein Bruttoinlandsprodukt war niedriger als das von Mosambik, Kongo oder dem Senegal, sein Anteil am Welthandel betrug 0,2%. 1996 hatte es das zwölftgrößte BIP der Welt, war Mitglied der OECD und sein Anteil am Welthandel betrug über 2%. Diese Erfolge sind nach Meinung der Wissenschaft v.a. auf einen entwicklungslenkenden Staat (developmental state) in Südkorea zurückzuführen. Allerdings hatte dieser auch beträchtliche Schattenseiten, die auch betrachtet werden sollen.

Der entwicklungslenkende Staat

Hinter der Idee des entwicklungslenkenden Staates steht die Ansicht, dass ökonomische Entwicklung einen Staat verlangt, der die ökonomischen und die politischen Rahmenbedingungen schaffen kann, die für eine nachhaltige Industrialisierung eines Landes nötig sind. Im Gegensatz dazu vertritt die neoliberale Wissenschaft die Annahme, angenommene egoistische Motive von Individuen müssten auch auf den Staat und die Wirtschaft übertragen werden; der Staat könne im Bereich der Wirtschaft keine positive Rolle spielen. Sie treten daher für eine Liberalisierung und Deregulierung der Wirtschaft ein, in der die unsichtbare Hand des Marktes durch Preismechanismen für die besten Ergebnisse für die Entwicklung eines Staates sorge.

Die Befürworter  aber wenden ein, man brauche einen entwicklungslenkenden Staat, der langfristiges Wachstum und strukturellen Wandel der Wirtschaft ernst nehme und die Wirtschaft politisch steuere. Es bestünde kein Grund von einer Überlegenheit der Marktlösungen über eine Steuerung der Wirtschaft, in der der Staat eine größere Rolle spielt, auszugehen. In der Empirie sei die Annahme widerlegt, dass Staaten mit einer liberalen Wirtschaft und einer minimalistischen Rolle des Staates ein hohes Wirtschaftswachstum hätten, vielmehr seien Staaten mit einer Kombination aus klugen und effektiven Staatsinterventionismus und wirtschaftlicher Offenheit als selektiver Integration in die Weltwirtschaft erfolgreicher. Auch in den internationalen Organisationen wie der Weltbank ist in den letzten Jahren die strikt neoliberale Sichtweise des Washington Consensus unter Beschuss geraten und positive Wirkungen von alternativen Formen der Wirtschaftssteuerung wurden erwähnt und es wurde anerkannt, dass verschiedene Politikform (abhängig von den Institutionen eines Landes) zu Erfolg führen können. Erfolg oder Versagen bei der wirtschaftlichen Entwicklung hänge mehr von der Art als vom Ausmaß der Interventionen des Staates in die Wirtschaft ab.

Südkorea als entwicklungslenkender Staat

Von 1962 bis 1997 war in Südkorea ein entwicklungslenkender Staat der entscheidende Faktor für das enorme Wirtschaftswachstum. Charakteristika wie eine hohe Spar- und Investitionsquote, niedrige Lohnkosten (auch wenn sich die Schwächen später drastisch zeigen sollten) und vielfältige Interventionen des Staates in die Wirtschaft führten neben dem Wirtschaftswachstum auch zu einer Vollbeschäftigung sowie einer relativ egalitären Einkommensverteilung. Der südkoreanische Staat spielte die zentrale Rolle, Ressourcen zu mobilisieren, um eine Industrialisierung und eine schnelle wirtschaftliche Entwicklung und Wachstum zu erreichen. Man kann beim südkoreanischen entwicklungslenkenden Staat mehrere Phasen unterscheiden:

1962 bis 1979: Entstehung und Erfolge des entwicklungslenkenden Staates

Vor 1962 war die Wirtschaftspolitik Südkoreas die einer klassischen  Importsubstitutionspolitik. Voraussetzungen für den entwicklungslenkenden Staat waren die Möglichkeit einer autonomen Entscheidungsfindung des  Staates, ein wirtschaftlicher Nationalismus  sowie ein aus der konfuzianischen Tradition herrührendes Vertrauen der Bevölkerung in die Regierung.  Die Machthaber wollten durch die Etablierung eines entwicklungslenkenden Staates die Legitimierung ihrer autoritären Politik durch schnelles Wirtschaftwachstum und schnelle Wohlstandsmehrung  erreichen. Um sich finanzielle Mittel angesichts der abnehmenden Unterstützung der USA nach dem Koreakrieg zu verschaffen und an Auslandsdevisen zu gelangen, verfolgte Südkorea  eine Strategie der exportgeleiteten Industrialisierung.

In den 1960er Jahren und auch in den 1970ern gab es einen klar entwicklungslenkenden Staates mit einer staatsdominierten Allianz mit den privaten Firmen – gegen die Arbeit. Kennzeichen waren ein vom Staat gelenktes wirtschaftliches Management bei Privatbesitz der Industrie. Es gab extensive Interventionen, um ein schnelles Wirtschaftswachstum durchzusetzen. Das Finanzsystems war verstaatlicht und stark reguliert. Ein Machtmittel des Staates war es, unbegrenzte langfristige internationale Kredite zu niedrigen Zinsen durch regierungskontrollierte Banken an die Firmen zu vergeben, außerdem garantierte er die Rückzahlung von Krediten, die ausländische Finanzinstitutionen an südkoreanische Unternehmen vergeben hatten. Es kam dadurch  zu einer starken Beschleunigung des Zuflusses von Auslandskrediten.  Ausländische Direktinvestitionen jedoch wurden durch den Staat vorsichtig begrenzt und reguliert, der Besitz der industriellen Basis sollte in koreanischer Hand bleiben. Insgesamt kann man von einer staatsgelenkten Allokation nationaler  finanzieller Ressourcen hin zu den privaten Firmen sprechen. Der Staat besaß durch die Kontrolle über die Finanzen die Möglichkeit, die Firmen zu disziplinieren, seinen Strategie zu folgen. Die größte Rolle spielten in Südkorea die chaebol, große, multidimensionale, hierarchisch organisierte, rechtlich unabhängige Unternehmen, deren Besitz jedoch faktisch hoch konzentriert in den Händen einer Familie (durch cross-shareholdings) konzentriert ist. Es handelt sich um die größte Form familien-kontrolierter Business-Gruppen der Welt. Ein wichtiger Faktor für das schnelle Wirtschaftswachstum und die Industrialisierung Südkoreas war die Konzentration auf den Export. Es gab zahlreiche Mitteln der gezielten staatlichen Exportförderung.  Im Zeitraum 1962 bis 2001 wuhsen die Exporte durchschnittlich jährlich um 22%. Zunächst konzentrierte sich der Staat auf die arbeitsintensive Leichtindustrie, die durch billige, aber relativ gut qualifizierte Arbeitskräfte sowie durch eine Unterdrückung von Gewerkschaften sowie eine niedrige soziale Sicherung (die nur 1% des GNP ausmachte) möglich war.

Anfang der 1970er Jahre wurden die (kapitalintensivere) Schwerindustrie und die chemische Industrie vom Staat als industriepolitisch bedeutsam erkannt und besonders gefördert. Man versprach sich ein höheres Wirtschaftswachstum und die bessere Ausnutzung von komparativen Kostenvorteilen. Die staatliche Kontrolle über die Finanzen wuchs weiter: in den 1970er Jahren waren 96,4% der finanziellen Assets des Landes unter staatlicher Kontrolle. In Folge der Weltwirtschaftskrise 1973 war eine extensive staatliche Intervention entscheidend für eine weitere schnelle Kapitalakkumulation und für eine sich auch in dieser Zeit erfolgende Fortsetzung des Wirtschaftswachstums. Von 1965 bis 1980 hatte Südkorea ein jährliches durchschnittliches Wachstum von 10%, was außer den OPEC und den Planwirtschaften in den 1970er und einigen Jahre der 1980er das höchstes BIP-Wachstum weltweit darstellte. Die Sozialausgaben wurden in dieser Zeit aber kaum erhöht. Der Aufbau der Schwerindustrie erfolgte durch die chaebol unter staatlichen Anweisungen. Die Motivation war für sie der Aufbau einer Allianz mit japanischen Firmen, die in Südkorea v. a. für den Exportmarkt produzierten, wodurch beide Länder Zugang zum lukrativen US-Markt erhielten. Vor allem die exportgeleitete Industrialisierung stellte also eine Art Pakt zwischen der Seite des Kapitals und dem Staat dar. Die südkoreanische Niedriglohnökonomie auch bei fortschreitendem Wirtschaftswachstum konnte durchgesetzt werden durch eine Unterdrückung der Gewerkschaften und der Arbeiterbewegung. Diese lief einher mit einer Unterdrückung fast aller Gesellschaftsbewegungen, z.B. Arbeiter-, Bauern-, Gläubigen-, Frauen-, Intellektuellen-, -Studentenbewegungen und einer umfassenden Disziplinierung der  Gesellschaft durch den autoritären Staat.

1979-1987: Einschränkung des entwicklungslenkenden Staates

Eine Umorientierung der Rolle des Staates und eine ökonomische Liberalisierung begann 1979/ 80. Es handelte sich dabei um eine graduelle Anpassung an neoliberale internationale Trends. Es kam zu einem relativ fundamentalen Wandel der Art wirtschaftlicher Steuerung des Staates. Seine direkten Interventionen, z.B. seine Rolle beim Identifizieren und Fördern profitabler Wirtschaftsbereiche sowie die Überwachung der privaten Firmen, bei der Festsetzung von Preisen und Mengen usw. wurde zurückgenommen, er legte eine größere Betonung auf die Stärkung marktwirtschaftlicher Mechanismen, auf ein marktorientierteres System der Ressourcenallokation und Ressourcenmobilisierung. Es gab Deregulierungen und Liberalisierungen, der Importschutz wurde liberalisiert und in der Folgezeit fast vollständig aufgehoben.

Der Staat nahm eine selektive Liberalisierung von Handels- und Finanzsektoren vor. Der Verkauf der Anteile an den Banken bedeutete einen Rückzug von der Steuerung des Finanzmarktes. Trotzdem blieben auch in diesem Bereich wichtige Entscheidungen beim Staat. Dieser übte zwar nicht mehr eine direkte, nun aber eine indirekte Einflussnahme auf die Vergabe günstigere Kredite für bevorzugte Betriebe aus und war weiterhin für die Festsetzung der Zinsen zuständig. In Folge der Liberalisierung erhielten aber die zehn größten chaebols 52 % aller Bankenanteile. Die Privatisierungspolitik des Staates führte also zu einer Expansion der chaobol in den Finanzsektor und dadurch zu einer stärkeren Kooperation zwischen Staates und chaebol bei wirtschaftlichen Entscheidungen. Durch den Bankenbesitz und durch ihre steigende Größe, Expansion und Diversifizierung kam es und mehr zu einer Machtverschiebung zu Gunsten der chaebol, von einer Dominanz des Staates zu einer Interdependenz. Seit den 1980er Jahren konnte keine südkoreanische Regierung die chaobol mehr wirklich disziplinieren. Es gab in der Folge immer mehr Konflikte, bei denen immer öfter kurzfristige Profitinteressen und Spekulationsaktivitäten der chaebol den langfristigen Industrialisierungszielen und der strategische Entwicklung, die der Staat verfolgte, gegenüberstanden. Ende der 80er war der entwicklungslenkende Staat als Folge eingeschränkt, aber auch nur und eher eingeschränkt als abgebaut.

1987-1993: Demokratisierung

1987 kam es in Südkorea schließlich zu einem Ende des autoritären Staates und zu einer Demokratisierung. In diesem Zeitraum gab es einen allmählicher Übergang, dessen Ergebnis ein viel schwächerer Staat, ein stärkeres Kapital, und eine unabhängige, relativ mächtige Arbeiterbewegung waren. Einer Anerkennung der Gewerkschaften folgten hohe Lohnzuwächse.  Seit 1988 gibt es in Südkorea zudem einen gering ausgebauten Sozialstaat (größere Sozialversicherungsprogramme waren vorher zuerst in den großen Firmen durch betriebliche Wohlfahrtsprogramme existent gewesen). Die chaebol wollten durch die Steigerung der Löhne und eine implizit lebenslange Beschäftigungsgarantie Frieden mit den Gewerkschaften schließen. 1989 kam es aufgrund ungünstiger weltwirtschaftlicher Rahmenbedingungen zú einer Wiederbelebung einer stärker interventionistische Rolle des südkoreanischen Staates.

Ab dem Jahr 1987 gewann der Staat nicht immer die Konflikte mit den in Folge der Demokratisierung erstarkten und mächtiger werdenden privaten Unternehmen und mit den Gewerkschaften. Es kam zu einer Erosion der staatlichen Autonomie. Die seit 1987 demokratische Regierung Südkoreas war v.a. nicht mehr in der Lage, die chaebol zu kontrollieren (ein Grund war auch, dass die politische Elite auf Spenden der chaebol angewiesen war). Außerdem gingen von USA und GATT ein starker Druck zur Öffnung des südkoreanischen Marktes und ein Druck zur Reduktion oder Aufhebung von dessen Handelsschranken gegen US-Produkte und -Dienstleistungen aus. Hinzu kam ein stärkerer Protektionismus der USA und einiger EG-Länder gegen südkoreanische Produkte. Diese Faktoren hemmten den klassischen entwicklungslenkenden Staat Südkoreas und erzwangen Schritt für Schritt dessen Rückzug.

1993-1997 Erosion und Ende des entwicklungslenkenden Staates

1993 erlebte Südkorea die Transformation von einem sich neu industrialisierenden Staat zu einem fortgeschritten Industriestaat. Im Zeitraum 1993 bis 1997 kommt es aber zu einer Erosion – und mit der Asienkrise 1997 zum Untergang – des entwicklungslenkenden Staates in Südkorea. Für die 1993 neu gewählte Regierung fungierte eine sich wandelnde Rolle des Staates in der Wirtschaft unter dem Leitbild der Globalisierung als dominante Idee. An die Stelle der Förderung von wirtschaftlichem Wachstum trat die Förderung wirtschaftlicher Wettbewerbsfähigkeit.  Es kam zu einem Aufschwung von Pro-Markt-Ideologien.  Der Staat verfolgte dabei jedoch eine Balance von Effizienz (durch die wirtschaftliche Liberalisierung) mit den traditionellen Zielen Südkoreas, nämlich Wirtschaftswachstum und sozialer Stabilität. Die neue Regierung unter Kim Young-sam nahm fundamentale Reformen vor. Sie legte, noch stärker als es Anfang der 80er Jahre geschah, Priorität auf eine Stärkung der Konkurrenzfähigkeit, Liberalisierungen, Deregulierungen und ein marktbasiertes Wirtschaftsystem . Der Staat nahm einen Abbau selektiver Industriepolitiken und direkter Interventionen vor. Die Sozialpolitik war unternehmerfreundlich ausgestaltet, die Steuern waren sehr niedrig. Es gab außerdem eine, wie sich nach der Asienkrise zeigte, übereifrige Liberalisierung der Finanzmärkte mit weniger Interventionen des Staates und der Möglichkeit von deutlich mehr ausländischer Teilhabe im südkoreanischen Finanz- und Kapitalmarkt. So betrugen die Portfolie-Investments in Südkorea 1991 noch 2,5 Milliarden Dollar, 1994 bereits 29,7 Milliarden; die Bankverbindlichkeiten im Ausland wuchsen von 1991 bis 1994 um 49%. Das Fehlen einer Aufsichtsregulation und einer Überwachung des Finanzsystems stellte dabei eine große Verwundbarkeit dar.

Bei aller Liberalisierung war die südkoreanische Regierung jedoch nie eine minimalistische, der Staat blieb immer noch ein wichtiger und signifikanter Akteur  in der Wirtschaft. Er fungierte als Marktteilnehmer, bestimmte die Weite und die Geschwindigkeit der Öffnung der südkoreanischen Volkswirtschaft und beeinflusste die Internationalisierungsstrategien der Firmen. Globalisierung bedeutete für Südkorea in diesem Zeitraum weniger Öffnung südkoreanischen Märkte für ausländische Unternehmen, sondern eher eine Expansion der chaebol auf den Weltmarkt. Deren Lobbying-Stärke und ihr Einfluss auf den Staat nahmen als Folge ihres wirtschaftlichen Erfolges und der Finanzierung von Parteien noch mehr zu. Ebenso wuchsen deren nichtproduktive Aktivitäten sowie Investitionen in riskante und spekulative Unternehmungen. Es gab eine exzessive Verschuldung der Privatkonzerne, die oft kurzfristig war (zu 67%), aber investiert war in langfristige Projekte. Das Verhältnis von Schulden zu Eigenkapital der Top 30 chabol betrug 1996 386,5%, im darauffolgenden Jahr waren es schon 519%.

Diese und andere negative Seiten des entwicklungslenkenden Staates wirkten sich in diesem Zeitraum immer mehr aus. So waren dies etwa wirtschaftliche Nachteile durch Monopolstrukturen, Ineffizienzen durch die Staat-Wirtschafts-Kooperation, Korruption und moral hazard- Verhalten. Dazu kamen eine zu starke Exportlastigkeit (1996 von 26,9%) sowie Überinvestitionen in die Schwerindustrie und in die chemische Industrie. DIe Hauptschwäche aber lag im Fiannzbereich: 1997 betrug das Verhältnis von kurzfristigen Schulden zu den Devisenreserven 4:1. Von 1992 bis 1996 wuchsen die geliehenen ausländischne Mittel um 158%, die kurzfristige Verschuldung der chaebols  betrug 1996 63%. Es gab durch die hohe Auslandsverschuldung, die Abhängigkeit von Exporten und die Liberalisierung des südkoreanischen Finanzmarktes eine starke (und immer stärker werdende) Verwundbarkeit der südkoreanischen Wirtschaft gegenüber plötzlichen Marktveränderungen und externe Schocks. Der Staat trug mit seiner Garantie des Rückzahlens der Schulden an das Ausland und v. a. mit einer viel zu schnell erfolgten und zu weitreichenden Liberalisierung des südkoreanischen Finanzmarktes dazu bei. 1997 kam es durch diese Anfälligkeit dann zur Asienkrise, die Südkorea besonders hart traf.   In Folge der Konditionen des Internationalen Währungsfonds wurden in Südkorea schließlich die letzten Reste des entwicklungslenkenden Staates beseitigt und Südkorea zu einer wirtschaftsliberalen Marktwirtschaft umgewandelt.

Bewertung

Die Erfolge des südkoreanischen Modells des enwicklungslenkenden Staates wurden sehr deutlich: ein überaus hohes Wirtschaftswachstum, eine allgemeine Wohlstandssteigerung, Vollbeschäftigung und soziale Inklusion. Jedoch gab es auch zahlreiche Schwächen. Die Wirtschaft war zu sehr auf den Export konzentriert, später wurde der Finanzsektor viel zu schnell liberalisiert. Man kann in diesem Zeitraum von einer Partnerschaft zwischen dem (bis 1987 autoritären) Staat und dem Kapital gegen die Arbeit sprechen. Die Löhne waren niedrig, Sozialversicherungen kaum vorhanden. Militär, staatliche Bürokratie und Chaebol waren miteinander verwoben und voneinander abhängig.  Die großen, von Familien (auch in den seltensten Fällen von professionellen Managern geführten) chaebol erhielten eine extrem große Macht, in der Gesellschaft und über den Staat. Die Verbindung zwischen Staat und Privatwirtschaft führte zu Ineffizienzen und auch zu Korruption. Dieser Staat regierte autoritär, setzte seinen Willen notfalls auch mit Zwang durch. Andere gesellschaftlichen Kräfte wurden kaum zugelassen, Gewerkschaften wurden gewaltsamer unterdrückt. Der diktatorische Staat unterdrückte lange fast alle auf Demokratie gerichteten gesellschaftlichen Bewegungen, die südkoreanische Gesellschaft war eine zutiefst undemokratische und autoritäre. Bestimmt also kein Staat, in dem man gerne leben würde.

Jedoch liefert Südkorea auf wirtschaftspolitischer Seite auch ein Exempel, dass der Staat durchaus eine positive Rolle in der Wirtschaft spielen kann. Wenn er die nötigen Fähigkeiten besitzt und die gesellschaftlichen Institutionen bestehen, gesellschaftliche Ressourcen (Kapital und Arbeit) auf nationale Ziele zu mobilisieren, kann er große Erfolge erzielen. Diese werden jedoch um so mehr dem Wohle der Allgemeinheit dienen, je demokratischer das Land ist und je stärker die politische Elite dem Willen des Volkes verpflichtet ist.

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