Guttenberg, Schäuble und die “vierte Gewalt”

Zwei aktuelle Beispiele verdeutlichen einmal mehr, wie es seit langem um die deutschen Medien, die sich gerne selbst als „vierte Gewalt im Staat“ sehen und bezeichnen, bestellt ist: Sie sind längst keine kritische Gegenmacht zur Staatsgewalt mehr, sind kein auch nur irgendwie neutraler oder objektiver Beobachter, sondern gezielte Stimmungsmacher für bestimmte Interessen. Für eine fast deckungsgleiche Auffassung, als deren Konsequenz Horst Köhler noch zurückgetreten war (die Befürwortung von Wirtschaftskriegen) erntet zu Guttenberg ausschließlich Lob. Wolfgang Schäuble jedoch wird ein eher lässlicher Aussetzer schwer angelastet.

Zu erklären ist dies wohl nicht nur durch persönliche Faktoren und einen unterwürfigen Personenkult der deutschen Presse, sondern auch durch politische Gründe: Während Schäuble Steuersenkungen im Weg steht, ist Guttenberg ganz auf wirtschaftsliberaler Linie.

Guttenberg und Wirtschaftskriege

Guttenberg hatte am 9. November Militäreinsätze zu Gunsten deutscher Wirtschaftsinteressen befürwortet. Er plädierte für einen “unverkrampften Umgang” mit wirtschaftlichen Interessen in der Sicherheitspolitik, mit denen man “offen und ohne Verklemmung” umgehen solle und sprach dabei von Sicherung der Handelswege und der Rohstoffquellen. Wir erinnern uns: Für seine Forderung, dass Deutschland zur Absicherung seiner wirtschaftlichen Interessen auch militärische Einsätze durchführen sollte, hatte der damalige Bundespräsident Köhler heftige Kritik geerntet, auch von breiten Teilen der deutschen Medien. Aufgrund dieser Kritik war er dann auch zurückgetreten. Guttenberg nun verteidigte dann auch ausdrücklich Köhlers Aussage, dieser habe “über etwas Selbstverständliches” gesprochen. Im Gegensatz zu Köhler gab es nun jedoch so gut wie kaum ein Echo in den deutschen Medien. Wenn es Kommentare gab, so wurden zu Guttenbergs Aussagen meist schöngeredet, und gar verteidigt. (more…)

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Unter Freunden

Was ist denn da los? Entdecken Finanwirtschaft und Banken nun doch endlich ihre Verantwortung? Führen die Verstrickungen von Politik und Finanzlobby doch noch zu etwas Gutem? Zumindest scheint es so:

http://www.youtube.com/watch?v=WSm06mwXjFc

(Das Beste, finde ich ja, kommt ganz am Ende.) Das Video ist von der globalisierungskritischen NGO WEED (World Economy, Ecology & Development), und seine Weiterverbreitung (unter Quellenangabe) ist ausdrücklich erwünscht. Weitere Informationen zum Thema, Links zu Projekten, die die Lobby-Politik-Verflechtungen untersuchen und zu Studien zum Thema gibt es hier. WEED betreibt auch sonst seit Jahren sehr unterstützenswerte Projekte betreibt und liefert viele gute Informationen.

Bei der Gelegenheit möchte ich auch noch einmal auf diese äußerst sinnvolle Initiative zur Einführung einer Finanztransaktionssteuer hinweisen.

http://www.youtube.com/watch?v=roQh5TvhB4Q

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Vermischtes: 9. November, Wirtschaftskriege, Bürgergeld, Lobbyismus

Einige Hinweise und Kommentare zu aktuellen Artikeln: Heribert Prantl wirft der Politik zum 9. November Heuchelei vor, wenn sei von einer christlich-jüdischen Tradition  in Deutschland spricht. Guttenberg spricht sich für Militäreinstze zugunsten wirtschaftlicher Interessen aus und vertritt damit genau den selben Standpunkt, wegen welchem Horst Köhler zurückgetreten war. Die Einführung eines Bürgergeldes würde in Wirklichkeit vor allem den Wohlhabenden nützen und sogar negative soziale Auswirkungen haben. Und das neue Vdeo von Alexander Lehmann zeigt, wie Lobbyismus in Deutschland funktioniert. (more…)

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Hunger und Überfluss

925 Millionen Menschen hungern weltweit, so der Welthungerindex 2010 (pdf-Version), der vom International Food Policy Research Institute und der Welthungerhilfe  erarbeitet wurde. Das sind über 15% der gesamten Menschheit. Gegenüber dem vorherigen Jahreszeitraum zeigen sich kaum Verbesserungen; die Verbesserung der letzten 20 Jahre sind fast ausschließlich auf den wirtschaftlichen Aufstieg Chinas zurückzuführen. 2,2 Millionen Kinder sterben im Jahr durch Mangel- und Unterernährung. In 29 Staaten herrscht Hunger, vor allem Sub-Sahara-Afrika und Südasien. Wie die meisten anderen Millenniumsziele wird nach Schätzungen der Welternährungsorganisation FAO auch die Halbierung der Zahl der Hungernden bis 2015 nicht erreichbar sein.

Unterdessen wandern in den Industriestaaten über die Hälfte der produzierten Lebensmittel direkt in den Müll. Davon sind die meisten Lebensmittel noch in einwandfreiem Zustand – sie entsprechen nur nicht den, meist rein optischen, Kriteriren der Lebensmittelindustrie und des Handels. Mit nur einem Drittel der Menge an Lebensmitteln, die in den Industrieländern weggeworfen werden, könnte man den Welthunger besiegen. Durch die dadurch steigenden Lebensmittelnachfrage tragen die Menschen in den Industrieländern damit auch direkt eine Schuld an steigenden Nahrungsmittelpreisen  in den Entwicklungsländern. (more…)

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Endlich wieder Neues aus der Anstalt!

Endlich gibt es wieder etwas Neues aus der Anstalt! Leider ja nun ohne Georg Schramm. Dafür ist jetzt – aufgemerkt! – Erwin Pelzig mit dabei. Der konnte  in der Sendung meiner Meinung nach Schramm leider nicht ersetzen, war aber auch nicht  gerade schlecht. Und richtig in Form kam er zum Ende der Sendung, als es um die Unterschiede und Gemeinsamkeiten von (vermeintlichen) Rechtsstaaten und Diktaturen, inklusive der Themen Bundesregierung, Stuttgart 21,  Finanzmarktkapitalisten (aka “Finanzgesindel”), Terrorismus und Sarrazin, ging:

http://www.youtube.com/watch?v=ls8Hv-JNazU

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Muss man Sarrazin wahrnehmen?

Von Frank Benedikt

Thilo Sarrazin hat ein Buch geschrieben. Das ist nichts Besonderes, das machen abgehalfterte Politiker nach dem Ende ihrer Karriere schon mal gern, so eben auch “Pöbel-Thilo”. Tagtäglich kommen in Deutschland über 200 Neuerscheinungen auf den Markt und Sarrazins Buch “Deutschland schafft sich ab” ist nur eine davon – muß man es und ihn also wahrnehmen? Ich meine ja.

In seinem aktuellen Beitrag “Der Wahnsinnige am Bohrer” schreibt Michael Spreng beim Sprengsatz, man solle Sarrazin doch die Aufmerksamkeit – und somit den medialen Boden – entziehen, eine Meinung, die ich dieser Tage auch  von verschiedenen Kolleginnen und Kollegen vertreten fand. Schließlich nähre diese Aufmerksamkeit nur seinen zweifelhaften Erfolg als Populist und befördere nun sein Buch bereits vorab zu einem Bestseller, der schon jetzt bei Amazon auf Platz 1 der Sachbuch-Bestsellerliste steht. Die “Lösung” könnte zielführend sein, wenn es sich bei Sarrazin um ein isoliertes Phänomen handeln würde, jedoch ist der Sachverhalt durchaus komplexer.

Der vormalige Berliner Finanzsenator und jetzige Bundesbanker versteht es hervorragend, die Ressentiments und Xenophobien von Millionen Bundesbürgern zu bedienen, ist dabei aber nicht alleine, sondern Teil eines Trends. Auch andere Personen des öffentlichen Lebens wie bspw. die Herren Buschkowsky, Heinsohn oder Sloterdijk haben diesen Trend wohl erkannt und greifen ihn – ähnlich einem Geert Wilders in den Niederlanden – zunehmend auf. Insofern ist “Pöbel-Thilo” nicht ein Einzelfall, sondern eher als symptomatisch anzusehen für eine Gesellschaft, die immer weiter nach rechts rückt und wachsend Vorurteile wie auch soziale Kälte entwickelt. (more…)

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Elitenförderung statt BAföG-Erhöhung: Zementierung der sozialen Spaltung

Der Bundesrat hat heute wirklich das denkbar schlechtest mögliche getan und dem Stipendienprogramm der Bundesregierung zugestimmt, die geplante BAföG-Erhöhung aber abgelehnt. Manchmal fällt es tatsächlich schwer, bei bestimmten Vorgängen noch bei einer nüchternen und sachlichen Argumentation zu bleiben, und man möchte den Beteiligten nur noch die übelsten Schimpfwörter an den Kopf werfen. Doch das hilft ja nicht weiter.

Schauen wir uns also einmal an, was das konkret bedeutet. 160.000 der  “leistungsstärksten” Studenten sollen zukünftig mit 300 Euro pro Monat, unabhängig von ihrem Einkommen und dem ihrer Eltern, gefördert werden. Die Hälfte der 300 Millionen Euro Kosten soll aus der Privatwirtschaft eingesammelt werden, die auch über die Verteilung der Mittel mitentscheidet. Die Zustimmung der Länder zu dem Gesetz hat nun ermöglicht, dass der Bund nun die für die Länder vorgesehenen Kosten (bis auf Verwaltungsaufgaben) tragen wird. Für die geplante BAföG-Erhöhung um 2% (die damit sogar noch unter der Inflationsrate gelegen hätte), um durchschnittlich 13 Euro mehr pro BAföG-Empfänger, will man nun kein Geld mehr ausgeben: sie wurde wegen finanzieller Vorbehalte gestoppt. (more…)

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Dieses Blog feiert Geburtstag: 1 Jahr Guardian of the Blind

Dieses Blog hat heute Geburtstag! Vor genau einem Jahr erschien der erste Artikel auf Guardian of the Blind. Damals war das Blog noch unter der Adresse guardianoftheblind.wordpress.com zu erreichen. Am 5. April 2010 erschien dann der erste Artikel unter der neuen Adresse guardianoftheblind.de. Für die allzeitige technische Unterstützung möchte ich hier noch einmal Steffen danken!

In dieser Zeit hat sich einiges verändert. Besonders schön finde ich, dass wir in der politischen Blogosphäre nicht mehr nur als Einzelkämpfer dastehen. Besonderen Dank an dieser Stelle an Frank, Matthias, Stefan und Marc! Sei einiger Zeit erscheinen Artikel bzw. Gastbeiträge von mir auch auf binsenbrenner.de, beim Oeffinger Freidenker und bei lowestfrequency und Artikel von ihnen bei mir.

Und natürlich ein Dank an alle Blogs, die Artikel von Guardian of the Blind verlinkt haben (diese wurden in dieser Zeit auch auf größeren Blogs verlinkt wie den NachDenkSeiten, Carta, Duckhome oder der Nightline vom Hessischen Rundfunk und von zwei Zeitungen erwähnt).


Und da ich ein Fan von Statistiken bin, noch mal, wie bereits vor einem halben Jahr, ein kleiner Rückblick:

Artikel: 237

Kommentare: 618

Seitenaufrufe laut WordPress-Stats: 44.345 (Mist, die 44.444 knapp nicht erreicht. 😉 Andere Statistiken weichen davon ziemlich ab, z.B. liegt Statcounter oft ein Viertel darüber, Bloggerei darunter … Naja, so ungefähr halt.)

Meistgelesene Artikel:

1. Kampagne gegen Rot-Rot-Grün in NRW, Tag 1

2. Warum die Globalisierung auch Chancen für die Entwicklungsländer bietet

3. Der neue Wahlomat – schlecht gemacht und tendenziös

4. Dirk Niebel – der schlechteste Bundesminister aller Zeiten?

5. Kampagne gegen Rot-Rot-Grün in NRW, Tag 3-7

6. Kampagne gegen Rot-Rot-Grün in NRW, Tag 2

7. Das Sein bestimmt das Bewusstsein: die Ideologiekritik von Karl Marx und Friedrich Engels

8. Die Philosophie der Stoa – Ethik für das Leben statt Theorie für die Bücher

9. Der Bildungsstreik 2009 und das deutsche Bildungssystem

10. Die Kritische Theorie der Frankfurter Schule: Marx für heute

11. Der Rücktritt Köhlers: eine erste Analyse

Top-Referrer: NachDenkSeiten, Twitter, Oeffinger Freidenker

Top-Suchbegriffe: dirk niebel, globalisierung entwicklungsländer, entwicklungsländer globalisierung

Häufigste Kategorien: Politik, Wissenschaft, Medien

Häufigste Schlagworte (Tags): Politik, Gesellschaft, Medien

Und das wichtigste zum Schluss: Vielen Dank an alle Leser und Kommentatoren! Ohne euch wäre das hier alles nichts! Noch als kleines Quasi-Geburtstagsgeschenk an die Leser ein neues Feature: falls ihr den Feed dieses Blogs lieber über FeedBurner lesen oder ein E-Mail-Abonnement der Beiträge darüber haben möchtet ist dies jetzt möglich, in der rechten Seitenleiste unten. Und vielleicht gibt es nachher noch was Kleines … Falls ihr irgendwelche Anregungen, Vorschläge oder Kritik habt: nur immer raus damit!


Und schließlich noch ein kleines Ständchen:

http://www.youtube.com/watch?v=8nGR9sIgEWE

Guardian of the Blind

Markus Weber

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Klassenjustiz

Die Innenminister der Länder wollen das Strafmaß für Angriffe auf Polizisten von zwei auf drei Jahre erhöhen. Einige Unions-Innenminister wollen diese Regelung zudem für andere staatliche Berufe wie Feuerwehrleute, Rettungskräfte oder Gerichtsvollzieher eingeführt sehen. Justizministerin Leutheusser-Schnarrenberger dagegen warnt, es dürfe  “kein Zweiklassenstrafrecht geben, das die Unversehrtheit von Polizisten höher bewertet als die von Bauarbeitern oder Bankangestellten”.

Natürlich hat sie damit Recht. Gleiche Strafe für gleiche Rechtsverletzung ist einer der Grundpfeiler eines Rechtsstaates. Es darf nicht davon abhängen, an wem man eine Tat begeht, wie diese bestraft wird. Anderes würde einen Rückschritt von Jahrhunderten bedeuten. Sicher sind Polizisten größeren Gefahren ausgesetzt, aber ist das der Maßstab? Würde das nicht im Umkehrschluss bedeuten, dass man nicht so hart bestraft wird, wenn man jemanden angreift, der in seinem Beruf nicht so oft mit Gewalt konfrontiert ist? Nein, das kann wohl kaum gewollt sein. Und wie würden dann Feuerwehrleute oder Sanitäter da rein passen? Und die Ausweitung auf “staaliche Berufe”? Sind denn alle Rettungskräfte staatlich? Was ist mit anderen staatlichen Berufen als den genannten? Und wo liegt die Begündung für solch eine Richtschnur? Oder soll es danach gehen, wie der gesellschaftliche Nutzen der Tätigkeit einzuordnen ist? Dann würden also Angriffe auf Putzfrauen oder Müllmänner sehr viel drastischer bestraft werden müssen als solche auf Steuerberater oder Banker. Aber es wäre ganz sicher, dass das mit unserer gesetzgebenden Kaste nicht zu machen wäre, und es würde dem von Politik, Wirtschaft und Medien verbreiteten Märchen “Wer viel verdient, ist Leistungsträger” (und meist impliziert: besser) zuwiderlaufen. Nein, all dies taugt als objektiver und rationaler Rechtsmaßstab übehaupt nichts. Wenn nicht gleiches Recht für alle gilt, ist der Willkür Tür und Tor geöffnet.

Und Leutheusser-Schnarrenberger übersieht außerdem, wo die wahre Spaltung unseres Justizsystems liegt. Wie kommt es, dass man für Körperverletzung an Polizisten zwei Jahre ins Gefängnis kommen kann, für das Demolieren eines Polizeiautos aber für fünf? Warum werden bei uns Eigentumsdelikte schwerer bestraft als solche an Personen? Wie kommt es, dass man bei mehrfachem Einbruch oder schwerem Diebstahl oft härter bestraft wird als bei schwerer Körperverletzung? Liegt das etwa daran, dass unser Recht darauf ausgelegt ist, vor allem Eigentum zu schützen, und nicht Menschen? Und warum können sich immer wieder Manager, die Betrug, Veruntreuung oder ähnliches in Millionenhöhe begangen haben, mit einer für ihre Verhältnisse kleinen Geldsumme und einer Bewährungsstrafe herauskaufen? Warum sind solche “deals” möglich? Haben wir etwa bereits jetzt eine Klassenjustiz?

http://www.youtube.com/watch?v=xEqpzJZoQQg

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