Christian Wulff ist im dritten Wahlgang zum neuen Bundespräsidenten gewählt worden. Doch so schön die “Klatsche” für die Regierung durch die Nichtwahl im ersten und zweiten Wahlgang sein mag: in Wirklichkeit hat die Opposition kaum etwas gewonnen. Die Ereignisse um die Wahl werden schon bald wieder in Vergessenheit geraten. Dafür aber haben die rechten Flügel von SPD und Grünen die Möglichkeit zu einer gemeinsamen Opposition von links schwerer gemacht, wenn nicht unmöglich – und das durchaus gezielt. Die Partei Die Linke hat (zumindest in den Augen der Öffentlichkeit) die Chance versäumt, Wulff als Bundespräsidenten zu verhindern und sich klar von der DDR zu distanzieren. Die Vorgänge um die Bundespräsidentenwahl bedeuten also 1. den Sieg der Parteitaktierer und 2. einen Erfolg der wirtschaftsliberalen Kräfte bei SPD und Grünen gegen diejenigen, die für eine soziale Politik eintreten.
Von den Unions- und FDP-Abgeordneten stimmten durhaus überraschend viele Delegierte nicht für Christian Wulff. Diese “Abweichler” sind aber wohl nur zu einem geringen Teil der klägliche Rest von Politikern, die Überzeugungen vor Parteitaktik stellen. Der größere Teil werden solche gewesen sein, die mit der Bundesregierung aus den unterschiedlichsten Gründen unzufrieden waren und ihr einen Denkzettel verpassen wollten. Dieser sollte aber nicht so weit gehen, ihr wirklichen Schaden zuzufügen, und so haben sie sich dann anscheinend doch recht bereitwillig “disziplinieren” lassen und die Zahl der Stimmen für Wulff kontinuierlich zugenommen. Die Parteipolitik hat wieder einmal gesiegt.
Gesiegt haben ebenso die rechten, d.h. vor allem konserativen und wirtschaftsliberalen Politiker bei SPD und Grünen. Diese haben ihr Hauptziel, das ihnen noch wichtiger war als die Destabilisierung der Regierungskoalition, erreicht: die Diffamierung der Partei Die Linke und die Schmälerung der Chancen auf Rot-Rot-Grün. Ihnen ist es gelungen, denen, für die sie Politik machen, zu signalisieren, dass sie an “Bürgerlichkeit” der Union und der FDP in nichts nachstehen und dass sie v.a. nicht gewillt sind, einen fundamentalen Politikwechsel vorzunehmen. Der Wegweiser ist derselbe, und er zeigt klar in Richtung Wirtschaftsliberalismus, Deregulierung und Sozialabbau. Eine linke Politik soll mit allen Mitteln verhindert werden, und dafür wird sogar die Kandidatur für das Amt des Bundespräsidenten verwendet. Und sie haben es sogar geschafft, dass andere Teile ihrer Parteien in der Öffentlichkeit mitziehen. Denn wenn SPD und Grüne nun pauschal der Linken die Schuld an Gaucks Nichtwahl zuweisen, ist der nur allzu offensichtliche Plan der Konservativen und Neoliberalen außerhalb von Union und FDP aufgegangen. Ein wirklich linker Politikwechsel wäre nur mit rot-rot-grün möglich gewesen, und das ist nun zumindest für die absehbare Zeit kaum durchführbar. Diese Chance wurde gezielt verbaut.
Dabei wurden von ihnen gezielt Gruppendynamik und Parteikadavergehorsam instrumentalisiert: Denn die selben Parteipolitiker, die Gauck in den letzten Wochen so hochjubelten, hätten ihn als Kandidaten von Schwarz-Gelb natürlich ebenso entschieden abgelehnt. Die gespielte emotionale Empörung angesichts dessen, dass ihn die Partei Die Linke nicht wählte, ist nicht sehr überzeugend. Gauck war nie ein politisch linker Kandidat und seine Äußerungen zur Linken nach seiner Nominierung erweckten nicht den Eindruck, dass man die Stimmen dieser Partei auch nur irgendwie haben wollte. Im Gegenteil: SPD und Grüne hätten wohl kaum einen Kandidaten finden können, der weniger für eine linke Politik steht und den die Partei Die Linke eher angelehnt hätte.
Das Verhalten der Partei Die Linke ist also teilweise durchaus nachvollziehbar, wenn auch nicht taktisch das Klügste. Man hätte hier die Chance gehabt, alles Stasi-Gerede der Mainstream-Journaille Lügen zu strafen und Schwarz-Gelb empfindlicher zu treffen, als es jetzt der Fall ist. Den ganzen Wahltag über waren folglich, und es wird die nächsten Tage sicher zunehmen, die vorhersagbaren und sicher gut eingeübten Statements zu hören, die die Presse natürlich nur um so lieber verstärkt: Die Linke ist nicht in der Demokratie angekommen, sie ist nicht regierungsfähig. Dieser Eindruck wird sich natürlich durch die mediale Indoktrination auch auf die Bevölkerung ausbreiten und die Zustimmung zu der Linken als auch zu rot-rot-grünen Koalitionen senken – auch wenn inhaltlich immer noch viele Ziele von einer Mehrheit geteilt werden mögen.
Und daran ist die Linke auch nicht ganz unschuldig, das muss man wohl festhalten. Zumindest im letzten Wahlgang wäre Gauck sicher das “geringere Übel” als Wulff gewesen: Wulff verkörpert die CDU an sich: er ist konservativ, erz-christlich, neoliberal. Gauck ist das sicher auch alles – aber in einer deutlich gemäßigteren Ausprägung, z.B. ist er ein Schröder-Anhänger. Zudem ist Gauck unabhängig, Wulff ist ein reiner Parteipolitiker, und er tritt entschieden für gesellschaftliche Freiheit und Bürgerrechte ein, was Wulff nicht tut (siehe bspw. Uwe Schünemann). Dies hätte alles dafür gesprochen, Gauck im dritten Wahlgang zu wählen.
Andererseits hätten, sieht man sich den zweiten Wahlgang an, die Stimmen für Gauck auch nicht einmal gereicht, wenn SPD, Grüne und Linke alle Gauck gewählt hätten und die Gauck-Wähler von Union und FDP bei ihrer Stimme geblieben wären. Der Vorwurf, Wulff an die Macht geholfen zu haben, ist also nicht tragbar. Außerdem hätten damit viele Linke ihre Überzeugung verraten und sich unglaubwürdig gemacht.
So oder so: durch eine recht geschickt durchgeführte Taktik der anti-linken (und damit ist nicht die Partei gemeint) Kräfte in SPD, Grünen und Medien konnte die Partei Die Linke nur verlieren, so wie es auch Anhänger von rot-rot-grünen Kooperationen nur konnten. Bei den Seeheimern werden somit nun sicherlich die Korken knallen, trotz der Wiederwahl von Wulff. Die Politik in Deutschland wird weiter in eine neoliberale Richtung gehen, dafür ist nun gesorgt.
Nachtrag:
Am Mittwoch Abend bei Hart sagte Hans-Ulrich Jörges, er hätte aus der Linken gehört, dass diese Gauck gewählt hätte, wenn ihre Stimmen gereicht hätten, durch diese Wulff zu verhindern. Spon berichtet am Donnerstag über Reaktionen aus der Linken und der SPD, u.a.:
Obwohl sich die SPD in der Öffentlichkeit lautstark über das Verhalten der Linken beschwert, sind hinter vorgehaltener Hand auch andere Kommentare zu hören: Viele Sozialdemokraten verbuchen es als taktischen Erfolg, dass sie mit dem Kandidaten Gauck nicht nur Unfrieden in der Koalition geschürt, sondern auch die Linkspartei gezwungen haben, sich von SPD und Grünen zu distanzieren.
Links zum Thema:
Die Bundespräsidentenwahl – Ein Lehrstück (Oeffinger Freidenker)
Erosion einer Regierung (binsenbrenner.de)
Bundespräsidentenwahl ohne Gewinner (blogsgesang)
Die Meta-Politik-Show (NachDenkSeiten)
Bildquellen:
Picasa (Angelia2041) / http://creativecommons.org/licenses/by-nc-sa/3.0/
Wikimedia (Gabriel, Kahrs, beide unter http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/; Scheel, unter http://creativecommons.org/licenses/by/3.0/deed.en)
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Es hat schon der Richtige gewonnen.
Einen Salonfaschisten wie Gauck würde ich als Präsident niemals akzeptieren, geschweige denn respektieren können. Wulff jedoch ist nicht der freundliche sozialfeindliche Abnicker von Nebenan.
Auch wenn ich alle 3 Kandidaten, die sich zur Wahl stellten, verachte, hat Gysi meine vollste Untertützung. Er hat gezeigt, daß Demokratie und Gerechtigkeit wichtiger sind als Parteipolitik oder die Unterwerfung unter den “Seeheimer Kreis” (aus dem sich derzeit knapp 90% der SPD-Parteispitze rekrutieren), gewonnen haben mitnichten diejenigen, die ein linkes Bündnis wollen.
Nur dummerweise möchten die LINKEn nicht mit Parteien koalieren, die Hartz durchbrachten, obwohl sie wußten, daß es nicht verfasssungskonform ist. Und die LINKE möchte sich auch nicht in einem Kampf der Ideologien verheizen lassen. Also ist deren Wahlverhalten durchaus zu verstehen.#
Heute hat die Demokratie gewonnen. Und erst in einigen Jahren wird sich zeigen, was aus dieser gemacht wird. Mit solchen Artikeln wie deinem besteht die Gefahr, daß dieses Ereignis in sein Gegenteil verkehrt wird. Bitte bleibe objektiv, dies dürfte besser für alle sein.
Ich versuche objektiv zu bleiben, deshalb versuche ich es auch zu vermeiden, Leute als etwas zu bezeichnen, was sie nicht sind. Gauck ist sicher ein Konservativer und ein Neoliberaler, wenn man ihn aber als “Salonfaschisten” bezeichnet, verharmlos man dadurch die wirklichen Faschisten.
Ich bin immer der Meinung, wenn man nur die Wahl zwischen zwei Übeln hat, ist es richtig, dass geringere zu wählen, um das schlimmere zu verhindern.
Gerade bei Hart aber fair sagt Jörges, er hätte aus der Linken gehört, dass diese Gauck gewählt hätten, wenn sie dadurch Wulff hätten verhindern können, also wenn es an ihren Stimmen gelegen hätte. Das wäre meiner Meinung nach dann vernünftig gewesen. Im Endeffekt war es aber dann ja egal, wie sie stimmen.
Nun ja, ich sehe da heute eigentlich keine Gewinner, aber das hast Du ja schon bei mir drüben gelesen 😉
Naja, so als Seeheimer z.B. würde ich mich jetzt recht wohl fühlen: die Regierung schon merklich destabilisiert, mehr Stimmen als erwartet für den eigenen Kandidaten, die Schuld, dass dieser nicht gewählt wurde, kann ich auf die Linke schieben, und immer, wenn die Option einer rot-rot-grünen Zusammenarbeit ins Spiel kommt, könnte ich sagen, dass die Partei Die Linke nicht regierungsfähig und in ihrer DDR-Vergangenheit verhaftet ist.
@Guardian
Ich bin immer der Meinung, wenn man nur die Wahl zwischen zwei Übeln hat, ist es richtig, dass geringere zu wählen, um das schlimmere zu verhindern.
Hmm, ich achte zwar deine Ansichten, aber ich möchte dich daran erinnern, das über ein Drittel der bundesdeutschen Bevölkerung genug von diesen kleinen Übeln haben, und erst gar nicht wählen gehen. Da macht es (auch wenn ich selber Taktik hasse), weitaus mehr Sinn, glaubhaft zu bleiben, als kurzzeitige Positionsmanöver zu betreiben. Der größte Zulauf zu den Linken kommt nicht von den etablierten Parteien her, sondern denen die mit jahrzehntelangem Misstrauen leben. Machtorientierte Realpolitik ist da kaum angebracht. (Und das hoffe ich auch schwer weiterhin von den Linken). Nur als Beispiel; Hätte die Linke Gauck unterstützt, – hätte sie jetzt min. einen Wähler weniger.
(Und mir wird ja jetzt hoffentlich keiner was mit DDR,SED und den ganzen alten Schmonz anhängen wollen, – oder?)
Nach letzter BP-Wahl wird auch hier angeregt:
Alle, die den Wulff zum ganzdeutchen BP-Präsiendenten am 30. Juni 2010 wählten, mögen bitte e i n langes Jahr lang jeden Tag einmal das NS-Lied in allen Strophen hören
Hier ist als Kostprobe die erste mit YT-Link:
„Von der Weser bis zur Elbe, von dem Harz bis an das Meer,
stehen Niedersachsens Söhne, eine feste Burg und Wehr.
Fest wie unsere Eichen halten alle Zeit wir stand,
wenn Stürme brausen übers Deutsche Vaterland.
Wir sind die Niedersachsen, sturmfest und erdverwachsen
Heil Herzog Widukind Stamm“
http://www.youtube.com/watch?v=1ZPHWMhiggo&feature=related
Im übrigen wird hier die Meinung vertreten:
Scheiße gehört in Arsch und nicht inn´ Kopp;-)
v.A.
30.06.10
In großen Teilen gebe ich Dir Recht.
Nur Deine abschließende Einschätzung von Gauck kann ich so gar nicht teilen. Selbst wenn ich Deine Einstellung zur Thematik “kleineres Übel” teilen würde, wäre Gauck in meinen Augen nicht das kleinere Übel gewesen.
Sein ständig postulierter Freiheitsbegriff ist Neusprech der typischen FDP-Freiheitsbegriffs-Interpretation. Seine ständigen Wiederholungen von Eigenverantwortung und ähnlichen Begriffen zeigen, dass sein diesbezüglicher Standpunkt schon als äußerst FDP-nah anzusehen ist. Das ist imho wohl auch das, was Andreas mit seinem Salonfaschisten auszudrücken versuchte (wenn auch mir diese Bezeichnung über das hinausgeht, was bisher so von Gauck zu vernehmen war – das träfe eher auf Sarrazin, Heinsohn usw. zu).
Nein, Gauck war für mich nicht das kleinere Übel. Man hat “uns” (ja eigentlich nicht einmal uns, sondern uns als Zuschauern hinter der Panzerglasscheibe) BP-Kandidaten vorgesetzt und damit eine Wahl suggeriert, die eigentlich gar keine war.
@ 8 antiferengi:
Ich weiß nicht, ob Machtpolitik bei der Entscheidung der Linke nicht doch auch eine Rolle spielte. Ich denke, die meisten von ihnen hätten lieber Gauck als Wulff zum Ministerpräsidenten gemacht, enthielten sich aber der Stimme, teils aus Überzeugung, weil sie beide für nicht tragbar halten, teils/ manche aber vielleicht auch aus parteitaktischen Gründen. Und bei einigen hätten sie aber vielleicht auch an Glaubwürdigkeit gewonnen, wenn sie Wulff verhindert hätten.
@ 9 v. Altzheimer sen., Bonn
Ich find die zweite Strofe ja noch schlimmer ….
@ 11 Lutz Hausstein:
Das stimmt auf jeden Fall. Aber machen wir doch mal den Vergleich: Wulffs Positionen sind in wirtschafts- und sozialpolitischer Sicht komplett auf FDP-Linie, und er interessiert sich keinen Deut für eine andere Freiheit als die wirtschaftliche (siehe Niedersachsens Innenpolitik). Gauck setzt die wirtschaftliche Freiheit über Gleichheit/ Gerechtigkeit, wie er ja auch selbst zugibt, aber er tritt wenigstens noch, das kann man ihm wohl kaum zum Vorwurf machen, für gesellschaftliche Freiheiten und Bürgerrechte ein. Die Richtung beider mag ähnlich sein, die Ausprägung lässt aber schon noch deutliche Unterschiede erkennen.
No. 12 GotB
Kein Widerspruch. Diese NS-Hymne ist m.E. gesamthaft politaesthetisch entsetzlich … halt der soziale Mutterboden des neuen ganzdeutschen BP
Wulff (egal ob mit oder ohne Schafspelz…) – Gruß;-) v.A.
Markus, da kommen wir jetzt aber auf die 6. Stelle hinter dem Komma, wo dann eventuell, aber auch nur eventuell, Unterschiede sichtbar wären! 😉
Für mich waren beide eine Katastrophe.
Ein wirklicher Bundespräsident ist anders. Einer, der ganz besonders in Zeiten eines weiter zunehmenden sozialen Auseinandertriftens auch mal die Hand hebt und Stop sagt. War es in den Anfangsjahren der Bundesrepublik noch völlig selbstverständlich, auch in sogenannten konservativen Kreisen, vor allem die Armen der Gesellschaft schützen zu wollen (und zu müssen), so muss man sich inzwischen schon dafür entschuldigen und sich als linker Spinner, Sozialromantiker, Sektierer, Tagträumer oder gar Kommunist (im diffamierenden Sinne), je nach persönlichem Duktus 😉 , beschimpfen zu lassen. Da hätte es eines BP bedurft, der auch mal den A… in der Hose hat und den Mund aufmacht. Dieser ist jedoch weder Wulff noch Gauck.
Wir werden in den nächsten Jahren noch erleben, wie mit ganz präsidialer Segnung “wir alle” den Gürtel nochmal enger schnallen müssen, damit “wir” international “wettbewerbsfähig” bleiben. Tach, Mister Orwell.
@ 13 v. Altzheimer sen., Bonn :
Und das wurde ja sogar bei der Vereidigung des niedersähsischen Ministerpräsidenten gespielt …
@ 14 Lutz Hausstein:
Aber immerhin Unterschiede! 😉 So ein Präsident, wie du ihn beschreibst, wäre allerdings wünschenswert, aber offensichtlich nicht in den Parteipräsidein von CDU, CSU, FDP und worauf alles hindeutet zur Zeit auch nicht in denen von von SPD und Grünen. Selbst einige mögliche Unions-Kandidaten wären dafür wohl besser geeignet gewesen als Wulff (Töpfer z.B.).
Wir alle kennen doch noch die Posse um Ypsilanti. Vor der Wahl hieß es, dass man nicht mit den Linken koalieren wird. Nach der Wahl war es plötzlich eine Option. Die Medien rieben sich danach die Hände. Jetzt konnte die Hetze beginnen. “Tricksilanti” war eine dieser Wortschöpfungen, um diese Frau auf ewig zu diskreditieren. Wahlbetrug wurde ihr vorgeworfen. Was danach kam, wissen wir ja.
Nun hat die Linke vor der Wahl ständig kommuniziert, dass man Gauck nicht wählen wird. Man hat sogar Begründungen vorgetragen, warum man so entscheidet. Nicht einmal ist es der SPD oder den Grünen in den Sinn gekommen, mit den Linken darüber zu diskutieren. Von daher blieb die Entscheidung.
Während der Wahl blieben sie ihrer Linie treu. Fabelhaft! Nicht ganz. Denn jetzt stürzen sich alle auf die Linken. Ob SPD, ob Grüne, ob Gauck (der aber auch schon vorher sehr gegen die Linke gelästert hat), ob Medien, ob Bürger. Alle waren sich einig “die Linke hat eine historische Chance vertan, sich von der DDR zu distanzieren”. Als ob die Wahl Gaucks eine Absolution für die Linke gewesen wäre.
Nun komme ich zu obigem Szenario. Was wäre, wenn die Linke nun doch Gauck gewählt hätte? Vorher sagen, dass man ihn nicht wählen wird. Während der Wahl dann plötzlich umschwenken und Gauck die Stimme geben. Halt! “Ypsilanti”-Falle! Das wäre doch dann auch eine Situation, die dazu geführt hätte, dass die Linke unglaubwürdig ergo nicht koalitionsfähig wäre. Obwohl, wenn man die Umfallerpartei SPD sieht und die Grünen, die mit jedem können, dann wären die Linken in bester Gesellschaft.
Jedoch hätten die Medien trotzdem viel zu lästern. Denn wie könnte man denn den Linken trauen, wenn sie wegen Gauck plötzlich ihre Prinzipien über Bord werfen und ihn wählen, obwohl man dies vorher verneinte?
Dies war eine Zwickmühle. Und SPD und Grüne haben auch eindrucksvoll bewiesen, dass sie eine Rot-Rot-Grüne Regierung nicht im Entferntesten anstreben. Und ich erinnere mich noch an Bodo Ramelow, der sehr kompromissbereit war und sogar (obwohl die Linke die Mehrheit innehatte) den Ministerpräsidentenposten an die SPD abgetreten hätte, jedoch dann von der SPD abgewatscht wurde. Stattdessen gab es dann Groko.
Rot-Rot-Grün? Das ich nicht lache!
@ JS, GotB u.a.
Schlichtfrage von unten links:
Könnte nicht aus 1. Vorfeld, 2. gestrigem Phoenix-TV-nachmittagsfernsehn und 3. auch manchen Beiträgen hier zu BP-Wahl vor allem eins folgen – die Einrichtung des BP als politische Institution, die und weil sie irgendwo zwischen Sozialmonarch, Grüßaugust und bloß “nominellem Direktor” (Marx) oszilliert, besser morgen als übermorgen ersatzlos abschaffen …
fragt v. A.
1.Juli 2010
@ 16 J.S.
Ja, die Linke konnte eigentlich nur verlieren, wie sie sich auch verhalten hätte. Ich glaube die Medien wären zwar relativ ruhig gewesen, wenn die Linke Gauck doch gewählt hätte, weil “Verrat” in Deutschland nur Verrat nach links ist und Prinzipienlosigkeit oft mit dem Euphemismus “pragmatische Politik” verharmlost wird, aber bei einigen Wählern häte sie sicher an Kredit verloren.
@ 17 v. Altzheimer sen., Bonn
Im Grunde finde ich die ursprüngliche Konzeption des Bundespräsidentenamtes eigentlich schon ganz sinnvoll, die Befugnisse und Zuständigkeiten an der Spitze des Staates nicht zu sehr auf eine Person zu konzentrieren und wenigsens ein wenig so etwas wie checks and balances zu konstruieren. Und wenn man das Amt so ausfüllt wie bspw. Weizsäcker, kann es doch einige sinnvolle Funktionen erfüllen. Wenn man es aber für zu einflusslos hält, wäre ja auch eine andere öglichkeit, die Aufgaben des Budnespräsidenten auszubauen (dann könnte man auch vielleicht über eine Direktwahl diskutieren).
@ J.S.:
Es geht doch der SPD und den Grünen gar nicht um wirkliche sachlichen Zusammenhänge! Man konstruiert nach dem Eintreten eines Ereignisses einen (angeblichen) Kausalzusammenhang, der die Schuld bei dem entsprechend Gewünschten findet. Diesen Schein-Zusammenhang transportiert man über bestimmte willfährige Medien, die diese vermeintliche Ursache-Wirkung-Kette in die Köpfe der Menschen trichtern.
Fast immer ist es dabei egal, wie der angeblich Schuldige entscheidet. Es wird im Nachhinein immer ein Grund zurecht gebastelt. Man schaue sich nur mal die Vorgänge und jeweiligen Statements rund um die never-ending-story in NRW an. Egal, wie Kraft sich gerade ausrichten wollte und eine Entscheidung in eine bestimmte Richtung unvermeidlich schien, wurde sie dafür von Union/FDP beschossen. Nicht, dass ich Frau Kraft jetzt besonders mag. Aber sie tat mir zwischenzeitlich sogar ein klein wenig leid. Ergebnis waren dann ihre 37 mal “rin in de Kartoffeln – raus aus´n Kartoffeln”. So hatte sie dann öffentlichkeitswirksam “bewiesen”, dass sie alles, aber auch alles, versucht hat und es keine andere Lösung gibt. Ob dies die beste politische Lösung war, ob sie dies generell so am liebsten hatte – am Ende war es egal. Es ging nur noch darum, eine Lösung präsentieren zu können, mit der sie nicht durch die Medien (die evt. auch durch die anderen Parteien gesteuert wurden) “abgeschossen” wird.
Hessen war doch das leuchtende Beispiel dafür, wie es gehen kann. Entscheidend ist die Meinungsherrschaft. Ypsilanti in Hessen wurde zum Wortbruch erklärt. Identisches Verhalten anderer Parteien erhebt man zum “pragmatischen Handeln”. Die Deutungshohheit ist entscheidend.
1. wundere ich mich, was für Wellen das Thema schlägt. Ich wundere mich in letzter Zeit häufiger (Lena, i.RPT., WM…). Es gibt doch wirklich Wichtigeres da draußen.
2. stimme ich dem antiferengi zu. Die Linken haben als Einzige nicht oder nicht in erster Linie parteitaktisch abgestimmt sondern nach Überzeugung. Und ich kann mir vorstellen, daß etliche WählerInnen das bemerkt haben. Es würde mich schon interessieren, welchen Einfluß das in den Umfragen macht.
und 3. gebe ich dem bösen Grinse-Wulff höchstens 6 Monate. Der hat in seinem niedersächsischen Keller ganze Leichenberge liegen, die jetzt Irgendjemand ausgraben wird. Hoffentlich.
@ 20 rauskucker:
zu 1.:Das kann man doch nicht vergleichen!!!1 Lena und die WM sind bedeuend wichtiger!
zu 2.: Ich befürchte dennoch, dass es sich insgesamt eher negativ ausgewirkt hat.
zu 3.: Würde ich mich nicht darauf verlassen. Der scheint mir so aalglatt zu sein, dass sich da nicht zu viel angehäuft haben dürfte. Obwohl: wär natürlich gut, wenn ich mich irre …