Elitenförderung statt BAföG-Erhöhung: Zementierung der sozialen Spaltung

Der Bundesrat hat heute wirklich das denkbar schlechtest mögliche getan und dem Stipendienprogramm der Bundesregierung zugestimmt, die geplante BAföG-Erhöhung aber abgelehnt. Manchmal fällt es tatsächlich schwer, bei bestimmten Vorgängen noch bei einer nüchternen und sachlichen Argumentation zu bleiben, und man möchte den Beteiligten nur noch die übelsten Schimpfwörter an den Kopf werfen. Doch das hilft ja nicht weiter.

Schauen wir uns also einmal an, was das konkret bedeutet. 160.000 der  “leistungsstärksten” Studenten sollen zukünftig mit 300 Euro pro Monat, unabhängig von ihrem Einkommen und dem ihrer Eltern, gefördert werden. Die Hälfte der 300 Millionen Euro Kosten soll aus der Privatwirtschaft eingesammelt werden, die auch über die Verteilung der Mittel mitentscheidet. Die Zustimmung der Länder zu dem Gesetz hat nun ermöglicht, dass der Bund nun die für die Länder vorgesehenen Kosten (bis auf Verwaltungsaufgaben) tragen wird. Für die geplante BAföG-Erhöhung um 2% (die damit sogar noch unter der Inflationsrate gelegen hätte), um durchschnittlich 13 Euro mehr pro BAföG-Empfänger, will man nun kein Geld mehr ausgeben: sie wurde wegen finanzieller Vorbehalte gestoppt.

Es ist klar abzusehen: profitierend werden die sowieso schon privilegierten Schichten, die finanziell Benachteiligten werden real weniger Mittel als vorher haben. Auch Kinder von Millionären oder Milliardären werden künftig von der Gesellschaft 300 Euro monatlich erhalten. Das Geld der Steuerzahler wird wenig sinnvoll verwendet und kommt nicht dort an, wo es den meisten Nutzen stiften könnte. Das Stipendienprogramm wird die  soziale Selektivität des deutschen Hochschulsystems nicht abschaffen, sondern sogar eher noch verstärken. Eine derartige “Elitenförderung”  ist nicht das, was Deutschland braucht – breite Bildungschancen für alle, eine deutlich höhere Akademikerquote sind vielmehr notwendig. So aber werden kaum mehr Studierende aus einkommensschwachen Familien gefördert werden. Wer erfolgreich aus dem deutschen Schulsystem, das wie kein anderes auf der Welt sozial selektiert, hervorgeht und damit für ein Stipendium in Frage kommt, stammt meist aus gesellschaftlichen Schichten, die keine weitere finanzielle Förderung mehr benötigen.

Weiterhin wird die Privatwirtschaft noch mehr Einfluss auf die Universitäten, auch auf Lehrpersonal und -inhalte, erhalten, als sie jetzt schon besitzt. Vor allem werden natürlich solche Fächer gefördert werden, die unmittelbar den Gewinninteressen privater Konzerne zu Gute kommen, und die Universitäten werden sich weiter der Privatwirtschaft anbiedern.

(sie auch: Elitenförderung statt Bildungsrepublik)

Im Gegensatz zu der großzügigen weiteren Förderungen derer, die sich selber als die Elite betrachten, haben die Studierenden aus einem finanziell nicht derart gut gestellten Elternhaus in den letzten 20 Jahren real immer weniger Geld zur Verfügung, und nicht einmal eine so kleine – quasi symbolische Erhöhung – wie jetzt wird ihnen zugestanden.

Doch damit setzt die Bundesregierung auch klare Zeichen: ihr geht es keinesfalls um so etwas wie Wohlstand für alle, noch nicht einmal um gleiche Chancen für alle: sie sieht die Zukunft Deutschlands weiterhin in einer Entqualifizierung der breiten Bevölkerungsschichten, die breite Lohnsenkungen ermöglicht. Eine kleine “Elite”, die möglichst unter sich bleibt, soll alle relevanten Entscheidungen, abgekoppelt von demokratischen Entscheidungsmechanismen (die durch die Senkung des Bildungsniveaus meist resultierende Entpolitisierung kommt da gerade recht), treffen. Eine breite, politisch apathische und unter massivem sozialpolitischem Druck und Zwang und der ständigem Bedrohung ihrer Existenzgrundlage stehende Unterschicht ohne Aussicht auf gesellschaftlichen Aufstieg, beherrscht von den Apologeten des freien Marktes, die nicht mehr als Verachtung für die Masse der Bevölkerung, geschmückt durch ihre unverschämte Lüge von der Chancengleichheit, übrig haben.


In Hessen wird die Politik der Verstärkung der sozialen Spaltung in der Bildungspolitik derweil noch gezielter vorangetrieben: Die hessische Landesregierung vergibt von den 30 Millionen Euro, die sie den staatlichen Unis weggenommen hat, 24,7 Millionen an die Privatuni European Business School (sehr lesenswerter Artikel – obwohl einem bei der Lektüre leicht schlecht werden kann). Während es an den Unis in Hessen an allen Ecken und Enden mangelt, erhält diese elitäre, mit “unternehmerischer Führung” organisierte Kaderschmiede für Managerposten in der Privatwirtschaft öffentliche Gelder – für den Aufbau einer juristischen Fakultät. Ja, wenn wir etwas dringend brauchen, dann noch mehr Juristen. Kann man sich überhaupt eine Welt ohne Juristen vorstellen?

http://www.youtube.com/watch?v=CLfzfC3JXAw

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6 thoughts on “Elitenförderung statt BAföG-Erhöhung: Zementierung der sozialen Spaltung

  1. Pingback: Mein Politikblog
  2. Guter Artikel.

    Ich glaube am meisten erschreckt mich die Unverfrorenheit. Obwohl am selben Tag eine Bertelsmann(!)-Umfrage ergab, dass für die befragten Eltern das größte Problem im Bildungssystem die soziale Ungerechtigkeit ist, wurde skrupellos diese unsoziale Entscheidung getroffen. Das irritiert mich mehr als alles andere, dass nicht einmal mehr versucht wird, soziale Ungerechtigkeit zu kaschieren.

  3. Das stimmt allerdings, Schwarz-Gelb tut nicht mal mehr so, als wolle man sich für Chancengleichheit einsetzen. Und bis einen Tag davor waren ja auch alle davon ausgegangen, dass der Budnesrat der BAföG-Erhöhung zustimmen und die Stipendien ablehnen würde.

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