Die heutige Frauenbewegung handelt den eigentlichen Intentionen des Feminismus zuwider. Sie hat sich längst mit dem herrschenden kapitalistisch und hierarchisch organisierten System verbündet. Ihre Forderungen laufen dabei sogar auf eine Ausbreitung von bestimmten – durch die geschichtliche Entwicklung als männlich charakterisierten – Eigenschaften und Verhaltensweisen (wie Härte, Aggressivität, Egoismus, Konkurrenz- und Karrieredenken) hinaus und erstrecken sich auf alle Frauen. Das Ziel einer wirklich emanzipatorischen Bewegung sollte jedoch in deren Überwindung liegen.
Es war in der Tat vorhersehbar: Nachdem das Bundesverfassungsgericht sein Urteil zu den Rechten unverheirateter Väter verkündete, kam der erwartbare Protest der üblichen Verdächtigen (via Zeitgeist Blog). Die Argumentation: die meisten Männer müssten erst einmal beweisen, dass sie überhaupt etwas mit dem Sorgerecht anfangen können und es nicht nur aus Machtinstinkten wollen. Falls auch manche Frauen ihre Kinder vernachlässigen, ist das nicht so schlimm wie bei Männern, da Frauen ja in der Vergangenheit die Kindererziehung übernommen hatten. Und nicht zuletzt: ein Vater, der nicht genügend Unterhalt zahlen kann, ist kein guter Vater.
Ich benutze den Ausdruck “die üblichen Verdächtigen” nicht gerne, aber er gibt es nun einmal wieder: Wenn heutzutage Feministinnen in den Medien zu Wort kommen, sind es fast immer die einer einzigen, bestimmten Sichtweise. Diese sogenannten Feministinnen sind diejenigen, die Feminismus in erster Linie in einer Weise verstanden wissen wollen, die letztendlich darauf hinausläuft, dass sich Frauen immer mehr dem annähern, was heute zumeist als männlich bezeichnet wird. Fangen wir aber am besten an mit den Gemeinsamkeiten, die diese sich so bezeichnenden Feministinnen und ich (und ich stütze mich in der Folge vor allem auf Gedanken von Herbert Marcuse) haben. In der Vergangenheit der Menschheitsgeschichte haben in erster Linie Männer eine herrschende Rolle inne gehabt. Die gesellschaftlichen Machtstrukturen waren in erster Linie ihnen vorbehalten. Ebenso waren sie in der Arbeitswelt übermäßig vertreten, die Frauen auf Kindererziehung und Hausarbeit reduziert, und sie wurden nicht selten auch direkt unterdrückt. So weit sind wir uns in jedem Fall einig.
Eben indem nur Männer in einem hierarchischen, anti-egalitären Gesellschaftssystem an den mit Macht ausgestatteten Positionen saßen und später durch die proportional übermäßige Beteiligung von Männern am kapitalistischen Verwertungssystem, sprich in der Lohnarbeit, bildeten sich vor allem bei Männern bestimmte Eigenschaften und Verhaltensweisen, die in der Folge gerne als “typisch männlich” angesehen wurden. Dies geschah, da diese Eigenschaften und Verhaltensweisen mit diesen gesellschaftlichen Systemen, vor allem mit der kapitalistischen Arbeitswelt, einhergehen, solche wie: Egoismus, Ellenbogenmentalität, Konkurrenzdenken, Härte, Unbarmherzigkeit, Aggressivität.
(Anm. d. A.: Hier nützt es auch nicht viel, gesellschaftlich erworbene und/ oder zugeschriebene Eigenschaften auf – meist gemutmaßte bis nur vermeintliche – natürliche, meist angeblich genetische Unterschiede reduzieren oder gar als männliche oder weibliche “Instinkte” oder ähnliches verklären zu wollen, wie es in den Medien hofierte, biologistische populärwissenschaftliche Ansätze tun. Aus der selben Ecke sind denn auch stets zynische Anmerkungen zu hören wie, dass es die Menschheit nun mal in ihren Genen hätte, dass sie Krieg führen müsse, dass Jeder immer gegen Jeden kämpft usw. Hier will meiner Meinung nach oft eine bestimmte Ideologie ihre Ansichten zu Gesellschaft und Ethik, die oft in der Nähe des Sozialdarwinismus liegen, als die einzig “natürlich” möglichen darstellen. So etwas hatten wir schon mal, und wir haben gesehen, wie es geendet hat.)
An dieser Stelle setzt aber der Unterschied zwischen verschiedenen Sichtweisen ein: Die heutigen vermeintlichen Feministinnen lassen sich in die wirtschaftsliberale Ideologie und ihr Neusprech hineinziehen. Sobald die genannten Eigenschaften bei Frauen vorzufinden sind, werden sie begrüßt, werden als “Gesundes Selbstbewusstsein” und “Durchsetzungsvermögen” bewundert. Frauen müssen doch auch Karriere machen dürfen, ja noch mehr – sie müssen notfalls zu ihrem “Glück” gezwungen werden. Und so kommt es, dass diese angeblichen Feministinnen ihre politischen Forderungen beschränken auf Maßnahmen, die dazu führen, dass man zwangsweise (durch Quotierungen bspw.) mehr Frauen und an höheren hierarchischen Positionen am kapitalistischen Verwertungssystem beteiligt und in das Herrschaftssystem integriert – ohne dass dieses grundlegend in Frage gestellt wird, was das Ziel emanzipatorischer Politik sein müsste. Herbert Marcuse nennt einen Punkt, den man nicht vergessen sollte:
Immerhin ermöglichte es diese Isolierung (Trennung) von der entfremdeten Arbeitswelt des Kapitalismus der Frau, durch das Leistungsprinzip weniger brutalisiert zu werden, ihre Sinnlichkeit stärker zu bewahren: menschlicher zu bleiben als die Männer. Daß dieses Bild (und diese Realität) der Frau durch eine aggressive, männlich beherrschte Gesellschaft geprägt wurde, bedeutet nicht, daß diese Züge rundweg abzulehnen wären und die Befreiung der Frauen die weibliche „Natur“ überwinden müsse. Solche Gleichstellung von Mann und Frau wäre regressiv; sie stellte nur eine neue Form weiblicher Anerkennung des männlichen Prinzips dar. (Herbert Marcuse: Konterrevolution und Revolte, 1972, S. 94)
Als Einwand hört man hier oft, dass dadurch, dass Frauen, auch in Führungspositionen, aber meist andere Eigenschaften mitbrächten als die oben skizzierten männlichen, die da zum Beispiel wären Einfühlungsvermögen, Sensibilität, Solidarität. Hier kommen wir aber zu einem Problem: Die derzeitige feministische Politik führt eben immer mehr zu einem Verschwinden dieser Eigenschaften. In dem Status quo, den wir haben, setzen sich heute meist die Männer und Frauen durch, die am egoistischsten handeln, die am härtesten vorgehen, die am stärksten autoritär und selbstverliebt sind. Wenn es doch jemand schaffen sollte, der nicht dementsprechend veranlagt ist, wird sie oder er nicht selten durch das bestehende System, dass diese Eigenschaften fördert, verdorben. Ja, man sieht man gerade bei den Frauen, die es in diesem, durch als männlich charakterisierten Eigenschaften erschaffenen und am Leben gehaltenen System, nach oben geschafft haben, eine Anpassung an diese Eigenschaften und Verhaltensweisen. Um es etwas platt zu formulieren: ob der Chef, der autoritäre Knochen, der sich selbst für den Mittelpunkt der Welt hält, ein Mann oder eine Frau ist, ist für das System irrelevant. Dies bedeutet nicht, dass die Frauen zwangsweise in den unteren Positionen bleiben müssen, sie müssen die gleichen Chancen erhalten (die gleichen, nicht größere – doch dazu weiter unten mehr). Nein, eine wirklich feministische Politik müsste auf eine unmittelbare Veränderung des gesellschaftlichen Systems, an erster Stelle der Arbeitswelt und damit auch des wirtschaftlichen Systems, hinarbeiten. Eine Gesellschaft, in der die Eigenschaften, die in der heute bestehenden Gesellschaft als weiblich gelten, stärker zum Tragen kommen, kann nicht die heutige Gesellschaft sein.
Der heutige Feminismus aber hat sich von seinen emanzipatorischen und damit urlinken Zielen entfernt und ist beinahe vollends im Neoliberalismus aufgegangen. Und es ist kein Wunder, dass sich prominente Feministinnen längst gar in einer politisch konservativen Ecke wiederfinden (umgekehrt werden sie von den Rechtskonservativen gerne herangezogen, etwa in ihrem Kampf gegen den Islam). Der Feminismus beschränkt sich heute auf Maßnahmen zur Bevorzugung von Frauen innerhalb des kapitalistischen Wirtschafts- und Herrschaftssystems. Und er dient diesem System selbst mit einigen seiner familienpolitischen Ideen. Denn er predigt ein narzisstisches Ideal: Der hauptsächliche Lebensinhalt einer jeden Frau soll es sein, “Karriere zu machen”, was aber nichts anderes bedeutet, als in der kapitalistischen und hierarchischen Gesellschaft möglichst gut zu funktionieren, sich durch viel Geld und viel Macht dessen Idealen zu unterwerfen, das gesellschaftliche System zu stützen und zu stärken – und damit auch diessen Stützen, Herrschaft und Ungleichheit. Und nur wenn daneben noch Platz ist, kann man vielleicht noch an ein Kind denken. Für dessen wirkliche Betreuung ist man sich jedoch zu schade, man hat ja Karriere zu machen, anders als die “Hausmütterchen”, auf die oft despektierlich herabgeschaut wird. Nein, das können ja Kindertagesstätten usw. übernehmen.
Mir ist an dieser Stelle klar, dass viele Frauen aus ärmeren Schichten oft dazu gezwungen sind, einer Erwerbsarbeit nachzugehen. Doch eben dieses – soziale – Problem geht die heutige Frauenbewegung nicht an. Sie konzentriert sich auf ein paar Akademikerinnen, die auf keinen Bruchteil ihrer Karriere in der Privatwirtschaft verzichten wollen, die den alleinigen Weg zum Glück darstellt, auch um der eigenen Kinder wegen nicht (ein Verhalten, das bei Männern durchweg kritisiert wird) – die heutigen Feministinnen haben sich längst mit dem Neoliberalimus arrangiert, mehr noch: sie haben sich mit ihm verbündet. Sie tragen bei zu einer Gesellschaft, in der ausschließlich das Ego zählt, und dieses definiert sich ausschließlich über die Medien Geld und Macht.
Das frühere Sozialisationsmodell war geprägt von einer starken, autoritären Vaterfigur, wodurch sich der autoritäre Sozialcharakter entwickelte mit seinem Hang, sich Befehlen von hierarchisch höher Gestellten zu unterwerfen und nach unten auszuteilen. In den letzten Jahrzehnten entstand und entstehen Generationen, die von klein auf lernen, dass die Erwerbstätigkeit die unangetastet erste Rolle im Leben eines Menschen spielen soll, sei es dadurch, dass die Eltern dazu aus wirtschaftlichen Gründen gezwungen sind, oder da sie sich dazu entschieden haben, da ein Kind ja nicht der Karriere schädlich sein darf. In den Familie herrschen zwar keine übermäßig autoritären Beziehungen mehr, aber sie verliert auch ihre sozialisierende Rolle für die Bildung von Werten wie Solidarität und Mitgefühl immer mehr. Liebe und Hingebung werden ersetzt durch materielle Geschenke.
Dieses Familien- und Sozialisationsmodell ist das einer atomisierten, egoistischen, konkurrenzbasierten Gesellschaft, ist das dem Neoliberalismus entsprechende. Es erzeugt die Einstellungen und Verhaltensmuster, die diese Gesellschaft benötigt. Um nicht falsch verstanden zu werden: ich plädiere nicht für eine Rückkehr zu “traditionellen”, patriarchalen Familienbildern. Eine Arbeitswelt mit umfangreichen Teilzeit- und Beurlaubungsmöglichkeiten für die Kindererziehung, für Frauen wie für Männer, die am besten beide nutzen, empfände ich als sinnvoll. Aber eine Gesellschaft, in der erwartet wird, dass alle Menschen sich nur durch Erwerbsarbeit definieren, und sie, ob Eltern oder nicht, dasselbe in dieser Erwerbsarbeit leisten müssen, kann nicht gesund sein. Und diese Gesellschaft fördert die, ich nenne sie einmal neoliberale Variante des Feminismus, mit ihrem ausschließlichen Beharren auf das Karrieremachen von Frauen und ihrer Geringschätzung von familiären Erziehungstätigkeiten.
Die früheren Hoffnungen auf die Frauenbewegung wurden größtenteils enttäuscht.
Bei dieser Transformation wird die Freiheitsbewegung der Frauen (Women’s Liberation Movement) in dem Maße zu einer radikalen Kraft, wie sie die gesamte Sphäre aggressiver Bedürfnisse und Leistungen, die gesamte gesellschaftliche Organisation und Arbeitsteilung überschreitet. Mit anderen Worten: die Bewegung wird in dem Maße radikal, wie sie sich nicht nur für Gleichheit innerhalb der Arbeits- und Wertstruktur der bestehenden Gesellschaft (was auf gleiche Entmenschlichung hinausliefe) einsetzt, sondern für eine Veränderung der Struktur selbst (wofür die grundlegenden Forderungen nach Chancengleichheit, gleicher Bezahlung und angemessener Befreiung von Haushaltsarbeit und der Betreuung der Kinder Vorbedingungen sind). Innerhalb der bestehenden Struktur sind weder Männer noch Frauen frei (…) (Marcuse: Konterrevolution und Revolte, S. 91)
Keine Frage, der Feminismus hat am Anfang viel Wichtiges erreicht. Der ganze konservative Altherrenmuff der frühen Bundesrepublik ist inzwischen weitgehend verweht. Behaupungen, dass Frauen auch heute noch für die selbe Tätigkeit weniger Geld bekommen würden oder das Männer nur Frauen aufsteigen lassen würden, lassen sich nicht belegen, wenn sie nicht schlicht falsch sind. Die wirklichen emanzipatorischen Ideale, die die Ursachen der Ungleichheiten und Diskriminierungen angehen, anstatt nur, meist mit Zwangsmitteln, an den Symptomen herumzudoktern, hat der heutige Feminismus größtenteils aufgegeben. Er ist vor allem eine Klientelbewegung für besserverdienende Frauen geworden, die ihre Chancen in der Privatwirtschaft künstlich verbessern wollen. Es geht ihnen nicht um Gleichberechtigung der Frauen, es geht ihnen um Bevorzugung von Frauen (der oberen Schicht) gegenüber Männern (derselben Schicht), sichtbar und manifest etwa durch Forderungen nach Frauenquoten in Aufsichtsräten – und dies innerhalb einer ungleichen, auf Konkurrenz und Aggressivität beruhenden Struktur.
Das, was heute Alice Schwarzer und KonsortInnen forden, würde zu einer Gesellschaft führen, in der die Diskriminierung des einen Geschlechts nur durch die Diskriminierung des anderen (dies wird oft als eine Art Wiedergutmachung legitimiert) ersetzt, in der aber das “männliche”, aggressive Prinzip beibehalten wird (die heutigen Feministinnen dagegen zeichnen sich oft durch eine noch größere Aggressivität aus, als dies bei vielen Männern der Fall ist), und das Dominierende bleibt. Wenn das herrschende System es in dieser Weise schafft, die Ideologie “Jeder ist sich selbst der – oder die – Nächste” auch in der weiblichen Hälfte der Bevölkerung zu verbreiten, dann haben eben diese “Feministinnen” das Gegenteil dessen bewirkt, wozu der Feminismus einmal angetreten war. Und dann ist es nur noch ironisch, dass man von diesen als “Sexist” beschimpft wird, wenn man nicht ihre Forderungen wie Quotierungen allüberall, Porno-Verbot, Krieg gegen die “frauenunterdrückende muslimische Welt” usw. teilt, oder gar nur deshalb, weil man das Binnen-I (selbstverständlich auch etwa bei Wörtern wie “MitgliederInnen”) benutzt. So gehen die hier beschriebenen Vorstellungen von Feminismus doch viel grundlegendere Prinzipien an, als der Emma-Schwarzer-Dorn-Feminismus, der nicht mehr ist als ein bisschen Männerdiskriminierung im Rahmen des Systems.
Es ist richtig, die aggressiven “männlichen” Eigenschaften zu kritisieren, doch sie sind nur geschichtlich zu Eigenschaften eines bestimmten Geschlechts geworden. Und die Lösung kann nicht darin bestehen, dass sich auch das andere Geschlecht diese Eigenschaften aneignet.
Die Revolution würde diese Unterdrückung beseitigen und die ästhetischen Bedürfnisse neu als subversive Kraft mobilisieren, die imstande ist, der herrschenden Aggressivität entgegenzuwirken, die das gesellschaftliche und natürliche Universum geformt hat. (Marcuse: Konterrevolution und Revolte, S. 90)
Eine befreite Gesellschaft wäre die Negation der heutigen und demnach eine in den heutigen Kategorie weibliche Gesellschaft, charakterisiert (in den Worten von Marcuse) durch einen Sieg des Eros über die Aggression – bei Männern und Frauen.
Heute (…) scheinen die menschlichen Qualitäten eines befriedeten Daseins asozial und unpatriotisch – Qualitäten wie die Absage an alle Härte, Kumpanei und Brutalität; Ungehorsam gegenüber der Tyrannei der Mehrheit; das Eingeständnis von Angst und Schwäche (die vernünftigste Reaktion gegenüber dieser Gesellschaft!); eine empfindliche Intelligenz, die Ekel empfindet angesichts dessen, was verübt wird; der Einsatz für die schwächlichen und verhöhnten Aktionen des Protestes und der Weigerung. (Herbert Marcuse: Der eindimensionale Mensch, 1967, S. 253)
Die Ziele, die eine emanzipatorische Bewegung haben muss, können nicht erreicht werden durch die Unterwerfung unter und psychische Verschmelzung mit Härte, Brutalität, Tyrannei – sie sind nur denkbar durch Widerstand gegen diese – und durch einen Widerstand, der sie sich nicht zu eigen macht.
Bilder:
BILDblog / http://creativecommons.org/licenses/by-nc-sa/2.0/de/deed.de
Wikipedia / gemeinfrei
“Die heutige Frauenbewegung handelt den
!eigentlichen! Intentionen des Feminismus zuwider.”
Starker Einstieg aber leider kompletter Blödsinn. Es gab nie “die” Frauenbewegung. Es gab auch nie ein einheitlichen inhaltlichen Kern oder worauf der Autor hier abhebt. Es war schon vor 150 Jahren kein einheitlicher Block von Frauen, die dieselbe Position vertraten. Wenn es schon um Schwarzer geht, dann schreibt über Schwarzer aber bitte nicht über “die Frauenbewegung”.
Sorry, Jungs, ich schätze euch ja in mancher Hinsicht aber diese Geschichtsklitterung geht mir echt gegen den Strich, in anderen Bereichen seid ihr doch auch differenzierter.
“Der heutige Feminismus aber hat sich von seinen emanzipatorischen und damit urlinken Zielen entfernt und ist beinahe vollends im Neoliberalismus aufgegangen.”
Echt, habt ihr gedacht, “die” Frauenbewegung als solche wäre ein originär linkes Projekt gewesen? Dann glaubt ihr vermutlich, dass die Bürgerrechtsbewegung der Lesben und Schwulen auch links ist.
Diese gleichzeitige Vereinnahmung der Frauenbewegung in all ihren Facetten und Reduzierung auf was auch immer ist ganz schön anmaßend. Und was waren doch nun die eigentlichen Intentionen “der” Frauenbewegung vor 300, 200, 100, 50 oder 40 Jahren doch gleich? Nehmen wir dann noch unterschiedliches Kontinente dazu, wie ist das doch gleich?
Ok, sagen wir die weitaus überwiegende Mehrheit der Frauenbewegung, wie sie heute auftritt. Was sind denn deren Themen und Forderungen heute? “Geschlechtergerechte Sprache”, Quotierungen und Gesetzgebungen zugunsten berufstätiger Karrierefrauen. Sicher ist das generalisierend und nur ein Teil der Frauenbewegung, und ich wäre froh, wenn andere Teile dieser Bewegung gestärkt würden. Und dem soll die Kritik an Schwarzer, Dorn usw. auch dienen.
Die Anfänge der Frauenbewegung und vor allem ihr Höhepunkt in den 60er Jahren waren links, ja, denn ich bezeichne eine Politik, die auf echte Gleichheit aller Menschen ausgerichtet ist, als links.
Vielleicht können wir ja als gemeinsame Intention der “ursprünglichen” Frauenbewegung den Wunsch nach einer Gesellschaft ausmachen, in der es sozial keine Rolle spielt, ob man Frau oder Mann ist. Die meisten der Forderungen heute laufen aber darauf hinaus, diese Unterschiede gerade zu betonen und überzubetonen – und (Karriere-)Frauen gezielt gegenüber Männern zu bevorteiligen. Hat das etwas mit einer gleichen Gesellschaft zu tun? Eher wenig.
Ich finde es auch sehr schade, dass sich die Emanzipation als Element des Feminismus nicht so fortgesetzt hat, wie es mir historisches Material von “Damals” berichtet. Soweit ich weiß hatte die Frauenbewegung den Anspruch, dass zunächst mal die Unterdrückung aufhören sollte (/agree). Dann wollte man die Rollenfestlegung aufheben, also auch Männer sollten in die Bedrängnis kommen Kinder zu wickeln und den Abwasch zu machen (usw usw ; /agree).
Doch dann schien es irgendwie eine Weggabelung gegeben zu haben und auf einmal musste “Die Frau”(tm) sich mit dem anderen Geschlecht messen in einem Wettbewerb, der niemals fair sein konnte, da in Männernetzwerken Frauen über 100% der Anstrengungen aufbringen müssen, um das gleich Endergebnis erreichen zu können. Die Quelle dieser Richtungsänderung und Umdefinierung der Frauenbewegung sollte mal genauer erforscht werden. Es wurde nicht das soziale Spielfeld oder die Regeln verändert. Sondern man erlaubte lediglich Frauen auch mitspielen zu dürfen.
-> Frage: Sind weibliche Führungs-/Spitzen-/whatsoever-Persönlichkeiten daher nicht weitaus “gefährlicher”, als Männer in der selben Funktion? (Schließlich müssen diese Menschen noch rücksichtsloser, noch eiskalter, noch mehr Ellenbogenmensch sein, also genau die Extrema verstärkt betonen, die wir bisher bei “den Männern” so beklagen)
Ich finde es sehr schade, dass sich die allermeisten Männer (siehe hier) niemals der Meinung waren, dass “Emanzipation” irgendwas mit Ihnen zu tun hat. Ihr benehmt euch wie Zaungäste,die zwar einiges mitbekommen haben aber nicht mitspielen, dafür aber genau zu wissen meinen, wie die Spielerinnen es besser hätten machen können und sich dann auch noch eine Art abschließendes Urteil erlauben.
Es waren dann auch Feministinnen, die sich als erstes mit den problematischen Folgen des Patriarchat für die Männer auseinander gesetzt haben. Ein Sache, die viel zu wenig von Männern beleuchtet wird.
Mal ganz banal gesagt, es gibt Teile der Frauenbewegung, die sich für diese Verklärung der Frau im Sinne der in den Leib geschriebenen Rollenbilder (Laqueur – solltet ihr dringend lesen) entschieden haben. So etwas schwingt auch hier mit – mal auf neudeutsch – irgendwie Scheiße, dass die Frauen, die auch ein Stück vom neoliberalen kapitalistischen Kuchen abhaben wollen, sich eben so benehmen müssen, wie diese emotional verkrüppelten Kerle , die im allgemeinen in diesem System als erfolgreich gelten – sich eigentlich sogar viel schlimmer aufführen müssen (zumindest in unserer Wahrnehmung (das wäre dann das nächste Feld von dem ihr zu wenig wisst)), weil es ihnen sonst keiner abnimmt.
Ganz ehrlich, ich habe mich für eine Welt eingesetzt in der sich alle genauso bescheuert benehmen können, wie alle anderen. Und wenn dann an diesem Verhalten irgendwas problematisch ist, dann können wir das ja gerne diskutieren aber dann ohne diesen den Frauen, wie den Männern in den Leib geschrieben Biologismus. Ich habe mich schon zu meiner Schulzeit dafür eingesetzt, dass Frauen zum Bund dürfen. Weil wir einfach das Recht haben wollen, genauso verbohrt und doof und geldgierig und machtgeil und überhaupt irgendwie zu sein, wie alle andren auch. Der Rest wäre dann der gesellschaftliche Diskurs über die Folgen, die solche Menschen verursachen.
Die Idee, dass die Frau – quasi bedingt durch ihre körperlichen Vorgänge – nicht nur zu blöd zum studieren ist, sondern auch – da sie die wilde und unbeherrschte Natur durch ihre Zyklizität (im Gegensatz zur Brunst des Tieres) beherrscht und deswegen moralisch höher steht – sozusagen die Verkörperung des Sieges über die wilde Natur ist und deswegen den Gegenpool zum moderenen Mann, der in die harte grausame Welt geht, ist ein zutiefst bürgerliches Projekt, dass in den Köpfen der mitteleuropäischen Menschen nach wie vor fest verankert ist. Siehe den Beitrag oben.
Wenn ihr ein Problem mit der Soziopathie modernen oder wegen mir neolibalem, kapitalistischen Verhaltens habt, lasst doch einfach “die” Frauenbewegung raus, lest ein bisschen Arno Gruen (Der Verlust des Selbst, Der Wahnsinn der Normalität) und lasst die Finger von der Frauenfrage, da habt ihr einfach zu wenig Ahnung und seid in den Defizitärdiskursen des Bürgertums viel zu tief drin.
Und noch eines, normalerweise diskutiere ich überhaupt nicht mehr mit Leuten auf diesem Niveau irgendwas über Frauen/Männer/sonstige Gender ich mache das nur, weil ich dich/euch hier ansonsten schätze.
Guter Artikel!
Bei jeder Art von Kritik zum Feminismus, muss man sich der rhetorischen Figur des “um nicht falsch verstanden zu werden” bedienen. Ansonsten wird man ganz schnell als konservativ und reaktionär eingetütet. Das allein zeigt schon auf, wie ideologisch der Feminismus mittlerweile ist. Er ist ein Glaube, eine Religion. Sachliche Argumente zählen da einfach nicht.
@epikur: Um nicht missverstanden zu werden, sollte man sich halt unmissverständlich ausdrücken und rhetorische Figur “Um nicht falsch verstanden zu werden…” ist genau einer der Phrasen, die genau die Argumentation einleitet, von der man sich vordergründig distanziert.
Zum Thema “Sachlichkeit” meist wird ja immer genau das als sachlich bezeichnet, was der herrschenden Stimmng zufolge ein sachliches Gefühl ist und darüber hinaus,wird auch dieses Schlagwort gerne zitiert, um sich nicht inhaltlich mit dem Gegenwind auseinander setzen zu müssen.
Habs eben schon getwittert : Die meisten (auch linken) Männer benehmen sich in Bezug auf “den Feminismus” wie Statler und Waldorf aus der Muppet Show
Und da soll dann sachlich sein?
@ 8 somlu:
Das, was du beschreibst, ist genau das Problem, was ich ja sehe. Die heutige Frauenbewegung kämpft vor allem dafür, dass Frauen, wie du sagst, genauso bescheuert sein dürfen – und sollen! (Stichwort: Selbstefüllung ausschließlich über die Karriere), wie das klasseische Rollenklischee des Mannes. Wie wäre es mit einem Feminismus, der für eine Gesellschaft mit mehr “weiblichen” Eigenschaften (wie gesagt: nicht biologistisch gemeint, sondern durch die Geschichte der egsellschaftlichen Entwicklung so zugeschrieben) kämpft? Für eine Gesellschaft mit weniger Konkurrenzdenken und Aggressivität, dafür mit Empathie. Für eine Gesellschaft ohne Wehrpflich bspw., die sich nicht auf die “soldatischen Tugenden” (Härte, Brutalität, Gewissenlosigkeit, blinder Autoritätsgehorsam) stützt? Stattdessen will der Feminismus die “männlichen” Verhaltensweisen ausbreiten.
Eien Frauenbewegung, die nur im bestehenden System kämpft, gerade die ist viel bürgerlicher, als alles denkbare. Und die heutige Frauenbewegung kann auch noch nicht einmal auf die Probleme dieses Systems eine wirkliche Antwort geben? Was haben ihre Programmpunkte mit den Problemen der Frauen in der wachsenden Unterschicht zu tun? Wieso wird jede Maßnahme, die dazu führen kann, Frauen – oder Männern – die Kindererziehung zu erleichtern, abgelehnt, weil sie ja dem Karrieremachen hinderlich ist?
Ach, noch was: Ich habe seh viele Diskussionen über dieses Thema hinter mir. Tut mir Leid, aber genau diese Art von “Das könnt ihr als Mann gar nicht beurteilen” und “Wer so anfängt, ist es gar nicht wert, dass man mit ihm diskutiert”, führt dazu, dass die Frauenbewegung heute vor allem noch als ihr Klischee zu Tage tritt (“Männerhasser”), in der nur noch die radikalsten dieser Strömung sich in ihren abgeschlossenen Theoriegebäuden mit ich sage mal Nebenkriegsschauplätzen (“Geschelchtergerechte Sprache”) aufhalten, sich gegenseitig versichern, dass jetzt mal die Männer benachteiligt werden müssen, und alle, die nicht bedingungslos ihre Forderungen teilen, noch nichteinmal der Diskussion würdig befindet. Dadurch, dass diese Gruppe es geschafft hat, die Frauenbewegung für sich zu mobilisieren, hat sie die Verankerung in weitergehenden politischen Bewegungen weitgehend verloren – und verliert sie auch in der Gesellschaft.
@ 10 somlu:
Achso, an der Stelle wollte ich vielleicht noch so etwas schreiben wie, dass eine Familie, in der eine Frau nicht arbeitet, nicht generell verachtet werden muss, wie sie dies von manchen Feministinnen wird. Aber ich glaub, so was ähnliches hatte ich schon geschrieben.
Sachliches Gefühl in der herrschenden Stimmung?
Ich wollte nur mal zwischenmelden, dass ich hier noch nicht ausgestiegen bin, bin nur im Moment mit anderem – jenseits des Internets – stärker beschäftig, ich hoffe morgen eine Erwiderung schreiben zu können.
Ich finde gerade das Sorgerechtsurteil wäre ein guter Moment für den Vertreterinnen des Feminismus gewesen Brücken zu schlagen und deutlich zu machen, dass es nicht um Interessen von Frauen geht, sondern eine gleichberechtigte Gesellschaft, die natürlich bei Kindern beiden Geschlechtern gleiche recht zugesteht. Diese Chance wurde bei vielen versäumt und das teilweise mit fürchterlichen Begründungen.
Über Hinweis auf Franzl Neumanns “totalitären Monopolkapitalismus” (1944²; 1966³) hier was ich vorhin im Netz fand vom Binsenbrenner-Gastautor Richard Albrecht zu Hannah Arendt -> http://soziologieheute.wordpress.com/soziologie-heute-aktuelle-ausgabe/
Gruß;-)
AK