Schweineherbst

Im Herbst 2010 trauen sie sich also wieder aus ihren Löchern. Sie haben die Zeichen der Zeit erkannt: Man darf in Deutschland wieder hassen, man darf endlich die Schuld an echten und vermeintlichen gesellschaftlichen Problemen wieder einer einzigen Gruppe zuschieben. Sie wollen einer angeblich schweigenden Mehrheit eine Stimme verleihen, die in Deutschland längst keine schweigende Mehrheit mehr ist: Den empörten Spießbürgern, den Stammtischen.

Diese kennen integrationsunwillige und kriminelle Ausländer zwar meist nur aus dem Fernsehen und aus der Bild-Zeitung, “wissen” aber dennoch, dass  diese die absolute Mehrheit ausmachen, nahezu alle Türken und Araber Islamisten sind und “Multi-Kulti” gescheitert ist. Die Ausländer nehmen UNS “richtigen” Deutschen die Arbeitsplätze weg und schnorren gleichzeitig das Arbeitslosengeld, verprügeln täglich ihre Frau und mindestens einen Deutschen, wenn sie nicht grade mit der Vorbereitung des Dschihad beschäftigt sind.

Doch es sind längst nicht mehr nur “die Stammtische”, an denen diese Meinungen verbreitet sind – auch bei so manchem Geschäftsessen im Nobelrestaurant unterscheidet sich der Tenor kaum davon. Nein, rechte Einstellungen sind keineswegs nur bei ungebildeten, springerstiefeltragenden Schlägeridioten aus Ostdeutschland anzutreffen, sondern ein quer durch alle Schichten verbreitetes Phänomen.

Unter einer schmalen Oberfläche von freiheitlicher und demokratischer Kultur lauern tiefbraune Abgründe. Wenn in Deutschland wieder Asylbewerberheime, oder wenn die ersten Moscheen brennen, werden all die geistigen Brandstifter, die diese Lügen  verbreiten, heucheln, dass sie dies nie gewollt hätten. Wir dürfen es nicht so weit kommen lassen.

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14 thoughts on “Schweineherbst

  1. Kurz angeschlossen, Herr Markus Weber:

    Ja, die Mitterechts-Stimmung ist in diesem Herbst wieder explosiv.

    1. SOZIALANGST; SOZIALWUT
    Die soziale Wut im gesellschaftlich verängstigten kleinen Mittelstand auch jüngeren Zuschnitts unter 40 Jahren als SOZIALANGST – vor Abstieg, auch vor blockiertem Aufstieg – ist groß. Und nicht nur wie damals vor 20 Jahren an der Ostseeküste als in HR-Lichternhagen Vietnamesen nach dem „Fidschi Klatschen“-Muster in einem Hochhaus gejagd wurden und verbrannt werden sollten … und heute daran brandstifterisch beteiligt ganzdeutsche Mobführer von rechts bis links à la Bankster Sarrazin, Publizist Elsässer u.v.a.m., die´s dann hinterher wenn mal die erste Moschee (vermutlich nicht in DU-Marxloh) gebrannt hat nicht gewesen sein wollen.

    2. GRENZEN ALLER NETZAUFKLÄRUNG; PERSÖNLICH ÜBERZEUGEN
    Zugleich werden hier Grenzen aller Netzaufklärung deutlich. Es geht um persönliche Überzeugungen, persönlich überzeugen, persönliche Glaubwürdigkeit. Erinnerlich beim letztgroßen REP-Wahlaufschwung in Nordrhein-Westfalen (Kommunalwahl 30. 9. 1989), daß die auch im DO-Norden (z.B. Karlshost) von SPD-Traditionsleuten, die das auch in Verein und Theke sagten, gewählt wurden. Da nützt kein Schimpft. Sondern nur beharrliches, geduldiges, auf diese Leute und ihre Ängste, aber auch Hoffnungen und Interessen eingehendes Argumentieren.

    Mit freundlichem Gruß

    BJ

  2. “Doch es sind längst nicht mehr nur “die Stammtische”, an denen diese Meinungen verbreitet sind – auch bei so manchem Geschäftsessen im Nobelrestaurant unterscheidet sich der Tenor kaum davon. Nein, rechte Einstellungen sind keineswegs nur bei ungebildeten, springerstiefeltragenden Schlägeridioten aus Ostdeutschland anzutreffen, sondern ein quer durch alle Schichten verbreitetes Phänomen.”

    Deiner Einschätzung will ich gar nicht widersprechen, nur ist das überhaupt nicht neu. Ich habe 1979 bis 82 in Freiburg iBr in einem Panoramarestaurant mit gutbürgerlicher regionaler (yes!)Küche, eigener Konditorei und mehreren Sälen für Veranstaltungen gearbeitet. Im Service, wo man denn vieles hören kann, sofern man will.

    Ich hatte damals Aberdutzende von “Abenden” aller ansässigen Studentenburschenschaften bedient, “mit Damen” oder “ohne Damen”, und nachmittags hatte ich mir die wohlhabenden Rentnerinnen bei Schwarzwälder Kirschtorte nicht nur reingezogen, sondern auch angeschaut.

    Sämtliche Ansichten aller dieser Gruppen waren so unterirdisch, dass ich mich wunderte, wie ein Gemeinwesen in diesem Land überhaupt funktionieren kann. Alleine war ich damit nicht, die Grünen konstituierten sich als alternative “Antiparteien-Partei”.

    Alles das war vor 30 Jahren. Generationen sind seitdem über irgendwelche Bühnen gelaufen, es ist aber immer noch so, nicht erst jetzt.

    In diesem Sinne stellt sich die Frage, inwieweit Kritik tragen kann,
    oder ob es nicht an der Zeit wäre, ein attraktives alternatives Gesellschaftskonzept allen – warum auch immer – Unglücklichen unseres kaputten westlichen Zivilisationsmodells (Wachstum, mehr, mehr, nicht weniger, und Hyperkonsum) anzubieten.

    Eine achtbare deutsche Linke (nicht zu verwechseln mit der gleichnamigen Partei) sollte zuvorderst daran arbeiten, nur ist davon weit und breit nichts zu sehen, ausgenommen manche NGOs.

    So gesehen braucht es hierzulande keine Flammen, das braune Feuer kommt kalt, und wir lassen es zu.

  3. @ andreas_fecke:

    Kritik kann ja dazu dienen, die Gesellschaft zu verbessern.

    Ich glaube aber, dass es schon einen gewissen Unterschied zu der Zeit vor 30 Jahren gibt. Das neoliberale Konzept einer Konkurrenzgesellschaft, die Menschen in nützlich und unnützlich, in mehr und weniger wert einteilt, hat sich tief in die Menschen eingegraben. Wer angeblich dem Wirtschaftsstandort schadet (Arme, Hilfsbedürftige, Arbeitslose, oder Migranten, wenn dies ein paar Rechtspopulisten dem Volk einreden) erfährt keine Solidarität, erntet gar offenen Hass und Agression (ich habe dazu auch noch etwas in meinem neuen Artikel geschrieben: http://guardianoftheblind.de/blog/2010/11/04/die-integrationsdebatte-als-ablenkungsmanover/ ).

  4. Widerspruch, Herr Weber. Bewußt ohne Begründung. Denn weder Ihr FORUM hier noch das vom BINSENBRENNER – von den Berger- und deLapuente-Peinlichkeiten aus Ihrer Netzklicke bewußt abgesehen – ist auf Diskussion im Sinne von begründete Meinung schreiben, Widerspruch, Kritik, Austausch angelegt, wie Ihre und die Nichtreaktion auf meinen Debattentext vom 29. Okt. 2010 hier und beim BINSENBRENNER zeigt. Was das zuende gedacht bedeutet ist (mir) inzwischen klar und wenn Sie nicht nur nachplappernd tagesaktuell schrieben, sondern selbsttändig nachdächten könnten Sie auch drauf kommen … und würden zuallerst (wie ich doch hoffe) erschrecken …

    bj

  5. Nun, bezüglich des Kommentars vom 29. Oktober handelt es sich nicht um Nichtbeachtung, sondern ich dachte in der Tat, dass man es gut so darstehen lassen kann, wie es ist. Ich hätte auch ein “stimme zu” schreiben können.
    Dass dieses – ich darf korrigieren Blog, nicht Forum – in vielen Teilen Geschehnisse der tagesaktuellen Politik beobachtet, schildert oder kommentiert, möchte ich nicht bestreiten – nur, inwiefern dies ein Widerspruch zu selbstständigem Denken sein sollen, erschließt sich mir auch nach langem (un?)selbstständigem Denken nicht. Und worauf ich jetzt nach einem Zuendedenken selbst kommen und wovor ich erschrecken sollte, wird mir noch weniger klar, oder in anderen Worten ausgedrückt: Sie sprechen in Rätseln.

  6. Herr Blogmeister Weber:

    Ich habe Ihre Fähigkeit, selbständig zu denken, nachhaltig überschätzt.

    Dafür bitte ich Sie nicht nur um Nachsicht. Dafür entschuldige ih mich hiermit bei Ihnen in aller Form.

  7. @ #4 #6 guardian
    Ihr könnt es drehen und wenden wie ihr wollt, wir haben es nicht mit einer ökonomischen Frage (-ismus hier, -ismus da) zu tun, sondern mit einer zivilisatorischen Frage, die selbstverständlich die Ökonomie einbegreift.
    So lange die deutsche Linke so deutsch und so “links” ist wie sie sich gibt, solange sie kein Konzept vorlegt, wie wir aus dem hier und jetzt in eine bessere Welt transformieren können,
    so lange werden wir würgen müssen.

  8. Aber was ist die Grundlage einer Zivilisation, wenn nicht die ökonomische Basis? Ok, lassen wir die orthodox-marxistischen Spielereien, aber zweifelsohne kann doch die ökonomische Organisation einer Gesellschaft auch Rückwirkungen auf deren kulturelle Eigenschaften haben.

  9. @ No. 8

    Die erbetene Antwort:

    Auch wenn sich noch so viele Blinde zur Abhilfe zusammentun macht dies aus ihnen wohl eine Rottung, aber noch lange keine Sehenden, und soweit hier bekannt, ist Jesus Chr. lange schon tot, anders gesagt: Ihre letztbeiden hier und bei BINSENBRENNER veröffentlichten Texte, Herr Weber, sind bestenfalls “Dutzendliberalismus” (W. I. Lenin) wenn nicht schon von der Anlage her “eklektische Bettelsuppe” (Friedrich Engels).

    Das wars, schön´ Gruß

    BJ

  10. Ach, so langsam glaube ich, wenigstens im Ansatz zu verstehen, worum es Ihnen geht.
    Dass ich hier nicht der einen, reinen, orthodox-marxistisch-leninistischen Linie folge, sondern eher einer Richtung nahe stehe, die tatsächlich auch manche Errungenschaften des Liberalismus zu schätzen weiß, genauer gesagt der Kritischen Theorie, möchte ich Ihnen gern bestätigen.
    Falls ich Sie falsch verstanden habe, können Sie mich gerne korrigieren.

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