Vom Töten und vom Sterben

In Afghanistan haben tapfere US-amerikanische Soldaten acht Kinder und Jugendliche im Schlaf erschossen. Verneigen wir uns vor dem Mut und der Tapferkeit! Und da man in Deutschland ja heutzutage offenbar nicht für das Töten von Zivilisten belangt wird (zumindest, wenn es Afghanen sind), dürfen wir vielleicht auch bald auf ähnliche Heldentaten unserer Jungs hoffen! Für die Brunnen und die Schulen! Und die Frauenrechte!!

Warum wird man in Deutschland eigentlich freigesprochen, wenn man in Afghanistan “142 Menschen, darunter auch viele Zivilisten” tötet? Warum gibt es in Deutschland eigentlich keine Trauerfeiern für getötete afghanische Zivilisten? Warum soll ich diese ignorieren? Warum soll ich aber um gefallene Soldaten trauern? Warum soll ich Respekt haben vor Menschen, die sich freiwillig gemeldet haben, Menschen auf Befehl zu töten?

Roberto von ad sinistram hat ein paar sehr treffende Worte gefunden:

Mit Ihnen trauert ein ganzes Land! (…) Ich weiß nicht, wie andere das wahrnehmen, aber ich, in diesem Lande lebend, trauere nicht; ich will damit nichts zu tun haben. Man spreche nicht an meiner Statt! Das verbitte ich mir! Man verstehe mich bitte nicht falsch: ich freue mich auch nicht, dass Blut geflossen ist. Aber dieses Blut, es hat nichts mit mir zu tun. (…)

Deutschland verneigt sich vor Ihnen! (…) Ich aber nicht! Ich weiß, das mag für manchen starker Tobak sein. Zurückhaltung!, wollen sie mir belehrend zurufen. Über Tote nichts Schlechtes!, lehren sie mich. Ich weiß, ich weiß! Pietät und Ehrfurcht und so. Aber bitte, ich will doch den Toten gar nichts Böses nachsagen. Ich weigere mich ja auch ausdrücklich, sie zu verurteilen, weil sie Soldaten waren, weil sie an einem Angriffskrieg teilnahmen, der verfassungswidrig ist. Und dass es denen recht geschähe, wird man hier nicht lesen, wenngleich man natürlich festhalten muß, dass derjenige, der seiner Arbeit im Kriegsgebiet nachkommt, auch wissen muß, wie traurig das alles enden kann. Aber recht geschieht ihnen der Tod nicht! Gegen solche kraftmeierische Verächtlichkeiten wehre ich mich. Doch verneigen? Ich möchte doch sehr bitten!  (…) Aber einen Knicks für Fremde zu machen, die ihren besoldeten Dienst im eroberten Ausland getan, die einen Quisling des Westens zur Regierung verholfen haben, die im Zweifelsfall geschossen hätten oder sogar haben? (…)

Oh nein, ich bin wahrhaftig nicht stolz darauf, Hinterbliebene zu brüskieren – aber ich kann nicht damit leben, als Teil einer Trauergemeinde angesehen zu werden, der ich nicht angehöre. Ich kannte jene Toten nicht und ich will deren Engagement, das nun andere an ihrer Stelle weiterbetreiben, auch weiterhin nicht kennen – sie schießen dort nicht für mich, daher verneige ich mich nicht. (…) Ich trauere nicht mit einer Gesellschaft, die es als hinterhältige Morde ansieht, wenn Besatzungssoldaten erschossen werden, die sich aber beruhigt durchschnaufend zurücklehnt, wenn es nur Afghanen waren, die im Kugelhagel oder Bombenregen starben; ich trauere nicht um Soldaten, die vorher wußten, dass sie sich für ein Kriegsgebiet entschieden haben, in dem man auch zu Schaden kommen kann; ich trauere nicht an der Seite von Selbstdarstellern, die die Freiheit am Hindukusch verteidigen wollen, während sie zwischen Rhein und Oder selbige schrittweise beschneiden. Darauf muß ich nicht stolz sein – aber ich muß es loswerden dürfen!

Und auch Georg Schramm trifft es mal wieder:

http://www.youtube.com/watch?v=9YUDvAnoM7I

Ich finde dabei überhaupt nicht, dass man sich dafür schämen muss, wenn man für den Frieden und gegen sinnloses Töten und Sterben eintritt. Und ich finde, auch eines muss gesagt werden: sicherlich sind v.a. die verantwortlich, die die Soldaten in den Krieg schicken, sind es die Politiker in ihren bequemen Büros abseits des Geschehens. Aber ich kann auch vor Soldaten selbst, vor denen, die es zu ihrem Beruf gemacht haben, die Menschen, bei denen es ihnen befohlen wird, zu töten, keinen Respekt empfinden. Es sind nicht “meine Jungs”. Nein, ich kann dies nicht nachvollziehen, empfinde es nicht als “Dienst am Vaterland”. Ich kann dem Töten von Menschen auf Befehl nichts abgewinnen.

Und ich glaube auch nicht, dass diejenigen, die sich zur Armee melden, nur Deutschland vor bösen Angreifern verteidigen wollen o.ä. Nein, sie wissen, was auf sie zukommen kann. Sie wissen, was sie für ihren eventuell Sold tun müssen. Und, ich muss es so deutlich sagen, ich habe mehr Respekt vor einem Arbeitslosen als vor jemandem, der für Geld dazu bereit ist, Menschen zu töten, oder ihr Töten zu befehlen, oder Armeen von Tötenden auf der Landkarte zu verschieben. Nicht, weil er glaubt, dass dies richtig ist, nicht für ein höheres Ziel. Sondern, damit er sein Geld bekommt. Nein, davor habe ich keinen Respekt.

Falls jemand aus anderen Beweggründen beim Militär ist, falls er glaubt, dort etwa die Sicherheit Deutschlands gewährleisten zu können oder Sicherheit und Frieden weltweit auf diese Art schaffen zu können, dann teile ich diese Ansicht nicht unbedingt, aber dann respektiere ich diese. Doch dann frage ich diese, die etwa oft sagen, dass sie etwa den Afghanistan-Krieg nicht befürworten, auch: Warum kämpft ihr dann trotzdem dort? Warum tretet ihr nicht öffentlich gegen den Krieg ein. Und v.a.: Warum tretet ihr aus der Bundeswehr nicht aus?

Das mag hart klingen, und ich denke auch keineswegs etwas wie “das haben die Soldaten ja nicht anders verdient!”, und ich könnte es auch nicht verstehen, wenn man andererseits das Töten durch Afghanen zu legitimieren versucht. Sie sind gestorben, das bedaure ich. Aber sie sind nicht für mich gestorben.

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5 thoughts on “Vom Töten und vom Sterben

  1. Pingback: Markus Weber
  2. Danke!
    Danke, daß Du so schreiben kannst, und daß Du es tust.
    Es sind genau auch meine Gedanken und Empfindungen. Und es ist schwer, sie auszudrücken ohne dabei zynisch und gehässig zu werden.

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