Mit allen Mitteln gegen links

Das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts, das die Überwachung der Partei Die Linke wie auch einzelner Mitglieder und sogar Abgeordneter dieser zulässt, reiht sich ein in eine Reihe von vielen Vorgängen, mit der die rechtskonservativen und neoliberalen Kräfte v.a. seit der letzten Bundestagswahl mit allen Mittel die Möglichkeit einer Regierungsbeteiligung der Linken auf Bundesebene verhindern wollen. (Und damit noch einmal detaillierter zu einem Thema, das im vorherigen Artikel über den Vorwurf der Verfassungsfeindlichkeit als politischen Totschlagargument etwas zu kurz kam).


Seit dem Jahr 2008 ist das neoliberale, finanzmarktgetriebene kapitalistische Regime unter zunehmende Kritik von verschiedensten Seiten geraten. Auch von einstigen bedingungslosen Apologeten dieses Systems gab es nicht nur kleinlaute Zugeständnisse, dass die eigene Ideologie vielleicht doch nicht ganz so unfehlbar sei, sondern teils sogar direkte Rufe nach einer Umkehr, nach einer Dämmung der immer potentiell instabilen bis zerstörerischen Kräfte weltweit ungezügelt marodierenden Finanzkapitals. Erfolgt ist wenig. Selbst die allernotwendigsten Vorkehrungen wurden nach großer Anlaufzeit nur in Ansätzen angegangen. Bei der nächsten Finanzkrise wird man vielleicht ein winziges Quantum mehr gewappnet sein, unwahrscheinlicher ist diese indes kaum geworden. Das meiste waren Alibi-Maßnahmen, der Kern des Systems blieb unangetastet, nur an der ganz äußeren Hülle gab es ein paar kosmetische Veränderungen. (more…)

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Die deutsche Bildungspolitik als ein Mittel zur Sicherung von Egoismus, Konkurrenzdenken und gesellschaftlicher Ungleichheit

In Hamburg ist die Schulreform, mit der eine sechsjährige Primarschule ermöglicht werden sollte, gescheitert. Obwohl es eine breite Unterstützung der politischen Parteien, von der Linken bis zur CDU, gab, wurde sie in einem Volksentscheid abgelehnt. Wie kann man dies erklären und deuten? Ein sehr guter Ansatz bietet sich bei Telepolis: Niederlage für eine solidarische Gesellschaft

Das ist eine Absage an eine Schulpolitik, die davon ausgeht, dass die “stärkeren” Schüler die “schwächeren” beim Lernen unterstützen können und alle davon profitieren. Zur Bildung gehört nach dieser Lesart auch das Ausbilden von sozialen Kompetenzen, wie Solidarität und gegenseitige Unterstützung. Zu Zeiten der Bildungskämpfe der siebziger Jahre waren solche Werte in großen Teilen der Gesellschaft verbreitet. Das ist aktuell nicht mehr der Fall. So liegt das Hamburger Ergebnis ganz im Trend einer Gesellschaft, in der das Prinzip “Jeder ist seines Glückes Schmied” und “Der Schwache ist selber schuld und soll den anderen nicht zur Last fallen” zum Dogma erhoben wurde . Im Umgang mit Flüchtlingen und Migranten drückt sich diese Politik ebenso aus, wie in den Maßnahmen gegen Hartz IV-Empfänger und eben jetzt auch in der Bildungspolitik.

In einer Gesellschaft, in der es als normal gilt, wenn jeder mit jedem in Konkurrenz liegt, sorgen die Eltern dafür, dass damit schon im Schulalter angefangen wird. Ein solidarisches Lernen wird als Konkurrenznachteil für die eigenen Kinder empfunden […]

Dass “Volkes Stimme” wie in Hamburg gegen eine ganz große Parteienkoalition von Union, SPD, Grünen und Linkspartei, die sich für die Primärschule aussprachen, stimmte, kann nur verwundern, wer noch immer noch meint, dass “die da unten” oder auch “der kleine Mann” sozialer abstimmen als die politischen Parteien. Eine solche Vorstellung verkennt, wie stark die Idee der Ungleichheit und des Konkurrenzgedanken in großen Teilen der Bevölkerung Konsens sind.

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Schon irgendwie links

Nach einer weltweiten Studie denken besser Gebildete oft, sie stünden politisch links, vertreten aber in Wahrheit politisch rechte (konservative und neoliberale) Positionen (etwa zur Einkommensungleichheit).

Wer besser gebildet ist, ordnet sich eher dem linken Spektrum zu, neigt aber gleichzeitig dazu, größere Einkommensunterschiede zu befürworten, also glaubt vermutlich, dass er zu Recht ein überdurchschnittliches Einkommen bezieht oder zumindest ein solches “verdient” zu haben. (…)

Studenten sind keineswegs links, sondern ideologisch im Mainstream.

Wer heute studiert, kennt dies garantiert: diese Vorreiter der Generation der selbstverliebten Egomanen, wie eine andere Studie sie seit den letzten 30 Jahren diagnostiziert. (more…)

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Elitenförderung statt BAföG-Erhöhung: Zementierung der sozialen Spaltung

Der Bundesrat hat heute wirklich das denkbar schlechtest mögliche getan und dem Stipendienprogramm der Bundesregierung zugestimmt, die geplante BAföG-Erhöhung aber abgelehnt. Manchmal fällt es tatsächlich schwer, bei bestimmten Vorgängen noch bei einer nüchternen und sachlichen Argumentation zu bleiben, und man möchte den Beteiligten nur noch die übelsten Schimpfwörter an den Kopf werfen. Doch das hilft ja nicht weiter.

Schauen wir uns also einmal an, was das konkret bedeutet. 160.000 der  “leistungsstärksten” Studenten sollen zukünftig mit 300 Euro pro Monat, unabhängig von ihrem Einkommen und dem ihrer Eltern, gefördert werden. Die Hälfte der 300 Millionen Euro Kosten soll aus der Privatwirtschaft eingesammelt werden, die auch über die Verteilung der Mittel mitentscheidet. Die Zustimmung der Länder zu dem Gesetz hat nun ermöglicht, dass der Bund nun die für die Länder vorgesehenen Kosten (bis auf Verwaltungsaufgaben) tragen wird. Für die geplante BAföG-Erhöhung um 2% (die damit sogar noch unter der Inflationsrate gelegen hätte), um durchschnittlich 13 Euro mehr pro BAföG-Empfänger, will man nun kein Geld mehr ausgeben: sie wurde wegen finanzieller Vorbehalte gestoppt. (more…)

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Elitenförderung statt Bildungsrepublik

Freitag letzter Woche hat der Bundestag einige Änderungen am Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG) und die Einführung eines neuen Stipendienmodells beschlossen. Nicht nur bei der Opposition, auch bei den meisten bildungspolitischen Akteuren stoßen diese Maßnahmen jedoch mindestens auf starke Skepsis, bis hin zu klarer Ablehnung – und dies selbst bei bspw. Stipendiantenguppen. Das deutsche Bildungssystem braucht in Wahrheit ganz andere Veränderungen als die von Union und FDP beschlossenen.


BAföG-Erhöhung: nicht einmal die Inflation ausgeglichen

Ab 1. Oktober sollen die BAföG-Sätze um 2%, die Elternfreibeträge um 3% steigen. Außerdem erfolgen eine Verschiebung der Altershöchstgrenze von 30 auf 35 Jahre und ein paar andere Änderungen (die durchaus zu begrüßen sind). Laut Bildungsministerin Schavan sollen so zukünftig 50.000 bis 60.000 mehr Studierende BAföG erhalten. Der Höchstsatz  steigt auf 670 Euro (einschließlich Krankenversicherungszuschuss). Dies wird insgesamt im Durchschnitt 13 Euro im Monat mehr pro BAföG-Empfänger bedeuten.

Nun ist es immer recht populär, Sätze wie “solche Beträge bewirken ja gar nichts!” zu gebrauchen.  Gerne wird dies natürlich von denen getan, denen 13 Euro pro Monat in der Tat egal sein können – kommt man aber gerade so über die Runden, sind 13 Euro mehr im Monat nun einmal 13 Euro mehr. Und natürlich bedeutet der Gesamtbetrag durchaus einen Fortschritt, wie klein er auch sein mag, und insgesamt sind auch positive wirtschaftliche Aspekte wie die Steigerung der Binnenachfrage (da der Großteil direkt wieder in den Konsum gehen wird) zu erwarten.

Alles gut also? Durchaus nicht. Die BAföG-Erhöhungen erfolgten bisher in einem so niedrigen Bereich, dass die deutschen Studenten in den letzten Jahren in Wahrheit immer weniger Kaufkraft besaßen (vgl. auch den BAföG-Bericht der Bundesregierung, z.B. S. 44) – und diesmal ist es nicht anders, denn man muss die Erhöhung natürlich im Rahmen der Inflation sehen. Tut man dies, merkt man, dass sich die angebliche Erhöhung schnell als Täuschung entpuppt. Schon bei der letzten, längst überfälligen Steigerung des BAföGs 2008 (davor 2001!) wurde noch nicht einmal die Inflation ausgeglichen – und es hatte durch die “kalte Progression” auch noch ein zunehmender Anteil von Studierenden den BAföG-Anspruch verloren (siehe DIW).  Auch die jetzt geplante Erhöhung kann nicht einmal mit der Inflationsrate mithalten . Real gab es also sogar eine Senkung der BAföG-Beträge – nur jetzt wieder etwas weniger stark.

Die GEW hält eine Erhöhung der Bedarfssätze und Freibeträge um zehn Prozent für notwendig, um gestiegene Lebenshaltungskosten auszugleichen und den Anteil der BAföG-Empfänger zu steigern. Dass die tatsächliche Erhöhung aber deutlich niedriger ausfällt kann aber nur bedeuten, dass die Bundesregierung dieses Ziel nicht teilt.

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Dies zeigt wieder einmal, dass eine Kopplung des BAföGs  an die Preissteigerung (Verbraucherpreise) unbedingt notwendig wäre. Zudem verharren die Bildungsausgaben insgesamt immer noch auf einem international sehr niedrigem Niveau. Zu Recht mahnt etwa die OECD immer wieder an, dass Deutschland seine Mittel für diesen Bereich dringend drastisch erhöhen müsse, allein schon, um den Anteil der Abiturienten und Studenten auf das durchschnittliche Niveau der Industriestaaten zu heben.


Stipendien für Reiche statt Bildung für alle?

Außerdem wurde letzten Freitag die Einführung eines nationalen Stipendiensystems beschlossen. Bis zu 160.000 der “leistungsstärksten Studenten” sollen dabei gefördert werden. So will die Bundesregierung eine Erhöhung der Zahl der Studierenden mit Stipendien um 8%  (von 2% auf 10%) erreichen. Besonders diese Maßnahme ist heftig umstritten.

Denn die Stipendien sollen einkommensunabängig vergeben werden – auch Kinder von Millionären oder Milliardären werden also künftig von der Gesellschaft 300 Euro monatlich erhalten. Nicht umsonst stehen solche Programme bei Bildungswissenschaftler in keinem guten Ruf. Sie schaffen die soziale Selektivität des deutschen Hochschulsystems nicht ab, nein, sie verstärken sie sogar eher. Das Geld der Steuerzahler wird wenig sinnvoll verwendet und kommt nicht dort an, wo es den meisten Nutzen stiften könnte.

Eine derartige “Elitenförderung”  ist außerdem nicht das, was Deutschland brauche – breite Bildungschancen für alle, eine deutlich höhere Akademikerquote sind vielmehr notwendig. In keinem anderen OECD-Land hängt der Bildungserfolg derart stark vom sozialen Hintergrund des Elternhauses ab.  Das sozial äußerst selektive deutsche Schulsystem führt dazu, dass kaum Kinder aus Arbeiterfamilien die Universität besuchen. Wer erfolgreich aus diesem Schulsystem hervorgeht und damit für ein Stipendium in Frage kommt, stammt meist aus gesellschaftlichen Schichten, die keine weitere finanzielle Förderung mehr benötigen.

Wir brauchen nicht mehr Elite-Studenten und nicht größere Unterschiede der Qualifikationen, wir brauchen mehr Studierende, und dabei vor allem mehr aus sozial weniger privilegierten Schichten. Diese müssen viel stärker als bisher gefördert werden, will Deutschland nicht endgültig im Bildungsbereich zur Zwei-Klassen-Gesellschaft werden. Selbst Bundesbildungsministerin Schavan gesteht zu, dass der Anteil von Studenten aus einkommensschwachen Familien zu gering sei. Mit diesem Stipediensystem wird dies jedoch kaum verändert werden. Die herrschenden gesellschaftlichen Schichten, die sich gerne als Elite betrachten, bleiben unter sich und nehmen die 300 Euro mehr pro Monat auch gerne noch an – benötigt würde das Geld an ganz anderen Stellen.

Selbst bei Stipendianten-Gruppen stößt dieses Modell auf massive Kritik und führte gar zu Demonstrationen vor dem Bundestag. Das Geld wäre besser für eine weitere BAföG-Erhöhung verwendet worden, hieß es von dieser Seie, da es dort auch bei den Studenten, die es wirklich brauchen, ankäme.


Bildung: staatliche Aufgabe oder durch der Privatunternehmen Gnaden?

Die Stipendien sollen zudem zwar von den Hochschulen vergeben, aber zu gleichen Teilen mit öffentlichen und privaten Mitteln finanziert werden. Die Hauptlast der Ausgaben werden aber freilich die Universitäten tragen, wenn man die Verwaltungsausgaben mit einbezieht. Zudem wird befürchtet, dass so gerade kleinere und mittelgroße Universitäten Nachteile haben werden, die sich kaum extra Personal leisten können.

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Das Hauptproblem ist aber, dass dadurch die Privatwirtschaft noch mehr Einfluss auf die Universitäten, auch auf Lehrpersonal und -inhalte ,haben wird, als sie jetzt schon besitzt. Die Verwertungsaspekte werden noch mehr in den Vordergrund rücken, Bildung wird noch mehr zur Ware werden. Vor allem werden natürlich solche Fächer gefördert werden, die unmittelbar den Gewinninteressen privater Konzerne zu Gute kommen. Die Universitäten werden sich weiter der Privatwirtschaft anbiedern, der Erwerb kritischen Wissens wird erschwert werden und soziale Fragen werden in den Hintergrund gedrängt. Man wird überall bedacht sein, nicht allzu kritisch mit den milden Gönnern umzugehen – und vor allem die Dominanz des Kapitals und die herrschende Gesellschaft nicht in Frage zu stellen. Man beißt schließlich nicht die Hand, die einen füttert.

Dem von einem Privatunternehmen geförderten Studierenden wird die Antwort auf die Frage nicht schwer fallen, ob er eine unabhängige Wissenschaft oder das Geschäft seines Mäzen betreibt. Das Humboldtsche Bildungsideal erscheint ihm so nur noch als bemittleidenswerte Anekdote aus früheren Tagen. Schon die Umstellung auf Bachelor/ Master war ein Ausdruck der gesellschaftlichen Dominanz neoliberaler und neokonservativer Gruppen. Mit dieser Maßnahme will die Bundesregierung  und der Freiheit von Forschung und Lehre nun offenbar den Todesstoß versetzen.


Verantwortungsloser Bundesrat – Sparen an der falschen Stelle

Im Bundesrat stehen die beschlossenen Gesetze derweil unter starkem Finanzierungsvorbehalt und sind daher heftig umstritten. Man befürchtet, allein für die BAföG-Erhöhung 530 Millionen Euro bezahlen zu müssen. Der Finanzausschusses des Bundesrats hat nun beschossen, den Vermittlungsausschuss anzurufen.

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Hier zeigen sich die Defizite des fatalen deutschen Bildungsföderalismus. Die Bildungsausgaben werden hier zum Spielball des Geschachers von karriereversessenen Machtpolitikern. Vor allem die Unions-Ministerpräsidenten, allen voran Koch, wollen den von weltweit führenden Ökonomen scharf kritisierten Sparkurs Deutschlands selbst noch auf dem Gebiet fahren, wo er am meisten Schaden anrichten kann – bei der Bildung. Ein solches Verhalten ist selten verantwortungslos.

Der Vorschlag,vorerst die Stipendien-Programm auf Eis zu legen (diese sind wohl auch der – durchaus nachzuvollziehende – Grund, weshalb sich auch bei der SPD eine Ablehnung abzeichnet), wäre dabei durchaus eher zu verschmerzen. Die Kopplung beider Maßnahmen durch die Bundesregierung mag zwar taktisch geschickt sein, doch wäre es auch kein gutes Zeichen, auf eine BAföG-Erhöhung verzichten zu müssen, weil sie auf ihren Elitenförderungswünschen beharrt. Zudem wird die Union unter ihrer Anhängerschaft durch diese wohl auch wenig an Zustimmung erwarten können – nicht mehr Geld für Bildung bereit stellen zu wollen, kommt jedoch in allen Lagern wenig an.


Die Bildungspolitik von Schwarz-Gelb: Ein paar Nebelkerzen und viel Dogmatismus

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Die beschlossenen Maßnahmen lassen das Gerede der Bundeskanzlerin von der Bildungsrepublik wieder einmal als bloße Show und billiges Blendwerk erscheinen, mit dem man sich ein paar nette Schlagzeilen in der Haus- und Hofpresse verschaffen kann, ohne viel dafür tun zu müssen. Das Thema ist sowieso schnell aus der Aufmerksamkeitsspanne der Medien verschwunden, und selbst eine BAföG-Erhöhung unterhalb der Inflationsrate wird von den Jubelpersern der Bundesregierung als Erfolg dieser verkauft.

Am Ende bleiben nur Phrasen wie “Bildung ist unsere Zukunft” oder “Wir haben doch nichts außer der Bildung”  – und sie verhallen schnell in überfüllten Hörsälen und zerbröckelnden Klassenzimmern. Studierenden, die nicht in ein Seminar kommen und deshalb die erbarmungslosen Vorgaben ihres Bachelor-Studienganges nicht einhalten können, werden die 300 Euro für eine kleine Gruppe Privilegierter im Jura- oder BWLer-Trakt nicht viel nutzen.

Wie schon in Folge des Bildungsstreiks und nach den sogenannten Bildungsgipfeln versucht die schwarz-gelbe Bundesregierung, ein paar Beruhigungspillen (wie jetzt die BAföG-Erhöhung) zu verteilen, anstatt die wirklichen Defizite im deutschen Bildungssystem anzugehen. Und sie lenken davon ab, dass in der deutschen Schulpolitik wie der Hochschulpolitik auf eine elitäre, unsolidarische und schädliche Politik gesetzt wird, die auf eine Ausgrenzung der Masse der Gesellschaft von Bildungschancen setzt und die sozialen Unterschiede veschärft, statt Bildung als ein öffentliches Gut, das für alle gleichermaßen zugänglich sein muss, zu etablieren. Die jetzigen Maßnahmen zu den Stipendiensystemen zeigen so wieder einmal, wie sehr in der Bundesregierung eine dominierende neoliberale Ideologie sachgerechte Lösungen unmöglich macht.

Bilder:

(1) Flickr (Björn  Rohles) / http://creativecommons.org/licenses/by-nc/2.0/deed.de

(2) Flickr (Björn Kietzmann) / http://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/2.0/deed.de

(3) Flickr (chris 9773) / http://creativecommons.org/licenses/by-nc/2.0/deed.de

(4) Flickr (Merkelizer) / http://creativecommons.org/licenses/by-nc-sa/2.0/deed.de

Update:

Am Freitag Nachmittag haben zwei Ausschüsse des Bundesrates gegen das Stipendien-Programm gestimmt. Der Bundesrat insgesamt muss aber noch abstimmen. Und dann steht noch der Vermittlungsausschuss offen. Vor diesen kommt eventuell auch die BAföG-Erhöhung.

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Generation der selbstverliebten Egoisten

TELEPOLIS  über eine Studie der University of Michigan: Empathie trocknet bei der “Generation Ich” aus

Die Psychologen kommen zum Ergebnis, dass die heutigen Studenten weniger Empathie haben als diejenigen in den 1980er und 1990er Jahren. Einen besonders großen Rückgang soll es nach 2000 gegeben haben, wobei es seitdem weiter nach unten ging. Ob das auch damit zu tun hat, dass der an Macht und puren Kapitalismus orientierte Bush an die Macht kam, die Dotcom-Blase platzte und der Krieg gegen den Terror startete, geht aus den Daten nicht hervor, könnte aber wohl damit zu tun haben. Schließlich ist auch zuvor der Wirtschaftsliberalismus, bei dem individuelle Bereicherung, Konkurrenz und Ablehnung des Sozialstaats einen hohen Wert besitzen, in den westlichen Ländern als Ideologie und Praxis stärker geworden und hat sich dadurch auch die Schere zwischen Ärmeren und Reicheren immer stärker geöffnet. (…)

Das Ergebnis sei beunruhigend, da sinkende Empathie mit steigendem antisozialen und aggressiven Verhalten korreliert ist. Treffen die Ergebnisse der Studie zu, dann schwindet die Bereitschaft, anderen Menschen zu helfen oder mit ihnen zu kooperieren. Tatsächlich sprechen zahlreiche Forscher von einem wachsenden Narzissmus und Individualismus sowie einem Anstieg der Selbstbezogenheit und der Selbsteinschätzung. Die jetzige Studentengeneration, so Konrath, gelte als “Generation Me” und werden von vielen als Generation, die bislang am stärksten “selbstzentriert, narzisstisch, konkurrierend, selbstsicher und individualistisch” sei: “Es überrascht nicht, dass diese wachsende Selbstwertschätzung von einer entsprechenden Abwertung der Anderen begleitet wird.”

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Der “Dritte Weg”: Vorstellung und Wirklichkeit

Dieter Rulff singt in einem taz-Artikel, in dem es eigentlich um die Koalition in NRW gehen sollte (Rot, Rot, Grün und die Koalitionsfrage: Nur auf Bewährung), ein Loblied des “Dritten Weges”. Sprachlich in einem sehr merkwürdigen Stil und mit einigen unverständlichen Formulierungen und eigenwilliger Semantik verfasst, scheint der Artikel auf jeden Fall eher daraufhin ausgelegt, vordergründigen Eindruck zu schinden als inhaltlich zu überzeugen. Der ganze Artikel versucht, sich die – für viele gescheiterte – “Neue Mitte”-Politik noch einmal, sich selbst seiner Richtigkeit versichernd, schönzureden. Dies, indem er neben der Verwendung von rhetorischen und auf positiven Emotionen abzielenden Mitteln, die negativen Seiten des Dritten Weges ausblendet oder sie einfach als diesem nicht anzulastend auf andere schiebt. Dabei schlägt er alle möglichen Fortschritte andererseits dem Dritten Weg zu, merkt jedoch wohl gar nicht, wie er sich selbst in Widersprüche verwickelt.

Nun ist diese Mitte kein sozialer Ort, sondern markiert die Deutungshoheit über Diagnose und Behandlungsweise gesellschaftlicher Probleme. Insofern war die Übertragung von Anthony Giddens Politik jenseits von rechts und links auf deutsche Verhältnisse der zunächst erfolgreiche Versuch der SPD, die Stagnation der Ära Kohl zu überwinden.

Was Rulff zu dem ersten Satz bewegt hat, weiß wohl nur Rulff. “Politik jenseits von links und rechts” ist natürlich ein Schlagwort, es ist aber kaum zutreffend. Im Grunde ist die Politik von Anthony Giddens ein in der Tat in ihren Grundvorstellungen und -ideen (der Begriff wird hier bewusst nicht als Schlagwort gebraucht) eine, wenn auch gemäßigte und sozial ausstaffierte, neoliberale Politik. Die Grundzüge dieses Weges, und damit soll den Anhängern dieser Politik kein Unrecht widerfahren, sind weg vom “vorsorgenden”, hin zum “aktivierenden” Wohlfahrtsstaat, weg von der Sozial-, hin zur Bildungspolitik, weg von der sozialen, hin zur Chancengleichheit orientiert. Der Staat soll in diesem Konzept von vorneherein dafür sorgen, dass Armut nicht entstehen kann, indem er allen eine möglichst gute Ausbildung gewährt, und im Falle von Arbeitslosigkeit sollen die Betroffenen schnell wieder eine neue Beschäftigung finden.

Diese Punkte sind ja zweifelsohne begrüßenswert, aber sie sind nicht auseichend, sondern nur ein Ausschnitt dessen, wofür die Sozialdemokratie seit je her eingetreten ist. Sie sind die Punkte, auf die sich auch Liberale und Neoliberale einlassen, denn mit einher gehen die Vorstellungen, dass ein Wohlfahrtsstaat, der (z.B. bei Arbeitslosigkeit) für eine ausreichende Existenzsicherung sorgt, den Ansporn, sich eine neue Arbeit zu suchen, mindert, die Menschen in Arbeitslosigkeit verharren lässt usw. (hier wurden die neoliberalen Vorstellungen zu diesem Thema übernommen). Man ist ausschließlich selbstverantwotlich und der Staat nur dazu da, “unverschuldet in Not geratene” (und das gilt bei Arbeitslosigkeit nicht) abzufangen und bei Arbeitslosigkeit gerade noch den Lebensunterhalt zu sichern, dies aber verbunden mit einer Arbeitspflicht (Workfare). Zudem, und hier ist der größte Bruch mit der Sozialdemokratie, sei soziale bzw. Verteilungsgerechtigkeit schädlich, da sie Anreize mindere. Daüber hinaus wird dem Staat keine Rolle im Wirtschaftsablauf eingeräumt, er soll sich möglichst weit zurückziehen und möglichst viele Bereiche der Gesellschaft den Marktmechanismen überlassen.

Die Umsetzung von Giddens Politik besteht daher neben dem Ausbau der Bildungseinrichtungen in erster Linie aus der Senkung von Sozialleistungen, der Verbindung von Arbeitslosengeld mit der Pflicht zu nicht oder niedrig bezahlten öffentlichen Tätigkeiten, umfangreichen Privatisierungen und Deregulierungen und dem Ende von umverteilenden Maßnahmen, z.B. durch die Senkung von Unternehmens- und Spitzensteuern. Im Grunde ist das viel bejubelte Konzept von Giddens das, was eine wirtschaftsliberale Partei fahren würde, wenn sie ehrlich und frei von Klientelinteressen wäre, plus noch Gesundheitsversorgung für alle (denn diese sollte – auch bei Giddens – nicht vom Einkommen abhängen), versehen mit einem sozialdemrokatischen Etikett. Es ist eine Ideologie der Chancen und der Eigenverantwortung, es misstraut den Vorstellungen der Gleichheit und der sozialen Sicherheit. In ihm ist der Mensch egoistisch und auf sich alleine gestellt, in ihm gibt es keine Solidarität.

Unterschieden sich die politischen Ansätze unter Kohl und Schröder im wirtschaftlichen und sozialen Bereich inhaltlich auch nicht so sehr, so  geht Rulff auf das Tempo der Umsetzung ein und besetzt dieses positiv, so, wie der ursprünglich positiv assoziierte Begriff “Reform” als Schlagwort für Sozialabbau-Gesetze inflationär gebraucht wurde. Stagnation bedeutet in diesem Falle eher, dass die Sozialabbau-Maßnahmen nicht in einem ganz so atemberaubenden Tempo duchgeführt wurden wie insbesondere nach der Agenda 2010. Aber – durch den Satz soll natürlich die Assoziation mit der muffigen Kohl-Ära geweckt werden, die erst durch den frischen Wind der rot-grüne Koalition abgelöst wude. Das ist sicher bei vielen Gebieten, zutreffend aber nicht bei der Umsetzung der Dritten-Weg-Maßnahmen. Damit sollen positive Erinnerungen verbunden werden, alles, was Rot-Grün Positives rhervobrachte, ist natürlich dem Dritten Weg zu verdanken. Auch hier ist dieses rhetorische Mittel klar:

Vier strukturelle Veränderungen markierten diese Politik: Das “Modell Deutschland” der Unternehmensverflechtungen und des Korporatismus wurde für die globalisierte Wirtschaftsstrukturen geöffnet, die Energiewende sowie eine Einwanderungspolitik wurden eingeleitet und der Arbeitsmarkt von der Statussicherung auf Aktivierung umorientiert.

Die Öffnung der Deutschland-AG muss man von zwei Seiten betrachten. Einerseits führte sie zum Abbau von Seilschaften, Vetternwirtschaft und kartellartigen Absprachen. Andererseits war das Mittel dafür die Liberalisierung der Finanzmärkte. Den Abbau von Mitbestimmungsrechten und die Schwächung der Tarifparteien als Öffnung für die globalisierte Wirtschaft (der sich vemeintlich alles und jeder unterordnen muss) zu verkaufen, erfordert schon viel Phantasie. Energiewende und Einwanderungspolitik haben nun wirklich nichts mit dem Dritten Weg zu tun. Die Umwandlung der Arbeitslosenversicherung (und nicht des Arbeitsmarktes) allerdings schon. Doch was bedeutet “Statussicherung” und “Aktivierung”? “Statussicherung” meint, dass die Sozialleistungen zumindest auf einem ähnlichen Niveau wie der vorherige Verdienst sind, also einkommensabhängig. “Aktivierung” klingt gut und wäre es wohl auch, wenn damit mehr Weiterbildungsmaßnahmen und eine aktive Arbeitsmarktpolitik verbunden wären, beinhaltete aber in Deutschland nur eine Senkung dieser und bestand fast nur aus gesenkten Sozialleistungen und der Pflicht zur Annahme fast jeder Arbeit, mit der Drohung, sonst unter das Existenzminimum zu fallen.

Letzteres gilt noch heute in der SPD als Sündenfall und als Geburtsstunde der Linken. Dabei erwies sich das Konzept, wie das Beispiel der nordeuropäischen Staaten und die Entwicklung des Arbeitsmarktes zeigen, als richtig, der Staat versagte (und versagt) allerdings bei der Betreuung, Vermittlung und vor allem bei der Qualifizierung der Arbeitslosen.

Genau hier liegt der Punkt: In Dänemark und Schweden etwa sind Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung sehr hoch. Das Arbeitslosengeld in Dänemark liegt auf dem zweithöchsten Niveau OECD-weit – nach den Niederlanden, die ein ähnliches Modell haben. In beiden Staaten, gefolgt von Schweden, sind zudem die Ausgaben für aktive Arbeitsmarktpolitik mit Abstand am höchsten. Gerade dadurch konnten enorme beschäftigungspolitische Erfolge in diesen Ländern erzielt werden, und dazu eben ein sehr hohes Maß an sozialer Sicherheit und eine sehr egalitäre Einkommensverteilung. Siehe auch: Europäische Lehren für den deutschen Arbeitsmarkt: Flexibilität und Sicherheit sind vereinbar. Der Dritte Weg jedoch ist nur Flexibilität,  jedoch ohne Sicherheit.

Auf die dabei aufgeworfene Gerechtigkeitsfrage konnte die Regierung Schröder schon deshalb keine glaubwürdige sozialdemokratische Antwort mehr geben, weil sie zuvor bei der Unternehmens- und Einkommenssteuerreform ohne strukturelle Notwendigkeit eine massive Umverteilung nach oben vorgenommen hatte. Das hatte wenig mit dem Dritten Weg, aber viel mit neoliberalem Zeitgeist-Opportunismus zu tun (…)

Den Dritten Weg könnte man durchaus mit guten Gründen als einen eindeutig neo-liberalen betrachten. Ein Ende der Umverteilung ist dabei durchaus ein Schritt auf dem Dritten Weg.

Mit dem vorläufigen Scheitern des FDP-Steuerkonzeptes ist die neoliberale Angebotspolitik in die Defensive geraten. Das bedeutet jedoch nicht, dass nun wieder eine klassische Nachfragepolitik zum Zuge kommt. Eine linke Politik, die jeden Akt des Konsums mit dessen vermeintlich wirtschaftsfördernder Kraft legitimiert, wird schnell mit deren begrenzter Wirkung in einer entgrenzten Welt konfrontiert sein – wie es sich zuletzt an der Abwrackprämie erwiesen hat.

Angebotspolitik ist neoliberal, und wird deshalb auch im “Dritten Weg” verfolgt. Und – der Fairness halber: selbstverständlich ist nicht jeder “Akt des Konsums” zu begrüßen. Die Abwrackprämie ist in der Tat fraglich (einseitige Subvention einer bestimmten Branche usw.), aber konjunkturell erfolgreich war sie ja zumindest. Mittel wie höhere Sozialleistungen und Löhne, sowie öffentliche Beschäftigungsmaßnahmen wären aber eher zu begrüßen. Dass diese die in Deutschland extrem niedrige Binnennachfrage insgesamt erhöhen und für einen wirtschaftlichen Aufschwung sorgen würden, kann auch nicht mit dem verbrauchten Argument von der globalisierten Weltwirtschaft und den “Grenzen nationalstaatlicher Politik ” (fehlt nur noch das “konjunkturpolitische Strohfeuer”) bestritten werden.

Rulffs Beitrag ist einer, wie man sie um die Jahrtausendwende zu Hunderten gelesen hat. Einer, der eine Politik des Dritten Weges  rechtfertigen, ihren Kern eines neoliberalen Umbaus der Gesellschaft verschleiern und verhüllen will (und sich sogar des Wortes “neoliberal” bedient, um die negativsten Aspekte dieses Modells einer angeblich anderen Richtung anzulasten). Er wirft mit Buzz-Words und Standardfloskeln um sich und kann dennoch hinter allen hochtrabend klingenden Formulierungen nicht verstecken, was er wirklich ist: der Ausdruck eines zeitgeistig-opportunistischen Gesinnungswandels, wie ihn der ehemalige Marxist Giddens mustergültig vorexerziert hat.

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Wenn sich Inkompetenz und Wahlkampfmanöver paaren

Der durch einseitige Ausrichtung auf Wahlkampfinteressen bestimmte und von hetzerischen Kampagnen der Boulevardpresse begleitete zögerliche Schlingerkurs der deutschen Bundesregierung in der Griechenlandfrage hat schon jetzt zu erheblichen wirtschaftlichen und politischen Schäden geführt. Die weiteren Folgen könnten noch verheerender sein.

Die Berichterstattung der deutschen Medien zur Griechenland-Krise ist von einer selbst für diese fast beispiellosen Inkompetenz geprägt, oft besteht sie nur im Nachplappern der von Wahlkampfmanövern bestimmten Positionen der Bundesregierung bis zu offener Hetze, Diffamierungen und niederste Beleidigungen seitens des Rechts-Boulevards. Positiv ragen in der Berichterstattung fast nur Onlineveröffentlichungen, etwa bei Weissgarnix (z.B. “Drohendes Desaster”), beim Herdentrieb (Zeit Online), auf Telepolis oder vom Spiegelfechter hervor.

Statemens von (ernstzunehmenden) Ökonomen sind in den Mainstream-Medien zudem selten zu finden. Aus gutem Grund, denn deren Analysen unterscheiden sich stark von dem populistischen Griechen-Bashing des Politik-Medien-Konglomerats. Heiner Flassbeck bezeichnet in einem Interview mit tagesschau.de das Krisenmanagement der deutschen Bundesregierung zu Griechenland als katastrophal, u.a. da sie “dem Irrsinn, der im Moment an den Märkten herrscht, nicht Einhalt gebietet”, der “das Resultat von Zockerei und Panikmache” sei. Europa habe es leider versäumt, Maßnahmen zur Reform der Finanzmärkte wie die aktuell von Obama geplanten zu treffen. Finanzhilfen für Griechenland seien im Grunde richtig, aber in einer solchen Krise würden Sparmaßnahmen in Griechenland, die v.a. bei Löhnen und Sozialleistungen erfolgen, dessen wirtschaftliche und soziale Schieflage weiter verschärfen. Außerdem, so ein weiterer Punkt, solle die verzerrte Wettbewerbsfähigkeit in Europa aufhören: in Deutschland müssten höhere Löhne gezahlt werden.

tagesschau. de: Andere Stimmen sagen: Wir haben die Stabilitätskriterien eingehalten durch eine zurückhaltende Lohnpolitik und gut gewirtschaftet, und jetzt sollen wir für die einspringen, die das nicht getan haben. Ist das nicht ein berechtigter Einwand?

Flassbeck: Das ist vollkommen falsch. Man hat eine Währungsunion gemacht mit einem Inflationsziel von zwei Prozent. Das ist eine implizite Verpflichtung, die Löhne ungefähr zwei Prozent über der Produktivität zu halten. Deutschland ist massiv darunter geblieben und hat damit sozusagen eine Deflationspolitik betrieben, ohne es den anderen zu sagen. So wurde Deutschland fast zum alleinigen Gewinner, während fast alle anderen darunter leiden. Das hat nichts mit Sparen zu tun: Das war und ist ein klarer Verstoß gegen den Geist der Währungsunion.

Nein, das hört man nicht gerne. Schulden und Inflation vermeiden, das ist dem Deutschen noch heiliger als sein Bier und sein Auto. Dass Deutschland zumindest eine Mitschuld an den europäischen Ungleichgewichten tragen könnte will man nicht einmal in Erwägung ziehen. Und dass die jahrelange Lohndumping-Ökonomie schädlich sein könnte, nein, dass ist ja alles nur sozialromantischer Linksextremismus! In Deutschland lässt man sich von allem, was gegen die neoliberale Ideologie spricht, egal wie gut belegt, egal wie sinnvoll es ist, schon lange keine Ratschläge geben. Flatter von Feynsinn schreibt:

Seit 30 Jahren wird gebetet, Konsum sei schädlich, niedrige Löhne gut und die jährliche Exportweltmeisterschaft pure Glückseligkeit. (…)

Kein Wort war es den gefragten “Experten” wert, wie volkswirtschaftlich – und zwar global – vernünftige Politik gestaltet werden könnte. Im Gegenteil wurde das Wohl und Wehe der Menschen dem “Standortwettbewerb” überantwortet, was nichts anderes heißt, als den manischen Egoismus eines einäugigen Betriebswirtschaftsdenkens der politischen Ökonomie überzustülpen. Werden in der kruden Konkurrenz der Betriebe und Konzerne die Verlierer vom Markt radiert oder ausgeweidet, ist das unschön, aber in Grenzen praktikabel. Dieses Prinzip aber als alternativloses den Staatswirtschaften zu verschreiben, ist ökonomischer Völkermord. Es sollte keine Volkswirtschaft existieren dürfen, die sich nicht den Regeln der profitorientierten freien Märkte unterwarf. Alternativen wurden mit aller Macht unterdrückt.

Die ökonomische Uneinsichtigkeit paart sich zudem mit parteipolitischen Interessen im Vorfeld der Landtagswahlen in Nordrhein-Westfalen. Wäre schnelle Handeln seitens der Bundesregierung erforderlich gewesen, gab es einen wochenlangen Schlingerkurs. Die Rettungsaktion für Griechenland nun dürfte als der unprofessionellste bailout aller Zeiten in die Wirtschaftsgeschichte eingehen. Angela Merkel hat durch ihr Wahlkampfgeschacher und -geplänkel nicht nur Griechenlands Krise verschlimmert und die Kosten in die Höhe getrieben, sondern könnte auch einen Flächenbrand in Europa ausgelöst haben, der bald auch Portugal und Spanien und dann Irland und Italien erfassen und die Eurozone in ernsthafte Schwierigkeiten bringen könnte.

Diese Regierung hat hier wie in wohl kaum einem anderen Feld gezeigt, dass sie keinerlei Verantwortung, Solidarität oder auch nur Einsicht besitzt. Für ein paar Wählerstimmen ist man bereit, Milliardenverluste in Kauf zu nehmen, ganze Ökonomien weiter zu destabilisieren und Zinssätze und Spekulationstätigkeiten anzuheizen. Die Kosten dafür wird die Bevölkerung in Europa tragen müssen, in den betroffenen Ländern und bei uns. Die Beteiligung des IWF an den Rettungsaktionen, auf denen Merkel so bestanden hat, wid noch größere soziale Schäden verursachen und mehr Armut schaffen. Und die Kosten für die Zukunft der europäischen Integration sind kaum absehbar. Aber immerhin kann sich jetzt der Stammtisch freuen, dass WIR es diesen faulen, streikenden, schuldenmachenden, nicht sparen wollenden, korrupten, lügenden, im Luxus prassenden Pleite-Griechen mal so richtig gezeigt haben!

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Neoliberale Glaubenskrieger

Nirgendwo wurde seit dem Paradigmenwechsel in den 70er-Jahren vom Keynesianismus zum Angebotsdogma mit so deutscher Konsequenz auf die neue Heilslehre gesetzt, so radikal zwischen Gut und Böse getrennt und alles andere verteufelt. Nirgendwo werden ökonomische Vorstellungen mit derart quasireligiösem Eifer verkämpft und wird eine einzige ökonomische Vernunft postuliert – was jeden Widerspruch praktischerweise als Mangel an Einsicht aussehen lässt. Und während US-Wissenschaftler ganz sportlich das Etablierte infrage stellen, um neue Erkenntnisse zu gewinnen, leben und sterben deutsche Kollegen mit dem Problem, die große Wahrheit bei den Ungläubigen endlich unterzukriegen.

(Thomas Fricke über die deutsche Mainstream-Ökonomie, die sich, während sonst weltweit in der Ökonomie langsam ein Umdenken einsetzt,  immer noch an veraltete Dogmen klammert, die immer noch davon ausgeht, dass die Finanzkrise nur durch böse Politiker und Fehler Einzelner entstanden ist und dass die größten wirtschaftlichen Gefahren in Deutschland Schulden und Inflation seien.)

In der Tat ist es auch immer wieder erstaunlich, wie die Vertreter des Neoliberalismus, die normalerweise so etwas wie Werte und moralische Überzeugungen ablehnen und eine bloße Zweckrationalität fordern, die bei Begriffen wie “Gerechtigkeit” oder “Solidarität” in verächtlichen Zynismus übergehen, wie sie, wenn sie allein das Wort “Markt” benutzen, in eine Verzückung überzugehen scheinen, als sei ihnen der heilige Geist erschienen. Wie Religiöse von ihrem Gott, so sprechen sie von den Marktmechanismen, wie Erstere an eine göttliche Gerechtigkeit als letzte Instanz glauben, so glauben sie an eine, nun, man kann es wohl kaum Gerechtigkeit nennen, aber an eine Endlegitimation, an einen Endzweck im Markt. Die Ergebnisse des Marktes sind unfehlbar für die einen wie Gottes Wort für die anderen.

Dabei dürfen wir aber nicht den Fehler machen, den Markt nur als einen Mechanismus zu verstehen, durch den Angebot und Nachfrage in Einklang gebracht werden. Nein, der Markt steht bei ihnen als die Plattform der ungezügelten Konkurrenz, auf dem sich der Mensch als Homo Oeconomicus gegen den anderen Menschen durchsetzen muss – am besten immer und überall. Und natürlich gibt es dort Gewinner und Verlierer. Das Ergebnis des Marktes beruht also nicht, wie bei Anhängern religiöser Bewegungen, auf einer umfassenden Vernunft oder ähnlichem, sondern auf den Ergebnissen des Wettbewerbes, auf dem sich der klügste, schnelleste, stärkste, was auch immer, durchsetzt. Und der Verlierer ist nicht der, der gesündigt hat o.ä., also der, der bestimmte, bekannte Regeln gebrochen hat, sondern einfach der, der auf dem Markt verliert. Hier wie dort trägt aber der Verlierer selber an seinem Schicksal selbst die Schuld (natürlich immer aus der Sicht derer, die sich selbst als Gewinner, als Leistungsträger oder Erleuchtete oder Auserwählte sehen).

Und das, denke ich, ist der Grundsatz der Ideologie, die sie verehren, die sie predigen (ein Grundsatz, der in der Form, wie man an ihm festhält, zwar religionsartige Züge trägt, inhaltlich in gewisser Weise aber auch als Gegenstück zu Religionen oder philosophischen Richtungen  gesehen werden kann): die Wirtschaft wie die Gesellschaft sollen nicht durch Werte, nicht durch eine wie auch immer festzustellende oder zu bildende Vernunft, nicht durch Demokratie oder durch Planung, geregelt werden, sondern durch Wettbewerb und Konkurrenz, die blind sind für Zwecke und Werte, auf denen die, die sich durchsetzen, die Gewinner sind nicht durch bestimmte Qualifikationen und nicht legitimiert durch Werte, sondern nur durch den Vorgang selbst legitimiert, dass sie sich durchgesetzt, dass sie gewonnen haben. Dass Bestehende ist nicht vernünftig, es ist das Ergebnis der Erfolgreichen im Konkurrenzkampf, es soll aber auch nicht vernünftig sein, es soll nicht zur Vernunft gebracht werden. Denn der Markt ersetzt die Vernunft. Wer eine religiöse oder quasi-religiöse Überzeugung hat, auf dem alles, was ein Gott angeblich sagt, oder das, was sich aus dem Marktgeschehen ergibt, das Letzte, das Endgültige, das nicht zu Hinterfragende ist, braucht diese nicht mehr.

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Neoliberalismus, Agenda 2010 und Hartz IV: was würden Marx und Engels sagen?

Kann man moderne Erscheinungen auf Grundlage einer marxistischen Theorie, v.a. der Marxschen Werttheorie, deuten? Mal ein Gedankenspiel: wie würden Karl Marx und Friedrich Engels z.B. den Wandel des Kapitalismus hin zu einer neoliberalen Variante erklären? Was würden sie, um etwas noch Aktuelleres zu nehmen, zur Agenda 2010 und zu Hartz IV sagen?

Beispiel 1: Neoliberalismus

Marx und Engels beklagten das Denken in Tauschverhältnissen. In den kapitalistischen Systemen herrscht aufgrund der die gesellschaftlichen Beziehungen dominierenden Wertstrukturen eine Tauschrationalität, der nur Gleichwertiges gilt, die von konkreten Eigenschaften abstrahiert.

Heute werden immer mehr gesellschaftliche Bereiche unter Marktmechanismen (als Kapitalverwertungsprozesse) unterworfen; der Ökonomisierungsprozess, den bereits Marx prognostiziert hat, nimmt immer weitere Ausmaße an. Der Spätkapitalismus hat sich vom Wohlfahrtsstaat und organisierten Kapitalismus gewandelt und mehr Züge eines liberalen, finanzmarktgesteuerten, marktbasierten Kapitalismus angenommen. Es gibt kaum einen Bereich mehr, in dem nicht die Kategorien des Marktes und der Konkurrenz gelten. Die Beschäftigten sind nicht mehr nur für den Gebrauchswert-, sondern auch für den Verwertungsapekt ihrer Arbeit zuständig. Die Subsumtion der Arbeit unter das Kapital ist eher noch stärker geworden. Wie Arbeit (und zwar für Kapitalisten wie Arbeiter) immer öfter nur noch Mittel zur Produktion von mehr Geld – als mehr Tauschwert – ist, so werden auch die Beziehungen der Menschen immer mehr von einer Tauschrationalität erfasst. Die Marktbeziehungen und ihre Rationalität weiten sich auf immer mehr gesellschaftliche eaus. Die Grundstrukturen des Kapitalismus sind nicht auf Produktion und Distribution beschränkt.

„Zweckrationales“, manipulatives Denken, Atomisierung und Egoismus kennzeichnen die Industriegesellschaften nach der geistig-moralischen Wende zum Neoliberalismus, die sich als alternativlose darstellen wollen. Angesichts dieser Entwicklungen bieten sich an die Marxsche Analyse der Wertform anlehnenden Konzepte (etwa der Kritischen Theorie) wertvolle Hilfen zur Deutung dieser Vorgänge, auch wenn die Gegenmittel, die sie bieten kann, aufgrund ihrer Radikalität immer schwieriger durchsetzungsfähig erscheinen.

Beispiel 2: Agenda 2010 und Hartz IV

Nach der neoklassischen Wirthschaftslehre, der die Konstrukteure und Befürworter von Maßnahmen wie der Agenda 2010 und Hartz IV folgen, entsteht Arbeitslosigkeit, wenn die Lohnhöhe über der Grenzproduktiität der Arbeit liegt. Durch Hartz IV wurde gezielt das Lohnniveau gedrückt, im Niedriglohnbereich auf eben das gesunkene Niveau der Sozialleistungen, aber auch in den anderen Bereichen kam es oft zu Reallohnsenkungen. Der Niedriglohnsektor ist massiv expandiert. Und selbst auf einem Niveau, das kaum über dem von Hartz IV liegt, werden die Menschen nun gezwungen, jede Arbeit anzunehmen. Und da nun die Löhne, wie beabsichtigt, so stark gesenkt wurden, dass sie oft auf Hartz IV-Niveau liegen, sollen wiederum die Sozialleistungen gesenkt werden. Begründet wird dies dann mit dem “Lohnabstandsgebot”. Doch gerade so ein Vorgehen wurde auch mit der Zusammenlegung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe plus der Senkung verfolgt. “Arbeit muss sich wieder lohnen”. Doch wenn die Löhne fallen, ist die Folge für die marktradikalen Agitatoren und die Mietmäuler der Arbeitgeber-Lobbys nicht eine (wie auch immer zu erreichende) Erhöhung der Löhne, sondern wiederum eine nochmalige Senkung der Sozialleistungen. Ein Teufelskreis in den Abgrund.

Quelle: http://www.flickr.com/photos/dunechaser/104968057/ unter http://creativecommons.org/licenses/by-nc-sa/2.0/deed.de

Die Politik folgte bei Hartz IV altbekannten Mustern des Kapitalismus, zumal seiner neoliberalen, marktradikalen Ausprägung. Marx hatte erkannt, dass der Arbeitsmarkt ein besonderer Markt ist, da die Arbeiter, da nicht im Besitz von Produktionsmitteln, nur ihre Arbeit zu verkaufen hätten:

Zur Verwandlung von Geld in Kapital muß der Geldbesitzer also den freien Arbeiter auf dem Warenmarkt vorfinden, frei in dem Doppelsinn, daß er als freie Person über seine Arbeitskraft als seine Ware verfügt, daß er andrerseits andre Waren nicht zu verkaufen hat, los und ledig, frei ist von allen zur Verwirklichung seiner
Arbeitskraft nötigen Sachen.
(Das Kapital Band I, Erstes Buch, Viertes Kapitel)

Marx sagte, dass das Kapital dazu tendieren wird, der Arbeit nur das zu bezahlen, was sie zu ihrer Erhaltung und Reproduktion (sprich: zum Überleben und sich Vermehren) benötigt (den übrigen Wert, den die Arbeiter schaffen, eignen sich die Kapitalisten als Mehrwert an und schaffen dadurch Kapital). In Zeiten, in denen das Reserveheer der Arbeitslosen im Millionenbereich liegt, tritt selbst dieser Minimalaspekt in den Hintergrund. Der Wert, den das Kapital der Arbeit zu zahlen bereit ist, hat laut Marx immer ein historisches und moralisches Element. In den letzten Jahrzehnten sind in Deutschland trotz kontinuierlichem Wirtschaftswachstums die Löhne real gesunken (von 2000 bis 2007 etwa als dem einzigen EU-Land), hat die Lohnquote massiv abgenommen. Das Kapital hat es geschafft, seine Gewinneinkünfte massiv zu steigern. Diese Gewinne aber werden zu einem sogar abnehmenden Teil für Investitionen verwendet, sondern gehen immer mehr in Spareinkommen und suchen sich Betätigungfelder auf den Finanzmärkten. Auf diesen nun ist der Tauschwert (das Geld) vollkommen vom Gebrauchswert (der Nützlichkeit der Verwendung von Gütern) entkoppelt, der Fetischismus des Geldes zur höchsten Stufe erklommen.

Auch die Bezahlung der Arbeit ist von ihrem Gebauchswert, von ihrer gesellschaftlichen Nützlichkeit entkoppelt. Der Arbeitslohn resultiert aus Knappheit, dass ist richtig. Doch alle Knappheit ist nebensächlich, wenn die daher hochbezahlte Arbeit tatsächlich gesellschaftlich nicht nützlich, sogar schädlich ist, und die ganze Irrationalität dieser kapitalistischen Struktur zeigt sich, wenn Studien beweisen, dass niedrig bezahlte Tätigkeiten wie KRankenschwester oder Müllmann deutlich wertvoller für die Gemeinschaft sind, als etwa Steuerberater oder Börsenmakler (die nicht nur keine Gebrauchswerte, keine nützlichen Dinge schaffen, sondern sogar insgesamt Geld, also Tauschwerte, vernichten. Die größten Vertreter des Kapitalismus zerstören gesamtgesellschaftlich also das, worauf der Kapitalismus aufbaut – es wäre ja lustig, wenn die Folgen nicht die Gemeinschaft zu tragen hätte).

Die Flexibilierung des Arbeitsmarktes, die Erleichterung der Leiharbeit, die Senkungen der Sozialleistungen und die anderen Maßnahmen der Agenda 2010 verstärkten den Arbeitsmarkt als einen “nicht perfekten Markt”. Man hat nicht mehr die Möglichkeit, über die Aufnahme einer Arbeitstätigkeit frei zu entscheiden, wenn man andernfalls mit Sanktionen bedroht ist. Die Subsumtion der Arbeit unter das Kapital wurde nur vertieft.

Aufgabe einer progressiven Politik und Aufgabe der “Arbeit” (also all derjenigen, die nicht im Besitz der Produktionsmittel sind) ist der Kampf um die Steigerung der Entlohnung der Arbeit, um die gesellschaftliche Aneignung des Mehrwerts. Das Mittel dazu ist in diesem Fall klar: eine Erhöhung der Hartz IV-Sätze. Und auch Mindestlöhne können ein Weg sein. Der historische und moralische Kampf um ein menschenwürdiges Existenzminimum wurde vor Gericht nicht entschieden – er ist also um so mehr ein Kampf gesellschaftlicher Kräfteverhältnisse.

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