Das hat der Horst doch nicht so gemeint!

Meine Einschätzung ist aber, dass insgesamt wir auf dem Wege sind, doch auch in der Breite der Gesellschaft zu verstehen, dass ein Land unserer Größe mit dieser Außenhandelsorientierung und damit auch Außenhandelsabhängigkeit auch wissen muss, dass im Zweifel, im Notfall auch militärischer Einsatz notwendig ist, um unsere Interessen zu wahren, zum Beispiel freie Handelswege, zum Beispiel ganze regionale Instabilitäten zu verhindern, die mit Sicherheit dann auch auf unsere Chancen zurückschlagen negativ durch Handel, Arbeitsplätze und Einkommen. Alles das soll diskutiert werden und ich glaube, wir sind auf einem nicht so schlechten Weg.

Wurde diese Aussage Köhlers zunächst nur von Blogs und dann auch dem Freitag thematisiert, ist nun auch die Mainstream-Presse auf das Thema gekommen und Spiegel Online (hier und hier), die Frankfurter Rundschau, die Financial Times Deutschland, die Süddeutsche und selbst die Tagesschau und die Welt berichten heute. Sie tun dies in erster Linie wohl, da sich Vertreter von verschiedenen Parteien zu Wort gemeldet haben. Solch ein Thema selbst aufzugreifen wäre wahrlich zuviel an kritischem Journalismus. Und so hält man sich auch mit eigenen Kommentaren zurück, und auch die nachträgliche Selbstzensur des Deutschlandradios wird natürlich auch nirgendwo erwähnt.

Was sagen nun die Parteien zu Köhlers Aussage? Die CDU versucht, Köhlers eigentlich recht klare Worte als „etwas missverständlich“ darzustellen. Er hat das ja  gar nicht so gemeint, sich vielleicht nur etwas ungeschickt ausgedrückt. Krieg für freie Handelswege? Klar, gute Sache, immer doch, gibt’s ja z.B. auch am Horn von Afrika! Aber dafür braucht man „selbstverständlich immer ein klares völkerrechtliches Mandat“ – soo einfach geht’s ja nun auch nicht! Wenn’s das aber gibt, ist alles in Ordnung. Und in Afghanistan ist das ja schließlich was ganz anderes, da geht’s um die internationale Sicherheit und Stabilität. Wollte der Host ja auch so sagen. Muss er vielleicht noch mal ‘nen Rhetorik-Kurs besuchen, das ist alles. So, nun reicht’s aber auch mit der Kritik, ist ja schließlich unser Staatsoberhaupt, und das sollte man „möglichst nicht kritisieren“!

Eine nicht ganz überzeugende Ausrede, besagt doch schon die „Sicherheitsstrategie für Deutschland“ der CDU-/CSU-Bundestagsfraktion (2008):

Krisenhafte Entwicklungen, Terrorismus oder gewaltsame Konflikte in Lieferländern können unsere Versorgung mit Energie und Rohstoffen gefährden und unserer Wirtschaft Schaden zufügen. […]

Die Herstellung von Energiesicherheit und Rohstoffversorgung kann auch den Einsatz militärischer Mittel notwendig machen, zum Beispiel zur Sicherung von anfälligen Seehandelswegen oder von Infrastruktur wie Häfen, Pipelines, Förderanlagen etc. Bereits heute wird die Bundeswehr eingesetzt – beispielsweise mit der Beteiligung an OEF am Horn von Afrika oder an Active Endeavour im Mittelmeer.

Da könnte die Union eigentlich klarer zu ihren Aussagen stehen, die Köhler jetzt nur in seiner Rolle als Bundespräsident – ungeachtet ihrer Gundgesetz- und Völkerrechtswidrigkeit – wiederholt hat. Natürlich weiß man auch bei der CDU, dass man der Öffentlichkeit eher langsam klar machen sollte, dass man von ihr erwartet, sich für die wirtschaftlichen Interessen des Landes (oder derer, die dort bestimmen), aufzuopfern. Im wahrsten Sinn des Wortes.

Zynisch wie eh und je reagiert die FDP. Köhlers Äußerungen seien ein „Appell, die hierzulande etwas hausbackene Debatte über Sicherheitspolitik zu weiten“. Wenig erstaunlich, dass die ehemalige Bürgerrechtspartei FDP, die sich längst zum bedingungslosen Büttel des Kapitals gemacht hat, internationales Recht als veraltete und moralingesäuerte Sentimentalität ansieht. Man wird doch mal darüber reden dürfen, Kriege für die freie Marktwirtschaft zu führen!

Nun, so denkt man aber, müssten diese Aussagen doch eine Steilvorlage für die Opposition sein. Menschen dürfen nicht für die Interessen von Großkonzernen sterben, könnte man rufen, „unsere Jungs“ sollen nicht fallen, damit die deutsche Außenhandelsquote steigt, könnte man fordern, „Kein Blut für Geld!“ könnte man skandieren. Man könnte – ja durchaus naheliegende – Vergleiche zu George W. Bush ziehen, warnen, dass von Deutschland nie wieder Krieg ausgehen dürfe. Ankreiden, dass die Privatwirtschaft nach Rettungsschirmen aus Steuergeldern in dreistelliger Milliardenhöhe nun auch Menschenleben fordert, um ihre Gewinninteressen durchzusetzen. Man könnte vielleicht auch so weit gehen, dass ein Bundespräsident, der so offen nationales und intenationales Recht und die Würde des Menschen verachtet, nicht tragbar ist.

Hier hätte man durchaus ein wichtiges und öffentlichkeitswirksames Thema, wo die Opposition sich klar profilieren könnte als eine, die nicht mit Menschenleben jongliert für eine Rückkehr eines deutschen Großmachtstatus. Die Aufmerksamkeit wäre sicher, und der Versuch, eine solche Politik vor dem Wähler zu rechtfertigen, wäre auch bei Mitarbeit der einschlägigen Medien und Think Tanks eindeutig zum Scheitern verurteilt.

Aber was tut die Opposition? Die Linke spricht wenigstens relativ klare Worte – aber das war politisch wegen ihrer kompletten Ablehnung von Militäreinsätzen nicht anders zu erwarten und wird nicht gerade ein politisches Erdbeben auslösen.

Aber, der SPD-Seeheimer Thomas Oppermann hat tatsächlich nicht mehr zu Köhlers Äußerungen zu sagen, als dass dieser der Akzeptanz der Auslandseinsätze der Bundeswehr schade (bei solch einer Rechtfertigung der Einsätze etwa nicht völlig zu Recht?) und – offenbar die größte Gefahr! – „der Linkspartei das Wort rede“?  Und auch Oppermann sagt, in Afghanistan gehe es nicht um Wirtschafts-, sondern um Sicherheitsinteressen. Nüchtern und abseits von politischen Parolen betrachtet geht es wohl weder ausschließlich um das eine noch um das andere – aber was ist etwa mit dem Einsatz am Horn von Afrika? Wenn man wirklich keine Wirtschaftskriege wollte, wie Oppermann sagt, warum geht man dann nicht stattdessen gegen die elenden Zustände in Somalia vor – warum bekämpft man nicht entwicklungspolitisch die Ursachen, sondern militärisch die Symptome? Wenn jetzt auch das Bundespräsidialamt entgegnet, der Afghanistan-Einsatz sei nicht gemeint, sondern z.B. die Operation Atalanta, dann macht es das ja nicht besser. Es wird ja zweifelsohne zumindest ein Militäreinsatz allein für wirtschaftliche Interessen der Industrieländer durchgeführt. Der vorrangige Einwand sollte doch sein, dass man so etwas ablehnt, und nicht, ob es nun speziell in Afghanistan der Fall ist.

Die Grünen sagen, dass die Äußerungen ein „gefährlich falsches Verständnis von Auslandseinsätzen“ entlarven würden und Köhler „offenbar in Unkenntnis über die ausführliche Debatte um den Afghanistaneinsatz“ rede. Soll entweder heißen: Köhler hat nur nicht ganz verstanden, worum es bei den Einsätzen wirklich geht. Wirtschaftliche Interessen? Wie kommt der nur darauf? Da muss er aber noch einiges dazulernen! Das wäre wohl aber eher unwahrscheinlich. Oder will es nicht vielmehr meinen: der Bundespräsident hält sich nicht an den verabredeten Code, die etablierte Rechtfertigungslinie: es geht darum, Brunnen zu bohren, Schulen zu bauen und den Afghanen Demokratie und Frauenrechte zu bringen. Außerdem wird unsere Sicherheit permanent duch afghanische Terroristen und somalische Piraten gefährdet. Und die Region könnte destabilisiert werden, und dann kommen noch mehr Terroristen zu uns. Nur darum geht es! Köhler spricht aus, was man nicht aussprechen darf! Die Wahrheit ist zu gefährlich!

Nein, Köhlers Äußerungen zu Kriegen aus wirtschaftlichen Interessen sind vielleicht nicht das einzige Erklärungsmuster für die derzeitigen Einsätze der Bundeswehr. Aber sie lassen eine extrem gefährliche Tendenz in der deutschen (und der EU-) Politik zum Vorschein kommen, die als eine menschenverachtende, chauvinistische Politik, die mit Gewalt die weltweiten Ungleichgewichte bewahren, die Ausbeutung fortsetzen und die Macht der Industrieländer und ihrer „Eliten“ zementieren will, bekämpft werden muss.

http://www.youtube.com/watch?v=sioJMpjNLQU

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9 thoughts on “Das hat der Horst doch nicht so gemeint!

  1. Ich erinnere da nur an ein Strategiepapier vom EU Institute for Security Studies, das mal bei wikileaks landete. Wir haben damals beide Artikel dazu verfasst (Nr.1 (von dir) und Nr.2 (von mir)). An sich ist es das Traurigste, dass es alles nichts neues ist. Es ist ja nicht Köhler, der diese Politik angeordnet hat, er war nur dämlich genug, sowas laut zu sagen, in einem Interview, das so weit verbreitet wird, dass der Sender es später doch kurz mal aus dem Netz nehmen muss. Ob man mit der Haltung weiter Präsident sein sollte, ist eine andere Frage…

  2. @ 4 lowestfequency:
    Ja, den Artikel von mi hab ich ja auch im Artikel verlinkt 😉
    Andererseits hat man es so natürlich endlich auch quasi aus deren eigenem Mund, worum es bei Militäreinsätzen in erster Linie geht, und kann entspechend argumentieren.

  3. Pingback: Mein Politikblog
  4. “Ob man mit der Haltung weiter Präsident sein sollte, ist eine andere Frage…”

    Er ist ja nicht der Einzige mit dieser Haltung. ‘Daemlich genug’ hat er laut gesagt, was bundes+politisch Realitaet ist.
    Diejenigen die ihn jetzt blutarm’halbseiden kritisieren, als auch Jene die ihn verteidigen, haben diesbezueglich (als auch andererseits) eines gemeinsam. Verlogen, laienhaftes Heucheln.
    So Mancher mag ja Politiker fuer dumm oder so halten, aber ich ‘glaube weniger, dass auch nur einer so verbloedet sein koennte, um nicht zu wissen, dass Koehlers ‘Ausrutscher Fakt ist.

    Zurueck zur Frage, ‘Ob man mit der Haltung weiter Präsident sein sollte, …’
    Diese Frage sollte man auch auf all die heuchelnden Politiker bezogen stellen.
    Alle rausschmeissen! :-), faellt ehh nicht auf. Die Statisten sind ja sowieso kaum im Reichstag vertreten.

    Noch ein biss’chen was von dem Merkel:
    “Doch so wenig man die Globalisierung abschaffen kann – was ich nicht will, was aber auch gar nicht ginge, selbst wenn man es wollte –, so wenig dürfen wir in unseren Anstrengungen
    nachlassen, den Gefahren für das Recht, die Sicherheit und die Freiheit unseres Landes dort zu begegnen, wo sie entstehen.”

    ” Es sind die asymmetrischen Konflikte, die unsere sicherheitspolitische Zukunft dominieren werden….Es sind Piraten vor der Küste Somalias, die mit räuberischen Attacken unsere Handelswege in Gefahr bringen. Es sind die Gefahren, die nicht dem klassischen, dem gewohnten Muster von Konflikten und Kriegen entsprechen, die auch aus weiter Entfernung in Windeseile direkt zu uns gelangen können.”

    Und ganz stolz auf den Kriegsfortschritt: “War es unter den Bedingungen des Kalten Krieges noch völlig undenkbar, so stand die Bundeswehr wenige Jahre nach der deutschen Einheit bereits als Teil von Friedenstruppen in Somalia oder auf dem Balkan. 1999 erfolgte die Beteiligung Deutschlands am Einsatz im Kosovo. Ohne Zweifel, es sind diese Einsätze im Ausland, die heute den Auftrag, die Struktur und den Alltag der Bundeswehr wesentlich bestimmen.”

    “Denn die Bundeswehr wird ihren Auftrag nur dann erfüllen können, wenn sie sich auf den nötigen Rückhalt in der Gesellschaft verlassen kann und wenn dieser Rückhalt auch sichtbar wird.”
    ………
    http://blog.gruene-friedensinitiative.de/?p=270

    Auch nicht ‘schlecht!

    Gruss
    Jake

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